Die oft schwierige Zusammenarbeit von Europa und die USA bei der Raumfahrt

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Mit der Streichung des Lunar Gateways schaut Europa (bzw. die ESA) wieder mal in die Röhre. Die Zusammenarbeit der NASA mit Europa – in den letzten Jahrzehnten vor allem mit der ESA, aber auch nationalen Raumfahrtagenturen – ist eine problematische, die ich schon in einem Artikel ausführlich gewürdigt habe. Der ist allerdings ziemlich alt, etwa 20 Jahre und es wird Zeit zu einem Update hier im Blog.

Die Anfänge: Bevormundung und Eigenständigkeit

Europa begann mit nationalen Trägerraketen – vor allem Frankreich wollte eine eigene Trägerrakete haben und wurde so auch zur dritten Nation, die einen Satelliten mit einer eigenen Rakete startete. Eine größere Rakete war für eine Nation alleine aber zu teuer und es gab ja auch den Bedarf bei den anderen Nationen in Europa. So kam man auf die „Europa“, bei der man jedoch viel falsch machte. Es war keine echte Zusammenarbeit zwischen den drei Nationen die die Stufen bauten. Die Europa scheiterte deswegen.

Zu der Zeit – wir sind schon Anfang der Siebziger Jahre – kam man in Europa auch auf den Trichter das eigene Kommunikationssatelliten doch ganz nützlich wären. Deutschland und Frankreich bauten die ambitionierten Satelliten „Symphonie“ – vieles was dort entwickelt wurde ist heute Standard wie Drallräder, Dreiachsenstabilisierung, ausfaltbare Solarpaneele, flüssiger Treibstoff für den Hauptantrieb. Die USA bauten noch bis in die frühen Neunziger vor allem trommelförmige, drallstabilisierte Satelliten mit Feststoffantrieb und sie bescherten der europäischen Industrie auch Anschlussaufträge aus Arabien, Indonesien und anderen Ländern.

Tja die NASA war bisher bereit Wissenschaftssatelliten zu starten, doch Symphonie 1+2 nur unter der Auflage, das sie nicht kommerziell genutzt wurden, also für Tests und später für Schulprogramme in Indien. Europa solle doch bitte Satelliten bei US-Herstellern kaufen oder noch besser Kanäle bei der US-Gesellschaft Intelsat anmieten. Kommt einem heute unter Trump fast bekannt vor, doch solche erpresserischen Methoden gab es schon in den Siebzigern. So erging es dann auch den ersten beiden Kommunikationssatelliten der ESA, die dann nicht umsonst OTS für Orbital Test Satellite hießen.

Frankreich drängte dann aber zu einer weiteren europäischen Rakete – diesmal unter französischer Führung und mit den Lehren aus dem Europaprogramm, der Ariane: Bei Ariane gibt es eine Aufteilung nach Fähigkeiten, nicht nach Proporz und es gibt ein Management das alles kontrolliert, die dafür gegründete ELDO war dazu nicht fähig und nicht zuletzt arbeiten die Firmen zusammen, anstatt das jede Firma ein Produkt herstellt und man erst beim Zusammenbau zusammen kommt.

Ariane wurde erfolgreich und blieb es über Jahrzehnte.

