Die glorreichen 10 – die Pechvögel unter den Raumsonden (2)

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Dieser Teil schließt an Teil 1 an, und morgen kommt der letzte Teil mit Platz 3 (Fortsetzung) bis Platz 1.

Platz 6: CONTOUR

Kommen wir zu der zweiten und nicht letzten Sonde des Discoveryprogramms in dieser Rubrik: CONTOUR. Das Akronym steht für Comet Nukleus Tour. Anders als Genesis war die kleine Raumsonde durchaus gut ausgestattet mit vier Experimenten, darunter einem Staubanalysator aus Deutschland. Ziel von CONTOUR war die nahe Passage der beiden Kometen Encke und Schwassmann-Wachmann. Die Sonde hätte, da sie sich auf der geplanten Umlaufbahn regelmäßig der Erde nähert noch zu anderen Kometen umgelenkt werden können. Entsprechende Pläne gab es vor dem Start. Schon auf dem Weg zu den Kometen waren vier Vorbeiflüge an der Erde geplant. CONTOUR war noch preiswerter als Genesis, während deren Missionskosten bei 264 Millionen Dollar lagen, waren es bei CONTOUR nur noch 159 Millionen Dollar. Das hatte ihren Preis, denn für die 50 Millionen für die Trägerrakete bekam man keine „vollwertige“ Delta 2 mit neun Boostern sondern nur mit vier Boostern. So wurde CONTOUR nur in eine stark elliptische Erdumlaufbahn befördert. Dort sollte sie einen integrierten Star 30 Antrieb zünden. Dieser Feststoffantrieb wurde in den Achtziger Jahren als Apogäumsantrieb bei zahlreichen Satelliten eingesetzt.

Als der Zeitpunkt der Zündung am 16.8.2002 kam, wurden die Sender der Sonde abgeschaltet, um sie durch die Vibration des Antriebs nicht zu beschädigen. Doch danach meldete sich CONTOUR nie mehr. Radaraufnahmen zeigten drei Objekte an der Position wo CONTOUR sein sollte. Genau feststellen, was passiert war, war so schwer. Als wahrscheinlichste Ursache gilt eine Überhitzung der CONTOUR Sonde durch die Abgase des Feststoffantriebs. Auffällig war die Position des Feststoffmotors: Der Star 30 Antrieb wurde, um Platz für einen Schutzschild gegen den Kometenstaub zu gewinnen, in die Sonde hinein verlagert. Normalerweise (d.h. bei den Kommunikationssatelliten, in denen er bisher eingesetzt wurde) ist die Düse völlig außerhalb der Sonde. Diese Düse wird durch die Abgase sehr heiß. Man vermutet, dass die Hitze die Struktur der Sonde so weit geschädigt hat, dass diese den Schubkräften des Antriebs nicht mehr standhalten konnte. Es mussten Teile der Sonde an der Düse bis zum 50-fachen der Energie aufnahmen, welche die Sonne liefert (bis zu 70 kW/m²). Der Untersuchungsbericht konstatierte denn auch, das es an Prüfungen des Designs der Raumsonde und der Fertigung es fehlte. Man hatte sich nicht einmal Gedanken gemacht, welche Auswirkungen es hat, die Düse nach innen zu verlagern.

Platz 5: Schiaparelli

Schiaparelli war eine Sekundärnutzlast des europäisieren Trace Gas Orbiters. Obwohl nicht gerade leicht – beim Start wiegt Schiaparelli 600 kg, bei der Landung noch etwa die Hälfte davon, war er nur ein technisches Experiment, das vor der Namensvergabe unter EDL-Demo lief. EDL steht für Entry-Decend-Landing. Nur mit Batterien als Stromversorgung sollte er nur wenige Tage lang arbeiten und hat auch nur wenige Instrumente an Bord. Primär soll Schiaparelli das Landeverfahren für den eigentlichen Exomars Rover erproben und Daten vom Abstieg bis zum Aufsetzen liefern.

Das tat er auch. Anders bei den US-Sonden der Zeit hatte er die ganze Zeit eine Funkverbindung zum Orbiter, der alle Daten zwischenspeicherte und zur Erde übertrug. Bei der Landung riss der Funkkontakt aber 50 Sekunden vor dem geplanten Landezeitpunkt ab. Die NASA nahm mit der hochauflösenden Kamera von MRO das Landegebiet auf und entdeckte einen neuen 2,4 m großen Krater und etwas davon entfernt den Fallschirm.

