Die Lösung für überflüssiges Problem. Der Satellit im niedrigen Orbit, stabilisiert mit Ionentriebwerken

Auf meinen heutigen Blog bin ich durch einen Artikel über den SLATS Satelliten gekommen (Super Low Altitude Test Satellite). Der Satellit hat mehrfach seinen Orbit abgesenkt und dann aufrecht erhalten mit Ionentriebwerken. Nachdem er seinen ersten operationellen Orbit von 392 km Höhe erreicht hatte, hat der Satellit nach und nach diesen abgesenkt. Zuletzt machte er noch Aufnahmen aus 181 km Höhe. Das untere Bild zeigt, wie dabei die Auflösung ansteigt.

Für Erdbeobachtungssatelliten ist Auflösung nicht alles. Wichtig ist auch die Frequenz (also wie oft ein Gebiet überflogen wird, Abdeckung (erfasste Oberfläche) und Spektralreinheit der Aufnahmen (wichtig um Vegetationstypen zu unterscheiden oder Krankheiten zu erkennen). Allerdings ist für viele Anwendungen vor allem militärische, die Auflösung doch wichtig. Und da ist es nun mal so – je höher, desto besser.

Die derzeit besten Aufnahmen macht Worldview 3, ein Satellit von 5.7 x 2.5 x 7.1 m Größe und einer Masse von 2.800 kg. Seine Aufnahmen haben eine Auflösung von 0,31 m/Pixel. Damit er in 617 km Höhe solche Aufnahmen machen kann, braucht er nach den optischen Gesetzen ein Teleskop von 111 cm Durchmesser und – keine Verwunderung – der Hauptspiegel hat auch einen Durchmesser von 110 cm. Wie man bei diesem Foto der Integration sieht, ist bei dieser Größe das Teleskop das Teil das die Größe und Masse des Satelliten bestimmt, der Satellit wird also um das Teleskop herum gebaut, ähnlich ist es bei Hubble Weltraumteleskop.

Bei einem Teleskop, das weiß jeder der eines hat oder sich auch Objektive für eine Kamera zulegt, steigt das Gewicht rasch mit dem Durchmesser der Linse oder des Spiegels an. Es gilt folgender einfacher Zusammenhang:

  • Für die doppelte Auflösung braucht man den doppelten Spiegeldurchmesser
  • Doppelter Spiegeldurchmesser entspricht der vierfachen Fläche
  • Da sich der Spiegel nicht verformen darf oder bei sehr großer Fläche und geringer Dichte sogar brechen darf steigt auch die Dicke meist proportional an.
  • Das Gewicht des Spiegels muss bewegt und unterstützt werden, der Tubus muss steif genug sein um ihn zu halten und den Belastungen des Raketenstarts standzuhalten.
  • Der Tubus wird, wenn man die gleiche Abbildungsleistung haben will (Sensor unverändert) proportional zum Durchmesser länger und schwerer.

In der Summe steigt so das Gewicht in etwa zur dritten Potenz des Durchmessers an, bei Großteleskopen rechnet man nicht ganz die dritte Potenz, da man dann doch an bestimmten Teilen Material einsparen kann. Aber um den Faktor 6 bei doppeltem Durchmesser (Potenz 2,59) ist es schon.

Gegenüber den großen Satelliten in Höhen von 500 bis 600 km gibt es schon Alternativen. Flotten von kleinen Satelliten bis hin zu 3U Cubesats, Sie werden als Mitfluggelegenheit in niedrigem Orbit ausgesetzt und verglühen daher viel schneller. Sie machen aber den großen Satelliten keine Konkurrenz, denn sie haben einen anderen Fokus. Man begnügt sich mit Auflösung deutlich über 1 m. Dafür liefern viele Satelliten einen schnelleren Überblick, decken die Erdoberfläche schneller ab und erlauben in kürzeren Intervallen eine erneute Beobachtung, wichtig z. B. bei Naturkatastrophen wie Waldbränden, Erdbeben oder Überschwemmungen.

