Ariane 6 Weiterentwicklungen
Ich habe mich mal wieder mit der Ariane 6 beschäftigt, nachdem nun ja der Jungfernflug anstand. Meine vage Hoffnung war, das zu diesem Termin man nun endlich etwas mehr über die Technik erfährt. Schließlich würde ich gerne noch ein Buch über die Ariane 6 schreiben, aber meine Bücher beschäftigen sich eben vor allem mit Technik weniger mit Projektgeschichte. Aber dem war nicht so, das offizielle Mediakit geizt auch mit Angaben zur der Technik.
Stattdessen stieß ich auf zwei Seiten von Airbus, dem Hersteller der Ariane 6. Beziehungsweise inzwischen heißt der Teil von Airbus ja „Arianegroup“. Die erste Seite stellt die geplanten Weiterentwicklungen vor, die zweite eine neue Oberstufe namens Susie. Eine dritte Seite dann eine weitere Kickstufe namens Astris. Ich will die Weiterentwicklungen mal kurz beleuchten.
P120C+
Dei einfachste und am frühesten verfügbare Option ist der P120C+ Booster. Wie sein Vorgänger ohne „+“ ist er ein Feststoffbooster. Die komische Bezeichnung ergibt sich aus den Planungen: P steht für Powder, also feste, pulverförmige Treibstoffe. 120 war die anfängliche Treibstoffladung (inzwischen sind es 143 t, das Wachstum der Zuladung gab es aber schon beim Vorgänger: Der P80 hatte auch 88 t Treibstoff) und das C steht für Composite, also Verbundwerkstoffe, anstatt dem noch bei den Ariane 5 Boostern üblichen Edelstahl. Der P120C ist auch die erste Stufe der Vega C, das sorgt für eine höhere Stückzahl und dafür das die Vega C 50 Prozent mehr Nutzlast bei gleichen Herstellungskosten hat.
Von dem P120C unterscheidet sich der P120C eigentlich nur dadurch, dass das Motorgehäuse um 1 m verlängert ist. Er dürfte etwa 15 t schwerer sein und soll nach Arianegroup die Nutzlast für den LEO um fast 2 t erhöhen. Was mich verwirrt, ist das die Seite schreibt, dass die Brenndauer dann länger sein soll. Ich vermute, das ist ein Fehler. Wenn man bei einem Feststofftriebwerk das Motorgehäuse verlängert, so wird durch die größere Oberfläche mehr Treibstoff pro Zeiteinheit verbrannt, der Schub stiegt also an. Die Brenndauer, sie ist definiert durch die Dicke der Schicht, die pro Zeiteinheit abbrennt, verändert sich aber nicht so sehr. Es ändert sich natürlich auch der Brennkammerdruck, das kann leichte Auswirkungen auf die Abbrandgeschwindigkeit haben.
Von der Verlängerung profitiert vor allem die kleinere Version Ariane 62, weil diese durch zwei Booster eine kleinere Spitzenbeschleunigung während der Startphase hat und so die Gravitationsverluste absinken. So soll der P120C auch bei 16 der 18 Starts der Kuiper-Satelliten zum Einsatz kommen.
ICARUS Oberstufe
Das die Ariane 64 trotz moderner Technik, wie dem Vinci und den P120C Boostern in der Nutzlast nur wenig über der Ariane 5 ECA liegt, liegt am Aufbau – es gibt keine Tanks mehr mit gemeinsamem Zwischenboden. Bei der unteren Stufe LLPM ist das technisch bedingt, da am Zwischentankbereich die P120C oben angebracht werden. Beo der Oberstufe kostet die Vorgehensweise echt Nutzlast. Dadurch ergeben sich aber Vereinfachungen bei der Fertigung und das war wohl wichtiger um das Kostenziel zu halten, als mehr Nutzlast bei höheren Herstllungskosten Ersetzt man das Aluminium der Tanks in der Oberstufe durch Kohlenfaserverbundwerkstoffe, was vor allem beim Wasserstoff eine Herausforderung ist, so sollte die Nutzlast nach der Arianegroup in den GTO um fast 2 t steigern. Hier ist die Nutzlastberechnung relativ einfach: Das Mehr an Nutzlast ist immer genau so viel, wie die Trockenmasse der Oberstufe sinkt. Das dürften dann eben knapp 2 t sein und das gilt für jeden Orbit, sowohl für LEO (wo es bei Ariane 64 weniger als 10 Prozent mehr sind) wie Marsmissionen (wo es bei Ariane 62 fast eine Verdopplung ist). Diese neue Oberstufe ist in der Entwicklung und läuft unter dem Namen Icarus („Innovative Carbon ARiane Upper Stage“). Sie wird seit 2018 entwickelt, aber bei der Suche fand ich nur wenige Webergebnisse, sodass ich davon ausgehe das sie erst in einigen Jahren kommt, wenn überhaupt.
