Braucht man nukleare Antriebe?

Am Samstag sah ich auf Arte einen Science-Fiction film über eine bemannte Marslandung und danach eine Dokumentation. Dabei trat man den Flug zum Mars mit nuklearen Antrieben an. Das hat schon Tradition: Schon Wernher von Braun propagierte diese Technologie und sie wurde in den 60 er Jahren ausgiebig auf der Erde getestet.

Vielleicht erkläre ich mal in einfachen Worten, wie ein nuklearer Antrieb funktioniert. Wer es genauer wissen will findet mehr darüber in einem Aufsatz von mir. Technisch gesehen unterscheidet einen nuklearen Antrieb nur eines von einem chemischen Antrieb. Anstatt heiße Gase durch eine Verbrennung zu erzeugen, macht dies ein Kernreaktor. In der Brennkammer steckt ein ultrakompakter Kernreaktor. Er erhitzt sich durch den Zerfall des Urans und wird gekühlt durch Wasserstoff, der sich dabei erhitzt und als heißes Gas die Düse verlässt.

Die Temperatur des Gases ist dabei beschränkt auf 2200 K, höhere Temperaturen würden zum schmelzen des Reaktorkerns führen. Damit man damit überhaupt eine höhere Ausströmgeschwindigkeit als der chemische Antrieb erreicht, bei dem man Verbrennungstemperaturen von 4000 K erreicht muss man den Wasserstoff mit seiner geringen Molekularmasse als Treibstoff einsetzen. Es soll nicht verschwiegen werden, dass es auch fortgeschrittene Konzepte gibt, bei denen der Reaktorkern verdampft und durch die höheren Temperaturen höhere Ausströmgeschwindigekeiten erreicht. doch solche Reaktoren sind noch nicht experimentell erprobt 8und man wird dies auf der Erde wegen der enormen Verstrahlung der Umgebung mit dem Antriebsgas, das prinzipbedingt radioaktives Material enthält niemals tun9 und zum zweiten kann man einen solchen Reaktor genau einmal zünden, danach löst er sich nämlich in Gas auf.

Nukleare Antriebe mit Festkernreaktoren erreichen Ausströmgeschwindigkeiten von 8100 m/s. Das war der Grund warum sie so attraktiv erscheinen, denn Wasserstoff/Sauerstoff erreicht maximal 4500-4600 m/s. (4550 m/s sind bislang erreicht worden).

Doch dem stehen einige Nachteile gegenüber. Zuerst einmal das Risiko bei einem Fehlstart, Der Reaktorkern ist nicht abgeschirmt, er sitzt in der Brennkammer einer Rakete. Bei einem Fehlstart würde radioaktives Material in großer Menge freigesetzt werden. Das wird wohl nicht so akzeptiert werden. Die einzige akzeptable Möglichkeit dürfte es sein, dass man den Reaktor schützt, zum Beispiel. indem man die Brennkammer in einem Schutzmantel in den Orbit bringt, dort montiert und dann erst zündet. Das macht die Technologie deutlich teurer. teuer ist sie sowieso, denn ein Kernreaktor ist teurer als eine einfache Brennkammer.

Das zweite ist, dass ein Nuklearantrieb deutlich schwerer als ein chemischer antrieb ist. Zum einen wegen des Reaktors, vor allem aber weil der Wasserstoff enorm voluminöse Tanks braucht. Das sind die Daten einer Stufe die man in den 60 er Jahren für einen Marsflug propagierte:

Parameter Größe
Höhe (gesamte Stufe) 43.69 m
Durchmesser 10.55 m
Leistung 4500 MW
Gesamtgewicht 178321 kg
Leergewicht 34019 kg
nutzbarer Wasserstoff 128600 kg
Schub 867 kN
Ausströmgeschwindigkeit 8090 m/s
Ausströmgesch. Boden 3720 m/s
Brennzeit: 1200 sec

Vergleichbar in der Startmasse ist die H170 Stufe der Ariane 5:

Parameter Größe
Höhe (gesamte Stufe) 30,50 m
Durchmesser 5,40
Gesamtgewicht 188600 kg
Leergewicht 14100 kg
nutzbarer Wasserstoff 170000 kg
Schub 1350 kN
Ausströmgeschwindigkeit 4248 m/s
Ausströmgesch. Boden 3020 m/s
Brennzeit: 540 sec

Gegenüber dem nuklearen Antrieb ist die H170 viel kleiner, weil der Wasserstoff nur 1/8 des Treibstoffs ausmacht. Trotzdem ist der Schub höher und das Voll/Leergewichtsverhältnis günstiger. Dabei ist das Triebwerk nicht für den Betrieb im Vakuum optimiert. Würde man dies tun so wäre der spezifische Impuls noch etwas höher. Für eine Geschwindigkeitsänderung von 4000 m/s wie man sie zum Start zum Mars braucht erreichen sich folgende Nutzlasten:

  • NERVA II Antrieb:151.3 t
  • Chemischer Antrieb: 101.4 t.

