Die Antares – ich versteh’s nicht!

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Heute mal wieder ein Raumfahrtblog. Es geht um einen Verlierer des russischen Angriffs auf die Ukraine, den man so nicht auf dem Schirm hat, anders als die Firmen und Organisationen die durch die Presse gingen, es ist Northrop-Grumman (ich hoffe das stimmt noch, denn die Firma die die Rakete entwickelt hat wurde in den letzten Jahren mehrmals aufgekauft oder fusionierte: 2014 fusionierte Orbital Sciences Corporation (kurz „Orbital“) als Hersteller der Rakete mit Alliant Techsystems und bildete Orbital ATK Inc., dann wurde Orbital ATK im Jahre 2018 von Northrop Grumman aufgekauft und bildete Northrop Grumman Innovation Systems. Und 2020 wurde dieser Geschäftsteil erneut umbenannt Space Systems. Also wenn ich mal den falschen Firmennamen schreibe, bitte ich schon jetzt um Entschuldigung.

Worum gehts? Es geht um die Trägerrakete Antares und deren Philosophie die ich nicht so ganz verstehe. Aber damit ihr das auch versteht gehe ich mal ganz zurück zum Anfang, nämlich dem COTS Kontrakt der an SpaceX und zuerst Kistler Rocketplane ging. Beide bekamen Geld für die Entwicklung eines eigenen Versorgungsraumschiffes, da die NASA 2005 beschloss das Space Shuttle nach Fertigstellung der ISS auszumustern und weder wollte man von Russland alleine abhängig sein, noch hätte Russland so viele Progress fertigen können wie nötig wären um die Station zu versorgen, denn nun lastete ja auch der gesamte Mannschaftstransport auf den Schultern des sojus Raumschiffes (für alle die die Website nicht kennen – da gibt es einen Artikel über das Sojus Raumschiff…).

Kistler Aerosapce konnte diesen Auftrag gar nicht erfüllen, das merkte die NASA nach 14 Monaten und vergab den Auftrag neu an Orbital. Während man bei SpaceX nichts anderes erwarten konnte, als das sei die Trägerrakete selbst entwickeln – die Falcon 9 war zu dem Zeitpunkt ja schon angekündigt und etwas anderes käme für Elon Musk ja auch gar nicht in Frage – erstaunt das Orbital eine eigene Trägerrakete entwickelt.

Nicht das Orbital damit keine Erfahrung hat. Orbital hat die Pegasus als erste Trägerrakete die von einem Flugzeug aus abgeworfen wird, entwickelt. Zu dem Zeitpunkt des COTS Abschlusses fertigte die Firma die Minotaur Serie, indem sie ausgemusterte Minuteman Raketen umrüstete, als Raumfahrtträger z.B. mit den Oberstufen der Pegasus, aber auch als Zielrakete für ICBM Abwehrsysteme. Später kamen noch Umrüstungen der MX Peacekeeper (Minotaur IV und V) dazu.

Aber das waren alles kleine Raketen, allesamt fast nur mit festen Treibstoffen angetrieben. Für ihren Cygnus Transporter benötigten sie eine viel größere Rakete – etwa zehnmal so große wie die bisher größte Version.

Nun kann man schon jetzt eine betriebswirtschaftliche Rechnung anstellen. Wenn man den Anschlussauftrag für CRS fest einplant, dann gibt es für diese Rakete maximal drei Starts pro Jahr – insgesamt waren es bisher 17 Starts, maximal drei pro Jahr, im Mittel über die 10 Jahre des Einsatzes 1,7 Starts pro Jahr, 1,9 wenn man zwei Flüge mit der Atlas hinzuzählt die die Rakete nicht abwickeln konnte.

Für diese kleine Startzahl lohnt sich die Entwicklung einer eigenen großen Rakete nicht, viel günstiger ist es eine Rakete aus dem US-Arsenal zu nehmen. Damals standen die Atlas V und Delta IV zur Wahl. Als kommerzielle Firma hätte Orbital auch einen Start im Ausland wie auf der Sojus buchen können.

