Technologie ist kein Selbstzweck: Beispiel ATV

Vor einigen Tagen las ich diesen Bericht auf SpaceNews. Er bringt mich auf mein Thema: Raumfahrt muss ökonomisch sein. Sie muss weil es um Forschung geht sicher nicht Geld abwerfen, aber man muss verantwortlich mit den Steuergeldern umgehen. Warum geht es in diesem Bericht konkret: 2006 beschlossen ESA, JAXA, NASA und Roskosmos dass man gemeinsam die ISS bis 2016 betreibt. Die NASA benötigte zu diesem Zeitpunkt die Mittel für den ISS Betrieb (derzeit ohne Versorgungsflüge rund 2 Milliarden Dollar pro Jahr) für ihr zu diesem Zeitpunkt noch aktuelles Mondprogramm. Darauf hat sich die ESA eingestellt. Nachdem vorher bis zu 10 ATV in der Diskussion waren, gab es nun nur noch einen Auftrag für 4 Exemplare nach dem Jungfernflug.

2010 hat man sich nun wieder umentschieden. Die ISS wird bis 2020 betrieben, eventuell (das ist noch nicht beschlossen) bis 2028. Das Problem für die ESA: sie braucht nun eine Lösung für die nächsten vier Jahre. Zeit gewann sie, indem das fünfte ATV 2017 gestartet wird. Der Start war für 2015 geplant und ursprünglich war dieses ATV nicht als „Muss“ Beitrag vorgesehen. Vier ATV muss die ESA bis 2016 stellen. Das fünfte war gedacht als Kompensation für einen weiteren Astronauten der ESA an Bord der ISS. Nun ist es auch ein regulärer Transporter.

Nun es gibt mehrere Möglichkeiten wie die ESA ihren Verpflichtungen nachkommen kann. Die offensichtlichste: Man bezahlt die NASA. Pro Jahr mit 150 Millionen Euro. Auch wenn das nicht allen gefällt: es ist die billigste Möglichkeit. „Eddi“, der gerade bei der ISS ist, kostete 450 Millionen Euro, also so viel wie für drei Jahre ISS Betrieb zu zahlen ist. Ein ATV ist aber (wenn wir die Periode von 2008 bis 2017 mit fünf ATV als Maßstab nehmen) alle zwei Jahre fällig, kostet also 225 Millionen pro Jahr.

Das ist jedoch nicht mein Vorschlag. Auch wenns teurer ist: Wir sollten weiter ATV starten. Zum einen landet dann das Geld wieder in Europa und kommt als Steuern zum Teil zurück und zumindest sind Leute beschäftigt. Wir können noch zwei ATV bauen, das müsste für diese drei Jahre reichen. Danach fehlen Elektronikbauteile, da das Design ja schon im letzten Jahrtausend entstand.

Was die ESA nun in Auftrag gab, war eine Studie nach der nach Möglichkeiten gesucht werden soll was man mit dem ATV sonst noch anfangen kann, bis hin zu so skurrilen Ideen wie Müll einsammeln (wer bitte bezahlt das wenn es mal das Gefährt gibt?). 17 Millionen gibt es nur für diese Studie. Ich stehe dem kritisch gegenüber. Das ist so wie mit den ATV-Evolution Szenarien die es ja auch gab. Sie machen alle nur dann sinn, wenn es ein eigenständiges bemanntes Raumfahrtprogramm gibt, ansonsten sind sie bei derzeit einem ESA Astronaut alle zwei Jahre auf der ISS völlig unnötig. Das ist ein typisches Beispiel dafür, dass man immer was neues entwickeln muss, neue Technologien aneigenen ohne das man Verwendung dafür hat – Technologie als Selbstzweck. oder wörtlich aus dem Bericht:

„But ESA officials, pointing to their agency’s role — like NASA, ESA is a research and development agency — said rebuilding multiple ATVs for a station that may be operational through 2028 is an unfulfilling job. „

Was recht dumm ist, ist dass bisher nur eine 4 Jahres Verlängerung geplant ist. Das ist für ein neues Programm zu wenig. Sowohl wegen der Entwicklungszeit, wie auch der benötigten Vehikel. Würde man sich gleich auf 2028 einigen und davon ausgehen, dass mit den neuen US-Crew Vehikeln nun viel mehr Astronauten zur ISS gelangen können, dann könnte man überlegen ob man nicht gleich ein neues Vehikel entwickeln kann. Was geschickt wäre, wäre ein Bus, entwickelt aus dem ATV Servicemodul, der flexibel verschiedenste Nutzlasten transportieren kann. Studien dazu gibt es ja schon. Dann könnte man mit diesem Bus sowohl einen Cargobehälter mit Fracht transportieren, wie auch neue ISS-Module starten (die ISS muss dann ja weiter ausgebaut werden für mehr Astronauten und alte Module müssen irgendwann einmal ersetzt werden) oder eben nur mit einem russischen Kopplungsadapter wie bisher die ISS anheben oder Gase/Wasser transportieren. Doch so eine Neuentwicklung lohnt sich eben wirklich nur wenn man genügend dieser Vehikel baut. Das hängt natürlich auch von der NASA ab, ob sie einem kleinen Partner so viel Einfluss zugesteht. Bei den Labormodulen war es ja so, dass die NASA sie gerne alle selbst starten wollte. Nun geht das ohne Space Shuttle nicht mehr, doch natürlich kann die NASA wieder auf die Idee kommen, dass sie einen eigenen Transporter haben will, und nicht von der ESA abhängig (obwohl sich in bisher allen US-Europäischen Projekten die NASA als der Wackelkandidat entpuppte -.siehe Exomars als letztem Beispiel dafür).

Wahrscheinlich kommt es aber so, dass die ESA nun eine Kurzzeitlösung bis 2020 beschließt und man in 1-2 Jahren dann erneut über eine Verlängerung beschließt und dann muss man erneut über eine Lösung bis 2028 entscheiden.

So morgen dann ein Artikel über Technologie als Selbstzweck bei den Raketen.

One thought on “Technologie ist kein Selbstzweck: Beispiel ATV

  1. Mit einem Langfristigen Plan könnte sogar viel mehr Unabhängigkeit entstehen. Denken wir mal über eine Beteiligung an der ISS hinaus, so könnte die Entwicklung eines ATV-Bus erstmal für die ISS benutzt werden, und dann für andere bemannte Raumfahrt. Also erst 4-8 Jahre Erprobung an der ISS und dann z.B. eigenständige Raumstation oder Langstreckenflüge mit ausreichend Wohnraum oder unbemannte Erkundungsmissionen mit Schwarm von Seriensatelliten etc. Das Problem ist langfristige Ziele zu setzen und dann sehr konkret und kurzfristig mit der Entwicklung zu beginnen und diese dann auch durchzuziehen. Es gibt zu viele Studien und Papiere, die dann aber nicht umgesetzt werden, oder wo die Entwicklung ewig verschleppt wird, wie z.B. VINCI und ESC-B. Mit langfristiger Planung könnte man entscheiden, ob es sinnvoll ist diese zu entwickeln.

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