Kleine Raumsonden und Ionenantrieb – eine gute Kombination
Nachdem es schon in den vergangenen Jahren es eine Schwemme bei Cubesats gab, denkt man auch bei Raumsonden an eine Größenordnung kleiner. Die NASA hat zusammen mit dem Lander Phoenix die beiden Marco Satelliten zur Übertragung von kritischer Landertelemetrie gestartet. Sie wogen jeweils 14 kg und kosteten 18.5 Millionen Dollar. Athena, eine Mission, die einen Vorbeiflug an dem zweitgrößten Asteroiden Pallas durchführen sollte, würde 182 kg wiegen, wurde aber nicht genehmigt. Zwei ESCPADE Marssatelliten wiegen jeweils 90 kg und sollen die Plasmaumgebung des Mars erforschen.
Ich will zuerst einmal abgrenzen, wo and wie solche kleinen „mini“-Raumsonden nützlich sind. Es gibt zum einen Mal Kurzzeitmissionen. Wenn eine Raumsonde nicht sehr lange betrieben werden kann, ist es sinnvoll sie auf das Minimum abzuspecken und so auch günstiger zu bauen. Ein solches Beispiel waren die Vorschläge mit Europa Clipper weitere Sonden zu starten. Eine war ein Miniorbiter, der anders als Europa Clipper auch zweimal Io passieren würde, Europa Clipper nähert sich diesem Mond aufgrund der enorm hohen Strahlenbelastung nicht. Eine zweite Backup Sonde wäre ein Miniaturisierter Lander. Eine Uranusvorbeiflugsonde kann aus himmelsmechanischen Gründen nur einen der fünf großen Monde nahe passieren. Sie könnte aber Mitflugsonden mitführen, die batteriebetrieben dann nur wenige Stunden oder Tage arbeiten und die anderen Monde passieren. Denkbar wären auch sehr kleine Landekapseln für die Venus, in der Größenordnung der kleinen Pioneer Venus Landekapseln bei denen dann der Bus die Daten überträgt. Athena mit einem Vorbeiflug an Pallas, also einer kurzen Beobachtungszeit ist auch so eine Mission. Ebenso die beiden MarCo, die nur Daten der Landung übertragen sollten.
Das Zweite ist eine im Forschungsauftrag begrenzte Mission. Eines ist klar: eine kleinere Raumsonde hat eine kleine Sendeantenne, leistungsschwächere Sender und die Datenrate ist kleiner. Nicht zuletzt steht auch weniger Gewicht für Experimente zur Verfügung, das heißt, wenn man Experimente hat, die kleine Datenraten generieren und/oder leicht sind, dann wären diese Instrumente ein Kandidat für kleine Raumsonden. ESCAPADE ist so ein Beispiel. Detektoren für Felder und Teilchen sind relativ leicht und genieren wenige Daten.
Ich sehe für zukünftige Missionen folgende möglichen Einsatzgebiete:
Wie schon bei Europa Clipper geplant, ein sekundärer Orbiter einer Jupitermission, der Io passiert und erkundet, dafür aber nur wenige Orbits überlebt. Er könnte die Hauptsonde als Relay nutzen. Die ESA hat eine soclhe Sonde als Piggy-Back für Europa Clipper untersuchen lassen, doch das war es dann auch. Da seit der Genehmigung von JUICE die Nutzlast der Ariane 5 stark angestiegen ist. hätte ich es gerne gesehen, wenn man den Vorschlag umgesetzt hätte und dann mit JUICE zusammen gestartet hätte.
Seit Langem vorgeschlagen ist eine meteologisches Netz auf dem Mars. Wettersensoren wiegen nicht viel. Ich würde auch eine Kamera hinzunehmen, sodass man den Landeplatz sieht. Bisher hatten solche Missionen, egal ob als Penetrator oder Miniaturlander Pech eine Mitfluggelegenheit zu finden. Eine solche Mission war Beagle 2 die zusammen mit Mars Express startete, weitere Missionen gingen mit Mars 96 verloren. Man könnte bei geringen Kosten dann vielleicht auch riskantere aber interessantere Landgebiete wie den Boden von Valles Marineris selektieren.
