Zwei Beispiele für eine Clusterung

Loading

Ich schließe an meinen letzten Artikel zu dem Thema an, in dem ich mich mit den Möglichkeiten befasst habe, eine Rakete der Nutzlast anzupassen. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus ist die Clusterung, also das Bündeln identischer Raketen, die beste Option:

  • Ich reduziere die Zahl der benötigten verschiedenen Stufen.
  • Dadurch sinken bei der Entwicklung die Kosten, da weniger Stufen entwickelt werden müssen.
  • In der Produktion sinken die Kosten, weil man eine größere Stückzahl produziert und so die Stufen wirtschaftlicher fertigbar sind.
  • Theoretisch steigt auch die Zuverlässigkeit da ich weniger verschiedene Subsysteme habe die Probleme machen können.

Praktisch wird die reine Clusterung (ohne Oberstufe) nur bei zwei Stufen sinnvoll sein. Der Grund dafür ist relativ einfach: Bei LOX/Kerosin, aber auch LOX/Methan liegt das ideale Stufenverhältnis im Bereich 5 bis 6, das heißt eine Zentralstufe (die als zweites gezündet wird) wird von 5 bis 6 weiteren Stufen umgeben. Mit drei Stufen käme man schon im nächsten Ring auf 25 bis 36 Stufen. Das sind dann so viele Einzelraketen, das zum einen neue Probleme auftauchen. Raketen können ausfallen, die Wahrscheinlichkeit ist bei 30 Raketen natürlich viel größer als bei zwei oder sechs. Bei getrennten Stufen kann man zwar Triebwerke abschalten, aber der nicht verbrannte Treibstoff bleibt übrig und erhöht drastisch die Brennschlussmasse. Dann ist es auch so, dass man aus wirtschaftlichen Gründen an eine einzige größere Stufe denken kann. Zwar sind mehr Stufen durch die Serienfertigung günstiger, aber eine größere Stufe ist es auch. Nur bei einer kleinen Startzahl pro Jahr, wie sie zum Beispiel derzeit bei der SLS gegeben ist wäre dies deutlich preiswerter.

Zwei Stufen reichen aber bei mittelenergetischen Treibstoffen problemlos aus, um einen LEO zu erreichen. Bei GTO-Missionen oder Missionen, die noch mehr Energie benötigen, nimmt dann die Nutzlast aber bei nur zwei Stufen deutlich ab. Wasserstoff als Verbrennungsträger in allen Stufen wäre eine Alternative, da die Ausströmgeschwindigkeit höher ist, aber dafür sind die Stufen erheblich teurer.

PPH Konzept

Ich will als Beispiel für eine Realisierung zwei Beispiele zeigen. Das erst lehnt sich an das bei der Entwicklung der Ariane 6 eine zeitlang verfolgte PPH Konzept. Aus technischer Sicht wirkt es nicht elegant, aber aus wirtschaftlicher Sicht machte es durchaus Sinn. Beim PPH-Konzept sagen schon die Abkürzungen wie es aufgebaut ist: Jeder Buchstabe steht für eine Stufe und die sind nach den französischen Namen für Pulver und Wasserstoff benannt also zweimal Feststoffraketen und eine Wasserstoff nutzende Stufe als Oberstufe.

Gegenüber der Ariane 62/64 wie sie nun zum Einsatz kommt, hat man eine Stufe weniger zu bauen/entwickeln und die Feststoffbooster kommen aus höhere Stückzahlen, da sie nun die technisch überlegene Zentralstufe mit dem Vulcain ersetzen müssen. Gleichzeitig sind sie bedeutend billiger in der Fertigung. Ich denke das PPH Konzept war ein Opfer Politik: es sollen ja alle beteiligten Länder Aufträge in der Größenordnung zurückbekommen, wie sie investieren. Italien und Frankreich haben die modernen Feststoffboostern für die Vega zusammen entwickelt. Italien hat den Hauptanteil der Finanzierung der Vega und baut auch die Feststoffraketen. Würde man das PPH Konzept umsetzen, so müsste sich Italien stärker als bisher beteiligen und Deutschland, bisher mit 30 Prozent an Ariane behelligt bliebe nur die Integration der Oberstufe was nicht 30 Prozent der Kosten ausmacht, denn der Antrieb kommt von Frankreich.

