Wie rund kann ein Himmelskörper sein?

Heute mal eine astronomische Frage: Ab welcher Größe ist ein Himmelskörper rund? Jeder kennt ja einige unregelmäßig geformte Himmelskörper: Die Marsmonde Deimos und Phobos, die Asteroiden Gaspra, Ida, Mathilde und Eros. Und es gibt auch runde wie die Erde, Venus, Mars, Merkur, der Mond. Auffällig ist das die Runden eher groß sind und die unregelmäßig geformten eher klein. Gibt es da einen Zusammenhang?

Da bei einem Gastbeitrag schon in den Kommentaren die Rede war, er passe nicht zu diesem „wissenschaftlichen“ Blog aber zuerst mal die wissenschaftliche Klärung einer Frage: Wann sprechen wie von rund? Doch zuerst noch meinen Senf zu dem Kommentar: Der Blog ist nicht wissenschaftlich, es ist meine Meinung oder eben die von Gastautoren und wenn auch Wissen vermittelt wird, dann um so besser. Das muss aber nicht sein. Aber schon aufgrund der Tatsache dass jeden Tag einer erscheint, kann man ableiten dass es keine Wissenschaft sein kann, weil ich niemals die Zeit hätte, alles haarklein zu recherchieren. Diese Fehleinschätzung ist übrigens auch in dem Forum, dass ich unter dem Blog „Neid“ erwähnte vorherrschend. Die diskutieren über meine Blogs auch als wären es Nachrichten….

Aber zurück zur Frage. „rund“ bedeutet eigentlich, dass die Abweichungen von der idealen Kugelgestalt minimal sind. Also egal welchen Schnitt ich durch den Himmelskörper mache und die durch den Mittelpunkt geht – die Abweichungen der Durchmesser sollten minimal sein. Überlegt man sich dies genauer, so kommt man auf die atomare Ebene als Grenze. „Rund“ würde dann bedeuten, dass die Abweichungen dieser Schnitt nicht mehr als einen Atomdurchmesser betragen dürfen oder anders gesagt – ein Atom darf nicht mehr als einen halben Atomdurchmesser nach oben oder unten von der idealen Form abweichen. Bei mehr als einem halben Atomdurchmesser könnte ich es entfernen (steht hervor) oder die Lücke auffüllen und ich erhalte eine noch bessere Annäherung an die ideale Form. Wir sind übrigens heute soweit, dass wir diese Genauigkeit erreichen können. Spiegel für die EUV-Lithographie müssen auf wenige Atomdurchmesser genau geschliffen sein und das Avogadroprojekt, das die letzte SI-Einheit die noch nicht auf einer Naturkonstante beruht, arbeitet an einer Siliziumkugel mit einer festen Anzahl an Atomen. Neben anderen Reinheitsanforderungen muss natürlich auch diese Kugel sehr genau geschliffen sein – 30 nm werden da heute erreicht.

Nur ist das eine ideale Annahme. Kein Himmelskörper, wahrscheinlich nicht mal Neutronensterne werden so dem Ideal entsprechen. Daher nehme ich mal als rund ein viel praktischeres Kriterium. Fast jeder, der den Saturn sieht bemerkt, dass er nicht rund ist. Hier beträgt der Unterschied  zwischen Pol- und Äquatordurchmesser 10,85%. Bei Jupiter, bei dem der Unterschied nur 6,9% bemerken dies nicht mehr alle. Also soll mal pragmatisch gelten: „rund“ bedeutet weniger als 6% Abweichung zwischen größter und kleinster Achse durch den Himmelskörper. Bei der Erde sind es übrigens 0,3%.

Warum ist ein Himmelskörper rund? Das ist eigentlich nicht selbstverständlich. Wir gehen heute davon aus, dass alle Körper durch Kollisionen kleinerer Körper entstehen. Das beginnt mit Staub, dann Stücken von Ballgröße, über hausgroße bis hin zu Protoplaneten, welche die kleineren „einsammeln“. Große Himmelskörper erhitzen sich durch die Einschläge stark. Zum einen sind die viel häufiger als bei den kleinen und jeder Einschlag führt durch die Bewegungsenergie zur Erwärmung. Zum anderen ist ihre Oberfläche im Verhältnis zum Volumen kleiner und sie geben so weniger Energie ab. Die Erde ist heute noch im Inneren flüssig. Mond und Mars sind es heute nicht mehr, sie sind schon zu klein. Bei der Venus weis man es nicht und bei Merkur wird auch ein flüssiger kleiner Kern vermutet, der sich wahrscheinlich halten konnte, weil die Oberflächentemperatur mit bis zu 400°C viel höher ist und so die Abstrahlung geringer ist.  Nun formen sich Flüssigkeiten von alleine zu Kugeln, da dann die Gravitation an der Oberfläche überall gleich groß ist. Bei kleinen Himmelskörpern ist zum einen die Gravitation an der Oberfläche viel kleiner, zum anderen kühlen sie schnell aus und große Einschläge führen eher zur Zertrümmerung was eine unregelmäßige Form begünstigt.

