Die glorreichen 10 – die nutzlaststärksten Trägerraketen

Loading

Ich bin gerade im Allgäu beim Großputz. Nebenbei läuft der Fernseher, da kommt gerade „die glorreichen 10“. Eine Serie bei ZDF_neo bei der in kleinen Spielfilmchen mit der erklärenden Stimme von Hannes Jaenicke die Fakten erläutern. Diesmal geht es um die „Die unglaublichen Morde der Geschichte“. Da fiel mir ein, das wäre doch was für den Blog. Das ist kurzweilig und leicht zu lesen. Also fangen wir mal an, und zwar mit einer Rangliste der nutzlaststärksten Trägerraketen. Dabei geht es um Nettonutzlast und zwar in den LEO. Und die Liste enthält nur die Träger, die auch erfolgreich flogen. Also zumindest einmal einen LEO oder anderen Orbit erreichten. So fehlen die N-1 in der Liste, kein Start erreichte einen Orbit. Das gilt auch für das Starship, bei dem zudem die Nutzlast unbekannt ist. Also die echte Nutzlast, nicht die Fantasiebegabte von SpaceX.

Platz 10: Ariane 6 / Titan 4B

Platz 10 teilen sich zwei Träger, die in der Nutzlast nur um wenige Kilogramm auseinander liegen: Ariane 64 hat eine Nutzlast von 21.650 kg, die Titan 405B (ohne Oberstute) eine von 21.680 kg. Das kann sich aber bald ändern. Denn sehr bald wird Ariane 6 leicht verlängerte Feststoffbooster erhalten, die 1-2 t weitere Nutzlast addieren werden. Im Prinzip könnte man auch Ariane 5 hinzunehmen, die in der ESC-A Version 21,6 t LEO-Nutzlast hatte, aber nur theoretisch. Da sie auf GTO-Transporte ausgelegt war, hätte sie eine so große Nutzlast praktisch nicht befördern können.

Auch sonst unterscheiden sich beide Träger: die Titan 4B wurde eingestellt, weil ihre Fertigungskosten zu hoch waren. Sie kostete schon 2005 für eine LEO-Mission 358 Millionen Dollar, während die Ariane 64 heute bei 120 Millionen Euro liegt.

Platz 9: Proton

Die Proton gäbe es wohl nicht, wenn Chruschtschow nicht das verrückte Projekt einer enorm großen Wasserstoffbombe gehabt hätte, die als Zar-Bombe sogar getestet wurde und eine ICBM mit rund 25 t Nutzlast erforderte. Als die Proton dann einsatzbereit war, hatte die politische Führung aber gewechselt und Breschenjew fand, dass eine 50 MT Wasserstoffbombe überflüssig war, so wurde aus der übergroßen ICBM eine Trägerrakete.

Die Proton erreicht in der dreistufigen Version beim letzten Modell eine Nutzlast von 23 t. Sie ist der älteste Träger in dieser Übersicht. Die erste, noch zweistufige Version flog schon 1965. Die für LEO-Missionen gedachte dreistufige Version war essenziell für die Sowjetunion zum Aufbau ihrer Raumstationen Saljut 1-7 und Mir. Alle Module dieser Raumstationen wurden mit der Proton 3 gestartet. Die modernisierte Version Proton M transportierte dann auch noch drei ISS-Module. Inzwischen ist sie von der Angara abgelöst worden.

Platz 8: Space Shuttle / Angara A5 / Langer Marsch 5B

Auch den Platz 8 teilen sich drei Träger die nahezu die gleiche Nutzlast haben. Sowohl das Space Shuttle, wie auch die Angara in der A5 Version haben eine Maximalnutzlast von 24,5 t. Während das bei dem Space Shuttle aber die letzte Nutzlast nach etlichen Steigerungen war, könnte die Angara sich noch steigern. Denn Russland hat etliche Pläne, sowohl für Oberstufen, wie auch größeren Versionen mit sieben anstatt fünf URM. Allerdings erreichte das Space Shuttle auch diese Nutzlast. Die schwerste jemals beförderte Nutzlast eines Orbiters wog 19,3 t, während bisher die Angara noch keine LEO Nutzlast erfolgreich transportiert hat, obwohl der erste Start schon 2014 erfolgte. Insgesamt finden die Starts nur selten statt: in zehn Jahren erfolgten gerade mal neuen Starts, davon nur vier des derzeit größten Modells der Angara A5, obwohl eigentlich nur das URM neu ist, die Oberstufen wurden von anderen Modellen übernommen.

Das chinesische Gegenstück der Proton ist die Langer Marsch 5. Genauso wie die Proton kann sie mit einer Oberstufe GTO oder GEO Missionen durchführen. Die Langer Marsch 5B ohne Oberstufe erreicht 25 t in dem LEO und spielt beim bemannten chinesischen Raumfahrtprogramm die gleiche Rolle wie die Proton bei der Sowjetunion spielte. So transportiert diese Rakete die Module und Versorgungsraumschiffe für die chinesische Raumstation Tianhe. Sie kommt aber auch regelmäßig in die Nachrichten, weil China die leer 22 t schwere Oberstufe nicht aktiv deorbitiert und sich darauf verlässt, dass sie schon nicht da herunterkommt, wo sie Schaden anrichten kann.

