Der Wirkungsgrad von Raketen

Um es vorweg zu sagen: was hier kommt ist auf meinem eigenen Mist gewachsen, also keine Gewährleistung das, das alles so richtig ist.

Mit der Berechnung der Energie, die man für das Erhitzen von Wasserstoff aufwenden muss, stellt sich mir die Frage des Wirkungsgrads von Raketentriebwerken. Nach kurzem Nachdenken bin ich sogar auf drei verschiedene gekommen die ich mal hier vorstellen will. Als Wirkungsgrad definiert man ja wie viel man von einer bestimmten Energiemenge die eine Maschine verbraucht auch tatsächlich als Nutzenergie nutzen kann. Da gibt es mehrere Ansätze das zu berechnen.

Als Beispiel habe ich mit dem Vinci gerechnet mit folgenden Daten:

  • Brennkammerdruck: 60,8 bar
  • Spezifischer Impuls: 4560 m/s
  • Expansionsverhältnis: 240
  • LOX/LH12 = 6/1
  • Schub: 180 kN

Kinetischer Wirkungsgrad

Der kinetische Wirkungsgrad definiert, als wie viel Prozent der Energie ich nutzen kann, wenn ich den Treibstoff vollständig verbrenne. Ich bin mir sicher das der auch genutzt wird, denn ich habe eine Grafik gesehen wo dieser für das HM-7B mal berechnet wurde, inklusive aller Verluste.

Für das Vinci muss man zuerst mal berechnen, wie viel Energie im Treibstoff steckt. Beim Vinci ist es nicht im stöchiometrischen Verhältnis. 6 zu 1 bedeutet: Pro Tonne Treibstoff werden dann 142,8 kg Wasserstoff und 957,2 kg Sauerstoff verbrannt. Das stöchiometrische Verhältnis ist aber 8:1 das heißt es gibt unverbrauchten Wasserstoff. Er nimmt nicht an der Reaktion teil. Die benötigte Menge ist nach der Reaktionsgleichung dann der Sauerstoffanteil/ 8 also 107,4 kg. Zusammen mit dem Sauerstoff sind das pro Tonne Treibstoff 964,28 kg verbrannter Treibstoff, der Rest ist Wasserstoffgas, das an der Reaktion nicht teilnimmt.

Die Reaktion

H2 + O2 → 2 H2O liefert pro Mol (18 g) bei 286 kJ/Mol

Hochgerechnet auf ein Kilogramm sind, das dann (bei Berücksichtigung das nur 0,964 kg an der Reaktion teilnehmen) 15,321 MJ.

Nun die Gegenrechnung: Die Gase verlassen die Düse mit 4560 m/s. Die kinetische Energie ist definiert als E = ½ mv². Für M = 1 kg kommt man so auf (4560²)*1/2 = 10,4 MJ. Der Wirkungsgrad ist also 10,4 / 15.2 = 0,678.

Thermischer Wirkungsgrad

Der thermische Wirkungsgrad ist in der Thermodynamik definiert als Carnot-Wirkungsgrad und ist der Quotient zwischen höchster und niedrigster Temperatur. Die höchste Temperatur liegt in der Brennkammer vor, die niedrigste an der Düsenmündung. Diese muss man erst kennen, also kommt das CEA-Programm der NASA zur Simulation zum Einsatz. Für mehr Details siehe hier. Ich habe für beide Werte das Mittel aus eingefrorenem Gleichgewicht und freiem Gleichgewicht.

Eingefrorenes Gleichgewicht Freies Gleichgewicht
Brennkammer 3469 K 3469 K
Düsenmündung 609 K 883 K
Spez Impuls: 4507 m/s 4853 m/s

Beides sind extreme Annahmen über die chemische Reaktion. Bei einem freien Gleichgewicht können alle Reaktionspartner praktisch verzögerungsfrei miteinander reagieren. Bei einem eingefrorenen Gleichgewicht wird nach Passage der Brennkammer die Verbrennung gestoppt, nun reagieren nur noch die Teile miteinander, die sich bis dahin gebildet haben. Bei Wasserstoff/Sauerstoff liegen die praktischen Werte dazwischen nahe am eingefrorenen Gleichgewicht, da dies bei dieser einfachen Reaktion vorliegt. Anders sieht es aus wenn es mehrere Reaktionsprodukte, wie bei der Verbrennung von Kohlenwasserstoffen oder festen Treibstoffen vorliegen. Da gibt es CH Radikale und Kohlenmonoxid, die nun weiter untereinander reagieren.

