Rekorde des Starships 1
Das Starship ist noch in der Testphase, aber es hat schon einige Rekorde aufgestellt. Klar, jedem fallen da einige spektakuläre Ereignisse ein, wie das Einfangen der SuperHeavy am Turm beim letzten Test. Aber ich will mal den Fokus auf die Dinge lenken, die nicht so spektakulär waren. Der Artikel ist so lang geworden, das heute nur der erste Teil erscheint, der zweite Teil dann morgen.
Rekordstart an Teststarts
Nach den Ankündigungen wird mit Sicherheit auch der nächste Start ein Teststart sein. Wie es danach weitergeht, ist noch nicht bekannt. Wikipedia führt weitere Tests auf, diesmal für die NASA, wo ja für das Artemisprogramm der Treibstofftransfer klappen müsste. Die Artemis III Mission sollte ja eigentlich dieses Jahr stattfinden, wurde von der NASA aufgrund der Verzögerungen des Starships aber schon auf 2027 verschoben.
Es sind dann sechs Teststarts. Den Rekord an Teststarts stellt bisher die Atlas-Centaur. Bei ihr waren fünf Teststarts vorgesehen, es wurden dann aber sieben. Drei Starts erreichten nicht den Orbit und bei zwei weiteren gab es Probleme mit der Wiederzündung der Centaur. Mit zwei weiteren Tests hat das Starship diesen Rekord eingestellt.
So viele Teststarts sind heute außergewöhnlich. Lebst für SpaceX. Bei der Falcon 1 waren zwei Teststarts vorgesehen, es wurden dann vier, bei der Falcon 9 waren es zwei Teststarts.
Rekordzahl an Tests die nicht den Orbit erreichten
In der Frühzeit der Raumfahrt musste ein Teststart nicht unbedingt einen Orbit erreichen. Militärische Raketen erreichten ihn sowieso nicht, wurden aber inkrementell entwickelt. Diese Art der Entwicklung ist also keine Erfindung von SpaceX. Das heißt, man startete zuerst die erste Stufe alleine, die zweite Stufe die meist komplexer ist kam später und zuletzt das Steuersystem. Danach ging es darum die Genauigkeit zu steigern.
So wurde auch bei einigen Trägerasketen verfahren, wie der Saturn I und die Europa Rakete. Seit den Siebziger Jahren fällt mir aber keine Rakete mehr ein, die einen Orbit erreichen könnte und dies bei den Testflügen nicht vorhatte. Selbst bei Tests für Gemini und Apollo, wo man nachdem man einen Orbit erreicht hatte, diesen meist sofort wieder verließ, um den Wiedervereint zu testen, verzichtet man nicht darauf, doch zuerst den Orbit zu erreichen.
Die Frage ist natürlich, warum SpaceX dies tut. Die Antwort ist relativ einfach. Es vereinfacht die Mission. So geht das Starship an einem Punkt nieder, den man vor dem Start berechnen kann und den man wenn die Abweichungen beim Aufstieg und Wiedereintritt nicht zu hoch sind, auch recht präzise erreicht. Es ist im Prinzip die Flugkurve einer ballistischen Rakete. Die letzte ICBM (ballistische Rakete) die die USA entwickelten – und das ist auch schon über 30 Jahre her – erreichte eine CEP – der Radius in dem 50 Prozent aller Raketen niedergehen von 40 bis 90 m. Das ist genau genug um mit wenigen Korrekturen einen Landepunkt anzufliegen. Daneben ist dieser Landepunkt ja nicht fest, sondern willkürlich im Ozean festgelegt. Das Starship muss also nicht die Bahn nach Brennschluss anpassen, um ihn zu erreichen. Eine Abweichung fällt so nicht auf.
Würde sie einen Orbit erreichen, so wäre das deutlich komplexer, denn die Erde dreht sich ja unter ihr hinweg. Mit etwas Aufwand könnte sie nach einem Umlauf wieder am Startpunkt landen, danach – sofern sie nicht viel Treibstoff für das Verschieben in der Bahn verbraucht hat sie Chancen alle 12 Stunden zu landen. Anders als das Space Shuttle hat sie nur eine geringe Querreichweite, kann also nur bedingt den Kurs beim Wiedereintritt ändern. Während der ganzen Zeit bewirken kleine Unregelmäßigkeiten beim Bahneinschuss eine immer größere Abweichung von der idealen Position für ein Verlassen des Orbits, die durch Korrekturen vernichtet werden müssen. Dazu kommen bei einem Schiff dieser Größe und den angestrebten niedrigen Orbits von 200 km Höhe oder weniger der Luftwiderstand der es schon im Orbit abbremst. Das alles setzt die Landegenauigkeit herab.
