Ich verstehe es nicht

… und zwar die ESA-Kalkulation bei der Ariane 6. Zur Erinnerung: Die „neue“ Ariane 6 ist ist nichts anderes als eine Rakete mit einer kryogenen Zentralstufe (mit Vulcain 2), einer kryogenen Oberstufe (mit Vinci) und zwei oder vier P135 Booster (halbe Treibstoffmenge und Länge wie die EPS Booster der Ariane 5.

  • Also wir haben ein Gegenstück zur ESC-B Oberstufe, wir haben eine Zentralstufe, die einen etwas geringeren Durchmesser als die Ariane 5 und einer etwas geringeren Treibstoffzuladung, etwa auf dem Niveau der Ariane 5G. Auch das Triebwerk ist das gleiche.
  • Der Unterschied liegt nur in den Boostern. Sei sind halb so groß und haben ein FW-Gehäuse.

Gebaut wird sie ja um Geld zu sparen. Ein Ariane 5 Start kostet 165 Millionen Euro. Die Ariane 6 war in der alten Konzeption auf 70 Millionen Euro Startkosten bei 7 t Nutzlast ausgelegt. Bei der neuen Konzeption ist nach einer Drucksache des Bundestags die Nutzlast 5,8 bzw.. 10,6 t bei 80 bzw. 90 Millionen Euro.

  • Ich stelle erst mal fest, dass die neue Konfiguration teurer ist als die alte (70 Millionen Euro für 7 t Fracht vs. 80 Millionen Euro für 5,8 t Fracht.
  • Ich stelle auch fest, was nicht verwunderlich ist, dass die Booster das billigste an der Rakete sind, das war schon bei der Ariane 5 so
  • Ich stelle auch fest, dass die Nutzlast bei nur zwei Boostern überproportional abnimmt. Dasa spricht für eine relativ hohe Leermasse der zweiten Stufe.

Was aber offen bleibt ist: wie soll die Rakete billiger werden? Was ich an Unterschieden zur Ariane 5 ME sehe sind nur die Boostergehäuse und eine kleinere Zentralstufe. An dem Hauptkostenträger, dem Vulcain 2 hat man nichts geändert, dabei hat die ESA selbst für die Ariane 5 Weiterentwicklung ein einfacheres und kostengünstigeres Triebwerk vorgeschlagen. Ich kann mir nicht vorstellen, das einige neue Tanks die Rakete so verbilligen. Auch bei den Boostern dürften die FW-Gehäuse wohl billiger sein, aber sicher auch kein großer Schritt. Sicherlich kommt man so nicht zu Kosteneinsparungen in Höhe von 89 Millionen Euro.

Was auch angesprochen wurde und wohl mehr ausmacht, ist die Neustrukturierung der Produktion. Es wurde ja schon gefordert die Ariane 6 nur an zwei bis drei Standorten zu bauen, anstatt wie bisher quer durch Europa verstreut. Das leuchtet mir ein, doch leuchtet mir nicht ein, warum man dazu eine neue Rakete braucht. Im Prinzip könnte man die EPC komplett in Frankreich bauen, Italien könnte den Auftrag für neue Booster bekommen und diese komplett fertigen. Im Gegenzug würde man in Bremen das Vinci in Lizenz fertigen und die Oberstufe samt VEB bauen. Das erfordert auch Investitionen, aber sich nicht so viele wie eine neue Rakete. Zudem könnte man da ja auch gleich die zwei Booster durch mehrere kleine ersetzen. Idealerweise ein 6-er System wie hier auch schon vorgeschlagen (erlaubt 2,3,4 und 4+2 Booster und damit eine bessere Anpassung an die Nutzlast und Steigerungsmöglichkeit).

Meiner Ansicht nach wird aber die Ariane 6 nicht so billig sein. Ich kann mir nicht vorstellen wie man bei gleicher technischer Auslegung die Rakete im Preis halbieren kann. Man darf nicht vergessen, dass die ESA zwischen 2005 und 2010 insgesamt 960 Millionen Euro an die Industrie zahlte nicht nur um Verluste bei der Vermarktung aufzufangen, sondern auch um die Fertigung umzustrukturieren. Offensichtlich ist das nicht gelungen oder das Geld ist versandet. Wer sagt dass es bei der Ariane 6 nicht anders ist.