Zurück zum Ansatz: In diesem Falle ist der Wirkungsgrad 1-(883/3469) und 1-(609/3469) = 0,745 und 0,824. Also deutlich höher als beim kinetischen Wirkungsgrad. Der Carnot-Wirkunsggrad berücksichtigt nicht die Energie, die in den heißen Gasen steckt. Nach dem Stefan-Boltzmann Gesetz steigt die Energie in der vierten Potenz zur Temperatur. Nehmen wir mal an, wir hätten zwei Maschinen. Die eine arbeitet bei 1000 K und hat Verbrennungsabgase die 500 K heiß sind, die zweite bei 500 K und Abgasen die 250 K heiß sind. Betrachtet man aber den absoluten Energiegehalt, so hat man wesentlich mehr aus der Maschine bei 1000 K herausgeholt, auch wen die Abgase noch den Energiegehalt haben, bei dem die Zweite erst anfängt zu arbeiten. Aus dem Grunde bringen Brennwertheizungen auch nicht so viel mehr, wie uns die Werbung weißmachen will – der Unterschied ist das bei einer normalen Heizung die Abgase mindestens 100° heiß sein müssen, wenn sie den Kamin verlassen. Bei einer Brennwertheizung darf dagegen das Wasser auskondensieren. Im Idealfall erreicht man die Umgebungstemperatur, was aber in der Praxis nicht der Fall ist, schl9eßlich erwärmt man die Umgebung, sodass deren Temperatur ansteigt. Vergleichen mit der Verbrennungstemperatur von weit über 1000°C ist die Restenergie in 100°C heißen Abgasen einer normalen Heizung aber gering.

Technischer Wirkungsgrad

Den technischen Wirkungsgrad kann man definieren, indem man bei der gegebenen Technologie die maximale Energieausbeute berechnet. Im Falle des Vinci ist es ein Hauptstromtriebwerk. Das heißt, es gibt keine Verluste für Turbinen. Ein Teil der an die Brennkammer abgeführten Energie wird zudem genutzt den Wasserstoff aufzuheizen, sodass auch diese nicht ungenutzt ist. Was bleibt, ist das die Abgase noch eine endliche Energie haben, wenn sie die Düse verlassen. Modelliert man nun eine immer größere Düse, so nutzt man immer mehr Energie aus. Das ganze geht solange, bis man den Siedepunkt von Wasser erreicht, spätestens dann kann man nicht mehr mit dem freien Gleichgewicht rechnen und dann kondensiert auch das Wasser und es gibt keinen weiteren Schub.

Ich habe das mal mit immer größeren Düsen simuliert und dabei auch die Einlasstemperatur des Wasserstoffs angepasst, der ja zur Kühlung dient. Die genaue Temperatur ist mir nicht bekannt, ich habe ihn mal auf 400 K gesetzt. Man bekommt folgende Werte:

Eingefrorenes Gleichgewicht Freies Gleichgewicht
Düsenmündung e=240 4838 m/s 4507 m/s
Düsenmündung e=10000 5098,2 m/s 4683,1 m/s
Düsenmündung e=500.000 5192.2 m/s

Der Vergleich mit den realen Werten ist schwierig, weil beide Simulationen ja von idealisierten Triebwerken ausgehen. Zudem ist die genaue Größe der Brennkammer, die man auch angeben kann, unbekannt und die Eingangstemperatur nur geschätzt. Beide Simulationen brechen irgendwann ab. Das freie Gleichgewicht früher (Düsenmündungstemperatur dann nur noch 161 K), das eingefrorene Gleichgewicht später (Düsenmündungstemperatur 195 K).