Für den reinen Datentransfer von Landern (oder solchen Meteolandern) wäre ein Orbiter um den Mars sinnvoll. Er wäre in einem höheren Orbit, hätte eine längere Kontaktzeit könnte aber eine viel größere Antenne und stärkere Sender als die Landesonden mitführen.
Die Mini-Venuslandesonden habe ich schon erwähnt. Sie könnten auch als Piggy Back mit Venussonden, drei sind ja geplant mitgeführt werden.
Es gibt eine reihe von erdnahen Asteroiden. Sei haben eine begrenzte Größe, daher benötigt man keine große Datenrate für eine trotzdem genaue Kartierung. Aufgrund der Größe braucht man keine Instrumente welche eine Atmosphäre oder Plasma/Magnetfeldumgebung erkunden. Hier wären kleine Orbiter wie Hayabusa 2 oder OSIRIS-REx (nur ohne Probennahme) sinnvoll.
Größere Asteroiden im Hauptgürtel würde man eher mit Vorbeiflugmissionen erkunden. Für eine kleine Raumsonde wäre die Datenrate für einen Orbiter zu klein. Sie würden die Daten bei einem Vorbeiflug sammeln, zwischenspeichern und dann langsam zur Erde übertragen. Athena war eine solche geplante Mission.
Derzeit sind solche Missionen nur von der NASA geplant bzw. im Einsatz. Sie haben eine Gemeinsamkeit – sie starten entweder zusammen mit einer Hauptraumsonde, oder im Falle von ESCAPADE, die nach Wechsel der Trägerrakete und Flugverlauf nicht mehr kompatibel war, hat die NASA eine eigene Trägerrakete bei Rocketlabs gebucht. Dies bedeutet entweder Einschränkungen in der Mission, kein Problem wenn wie bei den Marcos dasselbe Ziel angepeilt wird, oder wenn das nicht geht und man einen eigenen Start braucht zusätzliche Kosten.
Ideal wäre in meinen Augen, wenn man Miniraumsonden als sekundäre Nutzlast wie Mikrosatelliten in einen Erdorbit starten könnte und sie dann von dort aus ihre Ziele erreichen. Dann gäbe es mehr Fluggelegenheiten und die Kosten wären geringer als bei einem eigenen Start. Dann benötigt man aber Ionentriebwerke, um die Ziele zu erreichen.
Als Minimum für Miniraumsonden halte ich eine Masse von etwa 100 kg. Das ist vergleichbar mit der Masse von Microsatelliten, die in derselben Größenordnung liegen und dann typisch die Größe eine Waschmaschine haben. Zum einen, weil der Anteil an Instrumenten relativ konstant bei einem Fünftel bis einem Viertel der Trockenmasse liegt, also 20 bis 25 kg. Das reicht dann für zwei bis drei optische Instrumente oder etwas mehr, wenn es Teilchen- / Magnetfeldsensoren / Wettersensoren sind. Orbiter benötigen mindestens eine Kamera und ein Spektrometer, dann ist man aber schnell bei den 20 bis 25 kg. Weiterhin benötigen Raumsonden stärkere Sender, Parabolantennen, die Gewicht addieren. Die meisten Missionen gehen ins äußere Sonnensystem und dann nimmt die elektrische Leistung von Solargeneratoren ab und man benötigt größere. Eher wäre eine etwas größere Sonde sinnvoll. Bei Marslandern oder Venuslandesonden kommt dann auch noch das Gewicht der Kapsel und Landesysteme dazu.
Derzeit gibt es in den USA Mitfluggelegenheiten mit dem ESPA Ring (maximal 180 kg) und bei dem Rideshare Programm von SpaceX (maximal 300 kg). Der ESPA-Ring kann auch für GTO-Missionen eingesetzt werden, das Rideshare Programm ist auf niedrige Orbits begrenzt.