Betrachtet man übrigens auch den Orbiter als Nutzlast, so würde das Space Shuttle von Platz 9 auf Platz 2 aufrücken, denn da die Fähren rund 80 t wogen und noch Treibstoff zum Verlassen des Orbits brauchten, betrug die Gesamtmasse mit Nutzlast maximal 110 bis 115 t.

Platz 7: Vulcan Centaur

Die neue Vulcan Centaur erreicht in der größten Ausbaustufe eine Nutzlast von 27,2 t. Das ist eine deutliche Steigerung vergleichen mit dem Vorgängermodell Atlas V, die maximal 18,8 t in einen LEO transportieren kann. Durch einen Großauftrag von Amazon ist die Zukunft der neuen Trägerrakete auch gesichert. Von der „Heavy“ Version wird es aber wenige Starts geben, weil sie im Prinzip die Delta IVH ersetzt, die im Mittel nur einen Start pro Jahr hat. Sie unterscheidet sich von der normalen Version nur durch ihre wesentlich größere Centaur Oberstufe. Ansonsten ist die Vulcan das US-Gegenstück zur Ariane 6: Das Konzept der Atlas V wurde übernommen, aber die einzelnen Stufen modernisiert.

Platz 6: Delta IVH

Die Delta IVH ersetzte beim US-Militär die viel zu teure Titan 4B, auch wenn wegen der wenigen Starts – wiederum nur militärische Missionen – die Delta IVH ähnlich teuer war. Das ist nicht ganz nachvollziehbar, weil es sich bei der Delta IVH eigentlich nur eine Delta IVM mit zwei weiteren Erststufen als Booster ist. Die Delta IVH wird wiederum von der Vulcan Centaur abgelöst, auch wenn die Heavy Version nicht ganz die Nutzlast der Delta IVH von 28,9 t erreicht. Das zeigt auch das Grundproblem dieser Schwerlastträger: es gibt einfach zu wenige „normale“ Nutzlasten, damit sie auf eine Starthäufigkeit kommen, die ausreicht, damit die Kosten nicht durch eine teure Einzelfertigung explodieren.

Platz 5: New Glenn

Einen deutlichen Sprung (in der Nutzlastkapazität) zu den vorherigen Modellen, die alle zwischen 20 und 30 t liegen, ist die New Glenn. Nominell sollte sie nach offiziellen Angaben eine Nutzlast von 45 t haben. Damit reichen zwei bis drei Flüge, um den Blue Moon Lander zum Mond zu transportieren, während die Konkurrenz bei SpaceX trotz nominell höherer Nutzlast des Starships über 10 Auftankflüge durchführen muss. Ob diese erreicht wird, das wird sich noch zeigen, denn der Jungfernflug nutzte sie noch nicht aus.

Platz 4: Falcon Heavy

Die genaue LEO-Nutzlast der Falcon Heavy kennt man nicht, SpaceX reklamiert auf ihrer Website 63,8 t, mehr als die New Glenn bei vergleichbarer Startmasse trotz schlechterer Triebwerke. Doch bei der kleineren Version Falcon 9 aus der sie entstand, werden auch auf der Website 22,8 t angegeben, aber in über 400 Starts wurden nie mehr als 17 t erreicht. Das dürfte wohl auch für die Falcon Heavy gelten. Ursprünglich wollte Musk die Version sogar einstellen, weil sich die Umsetzung dann doch als komplizierter erwies, als nur an die Falcon 9 zwei weitere Erststufen anzukoppeln. Nachdem es in den ersten Jahren kaum Starts gab, ist in den letzten Jahren es doch zu mehr Starts gekommen und die Rakete hat gerade einen Großauftrag (zusammen mit der New Glenn und Vulcan Centaur) seitens des US-Militärs für schwere Nutzlasten oder direkte GEO-Transporte (mit großen Nutzlasteinbußen) bekommen.

Platz 3: SLS

Die SLS ist für Mondmissionen gedacht, das ergibt eine kleine Problematik für diesen Vergleich. Die derzeitige Oberstufe – übernommen von der Delta IV, kann nicht die volle LEO-Nutzlast ausnutzen. Sie ist für so schwere Lasten nicht ausgelegt. Ohne Oberstufe wären etwa 70 t in einen LEO transportierbar, aber dann würde die Kernstufe ebenfalls in einen Orbit gelangen, was man nicht möchte. Eine zukünftige Oberstufe (Block IB) würde die Nutzlast auf 95 bis 105 t steigern, das läge dann eventuell sogar über die Kapazität der Energija, aber diese Block 1B ist eben noch nicht im Einsatz. Derzeit sieht es bei den Kürzungen der Trump Regierung sogar so aus, als würde sie eingestellt werden. Die SLS hält aber einen Rekord: sie ist in dieser Rubrik der teuerste Träger, inflationsbereinigt sogar noch teurer als die Saturn V.