Der reale Wert ist jedoch näher beim freien Gleichgewicht, sodass man dieses als Referenz nimmt. Demnach sollte man rund 174 m/s mehr erreichen können. Trofft düs auch auf das reale Vinci zu, so wäre nach E=1/2 mv² der Wirungsgrad 92,7 %. Bezieht man ihn nur auf die Geschwindigkeit der Gase, nicht deren Energiegehalt, dann sogar 96,3 %. Bei Nebenstromtriebwerken käme das Gas hinzu das den Gasgenerator speist. Deren Wirkungsgrad wäre dann nochmals deutlich kleiner.

Vergleich mit dem Auto

Interessant ist natürlich auch der Vergeblich mit einem Ottomotor, der nach Wikipedia zwischen 35 und 40% der Verbrennungsenergie in Leistung umsetzt. Dei Leistung eines Raketentriebwerks ist berechenbar nach:

L = m c² / 2000

mit m = Massendurchsatz in kg, v = spezifischer Impuls in m/s und L in Leistung in kW

Für das Vinci kommt man so auf 410,4 MW. Dafür setzt es aber auch rund 40 kg Treibstoff pro Sekunde um. Nun herunterskaliert auf 110 kW, die ein Golf VII Baujahr 2016 hat und Betrieb über 1 Stunde (100 km/h konstant = 1 Stunde pro 100 km) sind das 38,08 kg. Also auf den ersten Blick, sehr viel schlechter.

Aber …

Raketentriebwerke führen auch den Sauerstoff mit, die ein Benzinmotor aus der Luft holt. Rechnet man den unverbrauchten Wasserstoff weg und den Sauerstoff hinzu sind es nur noch 4,09 kg. Also besser als der Golf, der mit 6 l Benzin (Masse dann etwa 5,1 kg) angegeben wird. Nun ja, das ist auch ein Vergleich von Äpfel mit Birnen oder Apples mit Samsung, wie man heute sagen würde: Wasserstoff hat natürlich eine viel höhere Energiedichte als Benzin. Also nehmen wir ein anderes Triebwerk. Mit Kerosin, also auch einem Kohlenwasserstoff arbeitet das Merlin. Nimmt man das Merlin 1D Vakuum und machte dieselbe Rechnung (348 s spezifischer Impuls) so kommt man auf 67,95 kg (LOX+Kerosin). Die genaue Zusammensetzung von RP-1 ist unbekannt ich habe mal CH1,5 angenommen, das entspricht dem Mittel zwischen Alkanen und Aromaten. Dann wäre das stöchiometrische Verhältnis RP1 zu LIX 3,25. Beim gegebenen Verhältnis von 2,5 entspricht dies 219,2 kg nutzbarem Treibstoff pro Tonne. Dann reduziert sich der Treibstoffverbrauch auf 14,9 kg = 17,5 l/100 km.

Warum so viel mehr? Nun die Geschwindigkeit der Gase, die im Quadrat in die Leistung eingeht, ist um fast ein Drittel geringer. Vor allem haben aber Raketenabgase auch bei großen Düsen noch ziemlich viel Restenergie – oben beim Vinci sind es zwischen 700 und 800 K. So heiß sind die Abgase nicht, wenn sie den Auspuff verlassen.

6 thoughts on “Der Wirkungsgrad von Raketen

  1. Fahr mal mit den genannten Golf 100 km lang Vollgas (= Vollast, wie das Merlin ja auch), Schon liegst du bei einem Verbrauch jenseits 20 Liter.

    bernie

  2. Beim kinetischen Wirkungsgrad hätte ich die Bildungsenthalpie für gasförmiges Wasser genommen, die bei -242 kJ/mol liegt, und nicht die Bildungsenthalpie für flüssiges Wasser von -286 kJ/mol. Rechnet man mit dem Wert von -242 kJ/mol, kommt man auf 12,96 MJ, entsprechend 80% Wirkungsgrad. Das liegt schon verdammt nah dran am Carnot-Wirkungsgrad – dem Maximum, was überhaupt möglich ist.