Dieser Gewinn von 50 % ist auch gegeben, wenn man dann in den Marsorbit einschwenkt und von dort zurückkehrt. Da ein Großteil der Startmasse auf den Treibstoff entfällt, reduziert sich die Startmasse im Orbit so um etwa 50 %. (Ein Ingenieur sprach im Film von 7 anstatt 11 Starts einer Schwerlastrakete, was in etwa die gleiche Größe ist). Die Frage ist ob diese 50 % es rechtfertigen. Ich meine nicht und die meisten Experten ebenfalls. Wenn überhaupt, so hat nukleare Energie vielleicht eine Chance als Stromversorgung – Irgendwo muss ja der Strom für die Besatzung herkommen und Solarzellen im Bereich von Dutzenden Kilowatt auf der Marsoberfläche aufzubauen dürfte etwas schwierig werden. Dann könnte man mit dem Strom auch Ionentriebwerke antreiben um die Reisezeit zu reduzieren.

Was spart man ein? Nun mit einem chemischen Antrieb rechnet man heute so etwa 800-1000 t die man in einen Erdorbit bringen muss (passend dazu auch die Anzahl von 11 Flügen einer 80 t Schwerlastrakete in dem Beitrag). Durch nuklearen Antrieb würde man also den Transport von 350 t einsparen. Nimmt man die Nutzlast von Ariane 5 (25 t) und ihren Startpreis (etwa 135 Millionen Euro), so würde man so Transportkosten von knapp 1.9 Milliarden Euro einsparen. Vorausgesetzt die Schwerlastrakete wäre genauso teuer wie eine Ariane 5 (in der Praxis wohl eher preiswerter). Ob man allerdings für 1.9 Milliarden Euro einen funktionierenden Nuklearantrieb nach 40 Jahren ohne Entwicklung bauen kann? Ich bin da skeptisch.

Zum Schluss noch die Mutter aller Fragen – Warum war man damals so viel mehr überzeugt von diesem Antrieb? Nun zum einen hat sich seitdem die Haltung zur Kernenergie gewandelt. Seit Ende der Entwicklung von SERT und NERVA gab es Harrisburg und Tschernobyl. Inzwischen baut man kaum noch neue Reaktoren, obwohl diese sicher sicherer sind als die alten und erst recht als diese weltraumtauglichen Reaktoren.

Das zweite ist, das man damals an andere Missionen dachte. Heute plant man Marsexpeditionen die sich über 3 Jahre hinziehen, mehr als ein Jahr sind die Astronauten alleine unterwegs zum und vom Mars, 500-700 Tage müssen sie dort ausharren, bis sich wieder ein Startfenster öffnet um mit geringer Geschwindigkeit zurück zur Erde zu starten.

In den 60 ern dachte man an andere Bahnen. Man wäre schnell zum Mars geflogen, lange vor dem günstigsten Termin. Etwa 20-30 Tage dort geblieben und dann wieder zurück geflogen. Diese Bahnen gehen nur, wenn man nicht die energetisch günstigsten nimmt und jeder Tag auf dem Mars ist kostbar, da die Startenergie dann recht rasch ansteigt. Als Preis für diese Kurzeitmissionen von 400 Tagen Dauer steigt die Startenergie an, sowohl von der Erde zum Mars wie auch zurück. Je größer diese aber ist, desto mehr wirkt sich der höhere spezifische Impuls von nuklearen Triebwerken aus.

Heute ist man technologisch weiter. Man baut heute Module für die ISS, die 15 Jahre lang betrieben erden sollen. Es gibt Langzeitflüge von bis zu 400 Tage in der Schwerelosigkeit. Die Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Technologien hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen – 1970 plante man für Viking eine 180 Tages Mission und für Mariner 8+9 eine 90 Tages Mission. Heute sind Messenger und New Horizons auf Missionen die sich über 9 Jahre erstrecken. Der Mars Global Surveyor hat 10 Jahre im Marsorbit gearbeitet, andere Raumsonden wie Cassini oder Galileo haben auch die 10 Jahresgrenze geknackt. Es ist heute nicht notwendig Zeit zu sparen auf Kosten der Startenergie.

Gut was gibt es sonst noch so neues? Hinsichtlich Web nicht viel.  Ich habe mich in der letzten Zeit vor allem mit meinem (Mini) Büchlein beschäftigt. Der Text ist geschrieben, die Abbildungen sind eingefügt. 64 Seiten sind es geworden. Kosten wird es wahrscheinlich 5-5.50 Euro. Nun muss ich es nochmals genau durchgehen bevor ich es veröffentliche. Das wird es aber dann auch erst mal gewesen sein, denn der Arbeitsaufwand ist schon enorm, obwohl ich hier auf vieles zurückgreifen konnte, was ich schon vorher recherchiert habe. Das heißt allerdings noch keine Entwarnung für alle die mehr neue Aufsätze haben wollen – Auch sonst ist es derzeit zeitlich sehr knapp. Normalerweise sind die Semesterferien eher ruhig, aber diese Ferien muss ich mein Labor komplett neu einrichten, das bedeutet bei unserer Software 13 PCs individuell installieren, da Images wegen Lizenzgründen nicht gehen und zudem muss die Software für die Verwaltung der PCs angepasst werden. Danach steht dann noch eine Woche an, in der ich bei einer anderen Firma etwas programmiere.

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