„Private“ Raumfahrt…

Eugen Reichl gehört zu den SpaceX Fans. Das merkt man an dem Buch und wie über SpaceX geschrieben wird und z.B. verglichen wird, z.B. mit der Vega (kein Wort über die jahrelangen Diskussionen über das Konzept und die Befugnisse, nur der Vergleich von Entwicklungskosten (übrigens mit falschen Werten) und Zeitrahmen. Auch kein Wort darüber, dass SpaceX zwei Jahre hinter ihrem Zeitplan hinterherhinken.

Nachdem die Firma nun schon Pläne hat, auf dem Mars zu landen wird es Zeit das gebetsmühlenartige Credo der SpaceX-Fans zu beleuchten. Denn eines taucht immer auf und wird nie hinterfragt: SpaceX sei die erste private Firma die eine Trägerrakete entwickelt habe oder eine Raumkapsel gestartet hat.

Was heißt denn nun „privat“? Alle bisherigen Raumfahrzeuge wurde von „privaten“ Firmen gebaut. Mercury und Gemini von McDonnell, Das Apollo CSM von North American, der LM von Grumman, der Shuttle Orbiter von Rockwell und die Orion von Lockheed Martin. Sind diese Firmen denn verstaatlicht worden? Das trifft auch auf die meisten Trägerraketen zu. Einige Ausnahmen gibt es wie die Saturn.

Natürlich gibt es einen Unterschied zu SpaceX. Der liegt darin, dass diese Firmen die Trägerraketen entwickelten (oder ihre Vorgänger die militärischer Natur waren) aufgrund einer Ausschreibung der Regierung. Die beste Firma bekam den Zuschlag. Zumeist gab es auch eine Zusammenarbeit zwischen Militär/Firma oder NASA/Firma. Doch das ist ja auch bei SpaceX gegeben. Sie werben ja sogar mit den Astronauten, die zu der Firma kommen um den Fortschritt zu kontrollieren oder Dinge abzusprechen.

Was SpaceX allerdings unterscheidet ist, dass sie zuerst eine Rakete entwickeln und dann nach Regierungsaufträgen suchen – zumindest in der Außenwahrnehmung. Doch auch hier gab es schon Vorläufer – die OTRAG, SSI oder Kistler machten das auch. SSI hat mit der Conestoga auch eine Trägerrakete fertiggestellt.

Was ich denke und was immer dort mitschwingt, ist so das Robin-Hood Image. Also übertrieben formuliert: Da ist ein genialer Milliardär der finanziert mit seinem Geld eine Firma die den Zugang zum Weltraum konkurrenzlos billig macht und alle Probleme welche die Raumfahrt so teuer machen, löst. Ich möchte nicht bestreiten, das SpaceX so anfing. Bis 2008 gab es von offizieller Stelle tatsächlich nur die Finanzierung der ersten beiden Falcon 1 Starts seitens der Luftwaffe. Und bis zu diesem Zeitpunkt war SpaceX in den roten Zahlen, wie Elon Musk auch selbst zugab.

Die Wende war der COTS Kontrakt der 2008 abgeschlossen wurde. Es folgten die kommerziellen Flüge zur Versorgung der ISS und nun eine 75 Millionen Dollar Zahlung im Rahmen des CCDev Programmes. Natürlich gibt es auch private Aufträge, doch davon wurde bis auf Raksat noch keiner durchgeführt. Im Gegenteil, der erste Kunde sprang wegen Verzögerungen ab und nach einem Prozess muss SpaceX die 7,6 Millionen Dollar Vorauszahlungen zurückzahlen. ORBCOMM könnte bald folgen, da ja die Falcon 1e die für ihre Satelliten vorgesehen ist in der Entwicklung zurückgestellt wurde.