    Dein Hinweis auf das Stefan-Boltzmann-Gesetz ist an dieser Stelle falsch. Boltzmann sagt etwas aus über die Intensität von Wärmestrahlung aus, aber hat NICHTS mit der Wärmekapazität von Gasen zu tun. Gerade bei chemisch einfachen Gasen ist die Wärmekapazität über große Temperaturbereiche sogar konstant, d.h., die gespeicherte Wärmeenergie ist dann proportional zur Temperatur. Der Proportionalitätsfaktor steigt bei hohen Temperaturen zwar etwas an, aber selbst Wasserstoff-Plasma bei 5000 K, wo die Atome in Protonen und Elektronen zerfallen sind, hat nur die vierfache Wärmekapazität von kaltem Wasserstoffgas bei 50 K. Die gesamte gespeicherte Wärmeenergie beträgt somit im Plasma etwa dem 400-fachen des kalten Gases. Die Intensität der Wärmestrahlung steigt hingegen um den Faktor 100^4 = 100 Millionen an!

    Was Dein Seitenhieb auf den Brennwertkessel soll, weiß ich auch nicht. Gas-Niedertemperaturheizungen haben einen auf den unteren Brennwert (also Wasserdampf als Produkt gasförmig) bezogenen Wirkungsgrad von ca. 90%, Brennwertkessel kommen hingegen auf ca. 105%. Im Gegenstrom-Verfahren, wo die Abluft die angesaugte Verbrennungsluft vorwärmt, sind sogar 110% möglich. Addiert man noch die Verluste, die bei stehendem Brenner aus dem warmen Kessel entstehen, die bei Niedertemperaturheizungen aufgrund der deutlich höheren Kesseltemperatur und des fehlenden Wärmeausgleichs zwischen Zuluft und Abluft dank der deutlich effektiveren Konvektion deutlich höher sind (Ausnahme: Zuluft-Klappe, die bei stehendem Kessel die Zuluft schließt, aber das ist ein eher seltenes Bauteil), dann ist 1/3 Mehrverbrauch beim Wechsel von Brennwert zurück zu Niedertemperaturkessel gar nicht so unwahrscheinlich…

  3. Nur eine eher technische Anmerkung. Der Artikel handelt eher vom Wirkungsgrad von Triebwerken.
    Der Nutzen einer Rakete ist jedoch kaum das Gas das hinten rauskommt, sondern der Satellit der am Ende im Orbit ist. Nimmt man dessen kinetische Energie und dividiert diese durch die Energie des Treibstoffs landet man wohl bei 15% oder sowas?
    Das ist übrigens durchaus vergleichbar mit einem Auto welches ca. 20% der Energie in nutzbaren Vortrieb umwandelt (der Rest geht verloren beim Bremse, im Getriebe, im Stand, etc.)

  4. Nun ja, das ist eher der Wirkungsgrad von Triebwerken. Der Wirkungsgrad einer Rakete wäre die kinetische Energie der Nutzlast im Verhältnis zur Energie im aufgewendeten Treibstoff.Schätze mal der liegt deutlich unter 10%.

    1. So einfach ist das nicht. Denn zum einen gelangt auch noch die letzte Stufe in den Orbit. Zum zweiten werden alle Raketentreibstoffe nicht stöchiometrisch verbrannt. Es gibt also keine tabellierten Energiewerte. Man kann zwar dann nur den stöchiometrischen Teil nehmen, doch wie behandelt man den Überschuss (meist an Verbrennungsträger) ignorieren, den Energiegehalt proportional reduzieren. Da wäre also zuerst mal eine Definition der genauen Fragestellung wichtig.

      1. Denke einfach, der Wirkungsgrad sollte sich auf das gewünschte Ergebnis und nicht auf das dazu verwendete System und seine Eigenheiten beziehen. Man könnte die Nutzlast auch mit einer Kanone hochschiessen. Ob man den Treibstoff vollständig verbrennt oder nicht sollte da auch keine Rolle spielen, die Frage ist ja, wie viel der gesamten Energie die in ihm steckt kriege ich zurück.

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