Eine Begegnung mit 99942 Apophis (2004 MN4)

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Am 13.4.2029 wird der etwa 300 bis 350 m große Kleinplanet 99942 Apophis (2004 MN4) – im folgenden nur noch Apophis genannt – die Erde in 31.600 km Distanz passieren. Die Ungenauigkeit der Distanz des Vorbeiflugs beträgt etwa 600 bis 800 m und dürfte noch mit weiteren Beobachtungen abnehmen. Während damit nahezu ausgeschlossen ist, das er auf der Erde einschlägt, habe ich mir gedacht, das wäre doch eine tolle Gelegenheit diesen Kleinplaneten zu untersuchen.

Die Geschwindigkeit von Apophis relativ zur Erde

Ich habe zuerst einmal ermittelt wie schnell Apophis sich der Erde nähert. Das geschieht in zwei Schritten. Ich habe zuerst die Daten der Erde im Horizons Web Interface bestimmt:

Hier die Vektorkordinaten der Erde relativ zur Sonne zwischen dem 12 und 14.4.2029

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JDTDB

X Y Z

VX VY VZ

LT RG RR

*******************************************************************************

$$SOE

2462238.500000000 = A.D. 2029-Apr-12 00:00:00.0000 TDB

X =-1.390684509725965E+08 Y =-5.609103827179384E+07 Z = 4.129442177057266E+03

VX= 1.065860404387110E+01 VY=-2.774934450685992E+01 VZ= 1.678373901947694E-03

LT= 5.001931096230709E+02 RG= 1.499541218085639E+08 RR= 4.949113560583311E-01

2462239.500000000 = A.D. 2029-Apr-13 00:00:00.0000 TDB

X =-1.381270598638176E+08 Y =-5.848021705724245E+07 Z = 4.283493233334273E+03

VX= 1.113224490391570E+01 VY=-2.755430686901877E+01 VZ= 1.887517719213250E-03

LT= 5.003352515000237E+02 RG= 1.499967348712403E+08 RR= 4.914613404664542E-01

2462240.500000000 = A.D. 2029-Apr-14 00:00:00.0000 TDB

X =-1.371449080696396E+08 Y =-6.085217960199035E+07 Z = 4.455458164036274E+03

VX= 1.160210061181663E+01 VY=-2.735083590185459E+01 VZ= 2.091556583723175E-03

LT= 5.004763669700095E+02 RG= 1.500390402248491E+08 RR= 4.877994817287690E-01

$$EOE

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und hier die von Apophis zum selben Zeitpunkt

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JDTDB
   X     Y     Z
   VX    VY    VZ
   LT    RG    RR
*******************************************************************************
$$SOE
2462238.500000000 = A.D. 2029-Apr-12 00:00:00.0000 TDB 
 X =-1.398091937955032E+08 Y =-5.669820335099439E+07 Z =-2.683610016389862E+05
 VX= 1.487233782523159E+01 VY=-2.393498348599712E+01 VZ= 1.648246815078697E+00
 LT= 5.032438617484508E+02 RG= 1.508687142869802E+08 RR=-4.790001219867528E+00
2462239.500000000 = A.D. 2029-Apr-13 00:00:00.0000 TDB 
 X =-1.385022769167570E+08 Y =-5.875646876888991E+07 Z =-1.252766216543987E+05
 VX= 1.539354325021734E+01 VY=-2.369905962818367E+01 VZ= 1.668335171065028E+00
 LT= 5.018473644424832E+02 RG= 1.504500549270338E+08 RR=-4.917091833758676E+00
2462240.500000000 = A.D. 2029-Apr-14 00:00:00.0000 TDB 
 X =-1.371122004484766E+08 Y =-6.079919119476078E+07 Z = 2.362436282319203E+04
 VX= 1.793665701087866E+01 VY=-2.533141239099156E+01 VZ= 1.469392572035501E+00
 LT= 5.003049761796613E+02 RG= 1.499876585585321E+08 RR=-6.128306966242728E+00
$$EOE
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Man erkennt, wenn man die Einträge vergleicht, den Effekt des Vorbeiflugs. Natürlich verändern sich die Geschwindigkeit alleine durch die Bewegung der Bahn, aber zwischen dem 13 und 14 April gibt es doch einen Sprung. Die Geschwindigkeit in Y Richtung stieg um 2,5 km, die in X-Richtung sank um 1,6 km/s und die in Z-Richtung um 0,2 km/s.