Die ersten Wissenschaftsprojekte

Eines vorweg, wenn ich im folgenden von Europa rede, so ist damit ausschließlich die ESA oder die EU gemeint, es gab und gibt auch zahlreiche nationale Projekte mit der NASA, in Deutschland z.B. die Helios Sonden oder Grace-Satelliten, in Frankreich Topex-Poseidon. Da gab es weniger bis keine Probleme, was schlicht und einfach daran liegt das diese Projekte kleiner sind, weniger Geld in ihnen steckt. Mit der ESA wurden die Satelliten größer und anspruchsvoller. Es kam zu ersten gemeinsamen Projekten wie ISEE, einem Verbund von drei Satelliten, davon einer von der ESA die die Wechselwirkung des Erdmagnetfeldes mit dem Partikelstrom und Magnetfeld der Sonne untersuchten. Schon wenige Jahre nach Gründung der ESA ging man an gemeinsame Raumsonden. 1986 würde der Komet Halley nach 76 Jahren wiederkehren. Die USA planten nach dem Erfolg von Viking und Voyager ein anspruchsvolles Projekt, eine mit Ionenantrieb ausgestattet Sonde sollte den Halleyschen Kometen und andere wie Tempel 2 besuchen, eine europäische Tochtersonde würde mitfliegen. Das Projekt wurde vom Space Shuttle gefressen, dessen Kosten ansteigen, der NASA-Etat aber nicht. Wie immer – so auch bei Trumps derzeitigem Entwurf. Es wird immer bei der Wissenschaft und Forschung gestrichen, nie bei der bemannten Raumfahrt. Bei dem Kometenprojekt war dies noch so früh, das Europa mit Giotto einen eigenen Weg gehen konnte. Anders sah dies bei einem anderen Projekt aus, zwei Sonden, die die Polregionen der Sonne erkunden sollten und dazu zu Jupiter fliegen der sie mit seiner Gravitationskraft umlenken würde. Geplant war beide Sonden getrennt zu bauen aber gemeinsam zu instrumentieren. Da das Space Shuttle auch im operativen Betrieb ein Zuschussgefährt war, wurde auch dieses Projekt einseitig von der NASA gestrichen, diesmal aber so spät das Europa ihre Sonde schon im Bau hatten. Anders als die NASA hielt sich die ESA aber an Abmachungen. Ulysses als europäische Sonde bekam auch US-Instrumente. Sie arbeitete über fast zwei Jahrzehnte.

Raumsonden

Die ESA hat sich sehr schnell einen guten Ruf erarbeitet, die waghalsige Mission von Giotto wurde auch von der NASA bewundert, die nicht die Mittel für ihre Mission hatte und nur einen Spacelab Flug für die Beobachtung vorhersah, der dann durch die Challengerkatastrophe ins Wasser fiel. Ab den Achtziger Jahren begann eine Zusammenarbeit, bei der europäische Experimente auf US-Raumsonden mitflogen und umgekehrt welche bei europäischen Raumsonden. Nachdem Die Bush Administration für Constellation das Wissenschaftsbudget kürzte, kam es bei den Sonden Insight und Dawn sogar zu der paradoxen Situation, das die Sonden mehr Experimente von der ESA als der NASA hatten. Die internationale Beteiligung bei Cassini/Huygens verhinderte, das die Sonde gestrichen wurde, als sie immer teurer wurde. Anders erging es der Kometenmission CRAF, sie wurde eingestellt, die ESA plante neu und heraus kam Rosetta.

Nach dem Kahlschlag unter Reagan, begann eine fruchtbare Zusammenarbeit. Zahlreiche gemeinsame Projekte gab es seitdem. SOHO als Sonnensatellit arbeitet seit 30 Jahren. Sein Nachfolger Solar Orbiter ergänzt die NASA Sonde Solar Probe und auch bei Erdsatelliten gibt es gemeinsame Projekte wie Grace, Grace Follow on, Jason-3 und Sentinel-6. In fast allen Fällen stammen die Satelliten/Sonden aus Europa und die NASA bezahlt ihren Anteil, indem sie sie startet. Die Experimente werden dann aufgeteilt.

Erst wieder bei Exomars knirschte es bei den Beziehungen. Exomars begann als europäisches Mausprojekt das jedoch bald für die ESA zu teuer wurde. So tat man sich 2010 mit der NASA zusammen, indem man den Orbiter gemeinsam baute und die NASA Hilfe beim Lander leistete, doch schon zwei Jahre später hatte die NASA durch Kürzungen im Budget keine Mittel mehr und stieg aus. Man wechselte dann zu Russland. Während der Trace Gas Orbiter seit Jahren den Mars umkreist, wartet der Lander noch auf seinen Einsatz, denn kurz vor dem Start brach der Ukainekrieg aus.

Selbst aktuelle Missionen sind noch von den Streichungen betroffen: Als Galileo-Nacholgemission planten ESA und NASA einen Orbiter um den Jupitermond Europa. Doch die Sonde wurde für die NASA zu teuer und dann eingestellt. Daraufhin entwickelte die ESA die Raumsonde JUICE – mit dem Fokus auf die beiden anderen Jupitermonde. Und siehe da: Konkurrenz belebt das Geschäft, denn nun konnte auch die NASA ihren Entwurf – nun abgespeckt auf eine Sonde, die Europa nur oft anfliegt, aber nie in einen Orbit einschwenkt umsetzen.

