Mini-Planetensonden – eine Alternative?

So, wie ihr bestimmt gemerkt habt gab es wenig neues in den letzten Tagen. Ich hatte die letzten zwei Wochen bei einem Kunden zu tun und die erste Woche konnte ich mit vorausgeschriebenen Blogs füllen, aber die zweite Woche eben nicht. Der nächste Termin ist in der Woche vom 7-11.10, und kurz darauf werde ich nach Nesselwang gehen. Also haben Gastautoren die Gelegenheit 1-2 Wochen lang ganz alleine den Blog zu gestalten.

Ich bin über diesen Artikel gestoßen, der sich mit kleinen Raumsonden (unter 100 kg Masse beschäftigt). Das Konzept ist nicht neu. Ich hatte eine ähnliche Verwendung der ASAP-5 Plattform auch kleine Raumsonden zu transportieren. Die ASAP erlaubt in der verwendeten Version maximal 300 kg schwere Einzelnutzlasen, mit einem Gesamtgewicht von 1200 kg. Damit kann man mit chemischen Antrieb etwa 100 kg in eine Umlaufbahn um den Mond, Venus oder Mars bringen oder 150 kg auf eine Vorbeiflugmission entsenden. Der Artikel geht von noch kleineren Raumsonden aus, die nur etwa 50 bis 100 kg wiegen. Die Frage ist, wie sinnvoll solche Konzepte sind.

Nun zuerst mal etwas grundlegendes. wer Raumsonden mal nach der Masse ihrer Subsysteme aufgliedert stellt fest, dass die Experimente meist einen konstanten Anteil an der Trockenmasse haben. Etwa ein Sechstel mit Schwankungen je nach Einsatzzweck oder befördertem Treibstoff (meist wird das Antriebssystem mit zur Trockenmasse gerechnet). Am oberen Ende liegen reine Vorbeiflugsonden bei erdnahen Himmelkörpern, um unteren Raumsonden zu den äußeren Planeten. Sie wiegen wegen der RTG und den großen Antennen mehr, die beide das Gewicht erhöhen.

Die Basis dafür ist recht einfach. Jedes Instrument addiert Gewicht zur Sonde. Zum Gewicht der Sonde selbst kommt noch das für die Stromversorgung – Solarzellen oder RTG, Spannungskonverter, Akkus um Spitzenbedarf oder Zeiten ohne Stromversorgung abzupuffern, Kabel. Die Sender müssen stärker sein – sie müssen mehr Daten übertragen. Damit braucht man noch mehr Strom. Eventuell auch eine größere Antenne. Die Datenverarbeitung muss erweitert werden, das zieht weiteres Gewicht bei Sendern und Stromversorgung nach sich. Zuletzt erhöht das zusätzliche Gewicht die Strukturmasse, die ja alle Lasten tragen muss und das Thermalkontrollsystem, das ja die Wärme abführen muss. Und da fast jede Sonde ihre Lage mittels Treibstoff ändert, kommen dann noch Treibstoffe dazu und schwerere Tanks.

So wundert es nicht, dass man bei diesen kleinen Sonden nur von 10-15 kg wissenschaftlicher Nutzlast ausgeht, Das bedeutet natürlich Einschränkungen. Es gibt mehrere Möglichkeiten diesem Problem zu begegnen. Zum einen kann man nur Instrumente nehmen die nicht viel wiegen. Das sind z.B. Magnefeldsensoren, Detektoren für Strahlung etc. Nicht umsonst haben viele Nationen ihre ersten Satelliten mit solchen Instrumenten ausgerüstet und damit den Sprung in den Weltraum mit kleinen Satelliten gewagt.

