Es ginge zuverlässig und preiswert: Die ISS Versorgung

Eines der Ergebnisse der Griffin Administration war nicht nur die Außerdienststellung der Space Shuttles, sondern auch, dass die NASA „vergaß“ sich zeitnah um Ersatz zu kümmern. Während der Beschluss für die Ausmusterung schon im Jahre 2004 fiel, wurden erste Aufträge für Experimentalvehikel erst 2006 vergeben und Transportaufträge erst 2008. Dabei war eigentlich klar, dass nach dem Ausmustern der Space Shuttles eine Lücke klafft: ESA, Russland und JAXA müssen nur soviel zur Versorgung der Station leisten wie vertraglich vereinbart. Die Hauptmenge müssen die USA transportieren.

Nun gibt es zwar die Versorgungsflüge zur ISS von OSC und SpaceX. Aber sie kommen recht spät und reichen nicht aus. Es gibt zwischen 2011 und 2014 eine Transportlücke in jedem Jahr. Sie beträgt zwischen 3 und 12 t nach Arianespace Angaben.

Nun gab es auch andere COTS Bewerber. Nicht nur neue Raumfahrtfirmen, sondern auch die etablierten Boeing und Lockheed-Martin. Boeing wollte das ATV mit der Delta IV starten und Lockheed Martin das HTV und ATV.

Meine Meinung nach wäre das eine sinnvolle Alternative gewesen:

  • Ein Space Shuttle kann bis zu 9 t zur Station transportieren, vier Flüge pro Jahr waren geplant. Es gibt also eine beträchtliche Versorgungslücke.
  • Sowohl Dragon wie Cygnus transportieren nur rund 2 t Nutzlast. Man benötigt also sehr viele Flüge, während das HTV und ATV in der 6-8 t Nutzlastklasse liegen
  • ATV und HTV sind wie Delta IV und Atlas V schon verfügbar. Es gäbe also nicht das Problem einer zeitlichen Lücke durch Entwicklung und Erprobung Continue reading „Es ginge zuverlässig und preiswert: Die ISS Versorgung“

Weiß Griffin was er will?

Am Montag hat NASA Administrator Griffin mal wieder eine Rede gehalten. Inzwischen schaue ich regelmäßig nach was er so sagt, weil jedesmal was neues rauskommt. Es ging diesmal um die Kommerzialisierung des Weltraums und die NASA. Diesmal ist der folgende Absatz interessant:

"I’ve been asked on many occasions for my opinion on commercial crew transportation to ISS. We’ve made an initial $500 million dollar bet on commercial cargo service capability to ISS. That is actually the more critical need, and while I certainly wish that I had more money to invest in developing COTS crew capability – and many other things – I think it unwise to raid other accounts to increase our bet on COTS crew capability.

For those who claim that NASA’s systems, the Orion crew vehicle and Ares 1 launcher, will compete with commercial providers, I will again remind everyone that, in our plan, commercial systems are "primary" for ISS logistics. Orion and Ares are the backstop if U.S. commercial providers are not successful in developing such capability. They are sized for missions beyond low-Earth orbit, and will not be as cost-effective as commercial systems built specifically for ISS transport. We should not yield to the temptation to build yet another government system solely for access to LEO. As a matter of fiscal responsibility, we should not design systems like Orion and Ares for low-Earth orbit operations, and then redesign them later for missions to the moon, the near-Earth asteroids, and Mars. And as a matter of strategic policy, the Earth-to-LEO market niche should be left to commercial providers, if they can fill it, and to government systems only if they cannot. "

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Willkommen in der Besenkammer

Nachdem das Hubble Weltraumteleskop ja just der letzten Servicemission ausfiel und diese erst auf Februar und nun auf "unbestimmt" (NASA Jargon für "gestrichen") verschoben" ist wird nun die ISS für 6 Personen ausgebaut. Die Besatzung hat Schlafkabinen und anderes Equipment für 3 weitere Personen an Bord gebracht.

Wo die Astronauten wohnen sollen. Das ist ein Beispiel wie die ISS sukzessive verkleinert wurde. Bei der ISS muss man unterscheiden zwischen den bemannten Strukturen und den unbemannten Teilen – Solarzellenauslegern, Mast, Radiatoren. Während es bei diesen kaum Streichungen gab, wurde bei den bemannten Teilen eingespart. Auch diese lassen sich einteilen in 3 Kategorien

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Warum das HTV?

HTVBeim Ansehen der neuesten Nachrichten über Weltraumforschung stolperte ich über diese. Danach soll die NASA planen einige HTV von Japan zu kaufen um damit die Lücke in der Versorgung der ISS zu schließen, die nach der Ausmusterung der Space Shuttles 2010 klafft. Das ganze ist noch vage und ich fand die Meldung auch nur in einem von 4 New Portalen. Trotzdem stellt sich die Frage, warum es das HTV ist.

Wenn man nach den kosten fragt, so wäre sicherlich eine Versorgung mit Progress Transportern das preiswerteste. Auch wenn es dazu keine genauen Zahlen gibt, so gibt es doch Angaben über die startkosten einer Sojus Rakete und die über einen Flug zur ISS mit einer Sojus Kapsel und auf deren Basis kann man leicht errechnen, das die Progress-Transporter, trotz ihrer kleinen Nutzlast preiswerter als ein ATV und HTV sind. Das ist auch logisch, denn schlussendlich ist der größte Posten bei jeglichen Weltraumprojekten der Personalaufwand für Fertigung, Qualitätssicherung und Dokumentation durch gut bezahlte Spezialisten. Da das Lohnniveau in Russland viel geringer als im Westen ist, werden immer russische Angebote billiger sein.

