Zucker und die Zuckersteuer

Ein sehr beliebtes Thema in den Medien ist der Zucker, vor allem der versteckte Zucker. Zucker gilt als Inbegriff der „leeren Kalorie„. Darunter versteht man einen Nährstoff oder ein Nahrungsmittel, welches Energie liefert, (Kalorie) aber keinerlei Bestandteile, die der Körper zum Aufbau von Gewebe braucht oder einfach nur laufend essenziell zu sich nehmen muss „Leer“. Ich lasse Mal mein Lieblingsthema weg, dass man eine (noch dazu nicht mehr gesetzliche) Einheit mit der Messgröße verwechselt, und konzentriere mich auf den Zucker.

Ernährungsphysiologisch ist es ganz einfach: Zucker ist nicht essenziell, auch wenn Glucose als Energielieferant im Blut zirkuliert und das Gehirn nur auf Glucose als Nährstofflieferant angewiesen ist. Die Glucose kann aus anderen Kohlenhydraten wie Stärke gebildet werden, notfalls auch aus Eiweiß. Die DGE empfiehlt daher den Zuckerkonsum zu reduzieren, maximal 65 g sind nach der DGE erlaubt. Die Menge wurde nicht irgendwie berechnet, sondern entspricht der Menge an Einfach- und Doppelzuckern, die natürlicherweise in den Nahrungsmitteln vorhanden sind, wenn sie nicht verarbeitet wurden oder Zucker zugesetzt wurde, also Fruchtzucker in Obst, Milchzucker in Milchprodukten. Das entspricht dem Idealbild „kein zugesetzter Zucker“.

Die GDA-Empfehlungen, die Grundlage für die Prozentangaben auf den Fertigverpackungen sind, liegen deutlich höher bei 90 g Zucker/Tag und gelten als „industriefreundlicher“. 90 g entspricht bei dieser Energiemenge von 8400 kJ/Tag schon 18,4% der Gesamtenergiemenge oder ein Drittel der Kohlenhydratmenge. Das entspricht auch nicht zufälligerweise dem aktuellen Zuckerverbrauch in Deutschland von 31,3 kg/Jahr also 85,7 g/Tag, obwohl die Richtlinie aus den USA stammt. Er ist übrigens gesunken und lag 2005/6 noch bei 35,9 kg. Allerdings denke ich ist diese Angabe des Statistischen Bundesamtes der zugesetzte Zucker, man muss also den noch in Früchten und Milch enthaltenen hinzuaddieren.

Für mich war das Lange Zeit ein von den Medien gerne aufgegriffenes und bedingt auch gepushtes Thema. Die Berichterstattung ist immer die gleiche: Es gibt überall Zucker, der Verbraucher weiß das nicht und wird von der Industrie getäuscht, zum Beispiel indem sie nicht Zucker zusetzt, sondern ein Gemisch vieler süßender Substanzen. Das sind vor allem Starkspaltprodukte, die süß schmecken wie Glucosesirup, Glucose-Fructosesirup, Fructosesirup, Maltose etc. Zumal ist mein persönlicher Verbrauch an reinem Haushaltszucker gering: Letztes Jahr waren es 4 kg, also 12 g pro Tag. Ich brauche ihn eigentlich nur für die Herstellung von Marmelade und fürs Backen. Ich könnte noch etwas sparen, wenn ich Gelierzucker nehme, aber da ich alleine bin und weil ich Vielfalt mag, immer zwei Marmeladengläser parallel offen sind nehme ich normalen Zucker, weil dadurch die Marmelade länger hält, auch wenn sie offen ist. So dachte ich tangiert mich das Thema nur peripher.

In der letzten Zeit hat sich das geändert. Ich habe wie viele meiner Berufskollegen die Angewohnheit, wenn mir langweilig ist oder man am Tisch auf etwas wartet, die Zutatenverzeichnisse zu lesen. Da stellte ich fest, dass die Roten Beeten im Glas mit Zucker versetzt sind. Natürlich sind sie süß, doch ich ging davon aus, weil die Einlegeflüssigkeit ja nicht verwendet wird, dass man wie bei Essiggurken dafür Süßstoffe nimmt. Süßstoffe sind auch billiger als Zucker und in der dort eingesetzten Konzentration hat Zucker auch keine weiteren technologischen Eigenschaften wie, dass er konservierend wirkt. Er ist also einfach durch Süßstoff zu ersetzen. Die Auswirkung ist enorm: Ein Glas Rote Beete enthält 520 g Rote Beete mit 15,3% Zucker, die 318 kJ/100 g haben. 82% der Energie steckt nur im zugesetzten Zucker. Macht man die Rote Beete an und rechnet noch 20 g Öl hinzu, so ist man bei 2431 kJ – das ist fast eine Hauptmahlzeit. So schaute ich mich im heimischen Regal um und siehe da – auch der „Genießerrotkohl“ hat den Namen wohl vor allem von 11,8% zugesetztem Zucker.

