Die ESA heute und in der Zukunft
Letztes Wochenende hat die ESA ihren 50-sten Geburtstag gefeiert. Das kam auch in den Nachrichten. Sowohl bei „Heute“, wie auch der Tagesschau wurden als wichtigste Dinge die Trägerraketen und die deutschen Astronauten Alexander Gerst und Matthias Maurer erwähnt. Bei den Astronauten musste ich aus mehreren Gründen schmunzeln. Zum einen, weil es ja um die ESA, also eine europäische Weltraumorganisation, da sollte man die europäischen Astronauten erwähnen, nicht nur die Deutschen. Zum zweiten hat Deutschland als Nationalstaat mehr Astronauten ins All gebracht als über die ESA (Ulf Merbold war übrigens schon mehr als 30 Jahre früher im All) bei den Missionen D1 D2 und Mir97. Und zuletzt hat die bemannte Raumfahrt bei der ESA zumindest was die Finanzen angeht nicht die Rolle, wie in den USA.
Ich habe überlegt, ob ich auch einen Beitrag über 50 Jahre ESA schreiben sollte, aber in der Form wie ich dies ich mache, die auch ein gewisses Niveau und eine gewisse Tiefe hat geht das nicht. Es sind einfach zu viele Missionen. Schon zum 25-jährigen Jubiläum erschien eine Broschüre die einige Hundert Seiten umfangreich ist, obwohl jede Mission nur kurz angerissen wurde. Ich denke aber, es wird aber einige Ranglisten bei den „Glorreichen 10“ geben.
Ich will in diesem Beitrag daher eher auf die ESA heute und ihre Zukunft – also der Zukunft, die ich mir wünsche, blicken. Schauen wir mal auf die finanzielle Seite. Die ESA hat 2025 ein Budget von 7,68 Milliarden Euro und 2547 fest angestellte Mitarbeiter. Zum Vergleich: Bei der NASA beträgt das Budget 2025 über 24,4 Mrd. Dollar und sie hat fast 18.000 fest angestellte Mitarbeiter. Der Unterschied bei der Zahl der Mitarbeitern kommt dadurch zustande, weil die ESA nur koordiniert. Die Projekte selbst werden von den nationalen Raumfahrtagenturen mehr oder weniger stark betreut und diese haben natürlich auch Beschäftigte. Aber schon der Blick auf das ESA-Budget zeigt, dass es nur ein Drittel des NASA-Budgets ist. Für die Raumfahrtindustrie wichtig ist aber auch, dass dies nicht die einzigen staatlichen Ausgaben für Raumfahrt sind. In den USA kommt noch das Budget der NRO dazu, die vor allem Aufklärungssatelliten betreibt. Dazu ein Teil des Verteidigungshaushaltes. Bisher betrieb das DoD militärische Anwendungssatelliten wie Wettersatelliten, Kommunikationssatelliten und das GPS-System, dazu Aufklärungssatelliten die nicht zur NRO gehören wie Frühwarnsatelliten. Dieses Budget ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Denn es soll ein Raketenabwehr-Schutzschild aufgebaut werden, der Golden Dome soll 175 Milliarden Dollar kosten, alleine die Anfangsfinanzierung von 25 Mrd. Dollar im nächsten Jahr ist höher als das NASA-Budget heute. Daneben hat die ebenfalls von Trump schon in der ersten Amtszeit gegründete Space Force schon 2022 ein höheres Budget als damals die NASA. Insgesamt gab die US-Regierung 2024 eine Summe von 80 Mrd. Dollar für Raumfahrtaktivitäten aus, also in etwa das zehnfache Budget der ESA. Gut, man muss für einen korrekten Vergleich noch die nationalen Budgets und die militärischen Raumfahrtausgaben hinzurechnen, doch selbst dann denke ich geben die USA noch 3-5 mal so viel Geld für die Raumfahrt aus wie Europa.
