Rätsel Nutzlast SLS

Manchmal habe ich das Gefühl ich lasse doch geistig nach. Das merkt man, wenn einem beim Stöbern alte Aufschriebe unterkommen. Nicht nur, dass ich das meiste davon wieder vergessen habe, auch wie ich mich damals in Details gestürzt habe, ist mir heute völlig unverständlich. Ich muss früher viel intelligenter gewesen sein. Heute würde ich das Pensum schon wegen der fehlenden Zeit nicht schaffen.

Fast hätte ich das Phänomen auch für etwas verantwortlich gemacht, das mir in der letzten Zeit auffällt. Ich stelle fest, das projektierte Träger immer weniger Nutzlast haben, vor allem wenn man sie mit ähnlichen Mustern vergleicht. So die Ariane 6: Sie erhält neue Booster, die besser als die derzeitigen sind (geringeres Leergewicht, höherer spezifischer Impuls) und ist mit 860 t rund 70 t schwerer als die Ariane 5 ME, der sie bei Zentralstufe und Oberstufe gleicht. Doch die hat 12 t Nutzlast und die Ariane 6 nur 10,5 t. Ich habe das mal verfolgt und komme bei ähnlichen Massenannahmen auf 13 – 14 t. Analoges Thema des heutigen Themas die SLS mit demselben Phänomen. Demgegenüber steigt die Nutzlast bei anderen Trägern so SpaceX oder Ariane 5 ECA. Allerdings hat die Rakete dort auch je nach Version andere Daten (Startmasse z. B, bei der Falcon 9 von 482 auf 550 t gestiegen).

Die SLS

Zuerst mal eine Beschreibung der SLS, damit man versteht, warum ich ein Problem habe. Die SLS besteht aus zwei 5-Segment-SRM. Das sind die Space Shuttle Booster ergänzt um ein Segment. Da das Bergungsssytem wegfällt und die Düse ein konstantes Gewicht hat, haben sie ein besseres Vollmasse/Struktur-Verhältnis. Zusammen mit mehr Treibstoff sollte das die Nutzlast steigern.

Die Zentralstufe setzt vier RS-25E ein. Das sind die Space Shuttle Haupttriebwerke mit dem höchsten Schublevel. Die Zentralstufe wiegt ebenfalls mehr: etwa 980 anstatt 736 t. Höherer Schub, mehr Treibstoff, auch das bringt mehr Nutzlast.

Man sollte daher erwarten, dass die Kombination mindestens den gleichen Nutzlastkoeffizienten wie das Space Shuttle hat. Letzteres transportierte 124 t in eine suborbitale Umlaufbahn (Shuttle + Nutzlast). Dazu kommt noch der 27 t schwere Tank. Zusammen also 151 t. Die Startmasse betrug 2.046 t. Bei der SLS sind es 2609 t. Das ist eine um 27,5 % höhere Startmasse. Ich würde also mindestens 27 % mehr Nutzlast erwarten. Bei beiden Systemen muss man bei LEO-Missionen als Nutzlast die Trockenmasse der letzten Stufe mit ansetzen, da diese auch in den Orbit kommt. Die SLS soll 70 t Nutzlast haben. Dazu kommt die 86 t schwere letzte Stufe. Zusammen 156 t. Also nur wenig mehr als das Space Shuttle.

Der Unterschied kann eigentlich nur auf den Aufstiegsverlusten beruhen. Dabei gibt es durchaus Gründe, das gerade diese kleiner sind. Da ist die Aerodynamik. Die aerodynamische Nutzlasthülle hat einen viel geringeren Luftwiderstand als das Space Shuttle. Das sollte die Nutzlast anheben. Der Effekt ist bei den meisten Trägern aber nur gering. Bedeutsamer sind die Aufstiegsverluste. Sie sind um so geringer je schneller das Trägersystem seinen Orbit erreicht. Sie sollten vergleichbar sein. Die Zentralstufe wiegt rund 33 % mehr und die vier RS-25 sind genau eines mehr als beim Space Shuttle – auch 33 %. Die Brennzeit ist 461,4 zu 520 s sogar kleiner – die Triebwerke werden nicht wie die Shuttletriebwerke im Schub gedrosselt. So sollte die Nutzlast also höher sein.

