Verschiedene Sichten

Derzeit bin ich so ziemlich am Ende von Eugene Cernans "The last man on the moon". Das bringt mich auch gleich zu meinem Thema: Man gewinnt mehr Überblick über ein Thema, wenn man verschiedene Seiten hört. Nehmen wir mal Amerikas Weltraumprogramm in den 60 ern. Ich bin ja nicht der Fan von bemannter Raumfahrt und in der Deutschen Sprache gibt es da auch recht wenig dazu.

Ich habe mir vor Jahren, als der Film Apollo 13 rauskam, das gleichnamige Buch Apollo 13 von James Lovell gekauft. Das ist eine gute Beschreibung was dort auf dem Flug passierte, auf dem Boden und in der Kapsel. Die Vorgänge werden plastisch erzählt, die Atmosphäre nachvollziehbar. Kein Wunder dass daraus ein Film wurde. Aber es informiert nur wenig über den genauen Ablauf des Unfalls, und die Vorgeschichte des Tanks, noch über die Apollo Hardware und warum damit die Rettung möglich war.

Das war lange mein einziges Buch speziell zu dem Thema Missionen, also jenseits der Technik. Das hatte zwei Gründe. Das eine ist es, dass ich einige Zeit brauchte bis ich mich getraut habe Bücher über Amazon in den USA zu bestellen, wo sie viel preiswerter als bei uns sind. Das zweite waren meine Englisch Kenntnisse. Mittlerweile bin ich mehr als doppelt so alt wie zu dem Zeitpunkt, wo ich meine letzte englischstunde in der Schule hatte. Zwar bin ich gewohnt Fachbücher in englisch zu lesen, doch das ist etwas anderes. Dort wird ein definiertes Fachvokabular benutzt, dass wenn man es verstanden hat, es einfach macht alle Texte zu verstehen. Im Zweifelsfall geht es meist sowieso um Tabellen, Grafiken oder Codeschnipseln um die wichtigen Infos zu extrahieren.

Als ich dann vor zwei Jahren über die Internet Sternchen Lynne & Tessa mehr Kontakte zu ihren englischsprachigen Fans bekam, hat sich das geändert. 2 Jahre Mails oder die Übersetzungen der Ergüsse der beiden reichten aus, mein Englisch kräftig aufzufrischen und seit etwa 1 Jahr kaufe ich mir immer wieder englischsprachige Bücher von Beteiligten am Gemini und Apollo Programm.

Den Anfang machte Gene Kranz Failure Is Not an Option: Mission Control from Mercury to Apollo 13 Gene Kranz war Flugleiter ab der Mitte des Gemini Programmes und man bekommt dabei eine gute Einsicht was bei den Flügen damals im Kontrollraum ablief (also die Bodenseite), aber auch welcher Apparat dahinter, stand mit Simulatoren, Experten die Stand By standen etc. Auch hier ist die Atmosphäre plastisch herausgearbeitet und das Buch sehr spannend zu lesen.

Dem folgte David Scotts und Alexej Lenovos Buch Two Sides of the Moon. Our Story of the Cold War Space Race Bei dem man neben den Flügen der beiden (Gemini 8, Apollo 9+15, Woschod 1 und Apollo-Sojus) auch erfuhr, dass es so viel Unterschiede nicht gab zwischen Ost- und West und beide Astronauten/Kosmonauten so ziemlich dasselbe durchmachten und sich dann auch auf Anhieb verstanden als sie sich zum ersten mal trafen.

Danach wandte ich mich wieder dem Boden zu und kaufte mir das Buch von Chris Kraft Flight: My Life in Mission Control. Chris Kraft ergänzt ganz gut Gene Kranz, denn er war Flugleiter von Mercury bis etwa zur Mitte des Gemini Programms und stieg dann in die Missionsbetreuung auf. Dadurch bekommt man auch etwas von höheren Managemententscheiden mit wie z.B. der Apollo 8 zum Mond zu schicken und dem Problem um Weihnachten dann dafür eine 10000 Mann bergungsflotte von er US Navy zu bekommen, wenn auch Matrosen Weihnachten feiern wollen. Das Buch hat eine ziemlich lebendige Sprache, aber es wird auch bald klar, dass Kraft jemand ist der polarisiert. Er neigt dazu etwas schwarz oder weiss zu sehen. Unter Kraft darf man keine Fehler machen, wie Scott Carpenter am eigenen Leibe erfuhr.

Dem folgte Andrew Chalkins A Man on the Moon: The Voyages of the Apollo Astronauts: Dabei geht es nur um die Mondmissionen von Apollo (8,10-17). Aber hier erfährt man recht gut was damals passiert ist und es werden auch die Astronauten beschrieben, allerdings ausnahmslos positiv. Wer nicht einzelne Bücher über die einzelnen Missionen kaufen will, dem ist Chalkin ans Herz zu legen.