Meine Idee: man befördert Miniraumsonden als Sekundärnutzlast in einen Erdobit und spiralt sie dann mit einem Ionenantrieb von dort weg. Das spart Startkosten, erhöht die Flexibilität und hat Sekundärnutzen. Die Stromversorgung für ein Ionentriebwerk hat einen viel höheren Strombedarf als die für die Raumsonde, man kann also deren Solargenerator einsparen. Ebenso kann ein Ionenantrieb auch die Lageregelung einsparen, wenn man das chemische System dafür weglässt, aber neben dem Hauptionenantrieb noch vier kleine (schubschwache)Triebwerke an den Seiten installiert.
Das schöne: für so kleine Sonden kann man auf existierende Triebwerke zurückgreifen. Ich habe zwei Lösungen mal durchgerechnet, und zwar für das realistisches ΔV:
Von einer LEO-Bahn zu einer Sonnenumlaufbahn: ~ 7 km/s
Von der anfänglichen Sonnenumlaufbahn zu einer Marstransferbahn: ~ 3,5 km/s
Anpassung an die Marsbahn: ~2,7 km/s
Orbitänderungen in der Umlaufbahn um den Mars: ~ 1,8 km/s
Summe: ~ 15 km/s
Ich habe dies mit zwei Ionentriebwerken durchgerechnet, dem amerikanischen NSTAR-System, eingesetzt bei Dawn und XIPS 8 Triebwerken für die Lageregelung und dem europäischen RIT-2X mit Rit-10 EVO als Lageregelung. Beide Triebwerke haben einen unterschiedlichen Strombedarf (2.600 bzw. 4.600 Watt) und spezifischen Impuls (30 bzw. 41 km/s).
Auf eine genaue Simulation habe ich verzichtet, stattdessen die Gesamtbetriebszeit errechnet. Die Missionszeit wird durch Freiflugphasen bzw. Abnahme der Leistung bei steigender Sonnenentfernung größer sein. Für den Solargenerator habe ich eine Leistungsdichte von 80 W/kg angenommen. 300 Watt sollen für das Raumschiff zur Verfügung stehen. Die Xenon-Druckgastanks sollen 20 % des Inhalts wiegen und zu dem Gewicht der Ionentriebwerke soll nochmals dasselbe Gewicht für die Stromwandeleinheit und Leitungen hinzukommen. Man kommt dann auf folgende Bilanz bei 200 kg Startmasse:
System | NSTAR | RIT-2X |
---|---|---|
Startmasse: | 200 kg | 200 kg |
Davon Treibstoff | 78,7 kg | 62,0 kg |
Davon Tankmasse: | 15,8 kg | 12,4 kg |
Davon Solargenerator | 36,1 kg | 52,4 kg |
Davon Triebwerke / Subsysteme | 33,8 kg | 32 kg |
Nutzlast | 35,6 kg | 41,2 kg |
Gesamtbetriebszeit | 7.230 Stunden | 4.650 Stunden |
Die Nutzlast ist bescheiden, das liegt daran, dass diese Triebwerke schon überdimensioniert sind. Ionentriebwerke sind für 10.000 bis 15.000 Stunden Betrieb qualifiziert und diese Zeit wird hier bei Weitem nicht erreicht. Der in Sonnenferne abnehmende Strom ist kein Problem, da Ionentriebwerke drosselbar sind.
Sinnvoll wäre daher eine höhere Startmasse, denn die Masse der Triebwerke bleibt ja gleich, ebenso die Forderung nach Strom, also die Masse des Solargenerators, nur der Treibstoff und die Tankmasse nimmt zu. Bei 300 kg Startmasse würde die Nutzlast beim NSTAR auf 82,9 kg ansteigen und beim RIT-10 auf 104 kg, also eine Größe, die zumindest die 100 kg Mindestanforderung für die Raumsonde erfüllt. Bei 400 kg Startmasse wäre man immer noch unterhalb der Mindestbetriebsdauer des RIT-2X Triebwerks und hätte 167,2 kg für die Raumsonde übrig.