Nun gibt es aber noch ein Plus: Die Bahn für welche die 70 t gelten ist eine 93 x 1800 km Bahn. Beim Shuttle waren es 90 x 180 km. Für diese Bahn braucht man mehr Geschwindigkeit, rund 400 m/s mehr. Die Bahn wurde so gewählt, um die Zentralstufe verglühen zu lassen. Sie erreicht also keinen Orbit. Die Oberstufe hat durch die elliptischere Bahn mehr Zeit zum zünden. Beim Space Shuttle tat man das mit den OMS, die als pumpgeförderte Triebwerke sehr zuverlässig sind. Für Erdumlaufbahnen ist dieses hohe Apogäum kontraproduktiv, aber das ist ja auch nicht der Einsatzzweck der Rakete. Für Mondmissionen ergibt sich nach Präsentationen eine ungefähre Nutzlast von 25-26 t mit ICPS. (31,7 t nach meiner Berechnung) und die EUS Stufe sollte 35 t erreichen (44,8 t nach Berechnung, aber dann passt die 105 t Leo Nutzlast nicht).

Das die ICPS nur eine Delta Oberstufe ist und sie vielleicht schwerer wird, weil sie mehr Last aufnehmen muss, aber das bei 4 t Trockengewicht kaum ins Gewicht fällt, wundert das einen schon. Eine Möglichkeit zur Erklärung ist, dass die SLS sehr stark schwankende Aufstiegsverluste je nach Schwere der Nutzlast hat. Sie betragen nach meiner Rechnung rund 2150 m/s für die Referenzbahn. Relativ hoch, aber z. b. noch kleiner als von Ariane 5 (normal sind 1600 bis 1800 m/s bei heutigen Trägern, frühere schubstarke Träger oder Feststoffraketen liegen darunter, Träger mit langen Brennzeiten darüber). Das Space Shuttle hat bei 110 t Startgewicht (ohne Nutzlast) und 25 t Nutzlast einen Aufstiegsverlust von 1663 m/s, also deutlich geringer. Man kommt auf die geringe Nutzlast der Block I, wenn man die 70 t Nutzlast mit der ICPS nimmt, dann passt auch die EUV. Aber dann hat man extrem hohe Aufstiegsverluste von 2870 m/s, deutlich höher als jeder jemals gebaute Träger. Dafür gibt es keine logische Erklärung.

Insgesamt ist die SLS ja klar in die Kritik geraten. Zum einen grundsätzlich. Sie sei überflüssig. Das ist nun nicht so neu. Die SLS entstand, als der Senat die Einstellung des Ares V Programm durch Obama stoppte. Es ist im Prinzip eine Ares V light mit anderem Finanzierungsmodell (dauerhaft niedrige Summen anstatt des typischen Buckels beim Höhepunkt der Entwicklung). Es fehlen die Missionen. Es gibt ja derzeit nur die beiden Orionmissionen, die auch nur bis in eine Mondumlaufbahn führen. Die NASA hat die SLS zwar auch für neue wissenschaftliche Missionen angepriesen. Doch die (angeblich günstigen) 500 Millionen für einen Start sind nicht mehr gegeben und das Geld für neue wissenschaftliche Missionen wird es auch nicht geben. Eine so große Mission wie z. B. Großteleskope mit 7-8 m großen Spiegeln kosten aber auch viel Geld. Man möge nur sich mal die Kostenexplosion des James Webb Teleskops ansehen.

Eventuell für Europa Clipper könnte die SLS zum Einsatz kommen. Mit dem bevorstehenden Ersteinsatz von Falcon Heavy und New Glenn gibt es zumindest für die wissenschaftlichen Missionen eine Alternative, denn so groß werden die auch nicht werden. Ich sehe zumindest bei Blue Origin die Chance, dass man auf der New Glenn eine Centaur oder DCSS einsetzen kann, die Firma scheint ja offen für die Zusammenarbeit mit anderen Firmen zu sein. Ich schätze die Nutzlast mit einer DCSS für die Europamission auf mindestens 6,5 t. Die SLS mit ICPS wird nach der Grafik in der gleichen Region liegen.

Das Zweite sind die ansteigenden Kosten. Das Konzept der Finanzierung mit geringen Mitteln, dafür längere Zeit funktioniert nicht wirklich. Die Missionen rücken immer weiter nach hinten. Die Kosten steigen, auf längere Frist wird die Weiterentwicklung zu Block II noch teurer werden. Das sind dann eine neue Oberstufe und neue Booster.

