EnVision und VERITAS

Innerhalb einer Woche haben NASA jeweils Venusorbiter beschlossen, ich dachte mir mal ich vergleiche die beiden Missionen und bringe die Blogleser auf den neuesten Stand.

Finanzrahmen

Es ist klar, das der Finanzrahmen für ein Projekt entscheidend ist. Er legt fest, wie ambitioniert es sein kann. Sowohl was die Experimente betrifft, wie auch die Sonde selbst, denn natürlich muss im Budget auch die Startrakete mit drin sein und die legt Masse der Sonde fest, oder wie sie zur Venus gelangt und wie lange sie braucht einen venusnahen Orbit zu erreichen.

Beide Sonden sind Bestandteil von größeren Programmen. VERITAS (Venus Emissivity, Radio Science, InSAR, Topography, and Spectroscopy) ist eine Discovery Mission. Das Discoveryprogramm gibt es seit Beginn der Neunziger Jahre. Es stand zuerst für sehr billige Sonden nach dem Motto „Faster, Better, Cheaper“ des damaligen NASA Administrators Goldin. Nachdem sich um die Jahrtausendwende Ausfälle häuften, wurde das Programm umstrukturiert und erhielt viel größere Mittel, mit denen „anständige“ Raumsonden entwickelt werden können. Momentan sind noch zwei Sonden aus dem Disoveryprigramm aktiv Der Mondorbiter LRO und der Marslander Insight. VERITAS wird 500 Millionen Dollar kosten. Dies sind aber die kosten für die Raumsonde und die Mission über die Dauer der Primärmission. Darin nicht eingeschlossen sind die Experimente und die Trägerrakete.

EnVision ist eine M-Class Mission der ESA. Auch hier gibt das Programm den Finanzrahmen vor. Eine andere M-Class Mission die schon arbeitet, ist der Solar Orbiter. Weitere M-Class Missionen befinden sich derzeit im Bau. „Medium Class“ Missionen gab es schon früher bei der ESA, doch als Programm mit Selektrionsrunden ist dies relativ neu. Das Budget für M-Class Missionen beginnt oberhalb 500 Millionen Euro. Allerdings anders als im Discoveryprogramm sind dies die Komplettkosten. Das Proposal für EnVision hatte einen Cost-Cap von 550 Millionen Euro. Rechnet man bei VERITAS eine Trägerrakete hinzu und die Kosten für Experimente, dann sind beide Programme im Budget vergleichbar.

Mission

Beide Sonden sind Venusorbiter. Für VERITAS gibt es schon einige Dokumente in der die Mission umrissen ist. Leider stammen sie von der Bewerbung zur letzten Runde der Discoverymissionen, bei der sich VERITAS schon einmal bewarb, und die Startdaten stimmen so nicht mehr. Ich gehe im Folgenden aber davon aus, dass die Zeitdauern konstant sind. VERITAS startet nicht direkt zur Venus. Sie startet in eine Sonnenumlaufbahn, die nach einem Jahr einen Erdvorbeiflug beinhaltet. Erst dieser führt zur Venus, wo sie nach 16 weiteren Monaten in den Orbit einschwenkt. Dieser Orbit ist zuerst elliptisch (wahrscheinlich ein 23 Stunden Orbit) und wird dann durch Aerobraking innerhalb von 90 Tagen abgesenkt. Der endgültige Orbit hat eine Höhe von 175 bis 215 km. Die Primärmission dauert 729 Tage, das sind 3 Venustage. Der Startzeitpunkt liegt irgendwann zwischen 2028 und 2030. Der Bus basiert im wesentlichen auf dem von MAVEN, einem Marsrorbiter.

EnVision startet später als VERITAS, 2031 ist die erste Startgelegenheit, 2032 und 2033 gibt es Backupstartfenster. Die Trägerrakete steht schon fest, es ist eine Ariane 6. Auch hier dauert es bis die Venus erreicht wird. Im Proposal war noch von 5 Monaten die Rede, doch die ESA-Seite zur Veröffentlichung spricht von 15 Monaten, dazu kommt eine 16 Monate dauernde Aerobrakingphase. Sie ist länger als bei VERITAS, da die Fläche der Solarpaneele zum Abbremsen kleiner ist. Zudem hat die NASA mehr Erfahrung mit der Technik und diese bei der Venus schon mal durchgeführt. Der Orbit ist etwas höher, zwischen 220 und 540 km. Das hat seinen Grund darin, dass ein Forschungsschwerpunkt von VERITAS die Vermessung des Gravitationsfeldes ist, und dafür muss man möglichst nahe an die Oberfläche heran. Die Primärmission dauert dann 4 Venusjahre das sind 2,7 Erdjahre.

