Einsatzgeschichte der Saturn I (Fortsetzung)

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Heute als Vorgängerin der Saturn IB und des Apolloprogramms fast vergessen, war die Saturn I ein wichtiger Zwischenschritt bei der Entwicklung der Saturn V. Dies ist eine Übersicht über ihre Starts. Der folgende Text entstammt meinem Buch über die Saturn Trägerraketen. Das gibt es überall im Handel, bei meinem Verlag BOD und bei Amazon. Dies ist der zweite Teil, der die Starts mit Oberstufen behandelt. Teil 1 erschien vor zwei Tagen und auf der Website findet man beide Teile auch als gemeinsamen Artikel.

Die Starts mit Oberstufe SA-4

Die folgenden Flüge fanden vom Startkomplex 37B statt. Er war ur­sprünglich als Absicherung für einen Fehlstart bei Komplex 34 erbaut worden, für den Fall, dass dieser Komplex zerstört wird. Die Startanlagen von LC-37 wurden dann aber wesentlich größer als die von LC-34. Der bewegliche Startturm mit vier Aufzügen wog alleine 4.700 t und war 86 m hoch.

SA‑5 war der erste Einsatz der Oberstufe S‑IV. Dafür fehlte aber die Nutzlast. Man hatte die S‑IV nur mit der Spitze einer Jupiter-Mittelstreckenrakete versehen, um die Aero­dynamik zu verbessern. Sie war 50 m hoch, kürzer als die späteren Versionen mit 57,5 m Höhe. Im Vorfeld, wenige Tage vor dem geplanten Start, kam es zur Explosion einer S‑IV bei einem Bodentest. Der Zwischentankboden war gebrochen. Wie sich herausstellte, lag dies an einer zu hohen Druckbeauf­schlagung durch den Teststand. Die Druckbeaufschlagung der Saturn im Cape wurde geprüft, aber der Vorgang hatte keine Auswirkung auf den Start. Der Flug musste wegen eines eingerissenen Flansches beim Befüllen um zwei Tage verschoben werden. Schließlich hob SA‑5 am 29.1.1964 ab.

Neben den schubstärkeren H‑1 Triebwerken wurde auch die S-I verlängert, sodass sie 31 Prozent mehr Treibstoff aufnehmen konnte. Weiterhin wurden Finnen an die Basis montiert, die bisher fehlten.

Erstmals erreichte eine Saturn einen Orbit. Sie war besonders gut instrumentiert. 1.183 Messparameter wurden zum Boden übertragen. Acht Kameras in der Rakete wurden in versiegelten Behältern nach der Stufentrennung abgetrennt und später geborgen. 21 Kameras am Boden filmten den Aufstieg. Nach 147,2 s be­gann die Stufentrennung. Zuerst mit dem Zünden der Ullageraketen der S‑IV, dann mit dem Zünden der Retroraketen der S‑IB und explosiven Sprengladungen und führten zur Durchtrennung der Verbindung. Die S‑IV arbeitete tadellos und schaltete sich nach 8 Minuten ab, als die IU signalisierte, dass der Orbit erreicht war. Die Filmkapseln in den verschlossenen Be­hältern, die sich nach Stufentrennung von der ersten Stufe lösten, wurden bis auf eine verlorene Kamera 800 km vom Cape entfernt im Atlantik geborgen.

Zusammen mit dem Ballast erreichten rund 17 t den Orbit, eine elliptische Erd­umlaufbahn mit einem Perigäum in 264 und einem Apogäum in 741 km Höhe. Das war die bis dahin größte Masse im Orbit. Die Kombination war, da es keine Trennung von der zweiten Stufe gab, 24,4 m lang. Ebenfalls ein Rekord, der im damaligen politischen Klima gefeiert wurde.