Ich habe eine Neuauflage des PPH-Konzeptes durchgerechnet. Dabei habe ich den P120C Booster mit den Daten der Vega als Bündelungsstufe genommen. Für die Zentralstufe habe ich noch 1 t Masse hinzugerechnet, das ist für den größeren Stufenadapter zur Oberstufe und ein Vibrationsdämpfungssystem.

Die Oberstufe basiert auf dem damaligen PPH Konzept: dabei gab die ESA eine Ausschreibung heraus, in der einige Massen genannt wurden. Damals sollte sie 30 bis 36 t Treibstoff aufnehmen und etwa 4 t ohne Treibstoff wiegen. Das ist deutlich besser als bei der heutigen Stufe und liegt daran, dass sie nicht an den Durchmesser der Ariane 6 Kernstufe mit 5,40 m anschließen muss, sondern den für diese Treibstoffzuladung günstigsten Durchmesser von 4 bis 4,4 m hatte. Ich habe mich für 30 t Treibstoff entschlossen und die Trockenmasse sogar auf 5 t erhöht.

Geometrisch passen bis zu sechs Booster um die Kernstufe. Sicher abheben kann sie mit drei Boostern (die Kernstufe wird immer als zweite Stufe gezündet, da die Brenndauer bei Feststofftriebwerken nur in geringem Maße variierbar ist und es sonst eine zu starke Beschleunigungsspitze gäbe). Ich habe trotzdem eine Konfiguration mit zwei Boostern angegeben. Damit diese sicher abhebt habe ich in der Simulation die Brenndauer von 135,6 auf 120 Sekunden erniedrigt. Das ist bei Feststofftriebwerken durch Variation der Geometrie des Treibsatzes durchaus möglich. Dies ist aber nur wegen der Simulation so nötig, denn die Simulation arbeitet mit einem konstanten Schub. In der Realität ist er variabel und zwar startet der Booster nahezu mit maximalem Schub und er nimmt dann im Laufe der Zeit ab. Der P120C hat einen Maximalschub von über 3.500 kN aber ich rechne nur mit dem mittleren Schub von 2.658 kN.

Die Nutzlastverkleidung der Ariane 5 wurde übernommen.

Hier die Nutzlasten in den GTO für die Typen:

Version Nutzlast (GTO)
2 Booster 4.500 kg
3 Booster 6,700 kg
4 Booster 9,000 kg
5 Booster 11.000 kg
6 Booster 12.600 kg

Wie man sieht steigt die Nutzlast nicht linear an. Anfangs bringt der neue Booster eine deutliche Nutzlaststeigerung, später nur wenig. Das liegt daran, dass er durch die immer höhere Startbeschleunigung auch die Aufstiegsverluste reduziert. Sie liegen bei zwei Boostern bei 1.920 m/s, bei sechs sind es nur 1.245 m/s. Die Clusterung offeriert so einen breiten Nutzlastbereich der fast den Faktor 3 abdeckt. Die größte Version schließt in der Nutzlast zur Ariane 64 auf, die 2-3 Boostervarianten liegen bei der Ariane 62, es gibt aber zwei weitere Zwischenstufen.

Prometheus Rakete

Das zweite Beispiel soll zeigen wie man Clusterung gut mit einer Stufenverlängerung kombinieren kann. Derzeit wird ja das Prometheus Triebwerk entwickelt. Es war mal für 1.000 kN Schub konzipiert, erreicht nun aber 1.200 kN. Es soll die Basis einer zweiten Rakete sein. Auch hier benötigt man eine Oberstufe. Ich habe mich für das Mira Triebwerk entscheiden das mit derselben Treibstoffkombination LOX/LNG arbeitet. Zuerst will ich mal zeigen, wie ich zur Basisrakete komme.

