Wie kann man die ISS für die Vorbereitung des Mars nutzen?

Eines der Argumente die man mal die Raumstation brachte, war das man damit die Marsmission erleichtern könnte. Das war unüberlegt, denn so wir man es sich damals vorstellte – als eine Art Fabrik im Weltraum war die Raumstation nie ausgelegt, weder als Freedom, noch als Alpha noch als ISS. Nun wird sie ja noch einige Jahre länger betrieben – USA und Russland haben sich auf einen Betrieb bis 2028 geeinigt, von der JAXA und ESA fehlt noch eine Entscheidung – aber es sieht so aus als würde man nur so weitermachen wie bisher.

Nun wird die ISS immer in einem Erdorbit bleiben, die ganzen Oberflächenaufenthalte wird man so nicht erproben können, aber doch vieles. Das erste ist einmal die Autonomie. Die ISS wurde schon in den letzten Jahren autonomer in dem Sinne, dass mehr Stoffe recycelt wurden. Für eine Marsexpedition reicht das aber noch nicht aus. Die Kreisläufe müssen noch geschlossener werden um die Frachtmenge zu minimieren. Zur ISS werden pro Jahr fast 30 t transportiert. Das wären 90 t bei einer fast 3-jährigen Mission für die man in den Erdorbit rund 300 t transportieren müsste.

Das bedeutet dann auch, dass man über 3 Jahre keinen Transporter hochschickt. Die müssten vorher in größerer Zahl die Vorräte auffüllen. So bietet es sich an dies am Ende der derzeitigen Planung durchzuführen, bevor man die ISS endgültig aufgibt. Ansonsten wird wahrscheinlich eine Einstellung der Produktion und Wiederaufnahme nach drei Jahren meist teuer, weil die Firmen nicht nur für die Transporter bezahlt werden, sondern auch für den Service also die Bereitstellung von Ressourcen und Fachwissen solange der Vertrag läuft. Alleine die Wartungsverträge für die ISS kosteten die NASA schon einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Das zweite ist die Autonomie der Besatzung. Derzeit hat die ISS Rund-um-die-uhr Betreuung von zwei Hauptkontrollzentren und zwei Nebenkontrollzentren. Die Marsmission wird sich immer weiter von der Erde entfernen. Zwar kann man genauso viele Kontrolleure vorhalten wie heute, doch die Signallaufzeiten werden anwachsen um ein Maximum von bis zu 1300 s also über 20 Minuten zu erreichen. Das bedeutet die Besatzung muss selbstständiger sein. Vor allem aber ändert dies die Art der Kommunikation. Anstatt einem direkten Gespräch mit sofortiger Antwort wird es zäher werden, vielleicht vergleichbar Chat oder E-Mail. Auch das kann man erproben. Damit es wirklich zuverlässig geht sollte man dies elektronisch machen z.B. indem man alle Signale nicht sofort sendet sondern aufzeichnet und dann zeitverzögert überträgt. Für Notfälle kann man ja noch einen Echtzeitkanal einrichten. Im Gegensatz zu den geschlossenen Systemen ist dies relativ einfach umsetzbar und könnte schon heute erprobt werden. Ich denke die Astronauten wären davon sogar leicht zu überzeugen, bedeutet es doch mehr Freiheiten für sie und es bietet auch die Möglichkeit Ressourcen einzusparen. anstatt viele Leute mit der Kontrolle zu beschäftigen, könnten dies einige wenige tun und die anderen gehen normaler Arbeit nach. Wenn etwas passiert, so ist sowieso keine sofortige Reaktion im Kontrollzentrum möglich. Wenn etwas passiert kann man die Leute dann auch schnell verständigen und als Experten hinzuziehen. Dank moderner Elektronik müssen sie dazu nicht mal den Arbeitsplatz verlassen.