Die Startrate nahm nun zu. Nachdem es bisher fünf bis sechs Monate Pause zwischen den Starts gab (zwischen dem letzten Block I Flug SA‑4 und dem ersten Block II Flug SA‑5 sogar zehn Monate), startete die nächste Mission SA‑6 schon vier Monate später. Allerdings musste der Start wegen verschiedener Probleme dreimal ver­schoben werden.

Erstmals hatte die Rakete eine „echte“ Nutzlast. Es war das Boilerplate 13 des Apolloraumschiffs, ein Massenmodell von 7.700 kg Gewicht. North American fertigte 40 Boilerplates für verschiedene Tests. Dieses war eines davon. Das Modell hatte keine funktionierenden Systeme, aber 116 Sensoren an verschiedenen Stellen, welchen den Druck, Temperatur und andere Einflüsse während des Starts maßen. Aufgrund dessen, das es erstmals eine Nutzlast für das Apollprogramm gab, gibt es auch eine zweite Bezeichnung für diesen Flug: A-101 mit „A“ für Apollo. Dazu kam das Launch Escape System, das aber ebenfalls nur eine Attrappe war.

Nach drei Startversuchen hob SA‑6 am 28.5.1964 ab. Nach 116,1 s schaltete sich Trieb­werk #8 ab. Das war nicht Bestandteil des Testprogramms. Die anderen Triebwerke kompensierten den Ausfall und arbeiteten 2,7 s länger. Das Raumschiff gelangte in einen 182 × 227 km hohen Orbit. Die Kapsel funkte vier Stunden lang Messwerte zu den Bodenstationen, bis die Batterie entladen war. Sie verglühte durch den niedrigen Orbit nach wenigen Tagen am 1.6.1964 beim Wiedereintritt. Die Ursache für den Ausfall des Triebwerks konnte rasch gefunden werden. Ein Zahn des Ge­triebes der Apparatur, welches das Schmiermittel bereitstellte, war abgebrochen. Dies hielt das Testprogramm nicht auf, da diese Konstruktion sowieso durch eine neue, weniger anfällige, ersetzt werden sollte.

SA‑7 war, was die Saturn anging, eine Wiederholung von SA‑6. Die wichtigsten Änderungen betrafen das Apollo-Raumschiff, erneut ein Boilerplate, diesmal BP‑15. Es gab zusätzliche Sensoren an einer der RCS-Düsen, sodass die Zahl der Messwerte vom Modell auf 136 anstieg. Weiterhin war der Fluchtturm nun ein funktionsfähiges Exemplar. Eine weitere Änderung gab es. Bisher war die Mission vorprogrammiert, was den Ablauf der Ereignisse anging. Der Ablauf wurde durch einen Magnetbandrekorder mit 33 Spuren gesteuert, der die genaue Abfolge enthielt. Nun erhielt der Computer die Fähigkeit, das die Abfolge während des Flugs durch Funkkommando verändert werden konnte.

Die Stufen kamen am 6 und 12. Juli 1964 an. Bei der Überprüfung entdeckte man aber einen Haarriss an einem der Triebwerke der S-I. Gemäß den strengen Qualitätsstandards mussten alle acht Triebwerke demontiert und zum Hersteller Chrysler zur Überprüfung verschifft werden. Jede Demontage eines Triebwerks dauerte 10 Stunden. So hielt dies den Start um zwei Wochen auf. Ursache war Stresskorrosion, die man schon bei Chrysler bei den Vorbereitungen von SA‑5 beobachtet hatte. Die Rakete blieb am Serviceturm, als am 28.8.1964 der Wirbelsturm „Cleo“ mit Windgeschwindigkeiten von 110 km/h über das Cape zog.

Der Start von SA‑7 mit der Alternativbezeichnung A-102 erfolgte am 18.9.1964 ohne Probleme. Nach 147,7 s wurde die S-I abgeschaltet, nach 148,4 s erfolgte die Stufentrennung und nach 149,4 s hatte die S‑IV gezündet. Als neues Ereignis wurde nach 160,7 s der Fluchtturm durch seine eigene Rakete abgetrennt. Nach 621,2 s erreichte BP-15 einen 212,7 × 226,5 km Orbit. Über fünf Stunden gab es Messwerte vom Raumschiff, bis die Batterien entladen waren. Am 22.9.1964 verglühte BP-15 beim Wiedereintritt.