Ich nehme an, dass die 1.200 kN Schub die Angabe fürs Vakuum sind. Für die maximale Startmasse ist wesentlich, wie hoch der Bodenschub ist. Ich nehme ihn zu 1.100 kN an. Bei einer Mindeststartbeschleunigung von 12,3 m/s, entsprechend 1,25 g, einem etablierten Standard, darf die Rakete beim Start 1.100 kN/ 12,3 m/s = 89.400 kg schwer sein.

Die Nutzlast schätze ich aus Erfahrung auf 2.000 bis 2.500 kg. Die Nutzlasthülle soll 1.500 kg wiegen, das ist für diese Nutzlast viel zu groß, aber sie soll ja auch noch bei den größeren Raketen zu den größeren Nutzkasten passen. Das lässt 85.400 kg für die Rakete übrig. Ich habe mich für 15,4 t für die Oberstufe und 70 t für die Basisstufe entschieden. Die Oberstufe ist eigentlich zu groß, aber sie soll ja auch zu den größeren Raketen passen. Die Trockenmasse kann man bei der Basisstufe leicht abschätzen. Ich habe sie auf 4,5 t angesetzt. Etwas schwieriger ist es bei der Oberstufe, weil diese ein relativ schweres Triebwerk und eine ungünstige Geometrie hat. Ich setzte sie hier zu 2 t an. Dazu käme noch ein Stufenadapter der 0,5 t wiegt.

Hier sind die wesentlichen Daten der Rakete:

Rakete: Prometheus Cluster 1

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil
[Prozent]
Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]

89.100

2.200

8.411

1.321

2,47

130,00

400,00

400,00

Startschub
[kN]
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]

1.100

5

0

1.500

250

90

5

20

0

Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez. Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]

1

1

70.000

5.000

3.531

1100,0

1200,0

191,26

0,00

2

1

15.400

2.000

3.570

98,0

98,0

488,14

193,00

Die Nutzlast von 2,25 t für eine 400 km hohe sonnensynchrone Bahn liegt im Bereich der Schätzungen. Die maximale Beschleunigung erreicht man bei Brennschluss des Prometheus, sie beträgt 46,4 m/s, liegt also noch unterhalb von 5 g.

Nun könnte man die Rakete einfach erweitern, indem man die erste Stufe clustert. Maximal sechs gehen in einen Ring um die erste Stufe. Doch dann steigt diese Spitzenbeschleunigung an. Kleine Überschlagsrechnung: sechs weitere Booster liefern 6.600 kN Startschub. Sei addieren aber nur 420 t Masse, von denen bei Brennschluss noch 27 t übrig bleiben. Zusammen mit der Oberstufe und (geschätzt) 10 t Nutzlast sind das 57,4 t Masse bei einem Schub im Vakuum von 8400 kN also eine Beschleunigung um 146,3 m/s.

Nun ist das Prometheus im Schub absenkbar, doch das ist die schlechtere Lösung. Die Brenndauer verlängert sich und damit die Gravitationsverluste.

Die bessere Lösung ist es, die Tanks der Zentralstufe so zu verlängern, dass diese bei Brennschluss noch so gefüllt sind, dass 6 g unterschritten werden. Bei den anderen Modellen sind sie dann nur zum Teil gefüllt. Das ist deswegen die bessere Möglichkeit, weil Tanks bei Flüssigkeiten mit hoher Dichte relativ leicht sind. Die Superhevay ist ebenfalls eine LOX/LNG Stufe, ihre Tanks wiegen 80 t und fassen 3.400 t Treibstoff, das ist nur ein 43,5-stel der Masse des Inhalts.

Es gibt zwei Grenzwerte für die Zuladung an Treibstoff. Der erste ist, dass die Beschleunigung von 6 bei Brennschluss nicht überschritten werden darf. Der zweite, dass auch die Startbeschleunigung nicht unter 12,3 m/s fallen sollte. Ich habe dies einmal für die größte Version durchgerechnet.

