Crossfeeding – physikalischer Hintergrund

Nachdem Elendssoft sich in seinem Blog mit den technischen Problemen beschäftigt hat, will ich mich in meinem Blog mit der Physik dahinter, genauer gesagt der Nutzen nach der Raketengrundgleichung, also nicht der Physik, wie man die Treibstoffe zu den Triebwerken leitet, beschäftigen.

Alles beginnt wie immer mit der Ziokowski-Gleichung auch Raketengrundgleichung genannt: Continue reading „Crossfeeding – physikalischer Hintergrund“

Probleme beim Crossfeeding

Immer mal wieder wird von den Herstellern Cross-Feeding als Möglichkeit zur Leistungssteigerung von Trägerraketen genannt. Wenn es aber um eine Realisierung geht, wird ganz schnell wieder zurückgerudert. Dabei ist die Treibstoffversorgung aus abwerfbaren Tanks schon lange üblich. Siehe Space Shuttle oder Breeze.

Das erste Problem ist, das der Treibstoff aus den Boostern gleichschnell verbraucht werden muss, damit der ganze Spaß nicht aus dem Gleichgewicht kommt. Bei der einfachsten Variante, einem gemeinsamen Leitungssystem, kommt es dann aber zu Problemen: Der Treibstoff fließt nicht nur zum Triebwerk, sondern sammelt sich auch in dem Tank, der am weitesten unten liegt. Günstig sind dann Raketen mit nur zwei Boostern, wie Delta 4 Heavy oder F9H. Da liegen sämtliche Tanks auf einer Linie. Beim Neigen kann dann die Rakete so gedreht werden, dass die Tanks immer auf gleicher Höhe liegen.

Bei mehr als zwei Boostern wie bei der Angara 5 kann man aber drehen wie man will, man bekommt bei geneigter Rakete nie alle Tanks auf gleiche Höhe. Dann ist ein gemeinsames Leitungssystem nicht möglich. Theoretisch könnte man auch bei der Angara 5 alle Stufen auf einer Linie anordnen. Dazu müssten zwei Booster statt an der Zentralstufe an den anderen beiden Boostern montiert werden. Was mechanisch aber recht ungünstig wäre. Die inneren Booster müssten dann auch noch die Kräfte von den äußeren Boostern auf die Zentralstufe übertragen. Die dafür verstärkte Struktur bringt dann zusätzliches Gewicht, so dass sich der Spaß eher nicht lohnt. Von den dazu nötigen Umbauten am Startkomplex ganz zu schweigen.

Einen Ausweg bieten Raketen mit mehreren Triebwerken wie die F9 oder Electron. Hier kann jedem Booster ein Triebwerk oder eine Gruppe von Triebwerken zugeordnet werden. Lässt sich die Anzahl der Triebwerke nicht glatt durch die Zahl der Booster teilen, kann das „unpassende“ Triebwerk schon beim Start aus der Zentralstufe versorgt werden.

Bei der F9H könnte dann jeder Booster 4 Triebwerke der Zentralstufe versorgen, und das 9. läuft mit Sprit aus dem eigenen Tank. Eine andere Möglichkeit ist die Aufteilung in drei Dreiergruppen. Bei zwei Boostern müssen dann eben drei Triebwerke mit eigenen Sprit laufen. Dafür ist dann eine Super Heavy mit drei Boostern möglich, bei der das Cross Feeding voll ausgereizt wird. Ob das bei der großen Triebwerkszahl sinnvoll ist, kann man sich allerdings streiten.

Denkbar wäre in der Zentralstufe auch ein Triebwerk mit mehreren Turbopumpen. Jede würde dann den Treibstoff aus einem Booster holen. Das wäre aber teurer, schwerer und weniger zuverlässig. Deshalb wurde so ein Triebwerk noch niemals gebaut. Und nur für die Zentralstufe eins neu zu entwickeln lohnt sich nicht. Da wäre es sinnvoller, mehrere kleine Triebwerke einzubauen. Besonders wenn es schon welche in der passenden Größe gibt.