Das hat Folgen, denn natürlich kann die europäische Raumfahrtindustrie nicht US-Aufträgen rechnen. Sie kann im kommerziellen Bereich Aufträge akquirieren, dieser Bereich wird bedeutender, doch er ist noch lange nicht gleichwertig mit den Staatsausgaben. Vor allem bei den Trägerraketen spielt dies eine Rolle, denn die US-Regierung startet immer nur mit US-Trägern, aber weder alle staatlichen Stellen in Europa noch die kommerziell in Europa gebauten Satelliten werden nur mit europäischen Trägern gestartet. Das senkt die Startzahlen und macht die Träger teurer. Europa hat sich lange Zeit auf dem Erfolg von Ariane 1-5 ausgeruht. Solange auf beiden Teilen des Atlantiks Träger gleich hergestellt wurden, war dies ein Wettbewerb, den wir gewonnen haben. Ariane wie klassische US-Träger werden nicht von einer Firma gebaut. Sie bestehen aus Einzelteilen verschiedener Firmen. Da spielt es keine Rolle, ob diese Hersteller über die USA oder Europa verstreut sind. Ariane 5 geriet schon vor SpaceX in Schwierigkeiten als russische Träger auf den Markt kamen, denn bei Raketen machen die Arbeitslöhne das meiste aus und die sind in Russland damals enorm niedrig gewesen. Sie wurden daher billig angeboten. Bei SpaceX ist auch der wichtige Punkt für ihren kommerziellen Erfolg nicht die Wiederverwendbarkeit – die Trägerraketenpreise waren ja als die Wiederverwendung noch nicht funktionierte schon sehr niedrig, sogar niedriger als heute – sondern das man alles selbst entwickelte und damit die Gewinne der Subkontraktoren einsparte, Transportkosten vermied und andere damit assoziierte Kosten. Ich sehe bei den nun gestiegenen Startzahlen – nicht nur von Starlink, sondern allgemein durch die Aufrüstung im Weltraum, die ja auch bei ULA und anderen Firmen zu mehr Starts geführt haben – keine Chance, dass europäische Träger jemals die nötigen Startzahlen erreichen, die man braucht, um die Kosten pro Start deutlich zu senken.
Ariane 1 wurde entwickelt um einen eigenständigen Zugang zum All zu haben. Das ist wichtig, wie die Lücke zwischen dem Ende der Ariane 5 und dem Ariane 6 Jungfernflug zeigt. Unter Trump könnte es durchaus dazu kommen, dass wie vor Ariane 1 es eine Blockade des Starts von europäischen Satelliten gibt. Im übrigen ist das ein Träger nur für nationale Nutzlasten gebaut wird der Normalfall. Russland, China, Indien, Japan – alle diese Nationen nutzen ihre Träger nur für nationale Starts.
Die Vega und Ariane 6 decken den Nutzlastbereich von 3,5 bis 23 t in den LEO ab, mit einer Lücke bei etwa 6-7 t. Es gibt mehrere Raketen in der Entwicklung, die um die 1 t in den LEO transportieren und ebenfalls einige die nur 200 bis 300 kg Nutzlast haben. Diese Projekte wie RFA One, Maia, Miura 5, Prime, SL1, Spectrum werden von der ESA und den nationalen Raumfahrtbehörden, aber auch etablierten Unternehmen gefördert. Wenn sie zur Verfügung stehen sollte in jedem Nutzlastsegment ein Träger einen größeren Auftrag bekommen und auch von den nationalen Raumfahrtagenturen unterstützt werden. Denn für sie gilt das gleiche wie bei den größeren Trägern – es ist nicht mit Aufträgen aus den USA zu rechnen und kommerzielle Starts können dies noch nicht abfedern. Sonst würde man nur drei bis vier Träger im selben Nutzlastsegment haben, die dann alle nur auf niedrige Startraten kommen.
