Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen
Dieses Zitat stammt von Helmut Schmidt, 1980 über Willi Brands Visionen. Das heißt, er war damals Bundeskanzler und musste natürlich Realpolitik betreiben. Auf den heutigen Artikel kam ich durch den Kommentar von Dirk beim letzten Artikel, in dem er schreibt: „Ich würde es mal so sagen. Musk ist für die Visionen da, Gwyn Shotwell zum Geld verdienen.“.
Ich denke wie man zu dem Zitat oder allgemein zu Visionen steht, hängt davon ab, was man unter einer „Vision“ versteht. Helmut Schmidt hat natürlich die vielseitige Bedeutung von „Vision“ so interpretiert das man Dinge sieht, die es nicht gibt, also eine Krankheit. Das muss nicht mal so was wie eine Fata Morgana sein, also etwas was man sieht, aber was es in der Realität (zumindest an dem Ort wo man es sieht) nicht gibt. Viele Leute haben Visionen in diesem Sinn, als das sie Tatsachen anders wahrnehmen als andere. Es gibt Leute, die müssen sich dauernd die Hände waschen und wagen nicht anderen die Hand zu geben, weil sie Angst vor Keimen haben. Andere sehen in Kondensstreifen von Flugzeugen „Chemtrails“.
Ich will mich in diesem Blog auf zwei unterschiedliche Bedeutungen konzentrieren, und zwar den beiden Extremen: einmal in der Bedeutung von Vision als ein Idealbild der Zukunft und im anderen Extrem als etwas was man mit Anstrengungen erreichen kann. Dazwischen gibt es viele Abstufungen. So würde ich Martin Luthers „I have a dream“ Rede als ein durchaus erreichbares Ziel einstufen, das aber in dem damaligen gesellschaftlichen Umfeld – das sich ja leider bis heute nicht wirklich gebessert hat – aber als Vision auftrat.
Im Folgenden bezeichnet, wenn ich von „Vision“ rede die Bedeutung als Utopie einer Zukunft und die realistische Bedeutung bezeichne ich als „Plan“. Das Wort ist gut gewählt, denn ein Plan zeigt den Weg auf, wie man die Vision umsetzen kann. Ein Plan kann beliebig kompliziert sein, muss aber damit er als Plan durchgeht zumindest konkrete Lösungsansätze für auftretende Probleme und Herausforderungen bieten.
Politiker sollten – das meinte wohl Schmidt – eigentlich nur das letztere verfolgen. Denn sie haben ja nur eine, vielleicht mehrere Amtszeiten zur Umsetzung und müssen in dieser Zeit konkrete Schritte verfolgen. Eine Vision, die ein unbestimmtes Ziel in der Zukunft ist führt meist dazu, dass man in der Gegenwart nichts tut um dem näher zu kommen.
Ich dagegen liebe Pläne. Schon als ich meine ersten Berührungen mit Raumfahrt hatte, begann ich welche zu machen. Das war mit 15, 16 und ich fand raus das ich vieles Berechnen konnte – die Endgeschwindigkeiten von Raketen zum Beispiel. Dann nahm ich noch die Datenbasis die ich hatte, das waren Angaben von Raketen über Abmessungen, Dichten von Treibstoffen, Leistungsdaten und Daten von Raumsonden und entwarf eigene Raketen und ein Raumfahrtprogramm das selbst eine bemannte Raumstation umfasste, aber das sich meist um Raumsonden drehte.
Das hat sich bis heute gehalten, ab und an stelle ich ja so was im Blog vor, wobei das dann meist konkreter ist. So schwirrt mir gerade im Kopf das Konzept eine Mini-Raumsonde vor, die die Apollo-Landeplätze mit einer Auflösung unter 1 cm aufnehmen würde. Damit wäre alles recht gut erkennbar. Die Modefähren wären zum Beispiel rund 500 Pixel groß.
In dem Sinne ist Elon Musks Vision eine echte Vision. Das ist relativ einfach daran festzumachen, das er bisher nichts Konkretes zu seiner Umsetzung gesagt hat. Das betrifft sowohl den zeitlichen, wie organisatorischen wie auch dem technischen Ablauf. Er haut in regelmäßigen Abständen irgendwelche Zeitpunkte heraus, damit hat es sich aber auch. Als er im September 2016 das Starship vorstellte, war zum Beispiel die Rede, das ein Start zum Mars 2023 stattfinden würde mit einer Landung in diesem Frühjahr – also damals rund sieben Jahre in der Zukunft. Nun durchläuft das Starship die Testphase und nun soll Ende 2028 gestartet werden – mit einer von ihm eingeräumten Verzögerung auf 2030 (wohl wegen der zeitlichen Lage des Startfensters eher 2031) also erneut sechs Jahre in der Zukunft.