So ist zum einen einmal die kugelförmige Form großer Körper begründbar, die unregelmäßig kleiner. Das ganze hat aber auch noch einen anderen Aspekt, der zeigt sich wenn das Material abkühlt, also sich eine Kruste bildet. Denn auch dann kann es noch zu „Unrundungen“ kommen. Es gibt noch Einschläge, die Krater mit Zentralbergen schlagen, und durch tektonische Aktivitäten kann es Gebirgsketten oder Vulkane geben. Auf der Erde kann es keine viel größeren Berge als 10-12 km Höhe geben. Ab dieser Grenze (je nach Gestein) drückt die Masse so stark auf die nach unten hin immer heißer werdenden Gesteine, dass dieser Druck und die entstehende Reibung zur Verflüssigung des Gesteins an der Basis führen. Die Grenze ist abhängig von der Gravitationskraft, der Art des Gesteins und den inneren Aufbau. Auf dem Mars, wo die Gravitation kleiner ist und der ganze Mantel fest ist, konnten Vulkane bis zu 27 km Höhe entstehen.

Schauen wir ins äußere Sonnensystem so bestehen die äußeren Schichten der Monde aus Eis – das verflüssigt sich weitaus früher als Gestein, hat aber auch eine geringere Dichte und so sind auch relativ kleine Himmelskörper rund. Selbst riesige Einschlagskrater, wie der Herschel Krater auf Mimas füllen sich bis auf kleine Reste des Zentralbergs und Walls auf. Nur Iapetus schmückt ein bis zu 20 km breiter und 13 km hoher Bergrücken. Wirken auf einen Mond, dessen äußere Schicht aus Eis besteht, laufend Kräfte ein, wie dies die Gezeitenkräfte bei Europa sind, so wird er erstaunlich glatt – auch wenn den Mond viele Rillen als Folge der Kräfte zieren, so ist die Oberfläche doch nahezu kraterfrei und Äquator- und Poldurchmesser sind fast gleichgroß.

Beide Gesetzmäßigkeiten haben eine Grenze: Ab rund 400 bis 500 km Durchmesser ist bei Himmelskörpern oft die Abweichung von der Kreisform zu sehen. Beispiele bei den Eismonden sind Miranda (mit zwar kugelförmiger Gestalt aber starken Erhebungen und tiefen Tälern) und bei des Gesteinskörpern ist dies Vesta (kleinster Durchmesser: 448 km, größter 560 km). Je kleiner ein Himmelskörper wird, desto extremer kann er sein. Radarvermessungen von Asteroiden, welche an der Erde vorbeiflogen, zeigten schon dass die größere Achse doppelt so groß wie die kleinste ist.

Ein letzter Faktor ist noch die Rotation. Sie bewirkt eine weitere konstante Kraft, die Zentrifugalkraft die zusätzlich wirkt. Sie ist am größten am Äquator und bei allein Planeten, welche einmal flüssig waren und die schnell rotieren ist der Äquatorradius höher als der Polradius wie folgende Tabelle zeigt:

Planet Rotationsperiode Abplattung
Merkur 59 Tage 0
Venus 243 Tage 0
Erde 1 Tag 0.003
Mars 1 Tag 0.006

Noch ausgeprägter ist das Phänomen bei Gasplaneten, da Gas ja viel einfacher als Flüssigkeit den Kräften folgen kann. Bei allen Gasplaneten ist der Äquatordurchmesser deutlich größer als der Poldurchmesser. Am höchsten ist er bei Saturn. Das ist leicht erklärbar: Die Zentrifugalkraft ist proportional der Distanz zum Zentrum und der Masse in dieser Entfernung, aber quadratisch zu der Rotationsgeschwindigkeit. Saturn rotiert nur wenig langsamer als Jupiter, hat aber nur ein Drittel der Masse. Die Gravitationskraft ist daher an der Oberfläche nur ein Drittel der von Jupiter, die Zentrifugalkraft aber fast gleich groß (die Masse auf die sie wirkt ist ja nur die Masse in diesem Abstand, nicht die Gesamtmasse).

Auch bei der Sonne weichen Äquatorialradius und Polradius ab. Man kann so leicht postulieren, welches die „rundesten“ Körper sein müssten – das sollten alte Neutronensterne sein. Junge Neutronensterne rotieren sehr schnell, in wenigen Millisekunden um ihre Achse. alte dagegen in Sekunden oder noch länger (danach werden sie mit Radioteleskopen nicht mehr detektierbar und optisch sind sie zu lichtschwach). ebenso sind gute Kandidaten weiße Zwerge. Also alle Himmelskörper die sehr dicht sind. Wenn man schwarze Löcher mit dazu zählen kann, dann sind sie wohl am „rundesten“. Nur wird es schwer das auszumessen.

8 thoughts on “Wie rund kann ein Himmelskörper sein?

  1. Schwarze Löcher als rund zu bezeichen halte ich wahrsten Sinne des Wortes für grenzwertig. Sie sind mit mit den üblichen physikalischen Begriffen kaum zu beschreiben. Man würde ja auch einen Punkt nicht als rund bezeichenen.