Astris-Kickstufe
Relativ überflüssig halte ich die Astris-Kickstufe. Das ist eine neue Stufe mit lagerfähigen Treibstoffen und dem deutschen BERTA-Triebwerk. Das hat eine lange Geschichte hinter sich. Das Berta-Triebwerk taucht erstmals 2011 in einer DLR-Studie für einen Ersatz des ukrainischen Triebwerks für die Vega auf. Doch da es praktisch keinen Nutzlastgewinn brachte und zudem Deutschland bei der Vega bisher nicht bewilligt ist blieb es bei der Studie. Die Vega wird eine neue Oberstufe mit dem M10 Triebwerk erhalten, die dann das AVUM mit dem ukrainischen Triebwerk und die letzte Stufe Zefiro 10 ersetzen wird.
Seitdem hat Airbus an dem Triebwerk entwickelt und immer wieder von Fortschritten berichtet, nun scheint man die ESA überzeugt zu haben, das Ariane 6 so eine Kickstufe braucht. Eigentlich braucht sie nur die ESA. Das Triebwerk BERTA hat 2,5 kN Schub, zusammen mit den lagerfähigen Treibstoffen kann man eine Stufe bauen, die kompakt ist und viel länger betrieben werden kann, als die Oberstufe mit dem VINCI Triebwerk. Für bestimmte Missionen könnte sogar ein Nutzlastgewinn herausspringen, da die Leermasse deutlich kleiner als beim ULPM ist. Genannt werden Starts in den GEO, doch gerade da haben eben Kommunikationssatelliten als wichtigste Nutzlast ihren eigenen antrieb. Eher würde sie wohl bei Galileo-Starts von Nutzen sein. Aber die Konstellation erfordert wohl in den nächsten Jahren kaum weitere Starts. Als weiterer Einsatz wird das Absetzen von Konstellationen in unterschiedliche Orbits genannt. Aber bisher werden pro Start nur eine Bahnebene bedient, das heißt alle Satelliten werden in derselben Bahnneigung und Bahnhöhe ausgesetzt. Selbst wenn man andere Bahnebenen anstreben will geht dies auch ohne Kickstufe, indem man die Bahn kurzzeitig absenkt oder anhebt, solange bis man weit genug aus der ursprünglichen Bahnebene abgedriftet ist. Die Kickstufe spart Zeit, auch bei GEO Missionen, aber ob dies den Betreibern die Zusatzkosten wert ist? Zudem sind sie dann auf Ariane 6 festgelegt,
Der einzige geplante Einsatz ist die HERA Raumsonde. Mit RAMSES als weiterer gerade beschlossener Raumsonde könnte eine weitere Mission dazukommen. Der Vorteil für die ESA wäre, das eine Ariane 64 eine Raumsonde und einen kommerziellen Satelliten starten könnte. Die Kickstufe würde dann die Raumsonde aus dem GTO zu ihrem Ziel bringen. Klingt toll, in der Praxis muss aber für Planetenmissionen der Ausgangsorbit eine gewisse Neigung zum Äquator haben, Kommunikationssatelliten werden dagegen in einem Orbit mit niedriger Inklination abgesetzt. In der Praxis wird es dann wohl doch auf eine eigene Rakete für die Raumsonde herauslaufen. Wie man in Bremen auf drei Starts der Astris pro Jahr kommt, ist zumindest mir ein Rätsel.
Den Namen „Astris“ finde ich nicht gelungen, so hieß auch die deutsche Oberstufe der Europarakete, die ja nie erfolgreich flog. Ich vermute in Bremen sind aber inzwischen alle in Rente die sich noch daran erinnern können.