Die Erkenntnis ist nicht neu: Zucker verbessert den Geschmack nicht nur von süßen Dingen, sondern auch herzhaften wie Soßen. Balsamico Essig lebt vor allem durch die Versetzung mit Traubenmostkonzentrat. Die Frage, die sich mir stellt, ist, warum überall Zucker zugesetzt wird. Wenn es nur die Funktion als Süßungsmittel ist, dann wären Süßstoffe eine gute Alternative. Sie sind weitestgehend energiefrei und haben in Limos ja schon einen Siegeszug gehabt. Damit könnte man den Zucker in Würzen oder obigen Gemüseprodukten ersetzen, aber auch in Essig. Schwerer wird es, wo andere Eigenschaften genutzt werden, vor allem das Wasserbindungsvermögen, so in Ketchup, Soßen, Eis oder Desserts. Hier kann man mit einem Verdickungsmittel das Wasser binden. Trotzdem gibt es fast keine Joghurts mit Süßstoff oder Eis mit Süßstoff. Der Grund ist für mich der, dass Zusatzstoffe und das sind, alle Süßstoffe und Verdickungsmittel einen schlechten Ruf haben und viele Verbraucher sie per Se ablehnen, oder zumindest skeptisch werden, auch weil sie als chemischer Namen oder unbekannte Bezeichnung im Zutatenverzeichnis auftauchen. Da klingt Zucker doch viel besser. Dabei sind z.B. im Eis meistens eh schon 3-4 Dickungsmittel drin, man könnte also leicht den Zucker durch Süßstoff ersetzen und einfach mehr Dickungsmittel zusetzen.

Nun will die Politik darauf reagieren mit einer Zuckersteuer. So ganz dafür begeistern kann ich mich nicht. Es ist ein typisches Politikvorgehen. Wenn man was bewegen will, dann durch Verbote, Steuern oder Warnhinweisen. Ich glaube, dass die Industrie sogar gerne in vielen Produkten weggehen würde vom Zucker, denn Süßstoffe sind billiger und so ist die Verdienstspanne höher. Das Problem für die Industrie ist nicht, dass es keine Alternativen gibt, sondern der schlechte Leumund der Alternativen. Zusatzstoffe und chemische Bezeichnungen haben eben einen schlechten Ruf. Da würde es helfen, wenn man eine standardisierte Ersatzmischung unter einem Eigennamen vermarkten könnte, z.B. eine Mischung aus einem Dickungsmittel und einem Süßstoff wie Guarkernmehl/Aspartam oder Johannisbrotkernmehl/Saccharin/Zyklamat. Ein Name könnte z. B. „Freesweet“ sein. So was ist ja nicht neu. Als „Nutrasweet“ wurde ja mal Aspartam auf den Markt gebracht. Da im Zutatenverzeichnis aber der Wirkstoff steht, wird man dort diese Bezeichnung nicht finden, höchstens vorne auf dem Etikett. Solange die Verbraucher nicht wissen, dass Süßstoffe ungefährlicher als Zucker sind und die meisten Dickungsmittel natürliche Pfanzeninhaltstoffe sind, wird das allerdings nur ein Wunschtraum bleiben.

Eventuell könnte hier tatsächlich die Ampel etwas bringen. Ich halte im Allgemeinen nichts von diesem System, weil es für alle Nahrungsmittel gilt und diese wegen der unterschiedlichen Zusammensetzung so über einen Kamm schert und oft falsch beurteilt, auch natürliche Lebensmittel, die mehr Fett enthalten oder energiereicher sind. Aber die Ampelkennzeichnung scheint Hersteller wirklich dazu zu bewegen ihre Rezepturen zu verändern, damit sie die rote Ampel vermeiden können.

Immerhin eines hat sich schon bewegt. Wenn man mit „zuckerreduziert“ wirbt, muss man nach der EU-Health Claims Verordnung alle süß schmeckenden Mono- und Disaccharide als Zucker zählen. Früher konnten Hersteller einfach den Zucker durch Glucosesirup ersetzen, der ja umgangssprachlich kein Zucker ist und so den Käufer hinters Licht führen. Der Trick so den Zuckergehalt zu verschleiern wird zwar immer noch betrieben, aber spätestens wenn man in die Nährwertkennzeichnung schaut, sieht man wieder den Zucker.

Mein Resümee: Balsamico essig habe ich durch Essig + Süßstoff ersetzt. Die Rote Beete lege ich erst mal einige Stunden in Wasser ein um ein den Zucker zu reduzieren und anstatt „Genießerrotkohl“ kaufe ich nun normalen Rotkohl und setze Süßstoff zu.