Bei der bemannten Raumfahrt haben wir bei der ESA eine enorme Differenz zwischen hochtrabenden Plänen und realem Budget. Es begann mit dem Spacelab, entwickelt für das Space Shuttle, das man praktisch den USA geschenkt hat. Leisten konnte man sich später kaum Flüge mit dem eigenen Labor. Dann folgte Hermes als europäisches Mini-Shuttle. Es wurde zu schwer und zu teuer und eingestellt. Ebenso wurde aus Columbus als eigenständigem Labor ein Teil der ISS. Heute ist man beteiligt an Artemis mit dem Servicemodul und plant unbemannte Frachtshuttles. Ebenso ist man am Lunar Gateway beteiligt und entwickelt den Argonaut als Fachtransporter für Mondmissionen. Es ist dasselbe wie bei Hermes: es sind Pläne, deren Finanzierung fraglich ist, bzw. bei den neueren Plänen ist es ja so, dass sie ohne US-Partner gar keinen Sinn machen. Und das Lunar Gateway ist gestrichen, Artemis soll nach der dritten Mission eingestellt werden. 2024 macht die bemannte Raumfahrt nur 11,8 Prozent der ESA-Gesamtaufwendungen aus, 874 Millionen Euro. Bei der NASA sind es 30,8 Prozent und 7500 Millionen Euro. Das sagt schon alles. Anstatt bemannte Raumfahrt auf einem Niveau zu finanzieren, mit dem man wenig bewegen kann, sollte man es ganz aufgeben. Nur mal ein Vergleich: Die Gaia Mission, die dieses Jahr zu Ende ging, kostete mit 740 Millionen Euro, weniger als die ESA jährlich für die bemannte Raumfahrt ausgibt. Die ESA verzeichnet bis Ende 2024 13.655 wissenschaftliche Arbeiten über Gaia, über die ISS (gesamte ISS, nicht nur ESA Anteil) die ungefähr 200-mal teurer ist, gab es bisher, obwohl sie erheblich länger aktiv ist, nur 4.400 Arbeiten.
Die wissenschaftlichen Missionen der ESA sind eine Erfolgsgeschichte für sich. Die ESA hat schon wenige Jahre nach ihrer Gründung sich von den kleinen Satelliten der Vorgängerorganisation ESRO abgesetzt. Giotto war die riskanteste Raumfahrtmission, die es je gab und trotz Beschädigung ein voller Erfolg. Mars Express umkreist seit über 20 Jahren den Mars und wird bald der am längsten betriebene Marssonden sein, da Mars Odyssey den Sparplänen zum Opfer fällt. ISO war eine wegweisende Mission in der Infrarotastromine, um ein Vielfaches leistungsfähiger als der US-Vorgänger IRAS. SOHO arbeitet seit 1995 und beobachtet die Sonne, fast ebenso lang sind Integral und XMM Newton aktiv. Herschel und Planck, Hipparcos und eben Gaia sind wichtige Missionen zum Verständnis des Weltalls und unserer Milchstraße. Hier können wir mit den USA mithalten.
In anderen Bereichen hat die ESA die größere NASA abgehängt. Die Erdbeobachtung hat sich von den Kürzungen unter Reagan nie erholt und in Europa meint man auch nicht, das der Klimawandel erfunden ist und hat mit dem Sentinel Programm gibt es ein ganzes Netzwerk aus Satelliten mit unterschiedlichen Fähigkeiten, welche die Erde und das Klima beobachten und von einem ausgefuchsten Satelliten für die Beobachtung von Luftsströmungen, wie ADM Aeolus kann die NASA nur träumen.
In Zeiten wo die USA ankündigen, Europa nicht mehr beschützen zu wollen ist es wichtig, das wir mit Galileo ein eigenes Navigationssystem haben. Das so etwas zur kritischen Infrastruktur gehört, haben auch Russland mit Glonass und China mit Beidou eigene Systeme aufgebaut und wie man beim Ukrainekrieg sieht, hat auch ein Satellitenkommunikationssystem im niedrigen Erdorbit (Starlink) eine militärische Bedeutung. Hier soll mit IRIS² ein eigenes System entstehen.