Bemannte Raumfahrt

Während Ariane das Projekt Frankreichs war, war das Spacelab das Deutschlands. Eigentlich war das Space Shuttle dafür gedacht eine Raumstation zu errichten. Ohne das Spacelab als Raumlabor, das im Shuttle Nutzlastraum mitgeführt wird, wäre es nur ein Ersatz für Trägerraketen gewesen. So gesehen war die ESA eigentlich in einer starken Verhandlungsposition, die sie aber nicht genutzt hat, vielleicht weil Deutschland unbedingt in die bemannte Raumfahrt einsteigen wollte. Deutschland führte als einzige Nation Europas auch zwei nationale Spacelabmissionen durch. So gab es einen sehr einseitigen Vertrag: Die ESA baute das komplette Spacelab und übergab es inklusive Ingenieuresmodul, Paletten, Iglu und allem Bodenequipment an die NASA für einen halben Flug, das heißt ein Astronaut und die Hälfte der Experimente stammten aus Europa. Für alle folgenden Flüge musste die ESA nicht nur den Space Shuttle Flug bezahlen, sondern auch Miete für ihr eigenes Labor und es waren 12 Millionen Dollar Einfuhrzoll zu zahlen – man sieht mit Zöllen haben die USA schon damals Geld verdient.

Das Spacelab war so intelligent entwickelt worden das nicht nur seien Architektur bei den ISS-Modulen und Paletten übernommen wurde, sondern auch die Art der Inneneinrichtung – Als erstes Raumlabor setzte es auf standardisierte Racks, die leicht ausgetauscht werden können.

Columbus fing ursprünglich als weiterentwickeltes Spacelab, das autonom arbeiten konnte an. Europa hatte aber in den späten Achtzigern, frühen Neunzigern nicht die Finanzmittel um drei Großprojekte (Ariane 5, Hermes und Columbus) parallel zu finanzieren. So schloss man sich den USA und Russland bei der ISS an. Diesmal aber nicht ohne sich abzusichern. Es gab vertragliche Vereinbarungen was die ESA liefert und auf was sie im Gegenzug Anrecht hat. Für den Transport und Integration von Columbus zur ISS wurden als Ausgleich zwei Verbindungsknoten gebaut, zusammen mit dem italienischen MPLM, das später an die ISS andockte, stellt Europa die meisten Module der Station. Die Betriebskosten wurden zuerst durch ATV-Flüge dann die Entwicklung des Orion Servicemoduls beglichen, das wiederum auf den ATV basiert. Diese Verträge retteten die ISS, denn als George W. Bush 2004 das Constellation Programm mit dem Ziel zum Mond zurückzukehren aus der Taufe hob, sollte das durch Einsparungen finanziert werden – dem Ausmustern von Space Shuttle und der ISS, die damals nur zu einem kleinen Teil fertig war. Die Verträge hätten dann aber hohe Zahlungen an ESA und JAXA bedeutet, deren Labors so am Boden geblieben wären. Das rettete die ISS. Zumindest sollte sie nach den damaligen Plänen soweit fertiggestellt werden das die Module Europas und Japans mit dabei waren und sie musste auch 10 Jahre lang betrieben werden. Das Space Shuttle wurde nach der Fertigstellung eingestellt und schon vorher das Constellation Programm.

Beim Artemis-Programm wiederholt sich diese Art von Zusammenarbeit bei der keine Gelder fließen. Die Orion wird vom europäischen Servicemodul angetrieben, das beim ersten Flug eine gute Figur machte – es kam zwar etliche kleinere Vorkommnisse, aber nichts was man durch Softwareupdates oder kleinen Veränderungen beim nächsten Modell nicht beheben konnte. Bei der Orion gab es dagegen Sorgen, ob der Hitzeschutzschild hält. Dementsprechend wurde das dritte Servicemodul für die Artemis 3 Mission schon letztes Jahr an die NASA übergeben, während Lockheed-Martin erst vor wenigen Tagen die Orion für Artemis 3 übergibt.

Bei Artemis sind Module für das Lunar Gateway, eine Miniraumstation um den Mond die Kompensation. Die CSA stellt einen Robotarm, dafür fliegt ein Astronaut der CSA bei Artemis 2 mit. ESA/JAXA bauen zusammen ein Wohnmodul und die ESA zusätzlich ein Modul für die Betankung und Telekommunikation. Dafür waren Mitfluggelegenheiten bei zukünftigen Mondlandungen, beginnend mit Artemis 3 vorgesehen. Wenn nun das Lunar Gateway gestrichen wird, stellt sich die Frage was daraus wird. Ich hoffe für die ESA man hat sich vertraglich wie bei der ISS abgesichert.