Das zweite ist es zu verkleinern. Das ist bei vielen Instrumenten nur mit Einbußen möglich. Nehmen wir mal optische Instrumente die alle an einem Objektiv oder einem Teleskop hängen. Als Extrembeispiel gibt es die Kamera HiRISE. Sie macht aus 250 km Entfernung Aufnahmen mit 0,35 m Auflösung – wiegt aber auch 65 kg. Die Kamera AMIE an Bord von SMART-1 dagegen nur 2,1 kg. Sie macht Aufnahmen von 27 m Auflösung aus 300 km Entfernung. Der Unterschied im Gewicht vom Faktor 30 korrespondiert mit einem in der Auflösung um den Faktor 100. De Grund ist relativ einfach. Es gibt eine gewisse Basismasse, die sich durch die Sensoren, die Elektronik zum Auswerten und Verarbeiten der Daten ergibt (alle Instrumente sind autonom und brauchen den Bordcomputer nur zum Versenden der Daten bzw.,. zum Übermitteln des Messprogramms). Bei AMIE entfielen von den 2,1 kg Masse 1,65 kg auf dieses. Der Rest der Masse entfällt dann auf das Objektiv, das bei höherer Auflösung rasch schwerer wird. Bei AMIE wog es nur 0,45 kg. So hat man hier mehr Spielraum: man gewinnt man rasch an Auflösung ohne das das Gewicht stark ansteigt. Bei der Kamera LORRI an Bord von New Horizons ist schon ein Objektiv von 20 cm Durchmesser und 2630 mm Brennweite möglich (AMIE: 152 mm) das 5,6 kg von 8,8 kg Gewicht ausmacht. Es könnte aus 250 km Entfernung schon 1,2 m große Details abbilden. Also 4-fache Masse, 20-fach bessere Auflösung. Dann steigt die Auflösung nur noch langsam an, weil das Objektiv immer schwerer wird. Für die HiRISE Kamera hat man extra zur Gewichtsreduktion einen gefalteten Strahlengang umgesetzt. Andere Instrumente sind nur schwer verkleinerbar.

Der letzte Ansatz ist es Instrumente gemeinsam zu nutzen. So brauchen zahlreiche Instrumente einen optischen Teil, ein Teleskop oder ein Objektiv. Das gilt für Kameras wie Spektrometer. Teilchendetektoren verschiedenster Art sollten abgeschirmt werden, es bietet sich also an, sie in einem gemeinsamen Gehäuse mit einer gemeinsamen Abschirmung zu platzieren.

Am weitestgehenden ist dieser Ansatz bei optischen Instrumenten umgesetzt. An ein Teleskop, das bei größeren Instrumenten den größten Teil der Masse ausmacht. Dann kann man ein Objektiv mehrere Instrumente anschließen. Über einen Spiegel lenkt man dann das Licht an das jeweilige Instrument dann kann man die nur nacheinander betreiben, oder man positioniert die Sensoren nebeneinander und jeder nutzt einen Teil des Gesichtsfeld (meist nur bei größeren Instrumenten möglich) oder man hat einen halbdurchlässigen Spiegel, der für jedes Instrument die Hälfte des Lichts durchlässt, die andere zur Seite reflektiert wo ein ein weiteres Instrument sitzt. So kann man ein Spektrometer mit einer Kamera koppeln oder mehrere Spektrometer für unterschiedliche Spektralbereiche / Auflösungen oder mehrere Kameras mit unterschiedlichen Brennweiten (zusätzliche Linsen im Strahlengang die verkleinern oder vergrößern).

Klar ist so, dass man die Nutzlast eine kleinen Sonde optimieren kann. Entsprechende Ansätze gab es schon so, wurde bei Deep Space 1 erstmals ein optisches Kombiinstrument eingesetzt.  Entsprechende Ansätze zur Gewichtsreduktion  wäre auch bei größeren Raumsonden möglich, aber da es dort den Zwang zur Gewichtseinsparung nicht in diesem Maße gibt. Ein organisatorischer Punkt spricht auch dagegen: Im Normalfall hat jedes Instrument eine Arbeitsgruppe die es entwickelt und dann fertig zum Einbau an die NASA oder ESA übergibt. Bei Kombi-Instrumenten müssten sich diese zusammen tun oder es käme nur einer zum Zuge. Trotzdem wird man in 10 vbis 15 Kilogramm Nutzlast nicht 6-10 Experimente unterbringen können, sondern vielleicht 2-3. Damit ist schon eine Vorentscheidung getroffen. Derartige Sonden eignen sich für Einsatzzwecke, bei denen man nicht so viele Experimente braucht. Wenn man einen Asteroiden besucht, so wird man nicht mit einem Magnetfeld oder einem Strahlungsgürtel oder einer Atmosphäre rechnen. Entsprechend kann man Instrumente zu ihrer Untersuchung weglassen. Das zweite wäre eine Raumsonde zu einem Himmelskörper den man auch mit größeren Sonden erforschen könnte, aber bei dem vielleicht nur eine besondere Fragestellung geklärt werden muss, für die sich eine größere Sonde nicht lohnt, oder die Sonde dabei zerstört wird (Aufschlag: Deep Impact oder Atmosphärensonden (Venus, Jupiter, andere Riesenplaneten)

Es gibt auch historische Vorbilder. Da wäre zum einen die Pionier Serie. Die ersten neun Pioniers waren sehr kleine Sonden, die das interplanetare Medium mit wenigen Experimenten erforschten. Pioneer 10+11 waren größer und komplexer, jedoch verglichen mit ihren Nachfolgern Voyager, Galileo und Cassini einfach aufgebaut und preisgünstig. Das gilt auch die Venussonden Pionier Venus 1+2.