Gegen Progress spricht wahrscheinlich die geringe Kapazität und die Tatsache, dass Sojus Zubringer und Progress Transporter an denselben Docking Adaptern ankoppeln. Wenn man ab 2009 die Stammbesatzung auf 6 Personen erhöhen will braucht man aber doppelt so viele Sojus Raumschiffe nämlich 2 pro Besatzung.

Das HTV kann man in der Technik auch eher mit dem europäischen ATV vergleichen. Beides sind Transporter die nur für die Versorgung der ISS entwickelt wurden. Die Progress Kapseln dagegen umgebaute Sojus Kapseln.

Die Unterschiede liegen im Detail:

  • Das HTV ist leichter: es wiegt nur 10500 kg beim Start und kann so auch nur 6000 kg Fracht transportieren, davon 4500 kg im Druckbehälter und 1500 kg ohne Druckausgleich (z.B. Treibstoff, Wasser, Gase).
  • Das ATV wiegt doppelt so viel, transportiert aber auch mehr Fracht: Bis zu 7667 kg, zusätzlich bis zu 2613 kg Treibstoff.
  • Das ATV ist flexibler als das HTV. Zum einen ist die Aufteilung der Fracht sehr variabel: Der Anteil an Fracht im Druckbehälter ist z.B. zwischen 1500 und 5500 kg wählbar. Bei Wasser sind es 0-840 kg, bei Gasen 0-100 kg und bei Treibstoff zum Nachfüllen 0-860 kg. Der Gesanttreibstoffvorrat (für den Antrieb des ATV) ist zwischen 0 und 4700 kg einstellbar. Die Startmasse liegt heute bei 20.75 t, kann aber angehoben werden, wenn die Ariane 5 leistungsfähiger wird.
  • Das ATV kann anders als das HTV selbstständig an die ISS andocken und ist autonomer. So ist es für einen Betrieb von 6 Monaten ausgelegt, während das HTV die ISS innerhalb von 7 Tagen erreicht haben sollte und nach 30 Tagen wieder abdockt.
  • Das ATV hat anders als das HTV die Reboost Möglichkeit: Sprich es kann sowohl Treibstoff für die ISS mitführen wie auch durch den eigenen Antrieb die Station anheben (und tat dies in den letzten Wochen auch schon). Die ISS sinkt etwa um 100 m pro Tag und würde ohne diese Reboost Manöver innerhalb von wenigen Jahren verglühen.
  • Beide Raumschiffe können etwa 6000 kg Müll entsorgen.

Das ATV erscheint also flexibler zu sein als das HTV. Warum habe ich nicht von Verhandlungen mit der ESA gehört?

ATVIch denke es gibt zwei sehr wichtige Unterschiede, die für die NASA wichtig sind:

Erstens die Startmasse: Die NASA hat ja die Politik „Ich mach alles selbst“. Satelliten der NASA oder des DoD sind noch nie von anderen Trägerraketen gestartet worden und es ist ja auch die Rede von dem Kauf von HTV, aber nicht von deren Start. Es gibt derzeit nur eine US Rakete, welche das ATV transportieren könnte, das ist die Delta IV Heavy. Diese wird aber sehr selten eingesetzt. Mit 10.5 t Startmasse ist das HTV dagegen von allen Atlas Versionen und der Delta 4M (4,2) und (5,4) transportiert werden. Auch die Falcon 9, sollte es sie jemals geben wäre dazu geeignet. Diese Politik ist allerdings schon in der Vergangenheit gebröckelt, zumindest bei der ISS, als man erst die beiden russischen Module Sarja und Swesda kaufte und dann zahlreiche Teile für die Innenausrüstung wie z.B. die Toilette die kürzlich so viel Aufsehen machte. Auch Sojus und Progress Starts wurden gekauft als die Space Shuttles am Boden blieben und Sojus Zubringer Flüge werden ab 2009 ebenfalls bezahlt werden um die Stammbesatzung zu halten.

Zweitens die Kopplungsposition. Das HTV wird vom Canadarm2 an den Verbindungsknoten Harmony bugsiert und dort angekoppelt. Das ATV koppelt dagegen an Swesda an, wo sich auch die Treibstofftanks der Station befinden. Es befindet sich dann damit in der Längsachse und kann so die Station anheben. Diese Kopplungsstutzen wird auch für die russischen Progressmodule genutzt. Das ist eine Konkurrenzsituation und wahrscheinlich das wesentliche k.o. Kriterium für das ATV. Den verbunden mit den weitaus günstigeren Startmöglichkeiten einer Ariane 5 ist das ATV die günstigere und flexiblere Lösung für die Versorgung der ISS.

Was mich in diesem Zusammenhang wundert ist, das die NASA so spät reagiert. Tatsache ist doch, das schon Anfang 2004 beschlossen wurde die Space Shuttles nach Fertigstellung der ISS auszumustern. Dies wird Mitte bis Ende 2010 sein. Damit standen 6 Jahre zur Verfügung um ein eine Alternative zu finden. Bei dem bemannten Teil ist das die Orion Kapsel, die langsam Gestalt annimmt, aber wie immer bei bemannten Projekten deutlich länger als 6 Jahre braucht um einsatzfähig zu sein. Ein unbemanntes System hätte man dagegen in 6 Jahren verwirklichen können. doch mehr als zwei Kontrakte zum einen für SpaceX und zum anderen für OSC zur Entwicklung eines Versorgungsraumschiffes gab es bislang nicht. Keinen Auftrag für ein System selbst und vor allem die beiden Kontrakte sind jung – vom letzten und diesem Jahr. Man hat also 3-4 Jahre Zeit unnütz verstreichen lassen.

Insgesamt habe ich den Eindruck bei der ISS, das es hier sowohl an dem politischen Willen, wie auch einem schlüssigen Konzept zur Versorgung und Aufrechterhaltung des Betriebs fehlt.