Instrumente

VERITAS ist im wesentlichen eine Magellannachfolgemission. Drei der Forschungsziele von Magellan werden direkt übernommen – Kartierung der Oberfläche mit SAR, Höhenprofile bestimmen, das Gravitationsfeld vermessen. Nur eben um Klassen besser.

Das Hauptinstrument ist ein abbildendes SAR genannt InSAR. Ziel ist eine Steigerung der Auflösung um den Faktor 10. Bei Magellan lag die Auflösung zwischen 115 und 280 m. Das Instrument InSAR wird die Venus global mit 30 m Auflösung erfassen, 24 % der Oberfläche in der Primärmission mit 15 m Auflösung. Ähnlich steigert sich die Höhenauflösung, wobei es hier anders als bei Magellan kein eigenes Instrument gibt, Wahrscheinloch wird man diese Daten mit dem SAR gewinnen.

Die Gravitation wird mit einem Sender vermessen. Dazu gibt es neben dem Sender für Daten einen zweiten Sender, der nur die Trägerwelle sendet und diese mit einer sehr hohen Frequenzgenauigkeit. Die Dopplerverschiebung des Signals wird auf der Erde vermessen und daraus die Veränderung der Geschwindigkeit der Sonde durch Gravitationsanomalien. Hier ist eine Steigerung um den Faktor 2 der räumlichen Auflösung des Gravitationsfeldes von 270 auf 145 km möglich.

Nicht auf Magellan war ein drittes Instrument, ein Vis/Nah IR abbildendes Spektrometer. Der Venus Emissivity Mapper VEM. Er stammt von der DLR und basiert auf VIRTIS, das schon auf Venus Express zum Einsatz kam. VIRTIS, aber auch Nahaufnahmen der Nachtseite von der Parker Solar Probe zeigten, dass im nahen Infrarot man die Schemen der Landmassen erkennen kann. Es gibt 14 Spektralbänder. Nur in sechs sieht man die Oberfläche, andere dienen dazu Streulicht, Absorption durch Wasserdampf und Wolken zu bestimmen und herauszurechnen. Die Bodenauflösung wird 300 m erreichen, allerdings verschmiert die Atmosphäre, sodass man mit einer Auflösung der räumlichen Strukturen von 45 km rechnet. Das Instrument kann so nicht kartieren, aber es kann messen, ob sich diese Strukturen ändern, z.B. heller werden, weil es heißer wird (Vulkanausbruch).

Die ESA Mission EnVision trägt mehr Instrumente. Auch sie basieren auf Vorgängern, hier vor allem Venus Express. Das SAR VenSAR ist eine europäische Entwicklung, hat im Kartierungsmodus dieselbe Auflösung wie InSAR, hat aber mehr Betriebsmodi. VenSAR wird nur 20 % der Oberfläche mit 30 m Auflösung erfassen, aber in Stereo. Daneben hat es zwei hochauflösende Modi mit 6 und 1 m Auflösung die dann 2 % bzw. 0,1 % der Oberfläche erfassen, natürlich begrenzt auf sehr interessante Objekte. Zusätzlich liefert es Höhenprofile mit 2,5 m Auflösung und Polarimetermessungen. Damit ergänzt es Insar von VERITAS sehr gut das dafür den Planeten global kartiert.

Ebenso wird auch das Gravitationsfeld vermessen, allerdings wegen der abnehmenden Genauigkeit der Messungen mit der Entfernung nur um den venusnächsten Punkt rund um die Südhalbkugel, die Messungen decken so nur 60 % der Oberfläche ab.

Neu ist ein eindringendes, nicht abbildendes Radar SRS mit großer Wellenlänge. Derartige Instrumente kamen schon beim Mars zum Einsatz und haben dort unter anderem unteririsches Eis vermessen. SRS soll bis zu 1.000 m tief in den Boden eindringen und eine räumliche Auflösung von 10 km erreichen. Die Entfernungsauflösung liegt bei 5 bis 10 m.