Damit war offiziell das Saturn I Testprogramm abgeschlossen und die Saturn I wurde für operationell erklärt. Es waren aber noch drei weitere Saturn I in der Produktion, diese sollten noch gestartet werden.

Da SA‑9 weiter in der Produktion fortgeschritten war als SA‑8, wurde dieser Start vorgezogen. Nutzlast war wie zuvor ein Boilerplatte des Apollo CSM, diesmal jedoch nur 4.500 kg schwer. Dazu kam ein Pegasussatellit, der fest mit der S‑IV verbunden war. Der Satellit bestand im Wesentlichen aus zwei Flügeln, belegt mit einer Aluminiumfolie. Sie wurden im Orbit entfaltet und hatten dann eine Fläche von 29,3 × 4,3 m². Zusammengefaltet war der Satellit 5,1 m breit, 2,1 m weit, aber nur 28 cm hoch. Damit passte er in den Adapter, der zwischen dem Durchmesser der S‑IV von 5,5 m und dem Durchmesser des Apollo Servicemoduls von 3,91 m vermittelte. Das Boilerplate wurde im Orbit zuerst abgetrennt. Eine Minute später wurden die Sammel­flächen des Pegasus entfaltet.

Obwohl von den zwölf Zielen des Flugs nur eines auf den Pegasus-Satelliten entfiel, hatte dieser Priorität. Er hielt, da er in der Produktion zurücklag, den Flug um drei Monate auf. Die wissenschaftliche Fragestellung von Pegasus war, wie häufig Mikro­meteoriten im Weltall vorkamen. Dazu gab es zwei Metallflächen auf den Flügeln. Ein auftreffendes Staubteilchen verdampfte beim Auftreffen auf die äußere Folie und verdampfte beim Einschlag auch Metall. Damit erzeugte es eine Entladung (Kurzschluss) auf der zweiten Folie, da kurzzeitig ein elektrischer Kontakt bestand. So konnten Teilchen zwischen 0,1 Mikrogramm und 0,1 Milligramm Masse detektiert werden. Die untere Grenze war gegeben durch die Auslegung der Raumanzüge. Darunter wären Teilchen in jedem Falle ungefährlich. Die obere Grenze war die minimale Masse, ab der Meteoriten fotografisch als Sternschnuppe noch detektiert werden konnten. Oberhalb dieser Masse war die Gefahr von den Beobachtungen des Sternenhimmels durch Astronomen schon bekannt.

Die Frage war nicht nur akademischer Natur, sondern betraf auch die Auslegung der Apollo-Raumanzüge, die gegen diese Teilchen schützen sollten. Um eine möglichst lange Lebensdauer des Satelliten zu ermöglichen, wurde ein hoher Orbit angestrebt. SA‑9 setzte am 16.2.1965 Pegasus 1 in einer 500 × 723 km hohen Umlaufbahn aus. Der Satellit lieferte die geforderten Daten, auch wenn es Probleme gab. Er taumelte durch den Resttreibstoff der S‑IV um seine Achse und das Auslesen seiner Speicher machte Probleme. Immerhin 70 Einschläge wurden in den ersten zwei Wochen detektiert. Trotzdem glaubte keiner, dass der Satellit das geforderte Jahr durch­halten würde. Er übertraf diese Dauer und wurde erst am 29.8.1968 ab­geschaltet, noch immer funktionsfähig. Pegasus 1 verglühte am 17.9.1978, das Boilerplate, das einen geringeren „Luftwiderstand“ hatte, blieb sogar bis zum 10.7.1985 im Orbit.

