Gedanken zum Reformationstag

Heute ist ja Reformationstag, und damit ausnahmsweise mal bundesweiter Feiertag. Die erste Überraschung: Damit endet das Reformationsjahr. Ich dachte es beginnt dann. Wer kommt denn auf die bescheuerte Idee am 499-sten Jahrestag mit dem Jahr zu beginnen, anstatt mit dem 500-sten also während des 499 sten Jahrs anstatt 500 sten zu feiern.

Ich muss sagen ich habe zum Thema nicht so viel zu sagen. Ich hoffe aber ihr diskutiert eifrig mit. Ich habe mal die 95 Thesen überflogen – 95 Stück sind ehrlich zu viel, da haben die schwäbischen Bauern in Memmingen mit ihren 12 Artikeln es wirklich besser hinbekommen. Die gelten ja als erste Form der Erklärung der Menschenrechte. Die 95 Thesen gehen wirklich nur auf einen Missstand ein, nämlich die Ablasshandelei, die es schon eine Weile gab, bei der man nun aber nachlegte: Nun konnte man sich nicht nur selbst von Süden freikaufen, sondern auch seine Verstorbenen Vorfahren aus dem Fegefeuer retten. Eigentlich eine tolle Geschäftsidee. Bei einer Ausstellung war denn auch ein „Ablassautomat“ (ein umfunktionierter Reiswolf) ein Publikumsmagnet. Tipp: an die katholische Kirche: Macht eine App und bucht das Geld gleich vom Konto ab. Man muss dies schon sehr verbocken, wenn ein Streit über eine Geldbeschaffungsmaßnahme so weit eskaliert das eine Kirchenspaltung draus wird. Luther wollte ja zeitlebens nur eine Reformation der Kirche, auf Missstände hinweisen und sie beseitigt sehen, bis heute heißt es ja Reformation. Aber irgendwie hat die katholische Kirche wohl die Zeit verpasst, denn es kam ja kurz darauf auch der Bruch mit England, wo dann Heinrich der VIII einfach seine eigene Kirche gründete.

Martin Luther hat ja immer betont, es käme nur auf die Schrift an und hat deswegen auch die Bibel übersetzt, damit dies alle lesen können. Revoluzzer war er nicht. Das fängt damit an, dass er die Existenz des Fegefeuers nie bestritt. Das taucht in der Bibel nicht auf, die Hölle und das Fegefeuer wurde erst im Mittelalter „erfunden“. Genauso hat er sich zeitlebens vor dem Teufel gefürchtet. Immerhin, der taucht in der Bibel auf. . Wenn man sich nur auf die Schrift bezieht, dann kann man Revoluzzer werden. Denn in der Bibel steht ja gar nichts von den Strukturen, die es damals schon seit 1000 Jahren gab. Luther hat weder den Papst als Kirchenoberhaupt angezweifelt, noch überhaupt das System, also das es überhaupt Kirchen, Priester, Mönche, Klöster gibt. Auch davon gibt es nichts in der Bibel. Nur von einer Glaubensgemeinschaft ist die Rede. Entsprechend hat er ja auch, als die Bauern, die nun die übersetzte Bibel erstmals lesen konnten und nichts vom Zehnt und Leibeigenschaft fanden diese nicht unterstützt, sondern meinte sie sollten sich in ihr Schicksal fügen und es gäbe irgendwann göttliche Gerechtigkeit. Ich glaube er wollte nur einiges reformieren und die Überreaktion der katholischen Kirche hat erst zur Spaltung geführt. Wobei natürlich auch die Politik mitspielt. Ohne Schutz von seinem Fürsten wäre es nicht möglich. Ohne den Buchdruck und damit die Möglichkeit zur Verbreitung seiner Schriften wäre es aber auch nie so ein Flächenbrand geworden.