Die Auswertung der Daten und Computersimulationen zeigten dann was passiert war. Als sich das Ereignis ereignete, war Schiaparelli in 3,7 km Höhe, auf halber Strecke zwischen zwei Ereignissen, dem Abwurf der hinteren Abdeckung und Entfaltung der Fallschirme in 7-8 km Höhe und dem Abwurf der Fallschirme und Übergang zur Zündung der Triebwerke in 1,1 bis 1,2 km Höhe. Es kam zu einer Phase, in der es durch die Fallschirme zu starken Schwankungen der räumlichen Lage kam. Dies führte zur Sättigung der IMU, einem Inertialsystem das Schiaparelli signalisiert, wo er sich befindet und wie er ausgerichtet ist.

Dieser Messwert signalisierte, dass die Sonde sich unterhalb der Oberfläche befand. Das löste einige Trigger aus. So wurde der Fallschirm abgeworfen, das nächste Ereignis im Ablauf (bei 1,2 km Höhe), dann die Triebwerke aktiviert, doch da sich die Sonde ja auf der Oberfläche befinden sollte wurden die Triebwerke sofort wieder abgeschaltet. So fiel Schiaparelli ungebremst aus 3,7 km Höhe auf die Oberfläche wo er mit hoher Geschwindigkeit zerschellte. Hätte der Bordcomputer die Plausibilität der Daten (wie sollte die Sonde von einem Augenblick zum anderen plötzlich um 3,7 km nach unten gesackt sein?) hinterfragt und einfach mit den vorliegenden Daten weiter gearbeitet bis sich das Schaukeln beruhigt hat und dann die IMU neu gestartet, so wäre die Mission wahrscheinlich geglückt. Die ESA ist daher der Meinung, dass Schiaparelli seine Mission – die Daten für Landung zu liefern, trotzdem zu einem großen Teil erfüllt hat.

Platz 4: Venera 4 bis 6

Bei der Venus wollte die Sowjetunion unbedingt vor den USA landen, obwohl diese gar keine Landung vorhatten. Das lag auch daran, dass durch die dichte Atmosphäre eine Landung viel einfacher ist – sie bremst eine Kapsel effektiver ab, sodass Fallschirme ausreichen, während man beim Mars ohne Landetriebwerke mit hoher Geschwindigkeit auf dem Boden aufschlägt. Das es auf der Venus sehr heiß ist, stellte schon 1962 Mariner 2 fest. Ab Venera 2 wollte die Sowjetunion auf der Venus landen, doch erst Venera 4 kam funktionstüchtig bei der Venus an.

In 45.000 km Entfernung wurde die Spinstabilisierung gestoppt und der Bus dreiachsenstabilisiert, mit dem Lander zur Venus zeigend. Als der Erdsensor einen Kontaktverlust signalisiere, wurden Lander und Bus bei 11 km/s getrennt. Die Landesonde wurde um bis zu 300 g abbremst und begann mit ihren Messungen. Die erste Messung des Radarhöhenmessers ergab eine Höhe von 26 km. Wegen der Übertragung nur eines Bereichs war dies aber nicht die echte Höhe, sondern zu interpretieren als „mindestens 26 km Höhe“. In Wirklichkeit war, wie man Jahre später anhand der Daten über die Atmosphäre ermittelte, die Sonde noch in 61 bis 65 km Höhe.

Die erste Messung ergab einen Außendruck von 0,75 Bar und eine Temperatur von -31 Grad Celsius in 55 km Höhe. 93 Minuten lang sank die Sonde ab. Der Druck- und Dichtesensor erreichte bald den maximalen Messwert, der bei 5,3 bar lag. Lediglich der Temperatursensor lieferte 250 Messpunkte bis zum Schluss: Die Temperatur stieg bis auf 262 °C an der Außenseite. Als Venus 4 verstummte, meinten die Wissenschaftler, sie wäre gelandet und feierten dies. Zeitgleich passierte Mariner 5 den Planeten. Sie konnte mithilfe ihres Bedeckungsexperiments den Venusradius genauer als bisher bestimmen. Russland nahm einen Radius von 6.072 km an. Mariner 5 ermittelte einen Radius von 6.048 km (korrekter Wert: 6.051,6 km). Berücksichtigt man diesen niedrigeren Wert, so war klar, dass die Sonde nicht die Venusoberfläche erreicht haben konnte. Venera 4 fiel bei einem Druck von 17 bis 20 Atmosphären in einer Höhe von etwa 28 km aus. Immerhin war anhand Daten von Mariner 5 extrapolierbar, dass an der Oberfläche 500 °C und 75 bar Druck herrschen mussten.