Auch würde mich interessieren wie es beim europäischen Mondlander Argonaut weitergeht, denn dessen Fähigkeit 2,1 t Nutzlast auf den Mond zu transportieren dürfte ja vor allem bei einer bemannten Mission benötigt werden.

Unterschied Europa – Japan

Es ist interessant das die Zusammenarbeit der NASA mit Japan, heute mit der Raumfahrtagentur JAXA ganz anders lief. Dabei war der Weg eigentlich ein ziemlich ähnlicher wie bei Europa. Auch Japan hatte in den sechziger Jahren Ambitionen eine „Weltraummacht“ zu werden. Aber die Ambitionen waren nicht so stark wie bei Frankreich, sondern eher mit denen von England zu vergleichen. England wollte zwar auch eine eigene Trägerrakete, aber die sollte wenig kosten. Japan ging ähnlich vor: sie stellten eine aus vorhandenen Feststoff-Höhenforschungsraketen zusammen. Die entstehende Lambda ist bis heute die Rakete mit der kleinsten Nutzlast die je gebaut wurde, die gestarteten Satelliten wogen keine 10 kg. Aus der Lambda entstanden dann die My-Serie von Feststoffraketen. Für größere Satelliten waren sie aber nicht ausreichend. So baute Japan die amerikanische Thor-Delta in Lizenz nach. Sie verbesserten sie stufenweise. Zuerst durch eine eigene Feststoffoberstufe, dann eine eigene LOX/LH2 Stufe und schließlich kam die H-II als japanische Rakete, das war dann aber schon Mitte der Neunziger, als die Beschränkungen für Nutzlasten, die Europa so fuchsten, nicht mehr galten.

Trotzdem war die H-II nie eine Konkurrenz zu US-Trägern. Sie war schlicht und einfach zu teuer. In ihrer Einsatzzeit gab es nur zwei kommerzielle -starts. Japan selbst nutzte sie für nationale Anwendungs- und Wissenschaftsmissionen. Kommunikationssatelliten, die von japanischen Firmen und nicht der JAXA stammten, wurden fast ausschließlich mit Trägern anderer Nationen gestartet. Es gab auch weniger große, gemeinsame Projekte im Bereich der Forschung mit der NASA. Lediglich im bemannten Raumfahrtbereich wollte Japan genauso mitspielen wie Europa. So ist das größte Labor an Bord der ISS das japanische Kibo. Auch baute Japan wie die ESA einen eigenen Transporter, das HTV und ist bei Artemis mit der ESA bei dem gemeinsamen Wohnmodul beteiligt.

Fazit

Die Zusammenarbeit mit den USA war anfangs problematisch. Das Grundproblem ist nicht die NASA selbst, es sind Präsidenten die Kürzungen wollen, die dann meist im Science Budget umgesetzt werden. Das kam bisher zweimal vor, unter Reagan und George W. Bush. Die Schäden sind meist dauerhaft. Die USA hatten mal die Führung in der Erderkundung, unter Reagan wurden alle laufenden Programme beendet. Inzwischen ist hier Europa mit dem Kopernikus-Programm führend und die USA müssen Experimente auf europäischen Satelliten wie Sentinel 6 installieren. Unter Reagan hatten die USA sogar eine Zeitlang nicht mal genug Satelliten für die Wettervorhersage, sodass die ESA ihren Meteosat 3 Satelliten auslieh. Jetzt sieht es nach einem noch viel größeren Kahlschlag aus. In der ganzen Zeit gab es kein gemeinsames Projekt, das eingestellt wurde, weil die ESA nicht mehr wollte oder konnte.

Auf der anderen Seite – ohne die Beteiligung von ESA und JAXA wäre die ISS nie über das Kernsegment fertiggestellt, ja sogar mit dem Space Shuttle beendet worden. Das heißt es gäbe keinen COTS Abschluss 2008, als SpaceX vor der Pleite stand und die Firma wäre den Bach heruntergegangen.

2 thoughts on “Die oft schwierige Zusammenarbeit von Europa und die USA bei der Raumfahrt

  1. ist die Verblödung der USA, die Verrohung der Russen und der brutale Nationalismus in China nicht die Chance für eine neue Emanzipation für Europa? Klar sind wir abhängig, komplett vernetzt, aber hier wohnen und arbeiten immer noch 100e Millionen von hoch qualifizierten Menschen. Jetzt aus dem Arsch kommen, wäre auch eine Chance.

    Aber was machen wir?

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