Die katholische Kirche hat nichts hinzugelernt. Ich kenne mich mit Erneuerungsbestrebungen innerhalb der Krieche nicht aus, aber in der Wissenschaft. Kopernikus hat es erst auf dem Todesbett gewagt, seine Theorie über das Sonnensystem zu publizieren. Giordano Bruno wurde 1600, also über 80 Jahre nach Luther hingerichtet, weil er behauptete das Universum sei räumlich und zeitlich unendlich und Galileo Galilei wurde auch ein solcher Prozess angedroht und er erhielt (nachdem er abschwor) lebenslang Hausarrest, weil er dem heliozentrischen System anhing. Daran verwundert zweierlei. Das Erste ist, das es ja um eine naturwissenschaftliche Erkenntnis ging und die hat nichts mit Religion zu tun auch nichts am Papsttum oder seiner Art Einkommen zu generieren anzweifelt. Das Einzige was über Naturwissenschaft in der Bibel steht ist die Schöpfung der Welt und die wurde ja nicht bezweifelt. Noch schlimmer ist, dass man noch 100 Jahre nach Luther „Ketzer“ die nur eine wissenschaftliche Erkenntnis hatten, umbringen konnte. Geht nur weil damals, wie heute die Leute wenig über Wissenschaft lesen, kurzum es hat keinen interessiert. Galilei und Bruno wurden übrigens 1992 und 2000 rehabilitiert. Das zeigt, wie langsam die katholische Kirche arbeitet, und zwar heute noch.

Nichts dazugelernt ist auch das man an den Dingen, die damals den Bruch versursachten nichts geändert hat. Noch immer gibt es den unfehlbaren Papst, noch immer der Zölibat und das man viel Geld für Prunk rausschmeißt anstatt den Armen zu helfen hat sich auch nicht geändert: Stichwort Tebartz van Elst.. Ebenso scheinen alle die in der Kirche sind keine Strafen befürchten zu haben, wie die Missbrauchskandäle der letzten Jahre zeigten. Die reformierten Kirchen haben es nicht viel besser gemacht: Calvin und Zwingli haben beide eine Religion heraufbeschworen, in der alle fleißig arbeiten und sparsam sein sollten und, besondern bei Calvin und damit in anglizistischen Ländern verbreitet – der persönliche Reichtum ein Indiz sei, wie gut Gott es mit einem meine. Damit kann man leicht auf alle heruntergucken, die es nicht so weit gebracht haben, und „selbst schuld“ sagen. Genauso wenig wie von dem Prunk etwas in der Bibel steht, steht aber auch davon nichts drin.

Was sich auch nicht geändert hat, ist die Kluft zwischen den beiden Religionen.

In einer Radiosendung hat man gefragt was Leute heute an die Tür nageln würden, als Warnruf an die Kirche. Mir fallen spontan drei Dinge ein. Das eine ist, dass die Kirche ihre Stimme laut erheben muss, wenn es gesellschaftliche Strömungen oder Dinge gibt, die unchristlich sind. Das tut sie viel zu selten und zu leise.

Das Zweite ist, das die Kirche inzwischen wieder genau den Sonderstatus hat wie damals. Nur Kirchen können ihren Angestellten – auch denen die nichts mit Gotttestdienst und Co zu tun haben wie z.B. einer Putzfrau – kündigen, wenn sie ihren Glaubensgrundsätzen nicht entsprechen, so bei Katholiken, wenn diese sich scheiden lassen. Dazu kommen verschiedenste Privilegien beim Arbeitsrecht. Sie gehören samt und sonders abgeschafft.

Der größte Sonderstatus ist die Kirchensteuer. Woanders sind Kirchen auf Spenden angewiesen. Bei uns bekommen sie automatisch 8,5 % der Steuern als Ausgleich für enteignetes Eigentum (von Napoleon um 1800). Sorry, aber das verstehe ich nicht. Damals gab es auch noch jede Menge Fürsten und andere Grundbesitzer, die haben irgendwann in den letzten 200 Jahren durch einige Kriege, Revolten und Staatsgründungen ihren Besitz verloren und nur die Kirche wird bis heute entschädigt? 200 Jahre lang 8,5% der Steuern? Das Vermögen ist längst abbezahlt. Kirchen sollten auch bei uns sich über Spenden finanzieren. Echte Christen spenden auch gerne. Wenn man nun argumentiert, dann würde viel wegfallen was heute Pflege oder Kinderbetreuung angeht – das kann der Staat dann gerne mit den zusätzlichen Steuereinnahmen umsetzen, ohne seine Mitarbeiter mit eigenen Vorschriften zu gängeln.

