Raumfahrt à la Microsoft

Ich habe am Donnerstag meinen Geldbeutel verloren und mich besonders drüber aufgeregt, weil ich wegen einer neuen Karte für das Hallenbad für meine Verhältnisse viel Geld dabei hatte. Wie immer wenn ich mich über was ärgere habe ich mich daran gemacht zu beschäftigen und fand es ist doch eine gute Gelegenheit für das ATV Buch nach Infos zur Cygnus und Dragon zu suchen. Zur Cygnus fand ich einiges und das Konzept sieht gut aus: OSC verwendet Bauteile die sich auch woanders bewährt haben. So stammen einige Triebwerke und die Annäherungssteuerung aus Japan vom HTV. Das Frachtmodul fertigt Thales Alenia – wie auch das des ATV und MPLM. Solarzellen von Dutch Aerospace. Klar, schließlich hat OSC nur wenige Jahre Zeit ein Raumschiff zu entwickeln, dass an die ISS ankoppeln soll.

Über die Dragon gibt es obwohl seit ein paar Jahren länger entwickelt wird viel wenige Infos. Aber sie sind wie immer erquickend. Nur ein paar Zahlen aus der SpaceX Dragon Seite:

  • Die Nutzlast beträgt 6.000 kg!
  • Es stehen 10 m³ Volumen zur Verfügung
  • Es sollen sieben Astronauten befördert werden.

Nun was ist daran so toll? Nun fangen wir mal an das ganze auseinander zu nehmen. Die Kapsel ist nach den SpaceX Spezifikationen ein Kegel von 2,9 m Höhe bei einem Basidurchmesser von 3,1 m. Daraus kann man ein Volumen von 9,5 m³ berechnen. Die Volumenangabe ist also die des Innenvolumens nicht des Nettovolumens. In etwa das gleiche Volumen hat auch die Sojuskapsel in der die Kosmonauten starten und landen. Von den rund 9 m³ Innenvolumen der Sojus sind aber nur 4 m³ freies Wohnvolumen. Der Rest wird von der Ausrüstung eingenommen. Das ist die Regel bei bei Kapseln. Das bedeutet dass von den 9,5 m³ weniger übrig bleibt. Doch selbst bei 9,5 m³ gäbe es pro Besatzungsmitglied nur rund 1,3 m³ Volumen – weitaus beengter als in Apollo, der Sojus, ja sogar als in Gemini und Mercury, bei denen die Astronauten davon sprachen, sie würden die Kapsel „anziehen“. Dort gab es immerhin 1,4 m³ freies Wohnvolumen (nicht Innenvolumen)

Sieben Astronauten in einer Kapsel die in allen Dimensionen rund 10 % kleiner als Apollo ist? Wohl kaum. Drei Stück wären wohl sinnvoll unterzubringen.

Weiterhin: Niemand bemerkt dass hier von Wohnvolumen gesprochen wird, aber Innenvolumen gemeint wird?

Doch nun kommen wir zum besten. Der wie bei SpaceX üblichen Vergrößerung der Nutzlast: Es sind nun 6.000 kg. Nach Wikipedia und dem dort angegebenen Datum vom 11.12.2007 waren es vor zwei Jahren noch 2.500 kg. Ist das nicht ein Wunderraumschiff? Bei 8.750 kg Gewicht transportiert es 6.000 kg Fracht. Andere Transporter können rund 30 % der Startmasse als Fracht transportieren. Die Dragon aber 70 % und das noch dazu in einer Wiedereintrittsfähigen Kapsel!

Wie können wir das erklären? Nun zum einen natürlich durch den Einsatz von fortschrittlichen Technologien wie Wurmlöchern, die die Kapsel vom Orbit an den Landepunkt befördern, damit kann die Struktur viel leichter sein oder den Einsatz von Antigravitation. Eine Antigravitation von 2.000 kg würde aus 2.000 kg Gewicht -2000 kg machen und so das Gewicht um 4.000 kg erniedrigen.

Es könnte aber auch andere Erklärungen geben. So könnte SpaceX z.B. einen Mitarbeiter einstellen, der nicht den Unterschied zwischen amerikanischen Pfund und metrischen Kilogramm kennt und einfach die Pfund Angaben in Kilogramm niederschreibt. Das würde auch die irrealen Angaben zur Falcon 9 teilweise erklären. Ich habe aber nachdem ich durch einen Kommentar auf die Idee gebracht wurde eine andere Theorie: Es ist die Anwendung von Marketingtechniken bei der Softwareentwicklung bei der Raumfahrt. Dazu gehört:

  • Erst mal viel versprechen, auch wenn man es zuerst nicht einhalten kann oder später Spezifikationen revidieren muss (Nutzlasten, Startpreise)
  • Dann eine Beta Version ausliefern (Falcon 1)
  • Dann nach und nach nachbessern bis die einwandfrei läuft (Starts 1-4 der Falcon)
  • Vor allem darauf warten, dass sich die Leistung von alleine erhöht.

Nur das letzte klappt nicht. Während PC’s alle 2 Jahre ihre Leistung verdoppeln, gab es bei Raketentriebwerken in den letzten 40 Jahren vielleicht eine Leistungssteigerung um 10 %. Daher wird SpaceX wohl auch in Zukunft einiges revidieren müssen.