Das dritte geht man schon an. Man muss die physiologischen Auswirkungen der Marsmission erproben. Diese besteht aus drei Teilen: Einer Hinreise die 200 bis 240 Tage dauert, einem Aufenthalt auf der Marsoberfläche von 500 bis 550 Tagen Dauer und einer Rückreise von 200 bis 240 Tagen Dauer. Insgesamt dauert die Mission aus himmelsmechanischen Gründen rund 33 Monate (26 Monate + eine Reisedauer). Astronauten könnten also für die Zeit der Reise an Bord der ISS bleiben und dann zur Erde zurückkehren und nach eineinhalb Jahren erneut zur ISS starten. Wichtig wäre eigentlich nur, dass man auf das sonst übliche Brimborium nach der Landung verzichtet. Das geht damit los, das die Astronauten aus der Kapsel gehoben werden bis zur medizinischen Nachbetreuung. Das gibt es auf dem Mars auch nicht. für eine ordentliche Simulation müssten die Leute auch dann isoliert sein. Man könnte sie z.B. in dem Labor in dem man schon jetzt in Russland Marsmissionen auf der Erde simuliert unterbringen. Natürlich auch mit den Randbedingungen der asynchronen Kommunikation.

Die wichtigste Hardware die man entwickeln müsste wäre ein Zentrifuge für künstliche Schwerkraft. Ohne sie wären die Astronauten zu schwach um nach der Landung ihr Quartier zu beziehen. Das hätte man schon längst installieren können auch um bei den derzeitigen Missionen die Aufenthaltsdauer zu verlängern. Seltsamerweise wurde es nie eine solche Vorrichtung für die ISS geplant. Vielleicht mit der SLS. die hat den Vorteil neben der großen Nutzlast auch den das die Module größer sein können: Um Schwerkraft zu simulieren sollte die Beschleunigung am Kopf und Füßen in etwa gleich sein. Das wird bei einer Zentrifuge nie möglich sein, aber bei maximal 4,20 m Innendurchmesser der derzeitigen Module ist der Unterschied schon sehr groß.

Meiner Ansicht nach wäre es möglich und vergleichsweise preiswert. Der Nutzen ist offensichtlich. Man wüsste danach sicher, ob die Besatzung die Mission physiologisch und psychologisch durchsteht. Man wäre sich sicher, dass die Versorgung mit geschlossenen Kreisläufen funktioniert. Man hätte die Abläufe trainiert. Natürlich gäbe es noch viel zu tun, aber man hätte im wesentlichen das absolviert was die USA bis Apollo 10 taten: Die Landung bis zum vorletzten Schritt erprobt.

13 thoughts on “Wie kann man die ISS für die Vorbereitung des Mars nutzen?

  1. Mal ’ne Frage zu der Zentrifuge: Gibt es da eigentlich aktuellere Überlegungen, welchen Durchmeser die haben sollte bzw. haben müsste? – Ich meine, der Wernher von Braun hat mal ein Modell mit 30 metern Durchmesser entworfen. Ich vermute jedoch, dass 30 meter zu wenig sind, sondern dass man rund 100 meter brauchen wird, was dann natürlich wieder sehr teuer ist. Zumindest viel teurer, als wenn man nur 30 meter nimmt.

  2. Die Grundlage ist eigentlich immer das Zentrifugalgesetz. Je kleiner der Durchmesser, desto schneller muss die Zentrifuge rotieren. Die Zentrifugalkraft ist linear vom Anstand, aber quadratisch von der Winkelgeschwindigkeit abhängig. Das Problem ist nur, dass wenn man eine Zentrifuge mit einer Armlänge von 2 m (mehr geht in ein ISS-Labor nicht rein) konstruiert, der Kopf nur 0,2 m vom Mittelpunkt, die Füße aber 2,0 m entfernt sind. Wenn die Füße also 1 g Beschleunigung spüren, dann sind es beim Kopf nur 1/10 g. Daher die Forderung nach einer großen Zentrifuge.

    Ich glaube die 30 m beziehen sich mehr auf eine Wohnumgebung die dann relativ langsam rotiert. Bei 15 m Armlänge ist der Unterschied zwischen Kopf und Fuss weniger als ein Zehntel g.

  3. Ideal wäre eine rotierende Scheibe, dann hätte man in jeder Etage eine andere Schwerkraft. Bei entsprechender Auslegung also eine Mondetage, eine Marsetage, eine Erdetage…
    Problematisch dürfte allerdings die Realisierung sein, denn eine Scheibe läßt sich nur schwer aus (in eine Nutzlasthülle passenden) Modulen zusammensetzen. Da könnte eine aufblasbare Struktur ein Ausweg sein.
    Einfacher realisierbar wäre ein quer zur Längsachse angebauter Zylinder. Das läßt sich ohne Probleme zusammenbauen. Ein Nachteil wäre dann die pro Ebene deutlich kleinere Nutzfläche, die durch den Moduldurchmesser begrenzt wird.