Das Letzte sind die Feiertage. Heute ist ja Reformationstag. Ist eigentlich nur mir aufgefallen, dass es nur gemeinsame und katholische Feiertage gibt, aber keine Evangelischen? In Zeiten, wo immer weniger Mitglied einer Kirche sind, sollte man die rein katholischen Feiertage genauso abschaffen die die evangelischen Feiertage. Übrig bleiben die gemeinsamen, wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten.

5 thoughts on “Gedanken zum Reformationstag

  1. Guten Tag:
    Rechnen sie nochmal nach. Nach Anschlag der Thesen beginnt das erst Jahr. Es gibt ja kein nulltes Jahr. Kinder nach der Geburt sind ja auch im ersten Lebensjahr.

    Zusätzlich sollten sie sich auch mit anderen Dingen nochmal beschäftigen:

    Die Kirchensteuer wird zum Beispiel nur von ihren Mitgliedern erhoben. Dieses ist einen staatliche Dienstleistung für die Gebühren erhoben werden. Der Staat macht ein Geschäft und die Kirche spart Geld. Allen Religionsgemeinschaften die Körperschaften des Öffentlichen Rechts sind steht dieses Privileg zu und einige Jüdische Gemeinden machen davon auch Gebrauch. Ja, es gibt auch andere Zahlungen, aber die sind komplett unabhängig davon. Grundlage dieser Staatsleistungen ist Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 Weimarer Reichsverfassung. Das die noch bestehen liegt an der Politik, diese wollte bisher keine Gespräche mit den Kirchen.
    Kirchen sind Tendenzbetriebe. Mindestens solche Privilegien müssten sie weiterhin haben. Viele ihrer Probleme mit dem Kirchlichen Arbeitsrecht würden darin nicht berührt. Auch sollte man deutlich sagen, die Maßstäbe sind die letzten 40 Jahre nicht strenger geworden. Die Mitarbeiter hätten es alle wissen können.

    Das sie die Sprengkraft von Luthers Thesen nicht sehen wundert mich übrigens nicht. Dafür müssten sie die römisch-katholische Kirche mindestens Grob verstehen. Offensichtlich tun sie das nicht, genauso wenig wie sie den Druck der sie in der Folge ausgesetzt war sehen. 80 Jahre nach Luther wurde nicht immer noch, sondern erst recht vieles verfolgt. Die Institution reagierte mit Härte auf die äußere Bedrohung. Viel Macht und Einfluss drohte verloren zu gehen. Der Achtzigjährige Krieg tobte.
    Giordano Bruno kann man im übrigen nicht wirklich als Wissenschaftler bezeichnen, er war Philosoph und Priester. Zusätzlich muss er sehr undiplomatisch gewesen sein. An keinem Ort hielt er es länger aus und auch mit den Protestanten verkrachte er sich mehrfach. Sein Ende fand er vor einem weltlichem Gericht. Ich frage mich immer, warum sich von Atheisten so oft auf ihn berufen wird. Er war ja noch nicht mal einer von ihnen.

  2. Gruß aus dem katholischen Bayern:

    Wir machen euch noch alle katholisch! 😉

    Du vergißt, das der Kathole büßen kann und damit von der Schuld frei gewaschen werden kann.
    Die Protestler bleiben auf Ihren Sünden hocken!

    Außerdem glauben die Katholen doppelt: An Gott und an die Verwandlung!
    Bei der Verwandlung wird Brot und Wein zu Leib und Blut Christi….äh des Pfarrers!
    Mahlzeit, bzw. Prost!

    Und die Kirchensteuer? Die braucht die Kirche natürlich dafür lukrative Geschäfte aufzumachen, wie Kindergärten, Pflegeheime und Krankenhäuser. Damit kann man viel Geld verdienen, denn der Staat zahlt zusätzlich der Kunde zahlt extra und man tut ja soooviel gutes!

    Calvinismus Modus an: Alle Feiertage abschaffen, wirklich alle. Bringt ca. 1,5% mehr Wirtschaft. Dann aber dafür aber auch 10 Tage mehr gesetzlicher Urlaub! Kostet natürlich 50% der Wirtschaft (nach den Unternehmern).
    Calvinismus Modus aus.