Deutlicher wird das, wenn man auf die Darstellung der Bahnelemente umschaltet:

$$SOE

2462238.500000000 = A.D. 2029-Apr-12 00:00:00.0000 TDB

EC= 1.934294984031577E-01 QR= 1.112096665729165E+08 IN= 3.380784295571374E+00

OM= 2.037999963439951E+02 W = 1.267246389767403E+02 Tp= 2462336.773720615078

N = 1.289223292988069E-05 MA= 2.505339909742636E+02 TA= 2.315468747443144E+02

A = 1.378796600579174E+08 AD= 1.645496535429183E+08 PR= 2.792378961487874E+07

2462239.500000000 = A.D. 2029-Apr-13 00:00:00.0000 TDB

EC= 1.956772963866360E-01 QR= 1.108660733787701E+08 IN= 3.422705923295708E+00

OM= 2.037857101087677E+02 W = 1.266230778601965E+02 Tp= 2462336.385685648769

N = 1.289810600433405E-05 MA= 2.520309446958760E+02 TA= 2.325777767939618E+02

A = 1.378378017687577E+08 AD= 1.648095301587453E+08 PR= 2.791107468639442E+07

2462240.500000000 = A.D. 2029-Apr-14 00:00:00.0000 TDB

EC= 2.165604691632701E-01 QR= 1.293055033011292E+08 IN= 2.766566485302915E+00

OM= 2.037270150955839E+02 W = 7.716238589763698E+01 Tp= 2462303.788013392128

N = 9.843763204808517E-06 MA= 3.061734724048777E+02 TA= 2.830245868352205E+02

A = 1.650484794442632E+08 AD= 2.007914555873972E+08 PR= 3.657137951308560E+07

$$EOE

Die Bahnelemente bestehen wie die Vektorangaben aus sechs Bahnelementen, davon sind fünf fest und ein Element gibt den Zeitpunkt an relativ zum Nulldurchgang an. Daraus ist dann die Position berechenbar. Hier sind es in der Tabelle einige Elemente mehr, weil es mehr Definitionen für die Bahnelemente gibt und die ineinander umrechenbar sind (so kann man entweder Halbachse und Exzentrizität oder Apo- und Peripunkt angeben, da gilt: Halbachse = (apo+Peri)/2). Auch die „konstanten Elemente“ verändern sich leicht, das liegt an der Gravitation der anderen Planeten, aber vor allem an der Darstellung mit 16 Stellen Genauigkeit. Aber auch hier ist der Sprung vom 13.4.2029 auf den 14.4.2029 deutlich sichtbar, in der Exzentrizität z.B. von 0,195 auf 0,216.

Die Geschwindigkeit relativ zur Erde sind:

Datum Vx [km/s] Vy [km/s] Vz [km/s] Gesamt C3 [km²/s²]
12.4.2029 4,22 3,819 1,646 5,92 35,1
13.4.2029 4,261 3,855 1,666 5,98 35,8
14.42029 6,334 2,019 1,467 6,80 46,4

Mein erster Gedanke war, das wir eine Raumsonde in einen Erdorbit senden, die sobald Apophis vorbeifliegt, einen Antrieb zündet und ihn begleitet. Geht das?

Dafür ist relevant, die in der oben angegebene Größe c3, aus ihm kann man die Maximalgeschwindigkeit bei der Annäherung berechnen. Apophis nähert sich der Erde bis auf einen Minimalabstand von 31.600 km, in dieser Höhe beträgt die Kreisbahngeschwindigkeit 3.230 m/s. Die Spitzengeschwindigkeit kann über den hyperbolischen Exzess berechnet werden und sie liegt bei 7,53 km/s, also 4,3 km/s schneller als die Kreisbahngeschwindigkeit. Das wäre mit einem chemischen Antrieb zu schaffen. Allerdings wäre es aufwendig, denn das ist die Differenz zu einer 31.600 km hohen Kreisbahn, die auch erst einmal erreicht werden muss. Man kann zwar den Satelliten in einer Übergangsbahn – sagen wir 200 x 31.600 km, parken. Aber dann hat er in 31.600 km Höhe nur noch eine Geschwindigkeit von 1,76 km/s und muss dann noch mehr, um 5,77 km/s beschleunigen. Wikipedia kommt zum gleichen Ergebnis, was zeigt das die rechnung richtig ist.