Doch wie soll diese erste Mission ablaufen? Werden die Reisenden auf dem Mars bleiben oder zurückkehren? Bauen sie eine Station dort auf oder bleiben sie im Starship? Welche Unterstützungsflüge gibt es? Sind sie autark oder nicht? Alles offen. Es ist kein Plan, es ist eine Vision.
Aber wenn man wirklich nur die Vision hat, dann sollte man schon zum Arzt gehen. Denn wenn wir von Visionären in der Geschichte reden, dann nicht von welchen die irgendeine Zukunftsvision hatten oder gar eine Vision im Sinne dessen was bei okkulten Ritualen herauskommt oder unter dem Eindruck halluzinogener Drogen. Die Visionäre, die wir bis heute bewundern, wie Martin Luther King oder Ghandi die taten auch etwas zur Umsetzung ihrer Vision. Ghandis Vision konnte er noch zu seinen Lebzeiten verwirklichen, die Gleichberechtigung der Schwarzen, die Martin Luther King vorschwebte, ist bis heute nicht erreicht, aber immerhin ein Stück weiter als 1965 wo er diese berühmte Rede hielt.
Wie sieht es da mit Musks Vision aus? Ja das Starship wird entwickelt. Aber das wird nicht entwickelt, um zum Mars zu fliegen, sondern um das Starlinknetz schneller aufzubauen. Es ist vom Design her sogar relativ schlecht geeignet für eine Marsexpedition, weil es eine hohe Trockenmasse hat und der bewohnbare Teil 40 m über dem Boden ist.
Aber damit ist es ja nicht getan. Das Starship ist vergleichbar mit der SLS, wobei die SLS sogar ohne Auftanken eine Mission ermöglicht. Es fehlt mindestens ein bemanntes Raumfahrzeug für die Reise zum Mars – wahrscheinlich auch für die Rückreise. Auf dem Mars braucht man eine Wohnung, ein Habitat. Das ist nötig, weil man bedingt durch die Himmelsmechanik erst nach 500 bis 600 Tagen zurückkehren kann. Die ganze Reise hin und zurück dauert dann rund drei Jahre.
SpaceX hat schon ein bemanntes Raumschiff entwickelt – die Crew Dragon. Diese brauchte fünf Jahre bis sie fertiggestellt war, dabei basierte sie auf der schon entwickelten Dragon für Fracht, die damals schon regulär flog. Der Auftrag hatte einen Umfang von 3145 Millionen Dollar. Das war zwar günstiger als beim Konkurrenten Boeing, der 4.820 Millionen Dollar bekam, aber es ist nicht die Veränderung um eine oder zwei Größenordnungen wie dies Elon Musk bei den Startpreisen des Starships verspricht und die bei den bekannten Schätzungen für ein Marsprogramm auch nötig ist.
Die Crew Dragon kann etwa eine Woche lang autonom arbeiten. Passiert etwas, so kann die Besatzung innerhalb einer Stunde zur Erde zurückkehren. Da ist es ein weiter Weg bis zu einem Raumschiff, das die Besatzung von der Erde zum Mars bringen muss und dafür mindestens sechs Monate lang autonom sein muss. Eine Rückkehr ist – wenn überhaupt – erst rund 780 Tage nach dem Start möglich und dauert dann weitere sechs Monate (im günstigsten Fall).
Egal wie Musks Pläne für den Mars aussehen, also ob man dort siedelt oder zurückkehrt. Er braucht ein Raumschiff, selbst wenn die Astronauten dann auch auf dem Mars in dem Raumschiff bleiben. So sollte man meinen, dieses wird derzeit entwickelt.
Aber es wird ja ein bemanntes Raumschiff entwickelt. Das Lunar Starship oder im NASA Sprachgebrauch das HLS (Human Landing System). Was das ist, ist offen, die Verträge, die mit der NASA geschlossen wurden, beschneiden auch die Information die Öffentlichkeit erhält. Ich deute die Abbildungen aber so, das es eine Dragon Kapsel auf einem Starship ist bei dem dann die Nutzlastsektion fehlt. Das macht meiner Ansicht nach auch am meisten Sinn, denn die Dragon existiert bereits und sie ist für bemannte Missionen qualifiziert. Sie benötigt eben einen Ausstieg hinten, wo sonst der Hitzeschutzschild ist, doch der Schild kann entfallen, weil die Astronauten ja von der Orion in den HLS umsteigen und nach Rückkehr zum Lunar Gateway ebenfalls in der Orion zur Erde zurückkehren.