Derzeit wird ja SpaceX als Grund angeführt. Wie immer passen aber Fakten nicht so richtig zusammen: Die Starts dieses Jahr waren alle subventioniert mit 21 bis 50 Millionen Dollar pro Start (regulärer Preis 61,2 Millionen Dollar).

Dieses Jahr gewann die Firma gerade mal drei Kontrakte (nun wird wohl der normale Preis verlangt und neue Kunden müssen sich auch hinten ins Startmanifest einreihen), während es bei Arianespace 14 war. Bei der letzten Ausschreibung hat man gar nicht mehr mitgemacht, weil man keine Startkapazitäten frei hat. Also irgendwie passt das nicht zur Bedrohung

Die Ariane 5 ME soll nach der Schriftsache im Bundestag 170 Millionen Euro pro Start kosten. Sie wird 12 t im Einzelstart transportieren. SpaceX verlangt 61,2 Millionen Dollar für eine Falcon 9 und 85 Millionen für einen 6,4 t Satelliten auf der Falcon heavy. Da die angaben von SpaceX für den 28 Grad Orbit sind, aber der von Ariane erreichte 5 Grad Orbit die Referenz ist nimmt die Nutzlast ab. Bei der Falcon 9 nach SpaceX angaben auf 3,5 t. Bei einer entsprechenden Reduktion bei der Falcon Heavy wären es dort 4,62 t. Mit zwei Sylda-5 könnte eine Ariane 5 ME netto 11 t im Triplestart transportieren, das wären z.B. 3 x 3,5 t. Bei etwas leichteren Satelliten wäre auch eine Kombination von 1 x 4,6 und zweimal 3,2 t möglich. Das würde bei SpaceX Preisen 183,6 und 207,4 Millionen Dollar oder 147 bzw. 167 Millionen Euro bei dem heutigen Wechselkurs entsprechen. Ich sehe also nicht den großen Preisunterschied. (Zumal SpaceX bei NASA und DoD auch kräftig zulangt: 83 Millionen Dollar für Jason-3 bei der NASA und 96 Millionen Dollar für DSCOVR bei dem Dod. Das entspricht 10% bzw. 30% Aufschlag wegen Bürokratie. Hier sieht man zum einen Sparpotential in Europa und zum anderen entsprechen 83-10% 75 Millionen Dollar und 96-30% 74 Millionen Dollar, also gar nicht den angekündigten Preisen ….)

Das einzige ws Ariane 5 derzeit nicht kann, was aber auch bei der Ariane 6 nicht gegeben ist, ist die Rakete zu verbilligen wenn die Nutzlast nicht gefordert wird.

Was wäre mein Vorschlag, wenn man sich zu einer neuen Rakete durchringt (wovon ich immer noch nicht überzeugt bin). Nun es ist der nächste Schritt. Wenn SpaceX mit der Bergung Erfolg hat wird selbst eine Ariane 6 unter Preisdruck kommen, dann wird man erneut nach einer neuen Rakete schreien. Warum nicht gleich zu einer Wiederverwendung übergehen? Ich fand das vom DLR SA/RT Institut ausgearbeitete LFBB Konzept überzeugend. Das sind zwei EPC mit einfacheren, aber schubstärkeren Vulcain 3R. Die Booster haben Flügel und einen Turbofanantrieb der den restlichen Wasserstoff im Treibstofftank verbrennt. Sie fliegen nach einer ballistischen Phase angetrieben zurück zum Startplatz. Das klingt nach einem Konzept das konventioneller ist als das von SpaceX, aber auch weniger riskant. Man muss nicht die Bahn umdrehen und mit Treibstoff zum Startplatz zurückfliegen und hat dort nur eine Chance zu landen, sondern man setzt eine Technologie ein, welche die Luftfahrt seit rund 100 Jahren nutzt., Der Haken: Es werden nur die Feststoffbooster ersetzt, die sind das billigste an der Rakete. Ideal wäre es die Zentralstufe zu bergen, doch die wird bei höherer Geschwindigkeit abgetrennt (viel höhere Belastung beim Wiedereintritt) und zum Startplatz kann sie auch nicht zurückfliegen, denn sie hat schon einige Tausend Kilometer zurückgelegt, aber vielleicht auf Ascension Island oder an der Westküste Afrikas könnte sie landen.