Platz 2: Energija

Die Energija flog nur zweimal. Einmal mit der Raumfähre Buran, dem sowjetischen Gegenstück zum Space Shuttle und einmal mit einem Modell einer Weltraumwaffe, bei der die Zündung der Oberstufe aber scheiterte. Die Nordnutzlast ohne Buran betrug 88 bis 105 t, deutlich weniger als die Gesamtmasse des Space Shuttles der etwa 110 t mit der Nutzlast beim Erreichen des Orbits betrug. 88 t ist die Angabe für die ersten Flüge, Verbesserungen sollten sie dann auf 105 t steigern. Anders als bei dem Space Shuttle war die Nutzlast aber variierbar durch die Zahl der Booster, die Zenit-Erststufen waren. Normal waren vier Stück, doch es konnten auch 6 oder 8 sein. Nach Einstellung der Energija war sogar eine Mini-Energija als unbemannte Trägerrakete angedacht, dann mit nur zwei Boostern. Mit vier Boostern lag die Nutzlast zwischen 88 und 105 t, mit sechs 123 t und mit acht wären 145 t möglich, womit diese Variante dann die nutzlaststärkste Rakete in dieser Liste ist.

Platz 1: Saturn V

Der Spitzenreiter bei den „glorreichen 10 nutzlaststärksten Raketen“ ist die Saturn V. Mit drei Stufen lag die Nutzlast bei 130 t für einen niedrigen Erdorbit. Allerdings flog die Saturn V nie dreistufig in einen Erdorbit. Der einzige Start in einen Erdorbit war der letzte einer Saturn V mit Skylab, mit den zwei Stufen die dafür genutzt wurden, lag die Nutzlast immer noch bei 98 t. Bis heute unerreicht ist auch, das alle 13 Starts der Saturn V gelangen. Das Starship demonstriert seit zwei Jahren, das dies durchaus nicht selbstverständlich ist und dabei ist der technologische Sprung von der Falcon 9 zum Starship viel kleiner als der von der Saturn IB zur Saturn V. Ebenso erstaunt die schnelle Entwicklung. Weniger als 70 Monate nach Beschluss der Entwicklung fand der erste Start statt – selbst heute brauchen Träger länger für die Entwicklung wie New Glenn, Ariane 6 oder das Starship beweisen. Das hatte aber auch einen Preis: Die Entwicklung war extrem teuer, in etwa 70 Mrd. Dollar in heutiger Kaufkraft. Hätte SpaceX das Starship genauso schnell wie die Saturn V entwickelt, so wäre der Erststart im Juli 2022 erfolgt und die Mondlandung des Lunar Starships wäre im März 2024 erfolgt – Apollo 11 landete sieben Jahre und sechs Monate nach Entwicklungsbeginn.

5 thoughts on “Die glorreichen 10 – die nutzlaststärksten Trägerraketen

  1. Nette Idee.

    Apollo war wirklich flott. Mein Gott, man vergisst das gerne, vor allem wenn man den Stand der Raketen technik zu der Zeit bedenkt ist das Wahnsinn.

    Mich wundert immer noch die geringe Nutzlast bei SLS, da waere das C-Shuttle wohl doch die bessere und wesentlich geunstigere Variante gewesen. Schade eigentlich.

    1. Sehr unwarscheinlich das das Shuttle-C mehr Nutzlast als die SLS gehabt hätte (bei gleicher Umlaufbahn). Beide haben mehr oder weniger die selbe Technik das SLS nur mehr davon, sprich 4 statt 2 oder 3 RS-25. Was beim SLS Nutzlast in den LEO kostest ist das man sie optimiert hat zum Mond zu kommen.

      1. Ein Vergleich ist schon deswegen nicht möglich, weil es nicht DAS Shuttle-C gab sondern das ein Sammelbegriff für verschiedene Vorschläge war. so gab es zwei oder vier Booster, 4 oder 5 Segmente pro Booster. Man konnte das Shuttle weiterverwenden oder auf Nutzlastraum und Triebwerke kürzen, wiederverwenden oder nicht. Schon bei den einfachen Konzepten variierte die Nutzlast so zwischen 65 und 80 t im Orbit, radikalere Ansätze kamen über 100 t.

        1. Vorschläge gab es sicher unzählige.

          https://nss.org/colonies-in-space-by-t-a-heppenheimer/

          In diesem alten Buch von Ende der 70er gab es auch schon Vorschläge für ein Cargo Shuttle bzw. ein Schwerlastrakete, welche die SSME nützen würde.

          Und bei Marietta Martin hat Robert Zubrin’s Kollege David Baker Anfang der 90er eine C Variante mit 130T Kapazität entwickelt, welche er Z nannte und später zu einer Trägerrakete weiterentwickelt, welche er „Ares“ nannte.

          Nein, nicht die Gleiche wie bei Constellation, das war erst knapp ein Jahrzehnt später.

          Aber ihr seht, dass auf dem Papier alles geht, es aber meist geduldig bleibt.

Schreibe einen Kommentar zu Vineyard Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..