Vor allem ist so die Zündung eines Raptors in der Schwerelosigkeit nötig. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, das muss ein Raptor auch bei GTO-Missionen, bei Flügen zu Mond oder Mars können. Wie wir an der Falcon 9 Oberstufe sehen, ist das aber nicht so trivial. Sie hat damit nicht nur bei den letzten Missionen Probleme, sondern das klappte auch beim ersten Test beim Starship nicht. Bei den derzeitigen Flügen werden drei der Triebwerke der Superheavy nach Brennschluss nicht abschaltet, sowohl die Raptors des Starships, wie auch die anderen Triebwerke der SuperHeavy die dann erneut gezündet werden, tun dies also bei einer geringen Beschleunigung die ausreicht die Treibstoffe zu sammeln.
Bei der Landung selbst findet das Zünden erst in der Atmosphäre statt, wo die Superheavy alleine durch den Luftwiderstand nicht schwerelos ist. Auch hier reicht die geringe Abbremsung aus, den Treibstoff am Boden der Tanks zu sammeln.
Rekordzahl an Flügen ohne echte Nutzlast
Wenn man einen Orbit bei einem Testflug anstrebt, kann man auch etwas mitnehmen. Die Konzepte sind da unterschiedlich und hängen auch damit zusammen wie viel Risiko man denkt, dass der Testflug hat. Die einfachste Möglichkeit ist einfach nur Masse mitzuführen. Also zum Beispiel einen Block mit dem Gewicht und der Gewichtsverteilung einer Nutzlast. Das liefert zum einen Daten welche Belastungen die Nutzlast ausgesetzt ist aber auch ob es Risiken gibt, sie zum Beispiel durch Schwingungen der Hülle zu nahe kommt. Vor allem kann man mit Ballast – der meist etwas leichter als die nominelle Nutzlast ist – genauer die Nutzlast für den Zielorbit bestimmen, als wenn eine leere Rakete frühzeitig Brennschluss hat und dann noch Treibstoff in den Tanks zurücklässt, schon alleine, weil die Aufstiegskurve dann eine andere ist.
Die nächste Stufe ist es etwas mitzuführen, aber kostenlos mit der Ansage das es riskanter ist. Das ist heute bei Testflügen der Normalfall, da werden dann meist einige Cubesats oder Mikrosatelliten mitgeführt, so auch beim Ariane 6 Testflug im Juli.
Dann kann man noch dazu übergehen, den Testflug kommerziell zu verkaufen, dafür aber meist mit Abschlägen, weil es eben ein Test ist. Das macht man nur, wenn man sicher ist das er klappt. Das war so bei den ersten beiden Delta 3 Starts und den Jungfernflügen von Ariane 4 und 5E.
SpaceX hat in den Tests der Falcon 1 und 9 alle drei Strategien gefahren. Die ersten beiden Tests der Falcon 1 wurden vond er USAF für den Transport von Mikrosatelliten bezahlt, dank der Tatsache wissen wir auch mehr über die skurrilen Vorkommnisse bei diesen Testflügen weil so SpaceX einen Report veröffentlichen musste. Die nächsten beiden erfolgten dann mit Ballast.
Der erste Falcon 9 Testflug fand mit Ballast stat, der zweite mit einem Modell der Dragon. Der dritte war bezahlt und sollte neben dem Erdbeobachtungssatelliten Casiopeia auch Cubesats nach einer Wiederzündung aussetzen, was scheiterte.
Beim Starship macht man sich nach fünf Tests immer noch nicht daran, einen Orbit zu erreichen und somit sind die Tests auch ohne Nutzlast.
Neue skurrile Fehlerursachen
Starts können scheitern. Anfangs sind es oft versteckte Fehler die erst bei den Tests herauskommen, später meist Fehler bei der Produktion. Fehler die offensichtlich vermeidbar sind, sind besonders peinlich. SpaceX war schon früher ein Beispiel für skurrile Fehler. Fehler, bei denen man die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, warum diese vorkommen. Der zweite Start der Falcon 1 scheiterte, weil die Firma meinte ein Standardbauteil von Raketen – Prallbleche die das Schwappen von Treibstoff reduzieren – nicht zu benötigen. Sie wurden dann doch benötigt. Besonders peinlich war dann aber der nächste Fehlstart, weil dessen Ursache schon im Untersuchungsbericht des zweiten Starts stand. Neben der primären Ursache wurden weitere Abweichungen genannt so, das das Haupttriebwerk der ersten Stufe nach Abschalten noch einen zu hohen Restschub hat. SpaceX korrigierte aber nur den ersten Fehler obwohl ein Jahr zwischen dem zweiten und dritten Teststart lagen. So kam es wie es kommen musste: die erste stufe kollidierte nach der Abtrennung mit der zweiten Stufe und diese zündete nicht.