Und nun eben noch Eugene Cernans Buch  The Last Man on the Moon: Astronaut Eugene Cernan and America’s Race in Space. Es geht dabei um das Leben von Eugene, nicht nur die 3 Raumflüge mit Gemini 9, Apollo 10 und 17, sondern auch die Zeit dazwischen. Ich halte es für das ehrlichste Buch von allen. Er erzählt auch von Animositäten, dem Kampf um einen Flug, dem Training als Backup-Crew, die doch nie starten wird und wie sich dieses Leben auf seine Ehe auswirkt, die (das ahnt man schon vor dem Ende des Buchs) wohl daran zerbrechen wird.

Ich denke neben den verschiedenen Aspekten von Apollo – aus der Sicht der Astronauten, die Mission neutral nacherzählt, der Blick ins Kontrollzentrum oder bei der Missionsplanung –  nivellieren sich auch persönliche Sichten heraus. Hierzu einige Beispiel:

Chris Kraft hat offensichtlich etwas gegen Deutsche, speziell gegen Wernhers von Braun. Er versucht soweit es geht, in seinem Buch dessen Rolle klein zu machen. Wenn bei den anderen Büchern von Wernher von Braun oder "Den Deutschen" die Rede ist, dann meist in höchstem Respekt. Nicht nur wegen der Saturn V als dem zuverlässigsten Träger den es je gab, sondern auch weil alle wissen, dass er die Kraft war, welche die Politiker von diesem Programm erst überzeugen konnte. David Scott versucht seinen Deal mit Briefen, die er zum Mond und zurück schmuggelte und dann für einen vierstelligen Betrag (pro Stück) verkaufte, herunter zu spielen. Eugene Cernan sagt klipp und klar, dass ihm das die Karriere ruiniert hat und Kraft sagt, das ganze hätte sogar fast noch zum Streichen weiterer Mondmissionen geführt.

Chalkin zeichnet alle Astronauten in Rosa, hebt nur ihre positiven Eigenschaften hervor. Andere sind da nicht so gnädig. Sowohl Kraft wie auch Cernan machen klar, dass Buzz Aldrin meint er wäre der beste und gegen Armstrong gewettert hat um Commander von Apollo 11 zu werden. Beim Gemini 9 Flug schlug er ein waghalsiges Manöver vor um die Nutzlasthülle über die ATDA zu entfernen, dass gottseidank von der Flugleitung abgelehnt wurde. Cernan ist am offensten denke ich. er schreibt auch über die Rivalität um die wenigen vorhandenen Sitze bei immer mehr Astronauten im Programm und wie die Wissenschaftler der vierten Astronautengruppe von allen abgelehnt wurden, weil die anderen Astronauten meinten nur Testpiloten könnten fliegen.

Ich habe vor noch mehr Bücher zu lesen. Als nächstes wahrscheinlich eher was technisches. Ich denke da an Digital Apollo: Human and Machine in Spaceflight  und How Apollo Flew to the Moon.  Wenn ich damit fertig bin, dann gibt es an dieser Stelle auch eine kleine Kritik. Das ganze zeigt aber, dass man vor allem ein so komplexes Thema von vielen Seiten beleuchten muss. Ich denke über Apollo könnte man ganze Regalmeter schreiben: Über die Hardware selbst einige Bücher, über die Missionen einige weitere. Über das Management und die Infrastruktur noch ein paar (BTW: Apollo gilt als eines der am erfolgreichsten gemanagten Programme: Es führte nicht nur neue Konzepte ein wie das heute übliche Setzen von Meilensteinen) sondern es wurde auch innerhalb des geplanten Finanzrahmens in der geplanten Zeit durchgeführt). Dann gäbe es noch Bücher über die Astronauten und ihr Leben nicht zuletzt das Apolloprogramm im Kontext der damaligen Welt: Die politische und historische Bedeutung.

Eine der häufigsten fragen die ich zum Gemini Buch bekomme ist: "Warum ist es so kurz?" Neben dem, dass ich erst mal einen Testballon haben wollte ob es Interesse gibt, spielt auch gerade dies eine Rolle: Wenn man in die Tiefe geht: Wo hört man auf? Über Gemini könnte man leicht auch einen Regalmeter füllen. Daher hielt ich es für besser eine kurze, aber kondensierte Einführung zu machen anstatt mich in dem Dschungel zu verlieren. Ich habe mir vorgenommen, wenn ich noch ein paar Astronautenbiographien mehr gelesen habe vielleicht die Missionen nochmals zu überarbeiten und eine zweite Auflage herauszubringen. auf meiner Liste stehen auch noch die Biographien von Michael Collins (Gemini 10), Neil Armstrong (Gemini 8), Pete Conrad (Gemini 5+11) und natürlich Deke Slaytons Sicht als Leiter des Astronautencorps wäre auch recht interessant. Ich befürchte nur, dann wird es ein Wälzer werden. Schauen mer mal. Erstmal stehen heute wieder einige Seiten beim LM Buch zum Korrekturlesen an.

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