  4. Eine Simulation eines Marsfluges wie Bernd beschreibt, ist nach Info der russischen Mediziner auch vorgesehen. Die Kosmonauten werden nach einen Marsflug von 5 Monaten aber nur für 8-10 Wochen auf die Erde Landen, danach erneut zu ISS starten. Das ist auch eine Variante eines Marsfluges mit Plasmatriebwerken.

    Die Schwerelosigkeit ist aber heute kein Problem, die Zentrifuge im Marsmodul ist aber für einen permanenten Einsatz nicht gedacht, sondern für medizinischen Einsatz in regelmässigen Zeiten. Eine weitere Massnahme gegen die Folgen der Schwerelosigkeit . In weiterer Zukunft wo die Marsflüge der Raumfahrer nur 30-45 Tage dauern werden, wird sich der Einsatz besonderer Mittel zum Vorteil der Nutzlast auch erübrigen.

  5. Eine Gruppe von Ingenieuren aus dem Massachusetts Institute of Technology haben eine kompakte Zentrifuge mit Ergometer zur Erhaltung der Gesundheit der Astronauten während langer Missionen entwickelt. Bei einer Belastung von 1,4 g macht die Zentrifuge 32 Umdrehungen pro Minute, hat auch Platz auf der ISS. Der Simulator ist ganz einfach und der Raumfahrer wird mit Kameras und Sensoren überwacht, siehe Link.

    Durch solche Belastungen, in einen Marsmodul mit 8 Meter im Durchmesser können wir grössere Kräfte als 1,4 g Simulieren, können wir den Aufwand zur Gesunderhaltung der Raumfahrer deutlich senken. Die Belastung der Raumfahrer (10-20 Minuten, dazu habe ich aber keine Daten) erfolgt während des Fluges nach einen individuellen medizinischen Computerprogramm.

    Anfangs an Bord der Orbitalstationen verwenden die Raumfahrer bis zu 3 Stunden für sportlicher Tätigkeit, durch neue intensive Programme und Massnahmen hat sich die Zeit auf 1,5/2 Stunden verkürzt. Mit Zentrifugen können wir Zeit nochmals senken.

    http://json.tv/tech_trend_find/velotsentrifuga-ot-massachusetskogo-tehnologicheskogo-instituta-dlya-kosmosa-20150709031324

  6. Das Problem mit der Zentrifuge besteht darin, dass der Rest der ISS ja für irgendwelche Forschung schwerelos sein soll. Es wäre sonst sehr leicht möglich zwei zylindrische Stationsbauteile mit einem Verbindungsturm auszustatten, und sie um eine Achse durch die Mitte des Verbindungsturms zu drehen. Das wäre z.B. eine Bauweise, die sich auch für das Mars Raumschiff anböte.

  7. Die Aussage ist nicht korrekt, macht auch die Sache unnötig zu komplex.

    Schon bei der täglicher sportlicher Betätigung entstehen Vibrationen in der ISS, die Zentrifuge arbeitet aber nur sehr kurz. Für die Produktion von Materialien und Kristallen ist die ISS sowieso nicht geeignet. Dazu sind automatische Laboratorien die automatisch auf eliptischen Bahnen bis 50000 km fliegen absolut notwendig, es geht hier um max. Bedingungen für solche Arbeitsprozesse als auch um die Qualität der Produkte. Siehe auch die Erfahrung und technische Analyse mit dem Kristall Modul.

  8. Einer der größten Herausforderungen bei sehr langen Flügen ist auch die Belastung durch Bakterien. Jetzt wurde in der Zeitschrift Microbiome über Bakterien und Pilze auf der ISS gemeldet, die weit über die Erwartungen der Wissenschaftler liegen. NASA und andere Raumfahrtbehörden überwachen die Belastung der mikrobiellen Umgebung auf der ISS, sie sameln die Proben und dann wachsen die Bakterien aus diesen Proben im Labor nach.

    Die DNA-Analyse zeigten, daß die meisten Bakterien auf der ISS mit menschlicher Haut in Zusammenhang stehen, eine Art Aktinobakterien. Die gehören der Gattungen Corynebacterium und Propionibacterium, also Diphtherie und Akne. Es ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr, wobei die Virulenz etwas fraglich ist. Selbst beim „Test“ Experiment wurden unterschiedliche Mikroorganismen auf der Außenhaut der ISS gefunden.