Danach war Russland erst mal für seltsame Fehler verantwortlich. So scheiterten zwei Proton Starts weil in einem falle eine Stufe zu voll gefüllt wurde, sodass ihr Schub nicht ausreichte den Erdorbit zu erreichen und im zweiten Falle war ein Beschleunigungsmesser verkehrt herum eingebaut worden sodass die Proton nach dem Start einen Looping drehte und dabei auseinanderbrach. Solche Fehler gehören zur Kategorie der nachlassenden Qualität bei der Produktion.
Mit dem Starship übernimmt aber SpaceX wieder die Führerschaft in dieser Katgeorie. Das geht los beim Jungfernflug. Da fallen schon beim Start drei Triebwerke aus. Das ist woanders ein Grund den Start abzubrechen, nicht aber bei SpaceX. Dabei kam es nicht überraschend, schon bei einem statischen Test, knapp zwei Monate vorher, fielen zwei Triebwerke aus und das juckte bei SpaceX niemand.
Niemand bei SpaceX dachte auch dran, das 20 t verbrannter Treibstoff pro Sekunde, die einige Sekunden auf den Boden unterhalb des Startgestells einwirken, genug Energie haben um diesen zu verdampfen und so stieg die erste SuperHeavy aus einer Staubwolke aus, Trümmer wurden noch mehrere Kilometer von der Startrampe entfernt gefunden.
Nach der nicht erfolgten Stufentrennung drehte die SuperHeavy mit dem Starship dann noch einige Minuten lang Loopings, bis sie explodierte. Das Selbstzerstörungssystem soll angeblich erst mit 40 Sekunden Verzögerung reagiert haben. Wie man an dem Wörtchen „Soll“ entnehmen kann, habe ich da meine Zweifel, vielmehr denke ich ist die Explosion darauf zurückzuführen das das Gespann nun tudelnd in dichte Luftschichten fiel und so desintegriertes und explodierte. Das erscheint zumindest plausibler, als das ein Selbstzerstörungssystem 40 Sekunden braucht um zu reagieren.
Das das Selbstzerstörungssystem nicht funktionierte ist besonders peinlich. Das System ist sehr einfach aufgebaut, muss aber 100 % funktionieren. Es ist das Gegenstück zum „Not-Aus“ Knopf bei einer Produktionsanlage. Wenn man bei SpaceX nicht mal das hinbekommt, dann wundert es nicht das nun auch die Produktion von Oberstufen die seit einem Jahrzehnt für die Falcon 9 erfolgt, nun mit Problemen erfolgt.
Der absolute Favorit für die skurrilste Fehlerursache bei einem Fehlstart ist aber der zweite Testflug. Bei ihm explodierte etwa 30 Sekunden vor Erreichen des Orbits das Starship. Die Ursache wurde erst später bekannt: SpaceX hat während die Triebwerke noch arbeiten, flüssigen Sauerstoff abgelassen. Das ist wie wenn ein Tanklastwagen Benzin ablässt während neben ihm ein Feuer brennt. Das Feuer konnte so nach oben zu den Tanks klettern und das Starship explodierte. Vor allem ist das völlig unnötig gewesen. Selbst wenn der Treibstoff zu viel vorhanden war, dann hätte man ihn ja auch nach Erreichen des Orbits ablassen können.
Sowohl für die Demolierung der Startanlage als auch für die Auslegung des FTS wurde SpaceX meines Wissens nicht zur Kasse gebeten. SpaceX musste nur die Betonreste beseitigen. Vielleicht noch die Reinigungsarbeiten des Staubes in der Stadt bezahlen. Das sagt mir das SpaceX wie genehmigt gestartet ist und keiner das FTS oder die Startanlage moniert hat. So klar kann die Sache nicht gewesen sein.
„Niemand bei SpaceX dachte auch dran, das 20 t verbrannter Treibstoff pro Sekunde, die einige Sekunden auf den Boden unterhalb des Startgestells einwirken, genug Energie haben um diesen zu verdampfen “
Doch das wusste man. Sonst hätte man ja nicht schon vorher die aktiv gekühlte Bodenplatte angefertigt. Die war ja sogar schon vor Ort nur halt noch nicht eingebaut. Jetzt kann man spekulieren warum man nicht auf den Einbau davon gewartet hat. Entweder war der Druck von Elon zu groß das man jetzt starten muß (weil er spektakuläre Bilder brauchte um weiter an Geld zu kommen) oder aber man hat sich gedacht so schlimm wird es schon nicht werden und wir müssen den Beton dort sowieso aufreißen. Vermutlich war es eine Kombination aus beidem.