    „Wir gehen heute davon aus, dass alle Körper durch Kollisionen kleinerer Körper entstehen“.

    Nach meiner Kenntnis konnte bisher im Experiment nicht nachgewiesen werden, dass durch Gravitation aus Gas, Staub und kleinen Körpern wie z.B. Sand größere Strukturen entstehen. Die Entstehungstheorie für für Planeten scheint somit auch noch nicht ganz schlüssig.

  2. Schwarze Löcher haben einen Ereignishorizont, was dahinter ist, ist von uns nicht ergründbar. Dieser sollte bei nicht rotierenden schwarzen Löchern kugelförmig ein. Bei rotierenden ist er es auch nicht.

    Du solltest hinnehmen, dass man nicht alles im Experiment nachstellen kann. Die Bildung der Planeten fand über so lange Zeiträume statt im Fast-Vakuum und unter Strahlungsdruck und Gravitation der Sonne, das ist im Experiment nicht nachstellbar, genausowenig wie die Bedingungen im Erdinneren oder auf anderen Planeten, so gibt es ja Spekulationen über einen Kern aus supraleitendem Wasserstoff bei Jupiter und Diamanten bei Uranus und Neptun. Experimentell nachprüfbar ist das nicht.

  3. Besonders faszinierend sind sehr große Körper, die trotz ihrer Größe stark von der Kugelgestalt abweichen. Ein solcher Körper ist der Zwergplanet Haumea, der einen 3-achsigen Rotationsellipsoid mit den Maßen ca. 1000 x 1000 x 2000km bildet. Möglich wird dies durch seine extrem schnelle Eigenrotation von ca. 3,5h, so daß er wohl kurz vor dem Zerreißen ist. Fiktive Bewohner dieses Planeten hätten dann wohl auch schon 2 ideale Raketenstartplätze, nämlich die beiden Äquator-Beulen. Dort könnte die Rakete senkrecht aufsteigen und müßte nur etwas die Coriolis-Kraft wegen der Drehimpulserhaltung ausgleichen, so daß es für einen Beobachter auf Haumea so aussieht, als flöge sie senkrecht wie ein Aufzug direkt in den geostationären Orbit, welcher sich sicherlich nur wenige 100km oberhalb der Äquator-Beulen befindet. Eine A-4 könnte sicherlich locker 1t Nutzlast dorthin bringen. Eine Saturn 5 könnte ein 700km langes Stahlseil mit einem Gegengewicht jenseits des GEO-Orbits bringen, so daß man einen Weltraumlift hätte. Sportliche Bewohner Haumeas könnten dann mit einem speziellen Fahrrad (wie es Hochseilartisten benutzen), Druckanzug und Sauerstoff senkrecht das Seil hinauffahren bis zur annähernden Schwerelosigkeit und sich dann vom Seil lösen. Nach einem schönen suborbitalen Flug landen sie dann an einem Fallschirm. Unvernünftige Fahrer fahren über diesen Punkt hinaus und erfahren über die Zentrifugalkraft eine „Bergfabfahrt“ bis zum Gegengewicht. Sollten sie sich dann vom Seil lösen, so stranden sie in einer 700 x 1500km Elipsenbahn um Haumea. Dumm gelaufen, wenn man keine Bremsraketen hat und der Sauerstoff ausgeht. Aber vielleicht wollen sie ja auch die Raumstation in 1400km Höhe besuchen, wobei der Loslöszeitpunkt sekundengenau berechnet werden muß und Korrrekturtriebwerke im Rucksack unerläßlich sind.

    Mit dem Fahrrad die Raumstation besuchen, das wäre doch was, gell Bernd?

  4. Berechnet oder spekuliert? Die Masse ist ja bekannt.

    Ob 136108 Haumea tatsächlich die Abmessungen hat wird sich noch zeigen. Es gibt keine direkten Aufnahmen nur Berechnungen aus der Albedo, und wenn eine Seite dunkler als die andere wie bei Iapetus ist, dann kann das auch die Helligkeitsschwankungen erklären.

  5. Hier irrst Du – kosmologisch gesehen – leider: „Noch ausgeprägter ist das Phänomen [der Rotationsabplattung] bei Gasplaneten, da Gas ja viel einfacher als Flüssigkeit den Kräften folgen kann.“

    Bei den hohen Drücken, die im Planeteninneren herrschen, ist es eigentlich fast egal, ob man ein Gas oder eine Flüssigkeit hat. Die Viskosität nähert sich bei hohen Drücken immer mehr an; jenseits des kritischen Drucks sind Gas und Flüssigkeit sowieso ununterscheidbar.

    Selbst mit Feststoffen kommt man allenfalls ein paar Kilometer – auf einen Planetendurchmesser bezogen also eine Kleinigkeit – vom Gleichgewicht weg. Bei noch höherer Abweichung wird es instabil, und die Energie entlädt sich in einem Erdbeben.

    Kai

  6. Bei höherem Druck sind aber auch feste Körper mehr oder weniger flüssig. Und bei den langen Zeiträumen um die es bei den Planeten geht, reicht selbst eine Fließrate von wenigen Millimetern pro Jahr.

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