    Nun ja, neben der Radiostrahlung haben wir mit Viren eine weiter Gefahr auf dem Flug zum Mars.

  9. Kann man, muss man (Zum Großteil) aber nicht…

    Die materielle Autonomie/Lebenserhaltung kann man zum Gutteil auf der Erde testen und verbessern. Abgeschlossene Testumgebung herzustellen ist jetzt wirklich kein hexenwerk..

    Autonomie der Besatzung kann man auch auf der Erde testen. Das wird ja jetzt schon durch Mars 500 und Mars analog research station und HI-SEAS gemacht.
    Im Moment macht man kaum was anderes als diese psychologischen Tests.

    ‚kunstliche Gravitation‘: ist wohl für eine Marsreise gar nicht zwingend erforderlich (Mars nur 1/3g, bessere Trainingsprogramme, evtl kürzere Reiseleiter..)
    Wenn doch, dann ist das System, zwei Module an Seilen zu koppeln und in Drehung zu versetzen noch nicht aus dem Rennen.
    Aber gerade DAS müsste wohl auch erst einmal im weltall getestet werden.

    Just my 2ct.

  10. Mars 500 hat knapp 250qm Platz zur Verfügung. Das dürfte geringfügig mehr sein als in einem Raumschiff auf dem Weg zum / vom Mars. Von den völlig anders gearteten Umweltbedingungen mal abgesehen.
    Der wahre Test wird sich erst zeigen, wenn die ersten Menschen mal wieder jenseit der ISS unterwegs sein werden. Wie und wohin auch immer.

  11. 1) Die Belastung der Raumfahrer nach der Landung auf dem Mars ist aber nicht vergleichbar mit der Landung auf der Erde, durch die schwache Gravitation werden die Organe nicht so stark belastet.

    2) Das koppeln von Modulen an Seilen ist mit Verwendung von Plasmatriebwerken nicht möglich.

    Zitat Sense:
    Wenn doch, dann ist das System, zwei Module an Seilen zu koppeln und in Drehung zu versetzen noch nicht aus dem Rennen

    3) Ein Marskomplex von 1300 Tonnen hat mehr als zwei Module. Das koppeln an Seilen von Modulen die mit 700-800 Tonnen flüssigen Wasserstoff gefüllt sind, ist mehr als fraglich, ganz zu schweigen von den entstehenden Schwingungen.

    In OKB-1 in Rahmen der Vorbereitung von sehr langen Flügen mit Woschod Raumschiffen wurde auch die künstliche Schwerkraft erwogen. Dazu würde das Raumschiff mit etwa 1000 Meter lagen Seil mit der letzter Stufe verbunden sein und zwei Umdrehung pro Minute erzeugen etwa 30% der Erdgravitation. Durch die veränderliche Länge des Seils war auch möglich die Gravitation zu steuern. Die Analysen haben aber gezeigt, das so ein System mit Schwingungen nicht so einfach zu kontrolieren sei. Link mit einigen Details und Erinnerungen:

    http://engineering-ru.livejournal.com/306708.html

  12. Unter der Annahme, dass man eine Marsmission tatsächlich mit minimaler Energie (= Homann-Transfer-Bahnen) durchführt, sind Bernds Empfehlungen richtig. Durch die dann aber sehr lange Missionszeit werden automatisch große und komplexe Habitate für die Astronauten benötigt, und eine große Menge an Vorrat, selbst, wenn man 99% recycelt. Und diese riesigen Objekte dann zum Mars zu bringen bzw. von dort zurück, kostet dann auch wieder viel Energie.

    Von daher sind Hochenergietransfers, die deutlich höheres Δv benötigen, aber eben auch viel weniger Zeit und folglich viel weniger Habitatmasse, am Ende möglicherweise doch die bessere Lösung.

    So lange wir aber nicht wissen, wie die Marsmission am Ende selber aussehen wird, kann man auf der ISS auch nicht wirklich dafür üben.

  13. Noch vor Jahren kehrten die Kosmonauten nach langen Raumflügen sehr stark geschwächt auf die Erde zurück. Heute mit neuen innovativen Trainigsmethoden auf der ISS hat sich das Bild aber grundlegend geändert, eine gute Grundlage für Marsflüge. Hier zwei Ergebnisse von A. Gerst:

    – Seine Muskelmasse hat sich während seines Fluges um 3 kg zugenommen.
    – Seine Haut hat sich nachweislich verjüngt, ein Novum für die Mediziner.

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