Die Idee

Meine Überlegung: Welche Bahnhöhe könnte ein Kleinsatellit dauerhaft aufrechterhalten, wenn er seinen Orbit mit Ionentriebwerken aufrechterhält. Ich habe das mal mit dem DLR Kleinsatellit „Flying Laptop“ durchgerechnet. Der Satellit wiegt 110 kg und ist 60 x 70 x 85 cm groß. Mit Solarzellen wird daraus eine maximale Fläche von 180 x 85 cm. Ich habe mit einem einfachen Modell bei mittlerer Sonnenaktivität (SFU=130, AP-Index = 12) die Sinkrate dieses Satelliten ausgehend von seinem 600 km hohen Orbit berechnet. Dabei ging ich davon aus, dass die Solarpaneele nur bei 50 % der Umlaufzeit bremsen (am Tag) und auf der Nachtseite aus der Flugrichtung gedreht werden, um die Abbremsung zu verringern. Am Tag folgen sie der Sonne, wirken also im Durchschnitt nur mit 50 % ihrer Fläche. Daraus ergibt sich im Mittel eine abbremsende Fläche von 0,765 m³. Man erhält folgende Tabelle:

Tage Jahre Höhe [km] Δv [m/s] Δv/Jahr [m/s] Differenz (Tage)
17628,0 48,30 500,0 5,52974 2,80951 718,4
20581,6 56,39 400,0 5,65248 19,57453 105,4
20978,4 57,48 299,9 5,77990 170,13423 12,4
21021,2 57,59 199,5 5,91270 1798,44558 1,2
21025,1 57,60 79,5 6,38619 23309,57539 0,1

Die Differenz in Tagen gibt an, in wie vielen Tagen der Satellit um je 10 km sinkt. Wie nicht anders zu erwarten beschleunigt sich der Prozess schnell. Er braucht 48 Jahre um von 600 auf 500 km Höhe zu sinken, doch nur noch 8 Jahre bis er dann endgültig verglüht. Besonderen Augenmerk sollte man auf das Δv/Jahr richten. Das ist die Geschwindigkeit, die man aufwenden muss, um den Orbit dauerhaft zu halten. Für 400 km Höhe noch kein Problem – 20 m/s sind selbst bei 10 Jahren Lebensdauer nicht viel Treibstoff. In 300 km Höhe benötigt der Satellit bei einem Δv von 170 m/s pro Jahr aber schon so viel Treibstoff, dass er bei einer 7 Jahresmission zur Hälfte aus Treibstoff bestehen würde, wenn man chemischen Treibstoff benötigt. Die 1800 m/s für 200 km Höhe könnte man mit Ionentriebwerken jedoch aufbringen, wenn sie lange genug arbeiten (dann wahrscheinlich während der ganzen Tagseite) und den Satelliten dann längere Zeit im Orbit halten.

Ich habe nun gerade diesen Satelliten als Ausgangsbasis genommen, um zu berechnen wie nahe man der Erde kommen kann wenn man Ionentriebwerke als Antrieb nutzt.

Das Konzept

Fangen wir zuerst mal mit einer Abschätzung an. Der originale Flying Laptop hat eine Betriebsdauer von mindestens zwei Jahren. Das ist konservativ. Ich habe mal mit fünf Jahren gerechnet. Ionentriebwerke haben oft eine Mindestlebensdauer von 10.000 Betriebsstunden, das sind dann 2.000 Stunden Betrieb pro Jahr oder 5,5 Stunden pro Tag, also in etwa während der halben Zeit in der man sich auf der sonnenbeschienen Seite de Erde befindet. Die Betriebsstunden legen zusammen mit dem Schub des Triebwerks den Gesamtimpuls pro Jahr fest, der wiederum mindestens so hoch sein muss, wie Masse des Satelliten x gefordertem Δv. Angesichts des kleinen Satelliten und auch damit geringer Leistung der Solarpaneele kann man nur kleine Ionentriebwerke einsetzen. Ich schätze die Leistung der bisherigen Paneele bei 25 % Wirkungsgrad bei einer Fläche von 2 x 0,6 x 0,85 m Größe auf 345 Watt. Verdoppelt man die Fläche um Strom für das Triebwerk zu haben, so stehen weitere 345 Watt zu Beginn der Lebensdauer für den Antrieb zur Verfügung. Verfügbare Antriebe mit einer Leistungsaufnahme in diesem Bereich sind:

Bezeichnung

Stromverbrauch [W]

Schub [mN]

Spezifischer Impuls [s]

Gewicht [kg]

Rit 10 EVO

290 W

10

3.000

1,8 kg

XIPS 8

350 W

14

2.500

2,0 kg

T5

349 W

9.5 mN

3.500

2,5 kg

Ich habe nun für jedes dieser Triebwerke berechnet, wie viel zusätzliche Masse man benötigt, wenn man sie 10.000 Stunden lang betriebt. Der Tank für den Xenon-Treibstoff soll 20 % der Treibstoffmasse ausmachen. Das ist ein Wert der mit CFK-Werkstoffen problemlos erreichbar ist.