Nr. Success Date Payload Name

1

v 21.04.2013 Bell

2

v 18.09.2013 SS G. David Low

3

v 09.01.2014 SS C. Gordon Fullerton

4

v 13.07.2014 SS Janice Voss

5

28.10.2014 SS Deke Slayton

6

v 17.10.2016 SS Alan Poindexter

7

v 12.11.2017 SS Gene Cernan

8

v 21.05.2018 SS J.R. Thompson

9

v 17.11.2018 SS John Young

10

v 17.04.2019 SS Roger Chaffee

11

v 02.11.2019 S.S. Alan Bean

12

v 15.02.2020 S.S. Robert Lawrence

13

v 03.10.2020 S.S. Kalpana Chawla

14

v 20.02.2021 S.S. Katherine Johnson

15

v 10.08.2021 S.S. Ellison Onizuka

16

v 19.02.2022 S.S. Piers Sellers

17

v 07.11.2022 S.S. Sally Ride
All items Payloads Success Launch success [%]
Summary

17

16

94,12

Das dieser Einwand der zu hohen Kosten nicht so aus der Luft gegriffen ist zeigte sich, als nach einem Fehlstart 2014 die Rakete für zwei Jahre nicht zur Verfügung stand und Orbital dann auf die Atlas V auswich. Nun ist die kleinste Version der Atlas V aber schon leistungsfähiger als die Antares und so verlängerte Orbital den Nutzlastraum der Cygnus und transportierte so 50 Prozent mehr Nutzlast. Als der Rechnungshof der USA die Zahlungen der NASA untersuchte stellte er fest, das die NASA drei Cygnus Transporte auf der Antares bezahlt hatte, Orbital die Nutzlast aber in zwei Starts auf der Atlas V abwickelte. Das war günstiger, obwohl Orbital die Atlas bezahlen musste, weil sie einen Transporter einsparten. Sie machten so aus dem Ausfall der Antares sogar noch Kasse.

Intelligent wäre es gewesen, da die Antares einzustampfen und einen langfristigen Vertrag mit Lockheed abzuschließen dem Hersteller der Atlas. Bei mehr georderten Raketen bekommt man auch einen Preisnachlass.

Die Technik der Antares

Was macht man als Raumfahrtfirma, wenn man eine Rakete konstruieren will, die bisher entwickelten eigenen Stufen aber allesamt zu klein sind? Man lässt sie von anderen bauen. In diesem Falle von KB Juschmasch, einer ukrainischen Firma und dem US-Hersteller Thiokol. Juschmasch stellte die Zenit her. Deren Fertigungsanlagen wurden auch für die Antares eingesetzt, sodass die erste Stufe einen Durchmesser von 3,90 m hat, eigentlich für ihre Masse – die Antares wiegt halb so viel wie die Zenit – zu groß. Das Triebwerk RD-171 der Zenit war aber zu groß für die Rakete, hatte zu viel Schub. Anstatt nun das in der richtigen Größe liegende RD-180, ein „halbiertes“ RD-171 einzusetzen, das auch die Atlas V einsetzt – das ergäbe auch Synergien, griff Orbital zum NK-33. Das NK-33 ist die zweite Generation der Triebwerke der russischen Mondrakete N-1, wurde aber nie eingesetzt. Es wurden als die Flüge eingestellt wurden, schon produzierte Triebwerke eingelagert und einen Teil davon kaufte später die Firma Kistler als Antrieb für ihre K-1. Nach Bankrott der Firma Kistler blieben die Triebwerke Eigentum von Aerojet einem US-Triebwerkshersteller, der die Aufgabe hatte, sie zu inspizieren und Teile die durch Lagerung litten auszutauschen und eine neue Elektronik zu installieren.

Die zweite Stufe war der neu entwickelte Castor 30, so benannt wegen der Füllung mit 30.000 Pfund Treibstoff. Er stammte von Thiokol einem Hersteller von größeren Feststoffantrieben in dem USA. Thiokol stellt auch die Booster der Delta 2 und des Space Shuttles her. Er ist eigentlich zu klein für eine Rakete dieser Größe, entsprechend wurde er inzwischen auch zweimal verlängert. Vor allem widerspricht er Regeln, die bei Raketen gelten. Demnach sollte die Oberstufe, weil sie einen größeren Einfluss auf die Nutzlast hat, „besser“ sein als die erste, also einen höheren spezifischen Impuls haben und ein geringeres Leergewicht. Das trifft auf den Castor 30 nicht zu. Zudem ist sein Durchmesser kleiner als der der Erststufe. So klein, das eine Nutzlasthülle mit dem Durchmesser des Castor 30, nicht die Cygnus aufnehmen kann. Also umgibt die Nutzlasthülle mit dem Durchmesser von 3,90 m auch den Castor und wiegt entsprechend mehr. Alles in allem: keine schöne Rakete weder im Aussehen noch im Design.