Also eine Sonde zu Apophis beim Vorbeiflug zu schicken ist möglich, aber sehr energieaufwendig, mit einem Star-37 Feststoffantrieb könnte man 200 kg zu Apophis aus einer 31.600 km Kreisbahn heraus schicken, das läuft dann auf etwa 6 t Startmasse in einer LEO Bahn heraus.

Der wesentliche Vorteil dieser Lösung ist das die Reisezeit zu Apophis wegfällt und man anfangs, nahe der Erde, sehr hohen Datenübertragungsraten hat.

Aber da es extrem energieaufwendig ist, gibt es wenn es nur um das Rendezvous geht eine besser Lösung.

Apophis hat Bahndaten die relativ wenig Geschwindigkeit erfordern um ihn zu erreichen. Der NASA Ames Research Center Trajectory Browser liefert für 2023 bis 2029 folgende zwei Rendezvousrouten:

Name

Earth
Departure

Destination
Arrival

Duration

Injection
C3
(km2/s2)

Abs
DLA

Injection
ΔV
(km/s)

Post-
Injection
ΔV (km/s)

Total
ΔV
(km/s)

Apophis

May-10-2024

Jul-19-2026

2.19 yrs

4.1

13°

3.41

3.1

6.51

Apophis

Feb-01-2023

May-10-2024

1.27 yrs

11.6

12°

3.74

2.51

6.25

Die Geschwindigkeit ist relativ zu einem 200 km LEO. Man muss also um 6,5 km/s beschleunigen, rund 3,3 km/s mehr als die Fluchtgeschwindigkeit. Es ist aber immer noch günstiger als ihn beim Vorbeiflug zu besuchen, denn dafür braucht man 8,23 km/s minimal aus einer 200 km Kreisbahn heraus. Dummerweise ist das beste Startfenster schon vorbei und das zweitbeste schon nächstes Jahr, so schnell bekommt man keine Raumsonde gebaut.

Aber da kam mir eine neue Idee: warum wiederholt man nicht die DART Mission? Also sendet eine Sonde zu Apophis, sie schlägt auf ihm ein, und wenn er 2029 vorbeikommt, fliegt man nicht mit ihm mit, beobachtet ihn aber. Dafür würde eine Sonde in einem elliptischen Orbit reichen, Apophis hat gegenüber diesem Orbit eine Relativgeschwindigkeit von etwa 8 km/s.

Weitet man die Suche im Trajectory Brower aus, so gibt es etliche Routen, sehr viele um den Vorbeiflugpunkt, bei dem man aber erst nach dem Vorbeiflug bei Apophis ankommt. Ich habe aber im Juni 2027 und Juli 2028 (Backupstartfenster) zwei Zeitpunkte ausgemacht bei denen man im Mai 2028 (Start 2027) und wenige Tage vor dem Vorbeiflug (Start 2028) am 6.4.2029 an Apophis ankommt. Beim Aufschlag von DART auf Dimorphos war dieser Asteroid noch monatelang aktiv, gaste weiter aus, wenn das bei Apophis auch so ist, dann wäre das schon interessant. Man könnte also das Startfenster im 2027 als primäres Startfenster anvisieren mit dem Start 2028 als Backup. Das lässt vier bis fünf Jahre Zeit DART nachzubauen. Oder wenn man viel Wert auf Effekte legt gleich 2028, dann erreicht die Sonde Apophis sieben Tage vor dem Vorbeiflug an der Erde. Die aufzuwendende Geschwindigkeit von 3,2 km/s relativ zum LEO ist bei einem Fly-By / Aufschlag auch viel geringer. Besonders interessant: der Winkel von 9 Grad der Startbahnen ist relativ klein, das bedeutet das dieser Start kompatibel mit einem GTO Start ist, man also keine eigene Stufe braucht. Europa entwickelt ja die Astris Stufe, die könnte eine zweite Nutzlast neben einem GTO-Satelliten transportieren. Für die Startmasse von DART (670 kg) und einem angenommenen Voll-Leermasseverhältnis der Astrisstufe von 7:1 und einem spezifischen Impuls von 3000 m/s wäre eine 2,2 t schwere Stufe nötig, zusammen mit DART also knapp 3 t, das lässt noch viel Nutzlast für einen GTO-Satelliten. Das wäre eine schöne ESA/NASA Mission. Europa stellt die Trägerrakete und die NASA einen Nachbau von DART.