Das Discovery Programm hatte auch das Ziel die Kosten für Raumsonden zu senken, und einige Exemplare waren in der Tat sehr billig, aber auch mit nur wenigen Experimenten ausgestattet.

Die Frage ist, wo ist da der Haken? Der Haken wird im oberen Artikel schon angesprochen, nur nicht so präzise wie nötig. Es gibt in der Raumfahrt eine ziemliche Fixierung auf die Startkosten. Sie machen aber bei einer Raumsondenmission nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten aus, Ausnahmen sind Raumsonden ins äußere Sonnensystem die auf extrem hohe Geschwindigkeiten beschleunigt werden müssen, und daher sehr große Trägerraketen brauchen. Die nächste Marsmission MAVEN wird 671 Millionen Dollar kosten. Davon entfallen 187 Millionen auf den Start. Bei einer als Sekundärnutzlast gestarteten Sonde entfallen diese. Doch die Konstruktion kostet auch Geld, hier würden standardisierte Sondenkörper viel Geld sparen, doch diese Möglichkeit hat man auch bei größeren Missionen und nutzt sie dort kaum. Die Experimente kosten auch Geld, je komplexer sie sind desto mehr. So fiel der Entschluss Marsexpress zu starten deswegen, weil in die Experimente für Mars 96 in Europa ein dreistelliger Millionenbetrag investiert wurde. Die eigentliche Raumsonde die aus Standardbauteilen bestand, war dagegen preiswert.

Zuletzt gibt es noch die Missionsüberwachung. Cassini als Großmission kostet derzeit 60 Millionen Dollar pro Jahr – in der erweiterten Mission, wo die Kosten schon auf die Hälfte reduziert wurden. Davon braucht man alleine 45 Millionen um die Raumsonde auf einem Minimallevel zu betreiben. Diese kosten hängen zum einen von der Größe des wissenschaftlichen Teams ab, aber auch von dem Betreuungsaufwand (muss man die Sonden mehrmals pro Tag kontaktieren oder kann sie lange autonom arbeiten?) und ob sie die großen DSN Antennen oder kleinere braucht. Bei New Horizons werden Missionskosten von 220,9 Millionen Dollar für den Betrieb angegeben. Das sind für die rund 10 Jahre nur 22,9 Millionen Dollar pro Jahr, aber die Raumsonde ist den größten Teil dieser Zeit in einem Hibernation Mode, sie macht wie Cassini nicht dauernd Vorbeiflüge an Saturnmoden und sie hat viel weniger Experimente die auch kleinere wissenschaftliche Teams ermöglichen. Wenn Raumsonden weitaus mehr autonom agieren könnten, dann wäre das eine Möglichkeit kosten zu sparen, doch derzeit gesteht man ihnen die Autonomie nicht in größerem Maße zu – zumindest nicht wenn es etwas zu tun gibt.

Der Artikel zeigt die Grenzen der Ersparnis: Eine Mission könnte 100 Millionen kosten, davon die Raumsonde nur 20 Millionen, also nur 20% der kosten. Typisch sind eher 30-40% Bei einer Mission mit vier Raumsonden zu Centaur Objekten, sind es auch nur 100 von 511 Millionen Dollar, und dies obwohl hier die sonst so teure Trägerrakete wegfällt (die bei New Horizons über 30% der Gesamtkosten ausmachte). Wenn man nun die Startkosten einfährt weil man sie mit dem ESPA Ring als Sekundärnutzlast startet, so spart dies nur viel Geld ein, wenn man die Sonde als eigene Mission starten würde.