Prometheus anstatt Vulcain
Eine Möglichkeit, die nicht beschlossen ist, aber auf der Arianegroup-Seite auftaucht ist es das Vulain durch zwei Prometheus Triebwerke zu ersetzen. Da dieses 1 Million Euro kosten soll, das Vulcain 2.1b dagegen 10 Millionen Euro, sollte die Rakete um 8 Millionen Euro billiger werden.
Das Prometheus arbeitet aber mit Methan, es müsste also für den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden. Daneben unterscheiden sich die beiden Triebwerke in Technologie (Nebenstrom/Hauptstromverfahren), Schub, Düsenlänge und Brennkammerdruck deutlich. Es gibt unzählige Möglichkeiten der Anpassung.
Der wichtigste Effekt ist, dass sich der Schub fast verdoppelt. So sinken die Aufstiegsverluste, was vor allem der kleineren Version Ariane 62 einen deutlichen Nutzlastgewinn bringen könnte, abhängig von der Performance des Wasserstoff-Prometheus.
Prometheus Booster
Als nächstes könnten dann zwei der P120C+ durch neue Booster mit Methan/LOX als Treibstoff ersetzt werden, sogenannte LRB (Liquid Rocket Booster). Die Webseite schreibt von drei Prometheus, was ich für zu schubstark halte, da komme ich in der Berechnung aber noch zurück. Mit der Möglichkeit des parallelen Einsatzes von P120C und LRB soll es so neue Flexibilität geben, also eien Ariane mit zwei P120C, zwei LRB, zwei P120C und zwei LRB, vier P120C und vier LRB. Das wären fünf anstatt zwei Kombinationen. Das System ist ja nicht neu und wurde schon bei der Ariane 4 eingesetzt. Nach den Abbildungen scheint man diese Booster dann auch bergen zu wollen, Landebeine sind zumindest erkennbar. Das könnte auch erklären warum es drei Prometheus sind, denn die Landung kostet Nutzlast.
Susie
Sehr seltsam fand ich die Bezeichnung „Susie-Oberstufe“. Von der Arianegroup als „wiederverwendbare Oberstufe“ beworben, ist sie eigentlich etwas anders. Es ist eine kleine Raumfähre, deutlich an der Abbildung zu sehen. So etwas wie das X-37B, nur eben mit mehr Treibstoff. Selbst der Austausch von Astronauten wird beworben, dafür müsste die Stufe für bemannte Missionen qualifiziert sein, was sie enorm verteuern würde. Vor allem aber hat soweit ich weiß, Europa keine Raumstation und plant auch keine und die ISS hat schon drei bemannte Fähren. Dagegen war die Umrüstung des ATV zu einem bemannten Raumfahrzeug das ja auch mal als Projekt lief noch einfach, denn das Servicemodul und die Andockvorrichtungen existieren ja schon. Auch damals wollte niemand das finanzieren aus demselben Grund – die USA würden es nicht benutzen und einfach so europäische Astronauten zur ISS dürfen wir auch nicht schicken, wie oft da ein (nicht mehrere Astronauten) sein dürfen ist durch Verträge festgelegt.
Vor allem macht die Wiederverwendung einer Oberstufe durch den enormen Nutzlastverlust keinen Sinn. Diese Erfahrung macht ja gerade SpaceX durch und die haben ja Erfahrung in der Wiederverwendung. Die Bergung der Erststufen kostet bei der Falcon 9 etwa 20 Prozent der LEO-Nutzlast, beim Starship sind es nach Planung schon 40 Prozent und aktuell sieht es so aus als würde die Sollnutzlast auch nicht erreicht, sodass der reale Verlust noch höher ist.
Besser wäre es an einer wiederverwendbaren Kernstufe zu arbeiten. Entsprechende Forschung gibt es bei der DLR im Institut SA/RT (Systemanalyse / Raumtransport) schon seit einem Jahrzehnt.
Damit habe ich die Optionen beschrieben. Im zweiten Teil werde ich diese mal durchrechnen, wobei angesichts der Informationslage ich natürlich Annahmen machen muss, aber diese werde ich auch begründen.