Trotzdem gab es von Orbital bald eine Beschreibung der Rakete und es gab hier auch Optionen die die Antares von der zeitgleich entwickelten ersten Version der Falcon 9 abhoben. Durch Einsatz von weiteren Oberstufen mit dem Star 48 Antrieb kann sie Fluchtbahnen oder GTO erreichen. Im Preis lag die Antares über der Delta 2 aber unter der Atlas V, hätte so also durchaus gut in das US-Trägersegment gepasst. Aber schon bald zeigte sich das Orbital keinerlei Ambitionen hatte die Rakete von der NASA oder dem DoD zertifizieren zu lassen, eine Grundvoraussetzungen, dass sie Aufträge bekommt – sie blieb auf die Transporte zur ISS beschränkt, die die NASA als Serviceleistung im ganzen kauft.

Dann scheiterte der fünfte Flug am 28.10.2014. Wenige Sekunden nach dem Start verlor die Rakete an Schub, sank und wurde dann kurz vor dem Aufschlag auf dem Pad durch den Sicherheitsoffizier gesprengt. Als wahrscheinliche Ursache gilt der Ausfall der Turbopumpe eines Triebwerks. Ganz genau konnte das Paneel die Ursache nie benennen. Schon vorher machten die NK-33 bei Tests im NASA Stennis Testcenter keine gute Figur mindestens zwei Ausfälle gab es, bei einem traten ähnliche Vorkommnisse auf wie bei den geborgenen Triebwerksteilen des Fehlstarts. Woran dies liegt – ob die NK-33 per se eben doch nicht so zuverlässig sind, wie von Russland behauptet oder es an der Lagerung unter unklimatisieten Bedingungen über 40 Jahre in der Taiga von Kasachstan liegt, man wiurd es nie feststellen können. Russland setzt das Triebwerk auch ein, in der Sojus 2v, eines pro Rakete (bei der Antares sind es zwei). Davon erfolgten bisher neun Starts ohne Vorkommnisse.

Orbital, die inzwischen Orbital ATK Inc. Hießen, suchten ein neues Triebwerk und fanden es im RD-181. Das RD-181 ist eine Abwandlung des RD-191 der Angara, es sind zwei dieser Triebwerke in einem gemeinsamen Rahmen. Es ist verwandt mit dem RD-180 der Atlas, da beide aus dem RD-170/171 entstanden. Warum man nicht gleich das RD-180 genommen hat, bleibt mir ein Rätsel, wahrscheinlich weil man unbedingt nichts haben will was andere US-Firmen im selben Marktsegment auch nutzen.

Das war 2015, damals gab es schon die erste Ukrainekrise. Russland hatte die Krim annektiert und unterstützte Separatisten im Dombass die sich von der Ukraine abspalteten und im Juli dieses Jahres die niederländische Maschine MH17 abschossen. Als Folge nahm ein Senatsausschuss die Atlas unter die Lupe, weil sie eben ein russisches Triebwerk einsetzte und auch Satelliten des DoD und der NRO startete. Die Antares blieb außen vor, aber man hätte gut daran getan wenn man die Entscheidung von ULA auf ein US-Triebwerk – das BE-4 zu setzen, auch übernommen hätte. Aerojet entwickelte damals auch ein Triebwerk dieser Klasse, da Blue Origin aber damals weiter war als Aerojet, wählte ULA das BE-4. Orbital ATK Inc. Hätte dann das AR-1 nehmen können und wäre unabhängig von Russland gewesen. Anders als das BE-4 arbeitet dieses mit Kerosin, nicht Methan, das wäre kompatibel zur bisherigen Stufe gewesen.