Damit bei Brennschluss der Booster die Rakete 58 m/s Beschleunigung (~6 g) nicht überschreitet, darf sie beim Brennschluss nicht weniger als 144,1 t wiegen (7 x 1.200 kN / 58,3 m/s) Zieht man 10 t für die Nutzlast, 15,4 t für die Oberstufe und 1,5 t für die Nutzlasthülle ab, so sind das 117,2 t für die untere Sektion, davon entfallen 6 x 4,5 t auf die Leermassen der Booster und 5 t auf die Zentralstufe. Die Zentralstufe muss also 85,2 t mehr wiegen, davon entfallen 2 t auf die Tanks und 83,2 t auf den Treibstoff.

Beim Start beträgt der Schub 7.700 kN (7 x 1.1100 kN) geteilt durch 12,3 m/s Mindestbeschleunigung ist man bei 626 t Startmasse, zieht man die 6 Booster (je 70 t), Oberstufe und Nutzlast ab, so bleiben 179,1 t für die Zentralstufe, was 108,6 t mehr sind. Also nochmals 20 t mehr. Ich habe mich für die kleinere Variante entschlossen, da eine höhere Brennschlussmasse unkritischer als eine höhere Startmasse ist und ich noch etwas Spielraum für schwerere Nutzlasten und eine ebenfalls mögliche Verlängerung der Oberstufe haben will.

Bei der Version mit gar keinen Boostern hat man dann eine um 2 t höhere Leermasse, aber nicht mehr Treibstoff. Doch typisch wirkt sich die erste Stufe nur mit dem Faktor 1/4 bis 1/5 auf die Nutzlast aus, das sind nach genauer Berechnung 386 kg weniger Nutzlast, was sich aber nur bei der kleinsten Version drastisch auswirkt (2,256 zu 1,870 t)

Booster Masse Zentralstufe Nutzlast (400 km SSO)
Keiner 72 t 1,87 t
1 87 t 6,7 t
2 100 t 11,7
3 115 t 17 t
4 130 t 22,3 t
5 145 t 27,4 t
6 155,2 t 32 t (14 t in den GTO)

Die Nutzlast steigt drastisch an, auch weil immer die letzte Stufe in den Orbit kommt und deren Trockenmasse von 2 t macht bei 1,87 t Nutzlast natürlich viel mehr aus als bei 32 t Nutzlast.

Theoretisch könnte man nun auch anfangen, die Oberstufe zu verlängern und dafür wieder etwas der Erststufenverlängerung einzusparen, ich habe, weil es dann doch recht unübersichtlich wird, draauf verzichtet auch, weil eine verlängerte Oberstufe bei der kleinsten Version deutlich Nutzlast kostet und diese Version liegt schon nicht so hoch in der Nutzlast. Sieht man dagegen nur Versionen mit Boostern vor, so wäre dies eine weitere Optimierungsmöglichkeit.

Der wichtigste Vorteil ist eine hohe Stückzahl. Nehmen wir an, dies Konzept wäre ein Ersatz für alle Raketen ,die im CSG derzeit verwendet werden, dann würde die Version ohne Booster die Vega ersetzen (3 Starts pro Jahr angenommen), die Version mit einem Booster die Sojus (2 Starts pro Jahr angenommen). Die Versionen mit 3 oder 4 Boostern wären geeignet für den Einzelstart von mittelschweren und schweren Kommunikationssatelliten (je 5 pro Jahr). Man käme so auf 36 Booster pro Jahr und 15 Oberstufen und das bei einer konservativen Annahme der Startfrequenz. Anstatt 11 verschiedenen Stufen würde man nur zwei brauchen. Die hohe Stückzahl würde die Kosten drücken und die verschiedenen Versionen geben Flexibilität. Dabei habe ich nicht mehr Starts angenommen, als es bei den bisherigen Typen gab. Durch niedrigere Preise könnten durchaus weitere Starts dazu kommen.

Das Grundproblem für Europa bleibt aber: die Reduktion der Stufenzahl führt dazu, dass es Probleme mit dem „geographical return“ gibt. Sofern man dieses System nicht reformiert, wird es schwierig mit solchen Konzepten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.