Edit: Italien die wohl auch viel an der Rakete (und Vega) machen wollen haben Probleme ihre Finanzierung des ESA-Programmes hinzubekommen. Sie befürchten zudem, dass die Ariane 6 auf die Satelliten von Airbus zurecht geschnitten wird. Link.

9 thoughts on “Ich verstehe es nicht

  1. Auf SPON gibt es auch einen Artikel dazu.

    Zitat: „‚Das Ergebnis ist auf jeden Fall gut für uns‘, meint Wörner. ‚Letztlich ist das eine optimierte Ariane 5, wir nennen sie nur Ariane 6.‘ Das wiederum ist wichtig, um die Franzosen zufriedenzustellen und sie wie Sieger aussehen zu lassen. So sehen Kompromisse in Europas Raumfahrt aus.“

    Und: „Die endgültige Entscheidung über den Bau der Ariane 6 ist, so Wörner, erst für 2016 geplant.

    Noch steht der Kompromiss. Deutschland ist ihn auch deshalb eingegangen, um Frankreich und Italien dazu zu bewegen, die Internationale Raumstation ISS weiterhin zu finanzieren. Vor zwei Jahren, in Neapel, hatten sich beide Länder zurückgezogen. Um die ISS zu retten, musste Deutschland seinen Anteil an den europäischen Betriebskosten auf etwa 50 Prozent hochschrauben. Nun soll der Fortbestand der Station in zwei Etappen bis 2020 sichergestellt werden – mit einem deutschen Anteil von 37,5 Prozent. Mehr als ein ‚Kopfnicken‘ aus Frankreich und Italien habe er allerdings noch nicht bekommen, so Wörner. ‚Da wird es sicherlich noch Diskussionen geben.'“

    http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/ariane-6-kuhhandel-um-europas-neue-rakete-a-1004626.html

  2. Alo mir sind 4,3 Milliarden für ein Upgrade zu viel, zumal es vorher ja auch noch um ein Upgrade ging das nur 1,1 Milliarden gekostet hätte. Wie man wenn man erst 2016 (wir reden bei ESA Tagungen immer vom Jahresende) eine Entscheidung hat bis 2020 fliegen will ist mir ein Rätsel.

    Da Italien aber Probleme hat iss und Ariane zu finanzieren kann auch schon weit vorher Schluss sein.

  3. Ist doch nur eine Frage der Definition. Einfach den Beginn der Zeitrechnung auf 2020 Jahre vor dem Flug der Ariane 6 festlegen. Und schon wird der Termin gehalten, egal wann das wirklich ist.

  4. Könnte man bei einem solchen Wiederverwendungskonzept nicht auf irgendeiner Insel oder einem Flugzeugträger (irgendwas grossem, vielleicht ein umgebauter Supertanker oder so) landen? Der Rücktransport übers Meer ist vermutlich kein großes Problem (Frachtschiffe sind recht günstig im Vergleich mit Raketen).

    Und für die Stufe hatte ich mir überlegt das das Teuerste an solch einer Stufe ja die Triebwerke, die Pumpen und die Steuerung sind und man diese eben ähnlich dem Shuttle aussen an der Stufe befestigen könnte. Im Gegensatz zum Shuttle sind diese Flugkörper eher klein da die Zweitstufe und Nutzlast weiterhin auf dem Tank sitzt also eben nur Flugkörper mit Triebwerken, Pumpen und Steuerung. Falls man Probleme mit dem asymmetrischen Schub hat oder mehrerer Haupttriebwerke braucht könnte man zwei solcher Flugkörper an gegenüberliegenden Seiten des Tanks befestigen (Wäre auch ein flexibles Konzept). Diese Flugkörper landen dann automatisch auf einer Insel oder möglicherweise der nächsten Küste in Flugrichtung.

  5. Offenbar ist da Elon Musk anderer Meinung. Er will die gelandeten Module auf der Plattform auftanken und zum Startplatz zurückfliegen lassen. Mal abgesehen von den Kosten, gibt es dabei noch ein Problem:
    Am meisten gestreßt werden Raketentriebwerke beim Ein- und Ausschalten. Durch die Landung verdoppelt sich die Anzahl der Zündungen. Beim Rückstart mit anschließender Landung verdoppelt sich das nochmal. Entsprechend weniger richtige Starts halten die Triebwerke dann durch. Ob sich das lohnt kann man sich an den Fingern abzählen.