Die beiden folgenden Flüge SA‑8 mit Apollo Boilerplate 26 (auch A-104) und SA‑10 (alternative Bezeichnung: A-105) mit Boilerplate 9A, und den beiden Satelliten Pegasus 2 und 3 waren eine Wiederholung von SA‑9. SA-8 war der erste Nachtstart einer Saturn. Bei SA‑10, dem letzten Start der Saturn I, herrschte Hektik, den die NASA wollte ab August 1965 das Launchpad 37 für die Starts der Saturn IB umbauen. Wollte man die letzte Saturn I also noch starten, so musste dies vorher erfolgen. Der Start von SA‑10 erfolgte am 30.7.1965, un­mittelbar vor der Deadline. 4.400 kg der Startmasse entfielen auf das Boilerplate. Es wurde ein nahezu kreisförmiger Orbit von 516 × 537 km Höhe erreicht. Pegasus 3 verglühte als erster Pegasus-Satellit am 4.8.1969, Boilerplate 9A erst am 22.11.1975, als schon die Apollo-Sojus-Testmission beendet war.

Der letzte Pegasussatellit hatte zusätzlich 352 Materialproben an Bord. Man nahm an, dass diese Proben von einem Geminiraumschiff geborgen werden könnten. Bei einer EVA sollten die Materialproben durch einen Astronauten geborgen werden. Probleme im Geminiprogramm mit den GATV führten dazu, dass es nicht dazu kam. Doch der Pegasus-Satellit lieferte bis zum Verglühen am 4.8.1969 Daten. SA‑8 war nur kurz vorher am 4.7.1965 in einen etwas zu exzentrischen Orbit (Apogäum in 739 anstatt 530 km Höhe) aufgrund kleinerer Probleme beim S‑IV-Antrieb befördert worden. Damit hatte die NASA erstmals zwei Saturn in einem Monat gestartet. Pegasus 1 und 2 wurden 1 am 29.8.1969 abgeschaltet. Die Satelliten lieferten die Erkenntnis, dass Mikrometeoriten keine Gefahr für Astronauten waren wenn sie auf dem Mond mehrere Tage arbeiteten.

Pegasus 2 verglühte am 3.11.1979, das mitgestartete Boilerplate 26 als letzte Apollohardware im Orbit, sogar erst am 8.7.1989.

 

Datum

Nutzlast

Trägerrakete

Startplatz

Träger­nummer

Nutzlast

27.10.1961

Ballast

Saturn I

CC LC-37B

SA‑1

25.04.1962

Highwater II

Saturn I

CC LC-37B

SA‑2

16.11.1962

Highwater II

Saturn I

CC LC-37B

SA‑3

28.03.1963

Ballast

Saturn I

CC LC-37B

SA‑4

29.01.1964

Jupiter Nosecone

Saturn I

CC LC-37B

SA‑5

8.168 kg

28.05.1964

Apollo BP-13

Saturn I

CC LC-37B

SA‑6

7.700 kg

18.09.1964

Apollo BP-15

Saturn I

CC LC-37B

SA‑7

7.800 kg

16.02.1965

Pegasus 1 / Apollo BP-16

Saturn I

CC LC-37B

SA‑9

10.500 kg

25.05.1965

Pegasus 2 / Apollo BP-26

Saturn I

CC LC-37B

SA‑8

10.500 kg

30.07.1965

Pegasus 3 / Apollo BP-9A

Saturn I

CC LC-37B

SA‑10

10.206 kg

One thought on “Einsatzgeschichte der Saturn I (Fortsetzung)

  1. Danke für diesen Einblick ins Buch.
    Ich finde es immer wieder bemerkenswert, dass die Saturn I bereits 1961 geflogen ist.

    „Die Ursache für den Ausfall des Triebwerks konnte rasch gefunden werden. Ein Zahn des Ge­triebes der Apparatur, welches das Schmiermittel bereitstellte, war abgebrochen.“
    Ich frage mich, wie man sowas im Nachhinein feststellt. Da wird es ja kaum Sensoren für geben.

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