Es würde bei mehreren Raumsonden sogar Sinn machen, einen Antrieb speziell für diese zu entwickeln, der die Nutzlast maximiert. Nach meinen Simulationen wäre ein deutlich höherer spezifischer Impuls sinnvoll, bei 2 Jahren Betriebszeit (rund 1.7500 Stunden) liegt er bei rund 77 km/s. Zumindest sollten die Antriebe die Solllebensdauer von 10.000 Stunden erreichen, was auf 55 km/s beim RIT-2X und 41 km/s beim NSTAR entspricht. Wenn man nicht neu entwickelt, so bietet es sich an, die Triebwerke herunterzuregeln. Sie arbeiten dann länger, aber benötigen weniger Strom. Bei 10.000 Stunden Betriebszeit wird so der Solargenerator um 10 kg (NSTAR) bzw. 28 kg (RIT-2X) leichter.
Das sind natürlich maximale Δv Vorgaben. Für erdnahe Asteroiden hat man ein Δv von maximal 12 km/s, davon alleine 7 km/s für das Verlassen der Erde (aus einer GTO-Bahn erheblich weniger). 12 km/s würden schon 16,4 kg mehr Nutzlast beim NSTAR Antrieb und 10,3 kg beim RIT-2X bringen.
Als Einsatzgebiet sehe ich folgende Möglichkeiten: Die meisten Sonden, die zu Mars oder Venus gehen, könnte man als Sekundärnutzlast mitführen. Sie benötigen keinen Ionenantrieb, wenn dann nur für Bahnänderungen im Orbit, das Erreichen des Orbits wird, man aber chemisch durchführen. Denkbar sind aber Missionen zu kleinen erdnahen Asteroiden. Da ist auch die maximale Kommunikationsdistanz klein. Der NASA Trajectory Browser nennt 15 Missionsmöglichkeiten zwischen 2024 und 2040 zu Asteroiden von mindestens 300 m Durchmesser (in dieser Größenordnung liegen z.B. die besuchten Asteroiden Itokawa, Ryugu und Bennu) mit einem Δv (chemisch) von weniger als 5 km/s aus einer LEO-Bahn und einschwenken in eine Umlaufbahn um diese. Eine Kamera und ein Vis/IR Spektrometer würden problemlos bei 20 bis 30 kg Nutzlast unterbringbar sein, vielleicht auch ein einfacher Lidar-Höhenmesser.
Alternativ, aber mit größerem Δv erreichbar sind Hauptgürtelasteroiden. Für Pallas gibt es bis 2040 neun Bahnen mit einem Δv von weniger als 5 km/s (chemisch). Hier ist nur ein Vorbeiflug möglich – beim chemischen Antrieb beträgt die Geschwindigkeit 13-14 km/s, sie wird zwar beim Ionenantrieb absinken, doch damit man effektiv im Hauptgürtel die Geschwindigkeit ändern kann benötigt die Sonde einen viel größeren Solargenerator und dann ist sie keine Miniraumsonde mehr. Die Daten würden wie bei New Horizons schnell gesammelt und dann langsam überspielt werden. Unter Umständen könnte man mit weiteren Vorbeiflügen an den erdnahen Planeten sogar mehrere Ziele so besuchen.
Von den 15 km/s maximales Δv entfallen alleine 7 km/s nur um die Erdbahn zu verlassen, aus einer GTO-Bahn sinkt dies auf 3,8 km/s. So wäre es sinnvoll. die Sonden bei einem normalen Start eines Kommunikationssatelliten in den GTO, noch besser Super-GTO mitzuführen. Neben dem eingesparten Treibstoff braucht man auch nur halb so lange um die Erde zu verlassen. Hier wird es auch interessant sein zu sehen, was Ariane 6 an Mitfluggelegenheiten bietet, das entsprechende System bei Ariane 5 wurde ja nur in der Frühzeit bei Starts in den SSO eingesetzt.