Nun gibt es seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und den gegenseitig verhängten Sanktionen keine RD-181 mehr. ULA hat aus der Senatsanhörung und den Forderungen gelernt und schon vorher alle RD-180 gekauft die sie noch für die noch ausstehenden (damals) rund 30 Flüge brauchen. Ist also fein raus. Northrop-Grumman hat keine solche Vorratshaltung betrieben. Es gab zu dem Zeitpunkt nur die Triebwerke für zwei Starts. Einer ist im November erfolgt, der zweite soll im März erfolgen.

Erneut muss sich Northrop-Grumman nach neuen Triebwerken umsehen und diesmal auch nach einer neuen ersten Stufe, denn Juschmasch stellte seien Produktion ein. Selbst wenn die Firma nicht bombardiert wird, was da sie auch Kriegsgerät herstellt, wahrscheinlich ist, fehlen doch die Arbeiter die zum Wehrdienst eingezogen wurden. Brroffen davon ist auch die europäische Vega die im AVUM ein Triebwerk von Juschmasch einsetzt. Nun wurde man beim amerikanischen Startup Firefly Alpha. Sie soll die erste Stufe fertigen, die nun sieben! Miranda Triebwerke enthält, mehr weiß man nicht und die Ankündigung gibt mehr Rätsel auf als das sie klärt. Sieben Triebwerke haben ziemlich genau den doppelten Schub der beiden NK-33, es hätten also vier gereicht, daraus kann man ableiten, das die erste Stufe nochmals größer ist. Wahrscheinlich ist es die gleiche wie Firefly für ihre Firefly Beta einsetzt, die mit 13 t in den LEO fast die doppelte Nutzlast der Antares hat. Dann macht der kleine Castor antrieb noch weniger Sinn. Warum man diese zweite Stufe nicht austauscht – es gibt ja auch den Castor 50 mit entsprechend größerer Treibstoffzuladung oder sinnvollerweise eine Stufe mit flüssigen Treibstoffen wie die Centaur oder Delta 4 4-meter DCSS die beide im Durchmesser passen würden, ist mir ein Rätsel. Ich kann es mir nur so erklären das man auf keinen Fall bei Northrop-Grumman etwas von einer etablierten US-Space Firma kaufen will.

Ich wage aber zu prognostizieren was passieren wird, wenn die neue Serie Ende 2024 (wenn bestalle nach Plan läuft) starten wird: Es wird wieder Fehlstarts geben. Denn Firefly Alpha ist eines dieser US-Raketenstartups die eines genau wissen: Sie können es besser als die etablierten Firmen und dadurch sind ihre Raketen billiger und besser. Daher stellen sie keine Mitarbeiter mit Erfahrung ein, sondern frisch von der Uni, die kosten dann auch wesentlich weniger und Tests oder Computersimulationen kosten auch Geld, die braucht man nicht, wenn das Design stimmt. So scheiterte auch der erste Flug ihrer kleineren Rakete Firefly Alpha am 3.9.2021. Beim zweiten Testflug letzten Oktober erreichte sie einen Orbit, doch die Nutzlast, fünf Cubesats erreichten nicht den vorgesehenen Orbit in 300 km Höhe sondern nur einen 220 x 270 km Orbit, und sind mittlerweile verglüht. Das ist nur ein Teilerfolg und spricht für eine Underperfromance der Rakete, obwohl die Nutzlast mit Cubesats bei über 1.000 kg Nominalnutzlast minimal war. Da Northrop-Grumman der erste Nutzer der Miranda Triebwerke und der Stufe von Firefly sein wird, noch bevor die Firma die Rakete selbst nutzt, sie kämpft ja noch mit der Einführung der Firefly Alpha, sind meiner Ansicht nach Fehlstarts vorprogrammiert.

Ich denke ich werde in einem der nächsten Blogs mal einige Varianten der Antares vorstellen die ich für möglich halte. Derzeit ist für mich die Antares aber der Anwärter für die verkorkste Rakete die derzeit im Einsatz ist.

3 thoughts on “Die Antares – ich versteh’s nicht!

  1. Es sieht wie eine aufreihung von Fehlentscheidungen aus. Nichts an der Rakete ist gut. Der Start auf Vulcan oder NewGlenn wäre hier die richtige Entscheidung. Es ist ja nicht so, dass man mit dem Betrieb der Antares etwas für die Zukunft der Firma tun würde.
    Einzig die Fusion mit Firefly würde Sinn machen, aber auch fdazu bräuchte man die Antares nicht.

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