Das bedeutet für dieses Lunar Starship sind die Anforderungen an den bemannten Teil sehr ähnlich wie bei einer Dragon. Auch hier reden wir von einer kurzen Zeitfrist, bei Notfällen kann man auch in kurzer Zeit wieder das Lunar Gateway anfliegen. Nicht in einer Stunde aber in einem Zeitraum von einem bis mehreren Tagen je nach Position des Lunar Gateways im Orbit. Die erste Testmission ist Artemis 3. Der Vertrag für das HLS wurde im Juli 2021 abgeschlossen. Derzeit kann die NASA keinen Startzeitpunkt nennen, sondern nur einen Bereich, und zwar zwischen September 2026 und Februar 2028. Das heißt: für die Modifikation eines existierenden Starships und einer ebenfalls existierenden Dragon werden über 5, eventuell sogar sechseinhalb Jahre benötigt. Laut Elon Musk arbeitet SpaceX an der für das Lunar Starship, aber auch für eine Marsmission nötige Auftanktechnologie mit Sparflamme, was die Einschätzung der NASA bestätigt.
Außer dem Starship (und eventuell die Dragon) hat SpaceX sonst nur an Hardware die Raumanzüge. Die letzte Tourismusmission zeigte, aber das diese weit hinter dem zurückliegen, was bei einer Marsmission gefordert ist. Die Anforderungen sind bei einer Marsmission, die höchsten die man an Raumanzüge stellen kann. Wie bei Raumanzügen, die auf der Mondoberfläche eingesetzt werden, müssen sie einerseits besonders beweglich sein, zum anderen müssen sie besonders gut vor den Temperaturen schützen die herrschen. Da die Anzüge aber sehr schwer sind, dazu kommt noch das „Backpack“ mit der gesamten Ausrüstung um die Astronauten mit Gasen, Wasser zu versorgen und die Temperatur zu regeln, daneben befindet sich dort die Kommunikation und wahrscheinlich braucht man auch Strom für Elektronik oder Werkzeuge. Da die Gravitation auf dem Mars aber höher ist, sind die Gewichtsbeschränkungen stärker. Demgegenüber müssen Raumanzüge für Außenarbeiten an der Raumstation weitaus weniger beweglich sein, da man sich dort an Haltemöglichkeiten fortbewegen kann und das Gewicht spielt wegen der Schwerelosigkeit keine Rolle.
Für Astronauten die dauerhaft in einem Raumschiff bleiben, braucht man eigentlich keine „echten“ Raumanzüge, also Anzüge die autark sind. Man kann durch Schläuche, die mit dem Lebenserhaltungssystem verbunden sind mit den benötigten Ressourcen versorgt werden und die Anzüge müssen eigentlich nur luftdicht sein. Im Mercuryprogramm wurden daher auch modifizierte Anzüge für Jetpiloten verwendet, die diese vor einer Dekompression beim Fliegen in großer Höhe schützen. Mehr scheinen die SpaceX Anzüge auch nicht zu leisten, denn bei dieser Mission waren die Weltraumtouristen über einen Schlauch fest verbunden und es zeigte sich das die Anzüge schon durch die Strahlung der Sonne beim Aufstehen und Hinaussehen aus der Luke stark aufheizten. Das ist, wenn ich nur ein Raumschiff entwickele, legitim – auch die orangen Space Shuttle Raumanzüge leisteten nicht mehr, sollten ja nur die Besatzung bei einem Leck schützen. Aber wenn ich auf den Mars will, dann sollte man doch gleich richtige Abzüge, die sich dafür eignen entwickeln, denn sonst fängt man ja von neuem an.
Ich stelle also fest: momentan arbeitet SpaceX weder an neuen Elementen die für eine Marsmission benötigt werden (Marshabitat, Treibstofffabrik, Stromversorgung, Gerätschaften etc…) noch entwickelt es die Hardware, die sie jetzt schon hat soweit weiter das sie einen Nutzen für eine Marsmission bringt. Demgegenüber wird von Elon Musk – niemand anders bei SpaceX äußert sich dazu – dauernd ein neuer Zeitpunkt für die erste Mission herausgehauen, sowie andere utopische Zahlen genannt (1000 Flüge pro Tag über 1000 Tage, Startkosten von wenigen Millionen Dollar für ein Starshhip). Es handelt sich also um Visionen, keine Pläne.