Was SpaceX betreibt und zwar in immer größerem Maße, ist die Anbiederung an die Regierung. Kommerzielle Services zur ISS, Astronautentransport, nun ein Schwelastträger für das DoD. Kommerzielle Aufträge scheinen nur noch ein Zubrot zu sein. Im Mai 2010, als Elon Musk persönlich zahlungsunfähig war, gab die Firma bekannt, das er bisher 100 Millionen Dollar investiert habe, die Regierung aber 350 Millionen. Und das ist der Grund für diese Ausrichtung. Wenn ein kommerzieller Startauftrag abgeschlossen wird, so läuft das so ab. Bei Vertragsunterzeichnung fällt eine erste Rate ab, deren dann weitere folgen bis zum Startzeitpunkt der Start vorfinanziert ist. Damit kann aber nur ein Start vorfinanziert werden, nicht die Entwicklung einer Trägerrakete.

Bei Regierungsaufträgen läuft es anders. Sie vorfinanziert Entwicklungen, die dann bezahlt sind, lange bevor der erste Start ansteht. Deutlich wird das am COTS Programm: Bei Vertragsunterzeichnung bekam Kistler 32,1 Millionen Dollar. Als die NASA drei Monate später feststellte, dass die Firma gar nicht die Finanzmittel für die Entwicklung hatte, war das Geld weg. Auch SpaceX hat vor dem Jungfernflug einer Falcon 9 nach NASA Angaben schon 254 der 278 Millionen Dollar bekommen und jetzt gibt es 75 Millionen Dollar ebenfalls als Vorschuss. Nimmt man alle staatlichen Kontrakte zusammen, so kommt man zu einer Summe von knapp 2 Milliarden Dollar welche die NASA an Vorschüssen investiert (nicht nur in SpaceX, auch OSC bekam jetzt noch eine Finanzspritze für den ersten Start der Taurus II). Da nehmen sich die 100 Millionen Dollar von Musk und die Mittel von Fonds doch klein aus. Anders ausgedrückt: Gemessen an den Investitionen ist die Firma nun zu 90% von der NASA finanziert. Privat sieht bei mir anders aus. Sie versucht auch gar nicht groß private Starts an Land zu ziehen sondern buhlt recht gezielt um Regierungsaufträge. So gesehen sind ILS und Arianespace wohl eher private Firmen und SpaceX eher eine halbstaatliche Firma, die zu 90% von Staatsmitteln abhängig ist.

Die immer schneller kommenden Ankündigungen für immer größere Pläne erwecken in mir aber einen Verdacht: SpaceX handelt wie ein Fall für „Raus aus den Schulden“ – um den Betrieb zu finanzieren werden bei Schuldnern immer neue Kredite aufgenommen mit immer größeren Summen. Damit werden die alten zurückgezahlt. Hier sind es immer größere Projekte, die von der NASA vorfinanziert werden und mit denen dann die Entwicklung der anderen Projekte finanziert wird. So folgten auf die 278 Millionen von COTS schon 1,6 Milliarden für die Transporte und nun buhlt SpaceX um das EELV Budget, das bei mehr 1,74 Milliarden Dollar pro Jahr liegt. Ob das aufgeht? Ich bin skeptisch. Denn irgendwann müssen die vorfinanzierten Aufträge auch ausgeführt werden. Wenn nun die Kalkulation nicht aufgeht dann ist SpaceX in richtigen Schwierigkeiten oder man rechnet damit, dass die NASA oder das DoD in einigen Jahren so von SpaceX abhängig sind, dass sie dann die Firma finanzieren – bei Boeing und Lockheed Martin hat das ja auch so geklappt.

10 thoughts on “„Private“ Raumfahrt…

  1. Die Bezeichnung privat vs. staatlich trägt eigentlich nur zur allgemeinen Verwirrung bei. Besser wären die Bezeichnung Cost-Plus vs. Fixed-Price.

    Bei einem Cost-Plus Vertrag ist der Leistungsumfang nur grob definiert und der Hersteller bekommt automatisch zu seinen auftretenden Kosten einen fixen Prozentsatz an Gewinnaufschlägen. Wohingegen bei Fixed-Price Verträgen sowohl der genaue Leistungsumfang als auch der Preis vorab genau definiert werden.

    Alle amerikanischen Trägersystemen sind bisher auf Basis von Cost-Plus Verträgen entwickelt worden und die wirkliche Neuheit bei den COTS und CCDev Aufträgen war die Vergabe auf Basis von Meilensteinen und Fixed-Price Verträgen.