Doch „Space-Evangelist“ Elon Musk hat ja eine Schar kritikloser Jünger, die das SpaceX Konzept mit Wunschvorstellungen als technischen Angaben schon voll verinnerlicht haben: Das habe ich bei meinem Blog gesehen, wo dann die SpaceX-Gläubigen zur Beweisentkräftung schnell mal den (fürs Vakuum prognostizierten) spezifischen Impuls der zweiten Stufe genommen haben und die Brenndauer der ersten Stufe. Echt logisch. Macht auch wirklich Sinn… Ach ja und ein spezifischer Impuls von 340 für ein LOX/Kerosintriebwerk nach dem Nebenstromverfahren macht auch niemanden stutzig…. Klar, dafür müsste man ja wissen, das man für einen solchen Wert einen sehr hohen Brennkammerdruck braucht, bei einem Nebenstromtriebwerk die Menge des nicht nutzbaren Treibstoffs für die Erzeugung dieses Drucks aber exponentiell ansteigt, wodurch der spezifische Impuls wieder sinkt. Echt dumm, dass man um die Angaben von SpaceX zu überprüfen Grundkenntnisse in Raumfahrttechnik braucht. Wissen ist ja so echt hinderlich und mühsam zu erwerben.

Auch andere Angaben werden nicht überprüft. So, dass SpaceX gar nicht so preiswert ist wie angegeben. Die Falcon 1e kostet 11 Millionen $ und transportiert maximal 430 kg in einen SSO Orbit. (Das sind noch die alten Angaben, bevor SpaceX die Nutzlast senkte, leider habe ich da keine neuen Angaben für SSO). Eine Vega soll 14,6 Millionen Euro kosten (Angabe 2005) bei 1.500 kg in SSO. Sie wird also 1,9 mal billiger als die Falcon 1e sein. Selbst wenn der Startpreis wahrscheinlich erst mal teurer sein wird, ist sie noch billiger, sofern die Rakete nicht gleich 1,9 mal teurer wird als noch 2005 geplant.

Das gleiche gilt bei der Versorgung der ISS mit Fracht. Die SpaceXler rechnen ja immer pro Start. Es kommt aber auf die beförderte Nutzlast an und der Kontrakt hat für OSC und SpaceX hier die gleiche Frachtmenge: 20 t. OSC bekommt sie mit 8 Flügen zur ISS, SpaceX braucht eben 12. (Nutzlast dann übrigens nur noch 1.700 kg….) So richtig billig ist es auch nicht. Ein ATV Flug kostet 350 Millionen Euro, das sind 500 Millionen Dollar. Auf den ersten Blick teuer. Aber er transportiert auch 7.667 kg Fracht. Mit 3 ATV Flügen wären  21,5 t zur ISS gebracht und das zu Kosten von 1,5 Millionen Dollar – SpaceX und OSC sind da teurer. Und das ATV ist kein Transporter der auf „billig“ getrimmt ist. Er kann autonom navigieren und ankoppeln, hat mehrfach redundante Annäherungs und Steuersysteme und kann ein Halbes Jahr im Orbit bleiben. Das HTV kann das alles nicht und erledigt den Job noch billiger (200 Millionen Dollar + Trägerrakete, zusammen wahrscheinlich so 350 Millionen Dollar für 5,5 t Fracht). Ich vergleiche bewusst nicht mit den Progress weil die unter anderen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen produziert werden.

Mein Lieblingsspruch der SpaceX Anhänger ist übrigens: „Wenn das was die bisher geleistet haben keinen Respekt verlangt….“. Dann kommen irgendwelche Angaben über zukünftige Projekte. Auch hier: Gut auf die P&R reingefallen. Tatsächlich haben sie bislang 100 Millionen Dollar ausgegeben (Zahl leider auch ein paar Jahre alt) und 234 Millionen von der US-Regierung bekommen. Damit haben sie eine kleine Trägerrakete für eine Nutzlast von 400 kg entwickelt und diese fünf mal gestartet, davon zweimal mit Erfolg. Ich finde dafür braucht kann man nicht viel Respekt verlangen. Aber ich orientiere mich auch nicht an Versprechen, sondern dem was geleistet wurde,

Ich freue mich schon auf den Jungfernflug der Falcon 9 mit der Prototyp Dragon Kapsel – und die langen Gesichter manches Anhängers, wenn die Angaben wieder mal nach unten korrigiert werden….

2 thoughts on “Raumfahrt à la Microsoft

  1. ich bin unabhängig von Bernd zum gleichen Ergebnis gekommen über SpaceX.
    und beginne mich zu fragen wann Elon Musk seine Falcon 9 und Dragon
    zu „Open Source“ macht ?
    Sprich der Kunde (NASA) muss die Software eehh Rakete und Kapsel
    selber die Fehler beseitig und sie verbessern 😉

  2. „Open Source“ hat ja wenigstens den Vorteil dass sie umsonst ist. In der Raumfahrt finden wir ja immer mehr Monopolstrukturen wie EADS oder ULA, die dann wie Microsoft die Preise hochtreiben.

    Mich erinnert SpaceX mehr an ein Produkt aus den 90 er Jahren: „Softram“ eine Software die den Windows (3.1) Speicher angeblich durch Komprimierung verdoppelte, in Wirklichkeit aber nur die Anzeige des freien Speichers manipulierte. Die ct hat das damals aufgedeckt.
    http://en.wikipedia.org/wiki/SoftRAM
    http://www.heise.de/ct/artikel/Verdichtung-und-Wahrheit-284324.html
    Dioe Firma ging daran übrigens pleite….

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