Das Konzept von Block II habe ich auch nie verstanden. Anstatt neue Booster zu konstruieren könnte man gleich die SLS so konstruieren das man 2 oder 4 Booster einsetzt. Das macht dann Anpassungen an der Startbasis nötig, wäre langfristig aber die bessere Lösung. Diese könnte man gegebenenfalls um ein weiteres Segment verlängern. Bei den wenigen Einsätzen machen die Entwicklungskosten für neue Booster keinen Sinn. Die NASA hat schon die Entwicklung der ersten Oberstufe mit dem J-2X Triebwerk eingestellt, just nachdem dieses qualifiziert war. Nun kommt erst die IPCV, im Prinzip eine angepasste Delta 4 DCSS. (Delta Cryogenic Second Stage) Danach kommt eine EUS (Evolved Upper Stage) mit vier RL-10 Triebwerken und 8,4 m Durchmesser. Die ist noch im Fluss, noch nicht mal endgültig definiert. So ist auch die Verwendung von zwei Vinci vorgesehen. Die haben den doppelten Schub und sparen Kosten. Angenehmer Nebeneffekt, damit wäre Europa beteiligt. Derzeit fertigen wir die Servicemodule für die Orion als Kompensation für den ISS-Betrieb bis 2020. Ab 2020 muss eine neue Kompensation erfolgen. Mit der Entwicklung des Schubrahmens und angepassten Vincis wäre hier eine Beteiligung an der SLS möglich, die beiden Partnern nützen würde (verbilligt durch mehr Exemplare z.B. das Vinci). Da nun aber auch das BE-3 mit noch höherem Schub zur Verfügung steht und ein einziges BE-3 einen höheren Schub als vier RL-10 oder zwei Vinci haben, dürfte man bei der NASA auch diese Alternative untersuchen.

An und für sich ist das technische Konzept gar nicht mal so schlecht: Man nutzt schon entwickeltes – Shuttle SRB, RS-25, RL-10 oder Vinci / BE-4. Die Umsetzung, die anfangs nur 90 t Nutzlast (für eine normale LEO-Bahn) ergibt, und das weitere Kosten für Erweiterungen entstehen ist schlecht. Vor allem aber haben solche Programme einen großen Makel. Bei allen bemannten Programmen hat die NASA das Fixkostenproblem. Bei Apollo und beim Shuttle bezahlte man nach Entwicklungsabschluss dafür, dass die Hersteller die Leute weiter halten, damit sie zur Verfügung stehen, wenn es Probleme gibt. Das war der Grund drei Apollo-Missionen zu streichen (die Hardware dafür wurde bezahlt und gebaut und steht nun in Museen) und beim Space Shuttle machten die 2,4 Milliarden Fixkosten den Großteil des jährlichen Budgets aus. Die SLS jetzt zu entwickeln, ohne das man echte Missionen dafür hat, ist daher eigentlich nur teuer. Bis irgendwann mal ein Marsprogramm oder auch nur NEO Flüge anstehen, muss man dann Milliarden für Fixkosten aufbringen.

Kurzum die SLS leidet unter einigen Problemen. Zeitproblemen, ein falsches Entwicklungsmodell, steigende Kosten und fehlende Finanzierung. Vor allem aber fehlenden Missionen.

One thought on “Rätsel Nutzlast SLS

  1. Hallo Bernd

    Wollte eigentlich etwas zu deinem MP3 – Player schreiben, aber dort konnte man leider nicht kommentieren.

    Ich habe seit ca. 5 Jahren ein Sony Xperia Ray in Betrieb, den ich eigentlich fürs Bergsteigen gekauft habe, da er klein, leicht ist und fast alles kann:
    MP3 hören
    telefonieren
    GPS
    Fotos (ganz akzeptabel)

    Schliesslich kam es dann dazu, dass ich den Ray als normales Handy benutzte und immer dabei hatte.

    Ich weiss nicht mehr genau was ich ausgegeben hatte, war damals schon gebraucht (Zustand neuwertig) ich denke irgend etwas zwischen 15 – 25 Euro.

    Und das Teil hält und hält und hält, auch der erste Akku ist immer noch ok. Wie viele Stunden man MP3 hören kann habe ich noch nicht ausprobiert, aber ich denke jetzt nach 5 Jahren Dauerbetrieb werden es immer noch 4 – 5 Stunden sein. Und zur Not gibt es billige Ersatzakkus die nur ein paar Gramm wiegen.

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