Bezeichnung

Gesamtimpuls

Gesamtgewicht

Rit 10 EVO

360.000 N

16,5 kg

XIPS 8

504.000 N

26,7 kg

T5

342.000 N

14,5 kg

Geht es nach dem reinen Zusatzgewicht, so schneidet das T5 am besten ab, geht es nach dem Gesamtimpuls so das XIPS 8. Zu diesem Gewicht kämen noch die Solarzellen, die bei einem typischen Flächengewicht von 60 kg/kW weitere 20,7 kg wiegen. Dazu käme noch der Stromkonverter für die benötigte Hochspannung und Leitungen / Ventile. Diese beiden Teile sollen weitere 2 kg wiegen. Dann kommt man auf abschließende Tabelle:

Bezeichnung

Gesamtgewicht

Δv über 5 Jahre

Rit 10 EVO

149,2 kg

2400 m/s

XIPS 8

159,4 kg

3160 m/s

T5

147,2 kg

2323 m/s

Will ich die maximale Geschwindigkeitsänderung haben, so ist das XIPS 8 die beste Wahl. Mit den Daten gehe ich nun nochmals in die Simulation und bestimme mit neuer Masse und vergrößerten Solarpaneelen die Bahnhöhe, wo die Abbremsung gerade 600 m/s pro Jahr beträgt (= 3000 m/s durch 5 Jahre, 160 m/s als Reserve / nicht nutzbares Druckgas). Das ist bei diesen Randbedingungen in 248 km Höhe der Fall. Das ist aber stark abhängig von der Sonnenaktivität. Bei ruhiger Sonne (SFU=70) kann man bis auf 237 km herankommen und bei einem SFU von 200 muss man auf 260 km Höhe gehen. Auch für solche Abstandsänderungen benötigt man Treibstoff. Allerdings wird man bei einer Lebensdauer von 5 Jahren, also weniger als einem halben Sonnenzyklus, schon von vorneherein die richtige Starthöhe wählen.

Was bringst?

Nun Wunder kann man nicht erwarten. Aber der Orbit zwei bis zweieinhalbmal niedriger als bei größeren Erderkundungssatelliten wie WorlΔview 1-3 oder Ikonos. Entsprechend ist die Optik für dieselbe Bodenauflösung kleiner. Trotzdem – bei 110 kg Masse des „Flying Laptops“ bleiben vielleicht 20 bis 30 kg für die Nutzlast. Das reicht, wenn ich von käuflichen Teleskopen ausgehe, in etwa für ein Teleskop mit 14 bis 16 Zoll Durchmesser (der Tubus eines C14 Schmidt-Cassegrainteleskops wiegt 20,4 kg, dazu kämen dann noch die Einheit mit den Sensoren und die DPU). Aus 250 km Höhe würde ein leistungsbegrenzendes Teleskop mit 35 cm (14 Zoll) Durchmesser dann Details von 0,4 m Auflösung abbilden – das ist nicht das Niveau von Worldview 3, aber nur wenig schlechter.

Alternative elliptischer Orbit

Viele späteren US-Aufklärungssatelliten, so die KH-11 Serie haben elliptische Umlaufbahnen gehabt, mit einem niedrigen Perigäum und einem höheren Apogäum. Der Orbit hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist, das man im Perigäum viel bessere Aufnahmen bekommt und durch das hohe Apogäum trotzdem die Lebensdauer höher ist. Es sinkt aufgrund der Reibung zuerst vor allem das Apogäum ab. Ein Nachteil ist, dass Perigäum über einem bestimmten Breitengrad liegt. Die ganze Erde kann man so nicht hochauflösend abbilden, aber sehr gut ein Land das sich über viele Längengrade und nur wenige Breitengrade erstreckt wie Russland. Aber da es wahrscheinlich von den „kleinen“ Satelliten sowieso mehrere gibt, ist das kein Problem, man startet dann einfach mehrere Satelliten mit einem Perigäum auf unterschiedlichen Breitengraden. Ich habe nochmal berechnet, nun mit dem ursprünglichen Satelliten (110 kg Masse, abbremsende Fläche von 0,765 m². Wenn das Perigäum bei 310 km liegt und das Apogäum bei 800 km, dann kann er sich bei mittlerer Sonnenaktivität (SFU=130) etwas länger als 5 Jahre im Orbit halten. Nach 4 Jahren ist das Puerperium unter 250 km gesunken. Im letzten Jahr hat man also vergleichbare Bedingungen wie mit dem Ionentriebwerk. Das wäre natürlich noch zusätzlich einsetzbar, wobei dann der Δv Aufwand wesentlich kleiner ist (107 m/s in 4 Jahren, daher hatten die KH-11 auch nur chemischen Treibstoff an Bord).