Das war ein Erfolg, den vorher wusste niemand welcher Druck an der Oberfläche herrschte, Venera 4 war für eine maximale Temperatur von 350 Grad Celsius und einen Druck von 10 Bar ausgelegt. Doch nun kommt dass, weshalb Venera 5 und 6 in dieser Rubrik auftauchten: die sowjetischen Wissenschaftler glaubten den Daten von Mariner 5 nicht! Venera 5+6 waren auf maximal 25 Bar Druck ausgelegt. Sie erreichten die Venus im Mai 1969. Immerhin hatten die Sonden nun einen genaueren Höhenmesser an Bord, der nun erstmals die richtige Höhe über dem Grund messen konnte, allerdings nicht kontinuierlich, es gab nur zwei bzw. drei Messungen während des Abstiegs. Der tiefste Punkt lag bei 23 bzw. 20 km. Kurz danach, in fast derselben Höhe verstummten beide Sonden – bei einem Außendruck von 27 Bar in rund 17 bis 18 km Höhe über dem Boden. Erst danach glaubten die sowjetischen Ingenieure den amerikanischen Daten und legten die Nachfolgesonde Venera 7 auf einen hohen Druck aus, verzichteten für die stärker Druckhülle auf fast alle Instrumente. Venera 7 erreichte erfolgreich den Boden, Venera 8 – nun wieder etwas leichter, weil man ja die Bedingungen am Boden kannte, machte dann die notwendigen Messungen in der Atmosphäre die man benötigte, um mit Venera 9 bis 14 viel größere und leistungsfähigere Sonden zur Venus zu entsenden. Venera 4,7 und 8 hatten als Doppelmission jeweils noch eine zweite baugleiche Sonde, die aber nicht die Venus erreichte sondern im Erdorbit strandete. Die Schwestersonde von Venera 8, Kosmos 482 soll in wenigen Tagen in die Erdatmosphäre eintreten.

Platz 3: Phobos 1+2

Platz geht wie Platz 2 gleich an mehrere Sonden. Nämlich die letzten Sonden der Sowjetunion bzw. Russlands. Mars 96 fehlt in der Liste, weil er schon beim Start verloren ging. Aus Platzgründen kommen die beiden anderen Sonden für Platz 3 im letzten Teil des Blogs. Die Sonden gingen aus unterschiedlichen Gründen verloren, doch sie haben eine gemeinsame Ursache, mangelnde Sorgfalt und Absicherung. Phobos 1+2 waren die beiden letzten Raumsonden der Sowjetunion. Die Sonden waren so schwer, dass sie ihren eigenen Antrieb schon im Erdorbit zünden mussten, um zum Mars zu gelangen. Dort sollten sie den inneren Marsmond Phobos in wenigen Hundert Metern Entfernung passieren und dabei Landegeräte absetzen. Schon im Vorfeld öffnete die Sowjetunion sich und unter den vielen Experimenten waren nicht nur welche aus kommunistischen Partnerländern, sondern auch aus Österreich, Frankreich, der BRD und der ESA. Wie bisher war es eine Doppelmission, damit wenigstens eine Sonde das Ziel erreicht. Der Start beider Sonden glückte aber.

Als man am 2.9.1988 Phobos 1 ansprach, antwortete sie nicht mehr. Alle Versuche, sie wieder zu aktivieren, scheiterten. Am 3. November 1988 wurde Phobos 1 offiziell aufgegeben. Die Ursache war eine neue Software, die am 29/30. August zur Sonde überspielt wurde. Diese enthielt einen Programmfehler, der die Steuerungsdüsen deaktivierte, anstatt dass er das Gammastrahlenspektrometer abschaltete. Die Sonde geriet ins Taumeln. Ohne die korrekte Ausrichtung wurden die Solarpaneele nicht mehr beschienen. Die Batterie an Bord von Phobos 1 entlud sich. So ging die Sonde verloren. Im Normalfall wurden die Kommandos von Jewpatrovia Sendekomplex geprüft, nachdem sie vom Moskauer Kontrollzentrum übermittelt wurden, doch an diesem Tag war die entsprechende Hardware nicht aktiv, so die offizielle Begründung.