Ich denke insgesamt wird es in der Zukunft wichtiger werden, dass wir autonomer werden, weniger abhängig von den USA sind. Ich denke auch, dass man weniger Projekte mit den USA gemeinsam machen sollte, obwohl die Liste der gemeinsamen Erfolge groß ist, angefangen von ISEE und IUE bis zum JWST und Solar Orbiter. Aber es ist nun mal auch so, dass man auch eine lange Liste von Projekten aufstellen kann, die gemeinsam begonnen wurden und einseitig von den USA beendet wurden. Gerade erst kamen Artemis, das Lunar Gateway und der Exomars Rover auf diese Liste.
Klar ist für mich auch das wir in Europa mehr für die Raumfahrt ausgeben müssen. Schon jetzt werden ESA Programme von der EU mitfinanziert wie Galileo oder Sentinel, weil der Nutzen natürlich für die gesamte EU gegeben ist. Das wird auch bei IRIS² so sein. Wir müssen aber auch national mehr tun. Als die USA, nachdem Trump Selenskyj demütigte, nicht nur Waffenhilfen stoppten, sondern auch die Versorgung mit Informationen die durch Satelliten gewonnen wurden, war die Ukraine kurze Zeit in einer bedrohlichen Lage und dies können die europäischen militärischen Satelliten noch nicht ausgleichen. Man muss nicht so viel wie NRO und DoD ausgeben oder fragwürdige Projekte wie den Golden Dome starten, aber die Möglichkeiten zur Aufklärung, die man ja auch europaweit koordinieren kann, sollten ausreichen das unser Militär im Falle eines Konfliktes alle nötigen Informationen hat, die es braucht. Ich denke in dem Milliarden-Paket das alleine die deutsche Regierung kürzlich für die Verteidigung beschlossen hat, sollten auch einige Milliarden dafür drin sein.
Danke, Bernd, für diesen Artikel!
Ja, wir Europäer können schon ein wenig stolz auf unsere ESA und auch ein wenig auf unsere Raumfahrtindustrie sein (bei aller berechtigten Kritik). Es wurden tolle Missionen geplant, entwickelt und durchgeführt.
Natürlich kann man immer etwas verbessern, da gibt es auch genügend Kritikpunkte. Aber wie Du ja schon zurecht aufgezeigt hast, ist es ungemein wichtig, dass Europa autonom wird und dann bleibt, nicht nur was Erdbeobachtung und Navigation angeht, sondern auch Kommunikation und Aufklärung. Da mögen die üblichen Musk Claqeure noch so oft rumtröten, dass es doch viel besser sei, die europäische Launcherentwicklung und -fertigung einzustellen, kein eigenes Kommunikationssystem zu entwickeln weil man es ja beim heiligen Elmo schon kaufen kann, aber wie man sieht, ist es genauso schlecht, sich von einem drogensüchtigen faschistoiden Amerikaner abhängig zu machen, wie von einem russischen Diktator.
Hoffen wir, dass der europäische Gedanke nicht von dem aufkeimenden Unkraut des rechten Nationalismus erstickt wird und dass Europa die jetzige weltpolitische Krise nutzen kann und wird, um wieder mehr auf sich selbst zu schauen und als Europa vereint zu wachsen!
Oha, Artemis und Lunar Gateway ist wirklich schon dahin??
Das ist glatt an mir vorbei gegangen.
Nach all der Planung doch Schade, auch wenn ich nie wirklich ein Fan der Idee war (Low Lunar Orbit waere ja doch sinnvoller).
Aber jetzt setzen sich die USA tatsaechlich in allen Dingen zurueck… nicht nur in der Raumfahr.
Ich frage mich nur, fuehlen sich die Buerger dabei nicht fuerterlich veraeppelt? Ich mein da sollte jedem klar sein, wie vile Milliarden da jetzt voellig sinnlos verplempert wurden, SLS ist ja jetzt fertig (ok Block 2 kommt och aber mit Artemis 3 oder nicht?)
Und was wid aus all den Vertraegen mit SpaceX und Blue Origin?
Ich hatte zu viel Arbeit, muss da wohl was noachholen.