Die Politik hat eine andere Lösung: die Zuckersteuer. Zucker soll besteuert und teurer werden. In der Tat ist Zucker im Vergleich zu früher billig geworden. Vor 20 Jahren kostete eine Packung rund doppelt so viel wie Mehl, jetzt nur noch 30% mehr. Absolut gesehen ist er sogar noch billiger geworden. Früher waren es rund 1,80 DM/500 g, nun 65 ct/500g. Doch das Mittel hat woanders schon nicht funktioniert. Auf Kaffee, Tabak und Branntwein gibt es hohe Steuern- trotzdem ist Kaffee das zweit beliebteste Getränk der Deutschen, wird viel Schnaps konsumiert und die Raucher sind auch nicht am Aussterben obwohl hier der Staat enorm zulangt. Als ich Jugendlicher war, so vor 40 Jahren kostete eine Packung 2 DM, heute sind es 5 Euro, also das 5-fache. Lebensmittel sind weniger stark im Preis gestiegen oder sogar billiger geworden (siehe Zucker). Trotzdem frönen viele noch dem Tabakkonsum.

7 thoughts on “Zucker und die Zuckersteuer

  1. Ein weitere Trick das Essen schmackhafter zu machen ist Fett. Wird vorallem in Restaurants verwendet, und dann wird nicht gespart: z.B. die Gemüsesuppe mit Rahm verfeinern, oder die Nuddeln kurz in Butter anbraten, und dann die Sauce drauf. Ich habe die Tricks selber ausprobiert, das genau gleiche Gericht schmeckt besser. Man merkt es nicht mal, dass Rahm oder Butter drin ist.

  2. Guter Plot, krankt nur an einem entscheidenden Punkt: Künstliche Süßstoffe schmecken schlicht nicht (gutes Beispiel saure Gurken (oder überhaupt Saures) mit Süßstoff, einfach ekelhaft).

  3. Ob künstliche Süßstoffe schmecken oder nicht, dürfte, ähm, Geschmackssache sein. Ich vermute, dass es allgemein eher abgelehnt wird, aber ich kenne auch Menschen, denen Cola light tatsächlich besser schmeckt als Cola heavy. Meine Kinder wiederum bemerken den Unterschied nicht einmal.

  4. ArneT: putziger Vergleich. Geschmackssache. Schönes Wort. Mal drüber nachdenken hilft möglicherweise.

    Disclaimer: ich bin starker Raucher, also nach landläufiger Menung (die ich auch nachvollziehen kann und muss) geschmacklich beeinträchtigt.
    Ich kenne allerdings den (geschmacklichen) Unterschied zwischen Zucker und Aspartam&Co.
    Merkste selbst, wer von uns Beiden sich Gedanken machen sollte?

  5. Arne hat aber leider recht.
    Es gibt nicht den Geschmack und das Geschmacksempfinden. Das hat verschiedene Aspekte. So sind nicht alle gleich sensitiv. Ich habe selbst mal sensorische Tests mitgemacht und da gab es in unserer Studentengruppe enorme Unterschiede. Für solche Tests werden dann übrigens die aus dem Mittelfeld genommen. Daneben empfinden Personen auch Geschmäcke unterschiedlich. Das hat verschiedene Aspekte. Das Alter spielt eine rolle das geht aber bis zur kulturellen Prägung. Dazu ist das Empfinden konzentrationsabhängig und wechselwirkt mit den anderen Aromen. Das gilt nicht nur für Zucker, sondern allgemein.

    In Blindtests kann ein guter Teil der Bevölkerung Cola mit Asparatam nicht von der mit Zucker unterscheiden. Vom Rest bevorzugen dann auch noch viele Aspartam. Die Gruppe die Zucker erkennt und bevorzugt ist eine Minderheit.

  6. Ich bin gegen Süßstoffe. Ich vermute sogar, dass sie das Gegenteil von dem erreichen, was eigentlich erwünscht ist, nämlich, dass die Menschen am Ende noch mehr Kalorien zu sich nehmen. Einfach deswegen, weil sie süß schmecken, am Ende aber die Kalorien nicht im Magen ankommen, und der Magen dann nach mehr „brüllt“. Zum Ausgleich wird dann oft irgendwas sehr kalorienreiches gegessen. Und der Kopf betrügt sich selbst, so nach dem Prinzip: „Ich kann jetzt ja eine doppelte Portion Currywurst mit Pommes verdrücken, weil ich trinke dazu nur eine Coke light“.

  7. Das Süßstoffe einen so schlechten Ruf haben, könnte damit zusammenhängen das viele negative Aussagen darüber nicht ganz unberechtigt sind.

    Manche Nephrologen raten Personen mit Nierenerkrankungen von jedem Konsum von Süßstoffen grundsätzlich ab, da manche Süßstoffe im Verdacht stehen die Restleistung der Nieren weiter zu schädigen. Manche Betroffenen klagen über Kopfschmerzen und Unwohlsein, ähnlich einem Kater nach zuviel Alkohol, wenn sie versehentlich ein Glas Cola-light oder eine süßstoffhaltige Fertigspeise zu sich genommen haben.

    Ob Süstoffe beim Abnehmen helfen können, oder durch verstärktes Hungergefühl und Gewöhnungseffekte das Gegenteil herbeiführen, wird jedenfalls weder eindeutig zu beweisen, noch zu widerlegen sein. Individuelle Verhaltensweisen und Empfindungen haben darauf einfach zu viel Einfluss.

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