Ich bin noch immer skeptisch …
… ob das Konzept des Satellitenservices sich in der heutigen Form lohnt.
Vor wenigen Tagen startete nach längerer Zeit wieder eine Proton mit einem Eutelsat Satelliten und dem MEV 1. Wie die Nummer andeutet gibt es auch ein MEV 2, das nächstes Jahr mit einer Ariane 5 starten soll. MEV ist der erste Satellitenserver. Es wird an Intelsat 901 ankoppeln, ein Satellit der 2001 mit einer Ariane 4 gestartet wurde. Nachdem das Gespann in einen Friedhofsorbit gebracht wurde (für Tests) wird es wieder in den GTO zurückkehren und dort wird das MEV (Mission Extension Vehicle) dann die Lageregelung für den Intelsat 901 durchführen.
Aus ökonomischen Aspekten sinnvoll, denn begrenzend für den Einsatz ist der Treibstoff. Ein Satellit in einem geostationären Orbit bleibt nicht in diesem. Die Erde hat kein gleichmäßiges Gravitationsfeld. Es gibt lokale Maxima und Minima, alleine schon durch die Kontinente, aber auch Dichtevariationen im Erdmantel. Als Folge bewegt sich der Satellit von der Soll-Position weg. Der Orbit wird leicht elliptisch und leicht geneigt. Regelmäßig zünden die Satelliten ihre Triebwerke doch irgendwann ist der Treibstoff am Ende. Es gibt heute Satelliten mit chemischen Treibstoff als als alleinige Ressource, die bestehen beim Start schon zu 2/3 aus Treibstoff. Rechnet man dann noch die Trockenmasse des Antriebssystems hinzu, dann bleibt für den Rest des Satelliten noch ein Viertel der Startmasse übrig. Heute setzen immer mehr Satelliten für die Lageregelung schon Ionentriebwerke ein, da dann der Treibstoffverbrauch nur ein Zehntel beträgt, auch wenn die Trockenmasse höher ist und man einen Teil des Stroms braucht. Doch fast alle Satelliten die bis vor wenigen Jahren gestartet wurden, nutzten nur chemischen Treibstoff.
Das MEV nutzt Ionentriebwerke und bei der Reduktion der so benötigten Treibstoffmasse auf ein Zehntel kann man auch dann die mehrfache Masse des MEV bewegen. Natürlich gibt es auch andere Ressourcen, so nimmt die Leistung der Solarzellen laufend ab. Dann muss man einige Sender abschalten oder die Leistung reduzieren (geringere Signalstärke am Boden oder kleinere Zone mit optimalem Empfang).
Warum nun bin ich skeptisch? Nicht wegen der Geschäftsidee, sondern wegen der Größe. Das MEV wiegt beim Start 2364 kg. Fast halb so viel wie der Satellit selbst. Bedenkt man, das es keinen chemischen Treibstoff einsetzt, sondern natürlich auch Ionentriebwerke für das Erreichen des GEO, dann ist es in der Masse im Orbit mit dem Intelsat 901 vergleichbar. Der Treibstofanteil für den Service ist überschaubar: Um eine kombinierte Masse von 5000 kg jährlich um 100 m/s zu beschleunigen oder abzubremsen braucht man bei einem spezifischen Impuls von 30.000 m/s nur 16,7 kg pro Jahr, also 200 kg würden für weitere 13 Jahre Betrieb reichen. Viel Strom braucht man auch nicht, wenn die Triebwerke ein Zehntel der Zeit arbeiten reichen etwa 3 kW Leistung.
