Der mündige Verbraucher

Am Freitag bekam ich mal wieder einen Anruf vom Fernsehen, ob ich nicht in einer geplanten Serie über Ernährung und Werbung etwas sagen könnte. Ich habe, wie bislang immer, abgelehnt. Bisher mehr, weil mir die Sender und ihre Konzepte nicht gefielen (Pro7, RTL, SAT1) Diesmal weil ich seit 8 Jahren eben als Programmierer arbeite und weitgehend nicht mehr vertraut bin, mit dem was aktuell so diskutiert wird. Daneben habe ich keinen besonders großen Drang im Fernsehen aufzutauchen. Das sollen andere machen für die es wichtiger ist, dass sie jeder kennt.

Ich hatte dann eine längere Diskussion mit dem Redakteur, Es drehte sich vor allem um die Werbung von Firmen im Lebensmittelbereich. Das diese suggestiv und falsch wäre. Nun ja, man kann von mir nicht gerade behaupten, ich würde gutheißen, wie manches beworben wird, doch das ganze wird durch unser System gedeckt.

Einen Schock den jeder Lebensmittelchemiker durchmacht ist, wenn er von der Uni kommt und dann in einer staatlichen Untersuchungsbehörde tätig ist. Jahrelang bekommt man auf der Universität ein naturwissenschaftliches Denken vermittelt, bei dem harte Fakten zählen, die man nicht zerreden und missdeuten kann. Dann ist man mit dem Lebensmittelrecht konfrontiert, bei dem es um Paragraphen und viel schlimmer noch um Kommentare geht. Also für jeden der es nicht so genau kennt: Es gibt das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz bei uns als zentrales Recht zum Verbraucherschutz. Das wird ergänzt durch EU Verordnungen die entweder direkt gelten oder als Richtlinie in nationales Recht gegossen werden und dann noch einigen Verordnungen für besondere Lebensmittel. Die Gesetzte alleine sind als Loseblattsammlung dicker als das Standardwerk über Lebensmittelchemie.

Das alleine reicht aber nicht. Abgesehen von den echten Verstößen, die eindeutig sind, geht es meist um Aussagen und ihre Bewertung und da geht es weniger um naturwissenschaftliche Korrektheit als um Kommentare in Rechtsbüchern zu schon erlassenen Urteilen. Das ganze geht dann in der Richtung "Die Aussage X klingt ähnlich oder ist vergleichbar mit der Aussage Y, zu der das Gericht Z in dem Urteil vom …. folgendes sagte".

Eigentlich sollte die rechtliche Würdigung die Sache der Anwälte und Staatsanwälte und Richter sein und der Lebensmittelchemiker sich auf seine Kompetenz beschränken, die eben in der naturwissenschaftlichen Würdigung besteht. Doch da die Juristen keine Ahnung von Naturwissenschaft haben, läuft es meist darauf hinaus, dass die Lebensmittelchemiker sagen nach welchen Paragraphen sie es beurteilen würden und warum.

Umgekehrt gibt es in größeren Firmen nicht wenige Juristen die nichts anderes zu tun haben als Urteile zu studieren und Kommentare zu lesen um Werbeaussagen so zu gestalten dass sie eben haarscharf nicht unter ein Verbot fallen. Der häufigste Fall ist die gesundheitsbezogene Werbung, wobei man sagen sollte, wohl eher Krankheitsbezogene Werbung. In der Kernaussage bedeutet es, dass man Lebensmittel nicht so bewerben darf, dass der Eindruck entsteht, sie könnten Krankheiten lindern oder als Arzneimittel dienen. Was macht man dann mit Aussagen wie "Hilft Ihnen sich besser zu fühlen" oder "Über längere Zeit genommen reguliert es die Verdauung"? Solche Aussagen sind so lange zulässig bis es ein Gerichtsurteil für oder gegen sie gibt, wobei die staatlichen Behörden eine gewisse Scheue vor großen Firmen haben. Nehmen wir beispielsweise das Gebot der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, nachder die Kennzeichnung gut lesbar sein soll und dann schauen sie sich Schokoriegel an, bei denen das in Gold auf Schwarz in kleiner Schrift auf einer Falzkante geschrieben steht. Das ist so seit ich denken kann und keiner macht etwas dagegen.

Dreh- und Angelpunkt ist das unser Lebensmittelrecht von dem "mündigen Verbraucher" ausgeht, das heißt einem informierten Verbraucher. Ich verrate ihnen nun ein Geheimnis: Den gibt es nicht! Meiner Erfahrung nach gliedern sich die Verbraucher in zwei Fraktionen. Die eine hat von Ernährung, den Inhaltsstoffen der Nahrung, ihrer Bedeutung und gesunder Ernährung keine Ahnung und interessiert sich auch nicht besonders dafür. Diese Verbraucher können aber die neusten Geschichten aus dem britischen Könighaus, die Unterschiede zwischen einem AMD und Intel Prozessor oder die Vorzüge eines BMW Coupé im Detail wiedergeben. Die zweite, kleinere Gruppe ist informiert, jedoch verzerrt. Es fehlen Grundlagen, aber jegliche negative Meldung wird aufgesogen weil ein Schwamm. Von dieser Fraktion kommen dann die abenteuerlichsten Unterstellungen an die Lebensmittelindustrie und so Sprüche wie "Es ist ja überall Gift drin"….

Zur Werbung selbst: Es ist doch logisch, dass ein Hersteller eines Lebensmittels dieses so macht, dass er möglichst viel Umsatz damit macht. Es schmecken nun mal Produkte besser mit viel Fett und Zucker, wenn der Verbraucher eine Milchschokolade mit Füllung kauft, die nur 30 % Kakao hat, weil sie süß ist und eine Zartbitter mit 60 % Kakao stehen lässt weil die weniger süß ist, warum sollte er das eigentlich bessere Produkt herstellen? Diesen Grundsatz findet man nur konsequent angewandt bei fast allen Produkten die auf dem Markt sind, und sie basieren auf dem Kaufverhalten der Verbraucher und dieses wiederum auf deren Geschmack.

Die Werbung richtet sich nach den Gesetzen, manchmal am Rand, manchmal vielleicht etwas drüber (und bekommt dann einen Dämpfer wie die Werbung mit der "Süße von Früchten" bei einem Fruchtjogurt) aber es ist eben Werbung und nicht die Wirklichkeit. Wer ernsthaft glaubt, er bekäme durch das Essen von "Du darfst" Wurst die Figur der unterernährten Modells oder eine falsche Ernährung mit Verdauungsproblemen würde sich in Wohlgefallen auflösen, wenn man Milchprodukte mit lebenden Milchsäurebakterien trinkt, der ist naiv. Der glaubt wohl auch, wenn er ein Auto kauft, er bekäme dann die leeren Straßen die man in den Werbefilmchen sieht, als Zugabe hinzu.

Man kann nun eine Verschärfung der Gesetze fordern – vielleicht eine Lösung. Für Alkohol und Zigaretten darf ja auch nur in engen Grenzen Werbung gemacht werden. Aber solange dem nicht so ist, sollte man zuerst sein Gehirn einschalten und den dort eingebauten Werbungsfilter aktivieren…..

So, heute mal wieder ein Musiktipp von mir, für unsere Freunde vom Finanzamt und die Steuersünder

Taxmann von den den Beatles

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