Phobos 2 bremste sich dagegen in einen Marsorbit ein und näherte sich Phobos. Die Raumsonde hatte sich am 27.3.1989 bis auf 35 km an den Marsmond herangepirscht. Der Vorbeiflug war für den 4/5. April 1989 geplant. Nun galt es, für mitgeführte Lander die Landeplätze auszumachen. Dazu musste die Missionskontrolle die Sonde drehen, um Bilder anzufertigen. Nach der so entstehenden Kommunikationspause empfing die Bodenstation 17 Minuten lang ein schwaches Signal, aber ohne auswertbare Telemetrie. Phobos 2 hatte die Orientierung verloren. Die Antenne zeigte nicht mehr zur Erde. Die Sonde rotierte und die Solarzellenflächen waren nicht auf die Sonne ausgerichtet. Ohne korrekte Ausrichtung kühlte die Sonde aus. Alle Versuche, Phobos 2 wieder unter Kontrolle zu bringen, scheiterten. Am 15.4.1989 wurde das Scheitern des Unternehmens bekannt gegeben. Die Ursache konnte nicht endgültig geklärt werden. Es wurde vermutet, dass der Computer der Sonde versagt hatte. In Zeiten von Glasnost wurden dann zahlreiche Mängel bekannt. Ein solches Projekt unter Einsatz (für die SU) neuester Technologien, wie Mikroprozessoren, hätte sechs bis sieben Jahre zur Umsetzung gebraucht. Es standen aber nur dreieinhalb Jahre zur Verfügung. So verließen „Beta-Raumschiffe“, ohne erprobte Komponenten die Erde. Insbesondere die Computer waren nicht ausreichend getestet worden. So gab keine Safemode-Programme, die eingreifen, wenn eine bedrohliche Situation auftritt und es fehlte an Redundanzen. So konnte ein Fehler zum Verlust der ganzen Mission führen, während US-Sonden sich dann automatisch so ausrichten, dass die Solarpaneele zur Sonne zeigen und sie versuchen die Bodenstation über eine ominidirektionale Antenne zu erreichen.

So, nun mache ich einen Break, Die Fortsetzung von Platz kommt dann morgen, ihr dürft schon mal raten was das für Sonden sein könnten.

2 thoughts on “Die glorreichen 10 – die Pechvögel unter den Raumsonden (2)

  1. Hm, ich hätte da sechs Top-Kandidaten für die größten „Pechvögel“, von der NASA gleich vier Mars-Sonden in den 90ern:
    – Mars Polar Lander
    – Mars Climate Orbiter
    – Mars Observer
    – Mars Global Surveyor
    Also, das nenne ich mal eine Pechsträne.

    Dazu noch von – oder bei Beagle: mit – der ESA:
    – Beagle 2
    und
    – Philae, der als Landeeinheit von Rosetta auf Tschurjumow-Gerassimenko landen sollte, was zwar irgenwie gelang, jedoch alles andere als vorschriftsmäßig.

    Ach ja, dann gibt es noch diverse Kandidaten von Mondsonden aus den letzten Jahren mit Außenseiter-Chancen, wie Luna 25, Beresheet, Peregrine oder IM-1.

    P.S. Kosmos 482 kommt dann morgen früh „zurück“, mit etwas „Glück“ sogar in etwa dorthin, wo sie einst gestartet wurde:
    https://www.eusst.eu/newsroom/eu-sst-monitors-reentry-object-cosmos-482/

    1. Na immerhin zwei haben es ja in die Liste geschafft und das auf Platz 2. Der MGS hat problemlos über mehr als seine Sollebensdauer gearbeitet, beim MO weiß man bis heute nicht worans lag aber beim MPL und MCO wäre der Verlust vermeidbar gewesen.

      Philae hat im wesentlichen das geliefert was er sollte und Beagle 2 war ein privates UK-Projekt das nur mitgenommen wurde, daher wie andere kommerzielle Unternehmen außen vor.

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