  6. Wenn Spaces von Vandenberg aus startet könnten die auch im Gleitfug irgendwo auf dem Festland landen, vom Cape aus wird das vermutlich schwieriger.

  7. Es steht doch schon jetzt fest: Keiner braucht die Ariane 6, die Ariane 5 ist fest etabliert, zuverlässig und auch nicht so wahnsinnig viel teurer als die Konkurrenz. Man müsste also keine 4 Mrd. Euro für eine Neuentwicklung ausgeben, sondern eben einige 100 Mio. Euro für die Optimierung der Produktion.

    Auf der anderen Seite: Sicher sind „liquid-fly-back-Booster“ eine interessante Idee, insbesondere, wenn das für den Rückflug benutzte Turbo-Fan-Triebwerk auch noch etwas Startschub mitliefert (und dann eine Minute später beim Verlassen der Erdatmosphäre abschaltet). Aber deswegen zig Milliarden investieren??? Das rechnet sich wie das Shuttle – nämlich nie!

  8. Das Problem der Raumfahrt in den USA und Europa sind die vielen Einzelinteresse. Der Kongress und die Minister wollen niemandem Wehtund (bzw. brauchen von jedem die Zustimmmung), deswegen kommt vor lauter Egoismus nichts voran. Die EU leistet sehr viel, aber in den letzten Jahren hat sie insbesondere bei der Trägerraketenentwicklung extrem viel Geld versenkt, bei Ariane 5 wie bei A6.

  9. @Elendsoft: entweder hat Musk andere Erkenntnisse bzgl. der Lebensdauer der Triebwerke, oder andere Finger…

    Für´s erste wird er vermutlich schon eine Kiste Champus aufmachen, wenn er überhaupt eine seiner Stufen heil wieder zurück bekommt. Sie per Schiff oder gleich auf der Plattform wieder zum Ufer zu bringen dürfte zunächst kein Problem sein. So hoch ist die Startrate ja nun nicht, dass die Plattform zu lange nicht nutzbar ist.

    Der wichtigste Punkt ist meiner Meinung nach, nach einer geglückten Landung die Stufe genau untersuchen zu können. Erst dann wird man sehen, wie gut sie so einen Flug samt Landung überhaupt übersteht. Und dann wird man realistisch(er) beurteilen können, ob sich die Aufbereitung für die Wiederverwendung überhaupt lohnt.
    Bis dahin ist doch sehr viel Interpretationsspielraum in jede Richtung gegeben.

    Und DAS ist die wesentliche Sache, die ich an Musk so toll finde: wenn er an einem Punkt angekommen ist, wo man „Experten“ für jede mögliche Interpretation bekommen kann, dann nimmt er viel (eigenes) Geld in die Hand, um in der Praxis einen Beweis zu bekommen. Auch mit dem Risiko, dass das Ergebnis nicht das ist, das er gern hätte. Aber dann lässt er (bzw. seine Leute) sich was neues / eine Alternative einfallen und realisiert auch die wieder bis zum Praxistest.

    Das er seine Erfolge und Träume mit viel PR unter die Leute bringt, die Misserfolge aber verschleiert (siehe auch „alphabetisches Startmanifest“), ist zwar nicht so toll, aber doch ein wenig verständlich.
    Ein großes Ego ist nicht immer von Vorteil. Zumindest für uns neugierigen Halbwissenden. Seinen Geschäftspartnern / Kunden wird er schon ein wenig nüchterner und mit konkreteren Zahlen gegenüber treten müssen.

    Ich bin auf jeden Fall gespannt. SpaceX hat auf jeden Fall den Markt ein bisschen aufgemischt, der in letzter Zeit irgendwie zu erstarren schien. Wirklich merkbare Weiterentwicklungen oder gar neue Ideen hat es doch bei den bisher etablierten Beteiligten nicht gegeben.

    Insofern hoffe ich, dass auch die anderen Newcomer nicht gleich wieder in der Versenkung verschwinden. Jeder hat irgendwas wirklich neues im Portfolio, das es lohnt mal realisiert zu werden. Der Eine einen Raumgleiter, der Andere ein supertolles Triebwerk.

    Vielleicht gelingt es in 10 – 15 Jahren daraus was gemeinsames wirklich Fortschrittliches zu bauen.

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