Geometrie

Bisher ging ich vom Flying Laptop aus, doch der wurde für eine solche Aufgabe nicht konstruiert. Wenn man einen Satelliten speziell für einen niedrigen Orbit baut, dann spielt anders als bei „normalen“ Satelliten die Geometrie eine Rolle. Nun gibt es einen „Luftwiderstand“ auch wenn er klein ist, ist eine aerodynamische Form doch günstig. Das primär wichtigste ist es die Angriffsfläche zu verkleinern. Das kann man machen, indem der Satellit länglicher ist und nur mit der kurzen Seite in die Bahnrichtung schaut. Will man noch mehr tun, so belegt man die Oberfläche mit Solarzellen, dann fallen die Paneele und ihr Widerstand weg. Bei dem Volumen von Flying Laptop von 357 dm³ und der Oberfläche der Solarzellen von 1,02 m² wird das allerdings ein langer Satellit. Aber ein Quader von 0,35 x 0,35 x 2,91 m Länge hat dasselbe Volumen und dieselbe Oberfläche. Aber seine Frontfläche beträgt nur 0,1225 anstatt 0,765 m² und damit bleibt er länger im Orbit. Will man noch mehr tun, dann kommt man zu aerodynamischen Formen wie bei den KH 1 bis 4 oder GOCE (siehe Abbildungen). Ein solcher Satellit hat in einem 300 km hohen Orbit nur noch ein Δv von 28 m/s, also vergleichbar dem Δv auf der elliptischen Bahn ist aber immer so nahe der Erde. Das ist dann auch mit chemischem Treibstoff machbar. Der Widerstand steigt aber rapide an. In 250 km Höhe sind es schon 88 m/s pro Jahr. Ohne Antrieb kann er sich knapp ein Jahr im Orbit halten, wenn die Starthöhe 300 km beträgt.

Fazit

Bei geeigneter Geometrie, zusätzlichem Antrieb (Kleinsatelliten haben meist keinen Antrieb und regeln nur ihre Lage und dies ohne Treibstoff durch Magnetfeld- oder Drehmomente) und / oder optimierten Orbit können Kleinsatelliten sich durchaus länger in einem erdnahen Orbit halten und das wäre eine Option für Kleinsatelliten die hochauflösende Aufnahmen machen.

Andere Anwendungen dieser Technik wäre die direkte Sondierung der Hochatmosphäre oder Gravitationsfeldmessungen. Der erwähnte ESA-Satellit GOCE hat dazu auch Ionentriebwerke eingesetzt. Er verblieb über 4 Jahre in seinem anfangs 283,5 km hohen Orbit.

3 thoughts on “Die Lösung für überflüssiges Problem. Der Satellit im niedrigen Orbit, stabilisiert mit Ionentriebwerken

  1. Hallo Bernd:
    Mal wieder ein paar dumme Fragen von einem Laien:
    1. Was ist für einen Satelliten besser? Der Schubvektor gegen die „Flugrichtung“ also die direkte Erhöhung der Geschwindigkeit oder der Schubvektor senkrecht zur Flugrichtung, genau zur Erde ausgerichtet.
    2. Wenn die Aerodynamik in niedrigen Umlaufbahnen wichtig wird, dann könnte man vielleicht Flügel…..?

    Auf jeden Fall zeigen mir Deine Berechnungen, daß es am besten ist, die Korrektur bei einer Bahnhöhe so groß wie möglich zu beginnen.

  2. In der Bewegungsrichtung, der Widerstand den man kompensieren will wirkt ja auch in der Bewegungsrichtung.

    Klar ist das man einen solchen Satelliten zuerst in eine höhere Umlaufbahn entsenden würde und ihn dann absinken lässt. Lediglich wenn er eine Mitfluggelegenheit eines Satelliten in einem hohen Orbit (so ab 450 km Höhe) dauert das zu lange und man muss den Orbit aktiv absenken, doch auch dann reicht es einen Bahnpunkt abzusenken und von dem schon besprochenen Vorteil einer elliptischen Umlaufbahn Gebrauch machen.

  3. Zu 2), Flügel wären kontraproduktiv, da sie den Luftwiderstand erhöhen. Der Satellit hält seine Höhe durch seinen Trägheit (er will geradeaus), und das geht umso besser, je mehr Geschwindigkeit er hat.

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