  2. Die offizielle Ankündigung der Falcon Heavy war meiner Meinung nach die inoffizielle Ankündigung des Börsengangs von SpaceX im Laufe dieses Jahres.

    Je nachdem wie viele Aktion SpaceX auf die Böse bringt könnte SpaceX auf diese Weise einige hundert Millionen Dollar an Bargeld in die Kasse spülen.

    Mit dem Geld könnte SpaceX sowohl die Falcon Heavy als auch eine bemannte Version der Dragon finanzieren. Was wiederum die potentiellen Aktionäre freuen und den Ausgabekurs der SpaceX Aktionen nach oben treiben wird.

    Elon Musk hat das gerade recht erfolgreich mit Tesla und der Ankündigung des Model S praktiziert und seit dem IPO von Tesla hat er freundlicherweise auch wieder ein paar Milliönchen auf seinem Bankkonto rumliegen und die Abfindung für die Scheidung von seiner Ex-Frau ist sich nebenbei auch noch wunderschön ausgegangen (kolportiert werden 2 Mio. Dollar inkl. Anwaltskosten).

  3. Verwendet werden aber nur die Begriffe „private Raumfahrt“ oder meistens noch „erstes Unternehmen der privaten Raumfahrt“. Achte mal darauf im Zusammenhang mit der SpaceX Berichterstattung. Das die Firma dies von sich behauptet ist klar, aber das es jeder so nachplappert ist doch eher ungewöhnlich.

  4. Elon Musk viel gluck mit Mars Mission, SpaceX benötigen minimal 120 Milliarden Dollar für diese Projekt
    (nach Mars Direkt Modell von Zubrin)
    zur zeit hat SpaceX ein massives Problem
    ISS Mittbetreiber Roscosmos verweigert SpaceX die Andock Erlaubnis !
    geplant ist in Dezember eine Dragon soll an ISS andocken,
    Roscosmos Chef für Bemannte Raumfahrt, Alexei Krasov :

    „Wir haben keinerlei Belege oder Beweise das SpaceX Dragon Kapsel, den akzeptierte Normen der (Bemannten) Raumfahrt erfüllt.“

    SpaceX macht anfragt bei NASA für eine Autorisierung für Andocken
    Die haben SpaceX 75 Million Dollar gezahlt für neue Rettungssystem in Dragon
    es sind Feststoffs Rakete die in Zwischenwände der Kapsel steckt.
    SpaceX will erste Bemannte Dragon Flug in 2014 machen

    http://www.space-travel.com/reports/No_ISS_docking_permission_for_SpaceX_unless_safety_proven_Says_Roscosmos_999.html
    http://www.space-travel.com/reports/SpaceX_Wins_NASA_Contract_To_Complete_Development_Of_Successor_To_Space_Shuttle_999.html

  5. Auch einige hundert Millionen retten SpaceX nicht, wenn sich die Falcon Heavy nicht verkaufen läßt. Bis jetzt gibt es keine einzige Nutzlast, die auch nur annähernd groß genug für diese Rakete wäre. Und es ist nicht abzusehen daß sich das ändert bis das Ding fliegt.
    Wenn dann die betrogenen Aktionäre ihr Geld wieder haben wollen, möchte ich nicht mit Elon Musk tauschen.

  6. Dann wird die Firma dicht gemacht oder wahrscheinlicher bekommt Subventionen von dem DoD. LM und Boeing erhalten beide jedes Jahr 500 Millionen Dollar nur damit sie nicht anfangen die Leute zu entlassen, welche nichts zu tun haben, weil nur 3-4 Träger pro Jahr gefertigt werden.

  7. Es sind ja noch zwei ganz verscheidene Größenordnungen: Ein Raketenstart, bemannt oder unbemannt kostet Millionen. Die ISS stellt aber einen 1000 fach höheren Wert da. Man wird ein Gerät, bei dem auch nur die geringste Gefahr besteht die ISS zu beschädigen oder gar zum Absturz zu bringen, nicht mal in die Nähe lassen.