Eine Alternative zum gemeinsamen Leitungssystem ist das Umpumpen von Treibstoff in die Zentralstufe. Es ist ja üblich, nach einiger Zeit die Triebwerke zu drosseln. Am einfachsten geht das, wenn die Turbopumpe weiter mit voller Leistung läuft, und nur die Zufuhr zur Brennkammer gedrosselt wird. Was nicht vom Triebwerk verbraucht wird fließt dann in die Tanks der Zentralstufe. Ideal ist das nicht, weil für das Triebwerk ein viel höherer Druck gebraucht wird als zum Umpumpen. Einen Haken hat das allerdings: Bei Triebwerke die mit dem Hauptstromverfahren arbeiten, ist das nicht möglich. Dann wäre zum Umpumpen eine extra Turbopumpe nötig. Das bedeutet nicht nur zusätzliches Gewicht, auch zusätzliche Kosten. Und eine Baugruppe mehr, die ausfallen kann. Zum Umpumpen mit niedrigem Druck wird relativ wenig Energie benötigt. Da wären durch Elektromotoren angetriebene Pumpen (wie in der Electron) eine mögliche Alternative.

Daraus folgt, dass die F9H die günstigsten Voraussetzungen für Crossfeeding bietet. Das wurde von Spacex auch mal genannt, in letzter Zeit ist allerdings nichts mehr davon zu hören. Warum sollte man auch die Nutzlast weiter steigern, wenn die schon größer ist als gebraucht wird? International geht ja der Trend eher zu geringerer Nutzlast, wie bei Ariane 6 oder den verkleinerten Proton-Versionen.

Der Brief der Woche an Rogozin und Putin

Lieber Wladimir Putin, ich schreibe Dir einen Brief, damit Du dich freust und ich Dir bei einem kleineren Problem helfen kann.

Wer die letzten Jahre die russische Raumfahrt verfolgt, hat bemerkt ein zunehmendes Paradoxon. Während die Arbeiten am neuen Kosmodrom Wostotschny und der neuen Trägerrakete nur langsam vor sich gehen – von wissenschaftlichen Missionen mal ganz zu schweigen, wird alle paar Jahre eine neue Raketen-Sau durch den Kreml getrieben. Neben der Konkurrenzentwicklung zur Angara, die Sojus 5, wird alle paar Jahre mal von einer neuen Mondrakete gesprochen. Nun heißt sie gerade Jenisei. Zeit mich mal wieder bei den Bloglesern unbeliebt zu machen, die mir meine Verbesserungsvorschläge für NASA und ESA übel nehmen. Doch ich habe mich nicht umsonst Jahre mit der Raumfahrt beschäftigt und Monate in meine Computerprogramme gesteckt, um auch alles nachberechnen zu können. Continue reading „Der Brief der Woche an Rogozin und Putin“

Karl Lagerfeld, die Gorch Fock und das neueste Buch

Eigentlich wollte ich heute Putin einen kleinen Tipp für seine neue Mondrakete geben. Aber das verschiebe ich aus aktuellen Anlass auf morgen. Es gibt zwei Gebiete bei denen erwarte ich seit Jahren, wenn sie in den Nachrichten kommen, nur Hiobsbotschaften – die deutsche Automobilindustrie und die Bundeswehr. Heute war beides drin. Gegen Mercedes Benz findet auch ein Bußgeldverfahren statt, und etwas gravierender: die Werft, welche die Gorch-Fock repariert, ist pleite. Auch das noch. Erst wird die Reparatur dieses Segelschiffs 138 Millionen Euro teuer, dann muss man auch noch die Rettung der Werft finanzieren, wenn das Schulschiff jemals fertig werden soll. Continue reading „Karl Lagerfeld, die Gorch Fock und das neueste Buch“