Trotzdem, und hier gehe ich konform mit dem Artikel sind solche Missionen für bestimmte Zwecke gut geeignet. Ich hatte schon einige vorgeschlagen, heute kommt eine neue dazu: Die „Galileo-Ersatzmission“. Galileo hatte ihren Namen von den nahen Vorbeiflügen an den Galileischen Monden. Die Datenmenge bei diesen Vorbeiflügen war durch den Ausfall der Sendantenne sehr gering, noch härter traf es das Plasmasubsystem und die Jupiterbeobachtungen. Eine Serie von Raumfahrzeugen, jede mit einem kombinierten Kamera(Spektrometerinstrument, einem Radiowelleninstrument und einem Detektor für energiereiche Teilchen sowie einem Magnetometer könnten Galileo ersetzen. Ziel ist es jede Sonde an einem der galileischen Monde vorbeizulenken, beim Vorbeiflug Aufnahmen zu machen und in den Monaten vorher Jupiter und seine Umgebung zu observieren. Vier Sonden, im 13 Monatsabstand gestartet würden so sowohl von der Beobachtungsdauer wie auch den Vorbeiflügen Galileo zu einem guten Teil ersetzen. Die Raumsonden würden nach dem Dump and Store Prinzip arbeiten. Also die Daten zwischenspeichern und später übertragen. Prinzipiell wäre auch ein Einschwenken in einen Orbit denkbar, doch dann werden auch die Limitationen sichtbar – nun fallen so viele Daten an, dass man eine leistungsfähige Sendeanlage braucht und das Dump and store Prinzip ist auch kaum umsetzbar. Jupiter ist dank moderner Ultraflex Solar Arrays ohne RTG erreichbar. Derartige Arrays von ATK haben Leistungsdichten von 175 W/m² und bis zu 5,5 m Durchmesser. Ein solches Array hätte bei Jupiter noch 664 Watt Leistung und würde 103 kg wiegen – nicht viel schlechter Daten als RTG. Kleinere Arrays für eine kleinere Sonde wiegend dann entsprechend weniger. Trotzdem wird die Konstruktion einer kleinen Sonde zu einer Herausforderung. Selbst wenn man 300 kg wie es bei einer Ariane 5 Sekundärnutzlast vorgesehen ist als Startmasse. Denn dann muss die Sonde ja noch die Erde verlassen und in der Sonnenumlaufbahn um 8,7 km/s beschleunigen. Selbst mit einem Ionenantrieb braucht sie dann eine Menge Treibstoff.

Ich denke ich werde das mal in einem ruhigen Moment etwas genauer durchdenken.

4 thoughts on “Mini-Planetensonden – eine Alternative?

  1. Hallo Bernd,

    waren die ersten vier (oder auch fünf) Pioneers nicht eher zur Mondforschung gedacht? Dabei würde ich auch sagen, dass die Pioneers 0-2 der USAF eher ziemlich ambitioniert waren (Mondorbiter) im Vergleich zu Pioneer 3 und 4 von der US Army und von Braun (was dann vielleicht auch durch die Einfachheit ein besserer Weg war, denn die hatten ja nur Geigerzähler und diese rudimentäre Mondkamera).

  2. Die ersten machten Mondvorbeiflüge, aber hatten eben auch nur Geigerzähler oder ähnliche Instrumente an Bord und es geht ja um die Instrumente im Artikel.

    Die Mondorbiter waren die „Able“ Sonden (einen Namen bekamen sie nie, weil alle Starts fehlschlugen), doch die waren nach den ersten 4 Pioneers.

  3. Ja, die Ables (oder auch Pioneer W, X, Y, Z oder P-3, findet man ja alles) kenne ich. Da sollten zwei ja auch zur Venus fliegen?

    Die USAF-Pioneers Nummer 0, 1 und 2 waren aber definitiv für einen Mondorbit gebaut. https://en.wikipedia.org/wiki/Pioneer_1 Der Antrieb rechts an der Sonde sollte für das Einbremsen in den Orbit benutzt werden. (Finde es interessant, dass rechts „Mission Type: Flyby“ steht, bei Pioneer 0 und 2 steht das nicht in den jeweiligen Artikeln, z.B. „Pioneer 0 (also known as Thor-Able 1) was a failed United States space probe that was designed to go into orbit around the Moon, carrying a television camera, a micrometeorite detector and a magnetometer, as part of the first International Geophysical Year (IGY) science payload.“)

  4. Die Frage ist halt auch hier, was die NASA alles in die 45 Mio. US-$ „Missionsüberwachungkosten“ allein für Cassini packt. Größter Einzelposten könnte aber der Betrieb des „Deep Space Network“ sein – der Unterhalt der großen Radioantennen ist garantiert nicht billig. Andererseits würde das DSN effizienter eingesetzt, wenn es mehr Missionen gäbe, was dessen Kostenanteil pro Mission dann drückt.

    Kai

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