Ich halte den von Northrop-Grumman gewählten Bus (Geostar-3 der Tochter Orbital für große Kommunikationssatelliten und maximal 8 kW Leistung schlicht und einfach für überdimensioniert. Der Geostar-3 wiegt etwa 1.500 bis 1.800 kg Trocken. Dazu kommt dann noch der Kopplungsmechanismus und natürlich die Ionentriebwerke und ihre Subsysteme. Ich denke für die spätere Lageregelung würde der kleinere Geostar 2, vielleicht auch der Geostar 1 (wiegt nur 558 kg) ausreichen. Vor allem aber stört mich die Art der Mission: Diesmal ist es ein Doppelstart in den GTO. Also der klassische Ausgangsorbit. Wenn ich schon Ionentriebwerke habe, dann wäre es sinnvoller sich vom LEO hochzuspiralen. Das dauert natürlich viel länger, aber anders als bei neuen Kommunikationssatelliten hat man diese Zeit ja. Wenn dass Koplungsziel noch Treibstoff hat, dann kann man ohne Problem sich Zeit lassen bis man aus dem LEO in den GEO gelangt ist, auch wenn das dann nicht 3,5 Monate dauert sondern eher 8 bis 10. So haben wir aber folgende Situation: Das MEV wiegt etwa halb so viel wie sein Ziel. Damit dürften auch die Startkosten und die Herstellungskosten in etwa halb so groß wie bei einem neuen Satelliten sein. Der wirtschaftliche Nutzen ist dann wohl eher selten gegeben, am wahrscheinlichsten bei Satelliten die zu ihrer Zeit relativ teuer waren und heute noch mithalten können, denn sonst könnte man auch einen neuen Satelliten starten.
Das Konzept halte ich aber grundsätzlich für gut. Man müsste es nur verbessern. Mein Vorschlag: Das MEV wird deutlich leichter und startet von einem LEO aus. Das reduziert sowohl die Herstellungskosten wie auch die Startkosten, man könnte damit auch Nutzlastkapazität besser ausnutzen, wenn nur wenig Nutzlast übrig ist dies für das MEV nutzen. Proton und Falcon 9 erreichen immer zuerst eine erdnahe Parkbahn. In ihr könnte man das MEV aussetzen. Dann zündet die letzte Stufe erneut und die Hauptnutzlast erreicht den GTO. Der Vorteil: da die GTO Nutzlast typisch ½ bis 1/3 der LEO Nutzlast ist kann man so Startkosten sparen und die untere Nutzlast muss nicht wie bei MEV-1 relativ leicht sein (Eutelsat 5 West B als zweiter transportierter Satellit wog nur 2.864 kg). Selbst wenn das MEV wie bei diesem Start 2.364 kg wiegt, senkt die Absetzung im LEO die GTO Nutzlast nur um 1.000 kg ab, das heißt man kann noch einen mittelschweren Satelliten mitbefördern.
Immerhin für Intelsat ist der Service relativ risikolos: Sie zahlen pro Betriebsjahr 13 Millionen Dollar an Northrop-Grumman, anders als bei einem Satelliten in den sie erst investieren müssen und der auch noch ausfallen kann. Wenn es nicht funktioniert, müssen sie auch nicht zahlen.
Ich sehe so aber keine große Zukunft für diese großen Vehikel, auch weil die Lageregelung bei neuen Satelliten ja schon oft durch Ionentriebwerke durchgeführt wird und so ihre Lebensdauer viel höher ist. Es gibt ja auch erste Satelliten die vom GTO aus den GEO nur elektrisch erreichen. Der Kundenkreis ist gering für so große Vehikel mit entsprechend hohen Kosten.
Nur mal so angedacht. Könnte es nicht eher als PR Aktion gesehen werden, oder würde die Größe nicht darauf hindeuten, das er eventuell eher für millitärische Systeme gedacht ist? Ein Spionagesatelli soll doch neu so ca. 1 Milliarde US-Dollar kosten. Auf den Bahnen, wo sie ausgesetzt werden, werden sie auch nicht endlos bleiben können. Könnten MEV nicht eher als Extender für diese Satelliten gedacht sein?
Nein diese Spionagesatelliten sind auf niedrigen Erdumlaufbahnen, aber so hoch das sie stabil sind, zumindest über einige Jahrzehnte. Sie benötigen auch keinen Treibstoff um die Position zu halten.
Außerdem wäre das der erste Fall, das eine Firma aufs gradewohl etwas entwickelt und dann erst hofft das das Militär es abnimmt – nicht besonders sinnvoll. Das DoD ist ein guter Kunde aber sie mischen sich auch überall ein und akzeptieren nur das was ihnen vorschwebt.
Für eine PR-Aktion ist die Entwicklung von zwei Vehikeln und deren Start, zusammen sicher in der Größenordnung von 100+ Millionen Dollar doch etwas teuer.