Wo bleiben die Konsequenzen für Europa?

Da man nun auch in den USA die Delta 4 einstellt und eine neue Rakete, die Vulcan entwickelt, frage ich mich, welche Konsequenzen man in Europa zieht. Die Vulcan wird eine neue erste Stufe bekommen, mit LOX/Methan, eine bisher nicht genutzte Treibstoffkombination und ein neues Triebwerk. Die Oberstufe die aus Kostengründen einige Jahre später folgt wird auch größer sein, variable Triebwerkszahlen (1-4) ermöglichen und auch hier hat sich Lockheed noch nicht auf das RL-10 festgelegt.

In Europa scheint man dagegen die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben. Nachdem Frankreich unbedingt die Ariane 6 wollte, Deutschland dagegen die Ariane 5 ME hat man sich – wie üblich – auf einen Kompromiss geeinigt der schlechter als beide Einzelvorschläge ist. Die Ariane 5 ME hätte für moderate Kosten (im Verhältnis zur Ariane 6) eine Erhöhung der Nutzlast auf 12 t bei gleichen Produktionskosten, also eine Kostenreduktion um 15% versprochen. Die Ariane 6 sollte mit nur zwei Stufen eine hohe Serienproduktion ermöglichen und die Feststoffbooster in erster und zweiter Stufe wären auch billig gewesen. Was nun kommt ist im Prinzip eine Ariane 5 in modifizierter Form: eine kryogene Oberstufe mit Vinci, eine Zentralstufe mit Vulcain 2 aber etwa 30 t weniger Treibstoff als bei der Ariane 5E dazu zwei oder vier Booster die jeweils halb so viel wie ein EAP wiegen. So ermöglicht sie etwas kleinere Nutzlasten wenn nur zwei Booster verwendet werden, doch die sind nicht der Kostentreiber.

Man hat eine günstige feste Zentralstufe durch eine teure ersetzt, damit Deutschland auch was zum Arbeiten hat. Doch das reicht auch nicht: die Booster sollen auch in Augsburg gebaut werden – zwei Produktionsstätten anstatt einer. Billiger wird das nicht.

Es ist klar, dass für Europa sich die Situation in den letzten 20 Jahren verändert hat. Als man Ariane 1-5 entwickelte konkurrierte man mit den US-Trägern. Die Situation war vergleichbar. Sowohl das Lohnniveau wie auch die Fertigung waren vergleichbar. Es gab ähnliche Standards bei der Qualitätssicherung und den Abläufen. Das man die Ariane in ganz Europa baut war kein Hindernis, denn eine Atlas bestand auch aus Bauteilen aus den ganzen USA, mindestens drei Firmen lieferten Triebwerke für die Rakete.

Die Probleme für Arianespace begannen – das wird gerne vergessen – nicht mit SpaceX sondern den US-Russischen Gemeinschaftsunternehmen ILS und Sealaunch. Damit fielen Ende der Neunziger die vorherigen Beschränkungen für Starts von Satelliten mit diesen beiden Trägern. Sie verhindern bis heute, das China viele westliche Satelliten startet (das Mittel ist relativ einfach: man verbietet nicht den Start der Satelliten aber den Export von Hochtechnologie nach China und das betrifft eben die Elektronik der meisten Satelliten die irgendwelche US-Bauteile beinhalten).Entwickelt wird in Russland nichts neues. Trotzdem haben die beiden Träger eine erschreckend schlechte Zuverlässigkeit. Oft zeigen die Unglücksursachen dass man irgendwo schlampte und es kein technischer defekt war wie der berühmte falsch herum eingebaute Beschleunigungssensor der eine Proton nach dem Start zu einem 180 Grad Looping brachte. Das zeigt wie man dort zu den Preisen kommt: man spart an der Qualitätskontrolle und besonders gut bezahlt sind die Jobs auch nicht.

SpaceX aber auch die Förderung eines neuen Triebwerks haben nun ULA zu einer neuen Rakete gebracht. Ich sage ULA, weil Boeing sicher für die Aufgabe der Delta den Auftrag für die erste Stufe bekommen hat, die ja in etwa die Abmessungen der Delta 4 Erststufe hat. ULA geht nun die Bergung an um die kosten zu senken.

Was macht man in Europa? Man streitet üner Kosten und Zuständigkeiten und man birgt obiges Ariane 6 Konzept als die Lösung. Nein das ist keine Lösung. Eine Lösung wäre es gewesen, wirklich an konsequente Serienbauwese zu gehen (ursprüngliches Ariane 6 Konzept), das Prinzip des geographical Returns aufzugeben oder an die Bergung zu denken. Stattdessen will die Industrie mehr Zuständigkeiten bei der Entwicklung und wie schon gesagt verwässert man schon jetzt das Ziel die Ariane 6 nur an zwei oder drei Standorten zu bauen.

Man sollte bei den Plänen auch im Auge behalten, dass wir eine andere Situation als in den USA oder Russland haben. Etwa die Hälfte der Proton-Starts erfolgt mir russischen Nutzlasten. Bei Atlas V kann man kommerzielle Starts in den letzten Jahren an der Hand abzählen. Es gibt für beide Betriebe eine gute Zahl an garantierten Starts. Bei ULA z.B. etwa 8-10 pro Jahr. Selbst bei SpaceX sind es um die 50% und da die Firma im CCDev und CRS Programm viel mehr Geld verdient als durch die kommerziellen Starts ist sie auch weitgehend staatsfinanziert. Die ESA und ihre Mitgliedsstaaten stehen dafür für 1-3 Starts einer Ariane 5/6 pro Jahr. Den Rest muss man auf dem kommerziellen Markt holen, der eben so preissensitiv ist. Das bedeutet: entweder man ist sich sicher eine Rakete konkurrenzfähig produzieren zu können und gibt dann auch die eine oder andere Sache auf – eben wie die Produktion überall zu haben damit jeder Geld für seine Entwicklungsaufträge zurückbekommt oder das Design das für jedes Land Arbeit vorsieht, auch wenn es dadurch teurer ist – oder man hat eben einen Träger für Europa. Die einzelnen Starts mögen dann teurer sein, weil es weniger sind, aber das ist immer noch günstiger als eine neue Rakete zu finanzieren. Eine Ariane 5 kostet heute 160 Millionen Euro. Nehmen wir an sie würde um 50 Millionen Euro teurer weil die Startzahl ohne kommerzielle Aufträge absinkt, dann könnte man für die 4 Milliarden Euro die Ariane 6 kostet rund 80 Starts abwickeln, bei 3 Starts pro Jahr immerhin 27 Jahre lang – und dann wäre wahrscheinlich auch die Ariane 7 fällig.

Was wohl nicht gehen wird ist ein Modell wie in den USA: ULA und SpaceX entwickeln die Rakete selbst und bekommen feste Aufträge zugesichert. Denn dazu sind es zu wenige Starts. SpaceX führt dieses Jahr 4-5 Starts für die US-Regierung durch, ab 2017 dürften es 7+ sein wenn bemannte Einsätze hinzukommen. ULA hat in den letzten Jahren zwischen 8 und 11 Starts pro Jahr fest gehabt. Dann kann man über diese Starts wieder die Entwicklungskosten hereinbekommen. Bei den wenigen Starts der ESA klappt das nicht. Vor allem zahlt die US-Regierung ja jeden Preis, in Europa ist das nicht der Fall, so bucht die DLR den kostengünstigsten Träger und selbst die ESA vergab noch kurz vor Indienststellung der Vega Aufträge an die Rockot. So wird es sicher keine Eigeninitiative der Industrie geben und die ESA scheint sich nicht bewegen zu können.

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