    Agnostische Grüße,
    Ralf mit Z

  3. Ihre Sicht auf die Wirkmacht von Luther ist viel zu eng.

    Luther wollte anfangs nur über Missstände in der Kirche diskutieren. Er war sich gar nicht bewusst, welche weiteren Umwälzungen er damit angestossen hat.

    Das Entscheidende ist, dass die Bauern und Bürger ANGEFANGEN haben zu lesen. Und nicht nur die Bibel.

    Bücher und Flugblätter sind dadurch zum ersten MASSENMEDIUM der Welt geworden.

    Ideen konnten sich dadurch schneller und weiter verbreiten als je zuvor.

    Die fundamentalen Veränderungen in der Folge sind durch die Kombination von Buchdruck UND Lesen können entstanden.

    Die Veränderungen in der Religionsausübung haben die politische Landkarte Europas verändert. Die protestantischen Länder England und die Niederlande sind zu Weltmächten aufgestiegen. Das katholische Spanien kam auf die Verliererstrasse.

    Unsere heutige Welt ist ohne diese Initialzündung nicht denkbar. Hier begann die Neuzeit.

    Dazu gibt es eine sehr interessante 3-teilge Dokumentation von Harald Lesch:

    https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/der-grosse-anfang—500-jahre-reformation-102.html

  4. Hallo!

    Der „Reformationstag“ ist ein regulärer Feiertag in 5 Bundesländern. Es gibt damit – zumindest einen – evangelischen Feiertag. Auch den Buß- und Bettag, immerhin in einem Bundesland ein gesetzlicher Feiertag, könnte man auch hinzu zählen.

    Aber ja, dass Thema Feiertage sollte in der Öffentlichkeit stärker diskutiert werden. Allerdings wird sicher dann unangenehm, wenn es um die Feiertage anderer Religionsgemeinschaften geht …

    Persönlich bin ich froh um jeden arbeitsfreien Tag, auch wenn ich keinen von diesen in wie auch immer gearteter religiöser Form begehe.

    Trotz aller „Modernität“ halte ich jedoch nicht so viel davon, unsere Traditionen weitgehend aufzugeben (z.B. die Sonderrolle der beiden großen christlichen Kirchen), nur weil wir gerade in einer Zeit leben, die meint darauf verzichten zu können. Auch als nichtreligiöser Mensch kann ich religiösen Zeremonien etwas abgewinnen (und sei es nur eine besondere Form des Gemeinschaftsgefühls, wenn hunderte Menschen überlieferte Gebete sprechen) und bin nach wie vor von großen wie kleinen Sakralbauten fasziniert.

    Beste Grüße!

  5. Zu den Feiertagen:
    Es geht mir nicht darum Feiertage per se abzuschaffen, nur warum eine Religion (katholisch) so viele haben soll und die andere nur einen ist für mich ein Rätsel.

    Wir sind christlich geprägt daher bin ich gegen eine Abschaffung aller Feiertage. Aber Feiertage deren Bedeutung die meisten nicht mal kennen zu behalten ist unsinng. Zum Ausgleich könnte man den 9.11. als Feiertag nehmen. Der Mauerfall ist ein deutsches Ereignis zu dem ich mehr Bezüge habe als zu katholischen Feiertagen.

    Wenn man die Feiertage für so wichtig hält, dann bitte auch den Sonntag ehren. Dann bitte auch keinen verkaufsoffenen Sonntags, keine offenen Bäckereien an Sonntag und dann bitte auch das Tanzverbot das es ja auch mal am Feiertag gabe. Nur Feiertage dass man selbst frei hat, andere aber arbeiten sollen, das geht in meinen Augen nicht.

    Die 500-Jahre Argumentation habe ich immer noch nicht verstanden. denn es ist ja nicht die Zählung wie bei historischen Ereignissen, wo es kein Jahr Null gab. Es ist eine Zählung ab dem Datum und wie ein Kind auch eben nur 6 Monate und noch kein Jahr alt sein kann sind erst jetzt 500 Jahre vergangen. Das ist als hätte ich nach meinem 49-sten Geburtstag angefangen den 50 sten zu feiern bis ich tatsächlich 50 geworden bin und dann höre ich auf.

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