Realistischerweise wird man das aber nie machen. Zwar ist Apophis relativ groß – Didymos auf den DART einschlug ist etwa dreimal kleiner, sodass bei einer Relativgeschwindigkeit von 5,35 km/s und 600 kg Masse nur um 0,0642 mm/s beschleunigt wird. Das dürfte so wenig sein, das es auch das Fenster beim Vorbeiflug kaum beeinflusst und Apophis nicht die Erde trifft. Aber es könnten sich ja kleinere Brocken lösen die dann etwas andere Bahnen haben und in Zukunft zur Bedrohung für die Erde werden.

Beobachtung aus dem Orbit

Für einen erdgebundenen Satelliten der Apophis nahe begegnet dürfte die Mission ähnlich ablaufen wie bei DART – DART näherte sich Dimorphos/Didymos mit 6,6 km/s. Hier wären es 4,3 km/s Geschwindigkeit, also etwas langsamer. Der größere Körper bei DART Didymos hat einen mittleren Durchmesser von 765 m, der kleinere Dimorphos auf dem DART aufschlug einen von 170 m. Apophis soll etwa doppelt so große wie Dimorphos sein (325 bis 350 m), man dürfte also wenn man wirklich nahe an den Asteroiden herankommt kurz vor dem Vorbeiflug bildfüllende Aufnahmen bekommen. Ein 20 cm Teleskop, das entspricht der Größe der Kamera von DART würde ihn bei einer 4 MPixel Kamera formatfüllend in etwa 31 km Distanz zeigen, rund 7 Sekunden vor dem Vorbeiflug. 500 Pixel Durchmesser, erreicht er schon in achtfacher Distanz rund 1 Minute vor dem Vorbeiflug. Ohne Kollision könnte man aber bei modernen Kameras in diesen wenigen Sekunden Dutzende bis einige Hundert Bilder gewinnen, aufzeichnen und danach übertragen.

Ein 20 bis 40 cm Teleskop passt auch in einen kleinen Mikrosatelliten den man mit einem integrierten Antrieb auf die beste Bahn für die Passage bringen kann (sofern diese nicht retrograd erfolgt), er wäre daher von der Masse her kompatibel mit dem Teilen eines Starts einer Vega C, PSLV oder Falcon 9, was die Missionskosten senkt.

Erdgebundene Teleskopbeobachtungen

Zuletzt noch eine Abschätzung zu den irdischen Beobachtungsmöglichkeiten, also ohne einen neuen Satelliten zu starten. Es gibt zum einen Großteleskope auf der Erde. Die größten haben derzeit um die 10 m Durchmesser. Deren Auflösung beträgt – wenn sie günstig zu Apophis stehen, das hängt vom Längen/Breitengrad des Vorbeiflugpunktes ab – in 31.600 km Distanz bei 1,8 m. Bis 2027 soll das ELT fertig sein, also noch rechtzeitig vor dem Vorbeiflug. Mit seinem 39,3 m Spiegel erreicht es eine Auflösung von 0,005 Bogensekunden, das sind rund 80 cm aus 31.600 km Distanz, andere Teleskope mit 20+ m großen Spiegel sind in Planung. Es gibt so viele 10 m Teleskope an verschiedenen Stellen auf der Erde, das eines sicher Apophis abbilden kann, der wird dann etwa 160 bis 180 Pixel groß sein, ob er für das ELT oder eines der anderen im Bau befindlichen Riesenteleskope sichtbar ist, hängt wie schon gesagt von der genauen Bahn ab.

Spionagesatelliten helfen hier nicht viel. Deren hohe Auflösung liegt an dem geringen Abstand von 400 bis 600 km zur Erdoberfläche. Ein Satellit der aus 400 km Distanz aber 30 cm auflöst wird in 31600 km Distanz nur noch eine Auflösung von 24 m haben.

Etwas über der Vorbeiflugstelle liegt in 35.800 km Distanz die geostationäre Bahn, in der es zahlreiche Wettersatelliten gibt. Die sind rund siebenmal näher dran als Teleskope auf der Erde. Aber ihre Kameras sollen die Großwetterlage abbilden, keine Details. Sie haben eine geringe Auflösung. Die ABI Kamera des neuesten US-Wettersatelliten GOES-16 hat eine Auflösung von minimal 0,5 km bei Erdaufnahmen. In optimaler Position könnte sie Apophis mit 67 m Auflösung abbilden, das wäre natürlich viel zu grob.

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