  8. Michel:

    Roskosmos hat auch viel zu verlieren. Denn SpaceX macht sowohl der Sojus als auch der Proton den Markt streitig. Wenn sich die Falcon 9 dauerhaft auf dem Markt etabliert, dann wird die Sojus nicht mehr für $60 Millionen pro Start zu verkaufen sein, sondern nur noch für $40 bis $45 Millionen – was doch deutlich an den Profiten nagen wird.

    Also wird Roskosmos versuchen SpaceX mit allen Mitteln vom Markt fern zu halten, genauso wie es ATK oder die ULA auf dem amerikanischen Markt versuchen. So ein Monopol ist eben eine feine Sache, mit der man riesige Mengen Geld verdienen kann – insbesondere, wenn ganze Staaten von deren Leistung abhängig sind.

  9. tp1024
    natürlich will Roskosmos kräftig Geld verdienen eben so Boeing und Lockheed-Martin
    hier spuckt SpaceX mächtig in die Marktsuppe und groll rum „wir sind Billiger“
    Schon und Gut aber kann SpaceX das Einhalten was sie versprechen ???

    zum streit Roskosmos gegen SpaceX
    so weit ich informiert bin, hat SpaceX keine Dokumente über Dragon an Roskosmos übergeben.
    weil SpaceX COTS als Reine NASA Angelegenheit sieht.
    aber als Mitbetreiber der ISS hat Roskosmos Mitsprache in Sicherheitsfragen
    besondern in Andocken von Fremde Raumschiffe

    zu Proton: das ist ein Auslauf Modell, die Russen wollen das Ding lieber schon gestern verschrotten
    weil es zu teuer in Betrieb ist, wegen den Extreme Treibstoffkosten des UDMH/Distickstofftetroxid
    dazu erzeugt Es auch Umweltschaden in südlichen Kasachstan,
    Die Russen wollen die Proton durch Angara ersetzen mit billigeren Treibstoffe Kerosin/Sauerstoff
    aber die verspätet sich seit 10 Jahre, neuer Start Termin für 2013…

  10. Wird wohl wieder Zeit für eine Folge Raumfahrtmhyten
    1: Roskosmos ermarktet weder die Sojus noch die Proton, das tun Starsem und ILS, beide zu 50% in ausländischem Besitz
    2: Natürlich will man bei jedem Gefährt sicher sein, dass es die ISS nicht beschädigt. Beim HTV und ATV gab es entsprechende Tests am Boden und während der ersten Mission. Das gleiche gilt schlicht und einfach für SpaceX, die das eben noch nicht vorweisen können. Das können sie ja noch nachholen.
    3: UDMH/NTO sind zwar ziemlich teuer (so um die 20 euro/kg), doch deswegen baut man keine neue Rakete. Bei einer Proton kostet der Treibstoff gerade mal 1,4?r Rakete. Mit den Umweltschäden hat man schon viel erreicht indem nun der Treibstoff weitgehend vollständig verbrennt. Ärger gibt es mit Kasachstan bei Fehlstarts. Wobei bei den Summen die da verlangt werden (der Flugpfad liegt ja über unbewohnter Steppe) auch politisch-wirtschaftliche Dimensionen mitspielen. Baikonur ist für Kasachstan ein Wirtschaftsfaktor und wenn man noch mehr rausholen kann dann versuchen die das gerne.
    Die angara dümpelt seit Jahren in der Entwicklung, zumindest im Kommerziellen Sektor wird sie auch nach Erscheinen erstmal keine Rolle spielen. ILS hat sie aus ihrem Users Guide gestrichen und will die Proton weiter verkaufen.
    Das die Angara so langsam entwickelt wird, liegt auch an den nun etwas besseren politischen Beziehungen und der Verlängerung des Pachtvertrages für Baikonur. Unter Puttin wollte er ja sogar einen neuen kosmodron aufmachen.
    Ich glaube nicht das die Falcon 9 eine Bedrohung für Proton wird. Sie hat die Nutzlast einer Sojus und nicht den geographischen Vorteil von Kourou und auch keine so gute Bilanz. Die Falcon Heavy ist wiederum zu groß – sie kann preislich mit der Proton mithalten, aber von Vandenberg aus wird man keinen GTO erreichen….

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