Das dritte Instrument ist eine Spektrometer Suite VENSPEC arbeitet mit drei Spektrometern. Eines VenSEC-M ist wie der VEM von VERITAS ein abbildendes Spektrometer im nahen IR zwischen 0,8 und 1,2 Mikrometer Wellenlänge. Ergänzt wird es durch ein normales Spektrometer VENSPEC-H im nahen und mittleren Infrarot, das herkömmliche Spektren macht und damit die Atmosphäre und in ihr Spurengase wie H2O, HDO und OCS überwacht. Es basiert auf SPICAV und NOMAD, Instrumenten von Venus Express und dem Trace Gas Orbiter. Das dritte Instrument VENSPEC-U arbeitet im UV und misst damit die Absorption von Spurengasen wie SO und SO2 wie auch UV-Absorption der Wolkenhöhe.

Meine Meinung

In der Summe ist Envision die etwas besser ausgerüstete Mission, aber die Ähnlichkeiten sind doch frappierend. Beide Missionen haben ein SAR-Radar, messen die Gravitation und VEM und Venspec-M ähneln sich auch sehr. Dazu kommt der ähnliche Zeitrahmen – VERITAS startet zwischen 2028 und 2031, braucht aber auch ein Jahr länger zur Venus. Envision startet 2031, so wären bei einem Start von VERITAS 2030 beide Sonden fast zeitgleich bei der Venus.

Zuerst war ich geneigt zu sagen „Zwei Sonden mit ähnlichen Instrumenten – baut doch was gemeinsames in doppelter Ausführung“. Aber dann habe ich mich erinnert. Als Europäer kann ich mich an einige Verträge mit der NASA erinnern, wo die ESA nachher im Regen stand, so beim Bau des Spacelabs, der ISPM, Halley Sonden oder zuletzt beim Exomars Projekt. Wenn jeder seine eigene Sonde baut, ist das unter dem Aspekt okay, aber vielleicht kann man sich bei den Experimenten absprechen. Das teuere bei den Instrumenten ist ja die Entwicklung. Ein zweites Flugexemplar zu bauen ist dann billig. Dann könnte Envison noch den VEM hinzunehmen und VERITAS die Venspec-Suite und das SRS-Radar. Auch bei der Zusatzhardware führ Radioscience könnte man sich absprechen, dann sind die Messungen besser vergleichbar. In frühen Dokumenten zu EnVision fand ich noch den VEM, der dann wohl irgendwann zu der NASA-Sonde gewandert ist, also gibt es so etwas wie eine Zusammenarbeit.

So wäre mehr Wissenschaft möglich, Daten wären vergleichbarer. Profitieren würde primär die NASA davon, denn die Ausrüstung der europäischen Sonde ist die bessere und vielseitigere. Ich meine, dass dies auch jetzt noch geht, denn die Missionen sind ja gerade genehmigt, das heißt sie befinden sich in einer frühen Phase der Entwicklung, wo noch Änderungen möglich sind. So ist bei Envision nicht mal klar, ob Sie einen chemischen oder elektrischen Antrieb einsetzt und 5 oder 15 Monate zur Venus unterwegs ist. Eventuell ergeben sich durch die Kooperation sogar Kosteneinsparungen, die man dann nutzen, kann weitere Experimente mitzunehmen. Bei VERITAS wird als Technologiedemonstrator ein Massenspektrometer diskutiert, das direkt in der oberen Atmosphäre messen könnte.

Nicht gefunden habe ich das beide Sonden einen Bezug zu Davinci+ haben. Ich vermute die Sonde ist vor beiden bei der Venus. VERITAS braucht sehr lange zur Venus und Envision startet drei Jahre später als der früheste Starttermin von Davinci+. Doch das muss kein Hindernis sein, dann legt man den Starttermin eben etwas später. Denkbar wäre für mich folgendes Szenario. EnVision, die ja auch länger für das Erreichen des Endorbits benötigt ist noch im elliptischen Orbit und bildet einen Backupempfänger für die ganze Mission in der Atmosphäre zusätzlich zum Bus von DAVINCI+. VERITAS könnte schon im Zielorbit sein und die letzten Minuten vor der Landung übertragen, dann aber wegen der Nähe mit hoher Datenrate, da alle Bilder unterhalb von 5 km Höhe entstehen, wäre das vor allem für die Bildausbeute sehr vorteilhaft.

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