Dies muss Elon Musk ja wissen. Warum kündigt er Expeditionen an, wenn er genau weiß, das in seiner Firma nicht an ihnen gearbeitet wird? Es gibt einen Unterschied zur „Musk-Time“, dem über-optimistischen Schätzen von Zeitplänen oder Startfrequenzen. Denn es handelt sich bei den Angaben in Musk-Time ja um laufende Projekte. Ich habe mir überlegt ob ich schreiben soll, was ein möglicher Grund ist. Aber wenn ich mir Elon Musks Verhalten ansehe, dann scheint er zum einen immer unberechenbarer zu werden und zum anderen denke ich inzwischen das er jahrelang ein Image gepflegt hat, das des Menschenfreundes der die Menschheit retten will. Das stimmte schon früher nicht. Menschenfreundlich geht es in den Firmen bei denen er CEO ist, nicht zu und wer 280.000 km pro Jahr alleine in einem Düsenflugzeug zurücklegt ist auch nicht umweltfreundlich. Dieses Jahr mit dem drohenden Wahlsieg von Harris hat er sich zu Trump geschlagen, denn der hat schon während der ersten Amtszeit Reichen Steuergeschenke gemacht.
Ich denke diese Marsvision ist auch nur so etwas, um Aufmerksamkeit zu erregen. Darum geht es als verbindendes Element immer bei Musks Äußerungen. Denn irgendetwas hätte SpaceX ja in den letzten 20 Jahren mal testen können, zum Beispiel eine ausgediente Dragon zum Mars schicken können um Landesysteme zu erproben. Er will ja inkrementell entwickeln. Andererseits klappt dieses Konzept nicht, wenn schon bei der ersten Mission Menschen an Bord sind. Nun will Musk nach eigener Aussage die Marsexpedition mit seinem Vermögen finanzieren. Dahinter streckt zum einen die Erkenntnis, das die Investoren in SpaceX wohl kaum ein Unternehmen finanzieren das nur Geld kostet. Zum anderen kann er den Zeitpunkt so in eine beliebig ferne Zukunft legen.
Da Musks Vermögen zum größten Teil auf seinen Anteilen an Tesla beruht und deren Kurs nach einem Hoch von 407 Dollar vor drei Jahren zuerst gefallen und seitdem um 250 Dollar im laufenden Jahr pendelt, dürfte es noch eine Weile dauern bis er das Geld dafür zusammen hat.
Elon Musk und SpaceX haben nie irgendwelches Interesse an der Infrastruktur gezeigt die man auf dem Mars braucht um Menschen am Leben zu erhalten. Weder für einen Besuch noch für eine Besiedlung. SpaceX baut Frachtkapazitäten zum Mars vielleicht noch Raumschiffe. Das wars. Er ist also darauf angewiesen das Dritte ihm die fehlenden Elemente entwickeln. Deshalb halte ich diese Ankündigung des Marsfluges für eine Aufforderung an andere mit der Entwicklung einer sinnvollen Nutzlast zu beginnen. Ob das reicht darf bezweifelt werden. Die NASA ist mit den Mondplänen und dem Ersatz der ISS finanziell voll überfordert. Elon Musk müsste Investoren auftreiben, die bereit sind Firmen die in diese Richtung forschen und entwickeln mit Geld zu versorgen. Am Mars kann man außer man bekommt Steuergelder für eine Marsmission kein Geld verdienen. Also müssten diese Investoren zum Wohle der Menschheit investieren und nicht für Profit. Das gibt es schon heute. „The Giving Pledge“ von Bill Gates ist da sehr bekannt.
The Giving Pledge (englisch für Das Versprechen zu geben) ist eine philanthropische Kampagne, die im Juni 2010 von den Milliardären Bill Gates und Warren Buffett gestartet wurde. Sie soll besonders wohlhabende Menschen zu Spenden für das Gemeinwohl animieren. Die Initiative ließ auf ihrer offiziellen Website verlauten, dass sie „ein Versuch ist, die reichsten Personen und Familien in Amerika und der Welt einzuladen, um den Großteil ihres Reichtums der Philanthropie zu geben“. Zitat deutsche Wikipedia
Bill Gates scheint den Begriff Gemeinwohl sehr weit zu fassen. Er hat in Pharma Firmen investiert und in eine Firma die Atomreaktoren entwickelt. Ich gehe ebenfalls davon das die Investoren von SpaceX mehr fürs Gemeinwohl investieren als für Profit.
Natürlich ist die Frage wie weit man mit privaten Geldern kommt. Für unbemannte Missionen dürfte es reichen bspw. um Ressourcen wie Wasser zu finden. Man könnte Mars mit einem Starlink System ausstatten. Bemannte Reisen zum Mars dürften teurer werden.
Die Entwicklung von Raumanzügen dürfte vor allem der Erweiterung der Einsatzmöglichkeit von Dragon und Starship dienen indem sie Servicemissionen im LEO ermöglichen. Eher langfristig dem Einsatz auf dem Mond und Mars. Das sie immer so schlecht bleiben und mit Schlauch wie sich gezeigt hat darauf würde ich nicht wetten.