Ab zum Mond

Ihr wisst ja ich bin SpaceX Kritiker, doch ich mache mir auch Gedanken, zum Beispiel welchen Sinn die ganzen Entwicklungen haben. Ich weiß, das klingt bei SpaceX schon verrückt, aber ich gehe davon aus, dass diese Firma wirklich Gewinne machen muss. Das bedeutet dass ihre Produkte sich nach der Nachfrage richten müssen. Auf gute deutsch: es macht keinen Sinn etwas zu entwickeln, dass keiner haben will.

Ich könnte dazu viel sagen, doch will ich mich auf die Falcon Heavy konzentrieren. Sie soll 45 t Nutzlast für eine LEO Bahn aufweisen, 53 t mit „Cross-Feeding“, das im Prinzip aus den beiden äußeren Boostern eine erste Stufe macht und die Zentralstufe zur zweiten, während es ohne Crossfeeding nur eine Stufe ist. Über die Nutzlast in höhere Bahnen macht die Seite von SpaceX keine angaben.

Wie immer bei SpaceX gibt es etwas Rätselraten, warum die Rakete entwickelt wurde. Also sie orientiert sich ja nicht nach einem vorhandenen bedarf. Vor der letzten Designänderung war es ja noch die „Falcon 9 Heavy“ für die es auch die Nutzlastangaben für andere Orbits gab und diese Rakete wurde entwickelt, weil SpaceX bei ihrer ersten Bewerbung für die EELV Kontrakte die ablehnende Rückmeldung bekam, dass dafür Starts von Vandenberg aus nötig sind und die Falcon 9 zu klein ist, also eine zu geringe Nutzlast aufweist.

Das SpaceX diesen Markt anvisiert, hat sie auf ihrer Seite zeitgleich zu der Vorstellung der Falcon Heavy klar gemacht und inzwischen wird ja auch ein Launchpad für die Falcon 9/Heavy dort umgebaut. Nur hätte dafür schon die alte Version mit 32 t LEO-Nutzlast / 15 t GTO Nutzlast (SpaceX Angaben) ausgereicht, denn die bisher größte US-Trägerrakete die Delta 4 Heavy hat nur 21 t LEO und 10 t GTO Nutzlast und die viel häufiger eingesetzten Versionen der Atlas V liegen nochmals niedriger.

Das die Falcon Heavy für alle Nutzlasten die es sowohl von der Regierung wie auch auf dem freien Markt gibt zu groß ist, ist unstrittig. Sie hat bisher auch nach SpaceX Launchmanifest noch keinen Auftrag. Nach neueres Berichten wird sich dies in den nächsten Jahren auch nicht ändern. NRO und DoD haben sich wieder für ULA entschieden und die NASA möchte einige Delta 2 kaufen. Man könnte nun spekulieren, dass die Firma vielleicht hofft, die NASA wird sie als Schwerlastträger wählen. Doch die entwickelt zumindest zur Zeit dafür die SLS (das kann in ein paar Jahren wieder anders aussehen, wie wir bei den Turbulenzen um Constellation ja schon wissen). Selbst wenn, dann gibt es immer noch keinen Einsatzzweck, was auch ein Kritikpunkt an der SLS ist – es gibt kein Programm das eine solche Trägerrakete erfordert.

Also dachte ich mir: Wofür kann man die Falcon Heavy brauchen? Und da habe ich mich an eine Meldung vor einigen Jahren erinnert. Da bot jemand an, Touristen für 100 Millionen Dollar auf eine Vorbeiflugbahn um den Mond zu schicken. Sie wären in einer Sojus auf die Reise gegangen und eine Proton hätte sie auf den Weg gebracht. Die Nutzlast der Proton für die Fluchtgeschwindigkeit beträgt etwa 7-8 t, das reicht zwar für das Sojusraumschiff aus, aber nicht um in eine Mondumlaufbahn einzuschwenken. Inzwischen hat das Unternehmen Space Adventures auch einen Kunden.

Die Falcon Heavy ist nun doppelt so leistungsfähig. Reicht das aus um in eine Mondumlaufbahn zu erreichen? Zeit dem nachzugehen. Zuerst mal die Nutzlast der Falcon heavy. Elon Musk gab in der Vorstellung der Rakete eine Nutzlast für Marsmissionen (auf Rückfrage eines Journalisten) mit 13 t an. Zum Mond braucht man etwas weniger Geschwindigkeit (11 zu 11,5 km/s). Berücksichtigt man eine recht geringe Masse der Oberstufen von 2 t (bei mehr wird der Gewinn noch größer), so entspricht dies 15,5 t zum Mond.

Die Dragon wiegt trocken nach diesem Dokument 4,9 t. Dazu kommt natürlich noch Treibstoff (für Erdorbitmissionen bis zu 1,25 t, doch wird für die Mondmission nur Treibstoff für kleine Kurskorrekturen benötigt), die Besatzung und ihre Versorgung. Da SpaceX vor wenigen Tagen erneut betont hat dass in ihre 10 m³ große Kapsel sieben Astronauten reinpassen und sie auch für bemannte Flüge qualifiziert ist, bin ich auf die Idee gekommen, doch mal die Dragon auf eine Mondumlaufbahn zu schicken.

So könnte es ablaufen: Die Falcon Heavy bringt die Dragon auf den Mondkurs. Es gibt wenn man nach etwa 4 Tagen am Mond ankommt zwei Möglichkeiten:

  • die Oberstufe ist gut isoliert und wird zum Einbremsen in die Mondumlaufbahn genutzt und um diese zu verlassen
  • Es wird ein integriertes Antriebssystem der Dragon genutzt. Die Triebwerke dafür werden ja für das Rettungssystem schon entwickelt, was benötigt wird, ist mehr Treibstoff.
  • Oder wie bei Space Adventures einfach nur einen Umflug (ist natürlich nicht so spektakulär)

Zu beiden Möglichkeiten: Natürlich ist es aufwendig LOX längere Zeit kühl zu halten, doch es ist nicht unmöglich und war schon bei Apollo Stand der Technik. Und wenn die Stufe geborgen werden soll, braucht sie ja eh einen Thermalschutz, also unmöglich ist dies nicht. Das Merlin Triebwerk ist schubstark genug um die Dragon in eine Umlaufbahn und wieder aus dieser heraus zu bringen.

Das zweite ist das integrierte Rettungssystem, dass SpaceX gerade für 75 Millionen Dollar im Auftrag der NASA entwickelt. Dort sollen handelsübliche Triebwerke die mit lagerfähigen Treibstoffen arbeiten verwendet werden. Wenn es die Kapsel aus der Explosionszone bringen kann, dann ist es auch schubstark genug für Bahnmanöver. Was angepasst werden muss ist noch der Treibstoffvorrat.

Je nachdem wie man zum Mond gelangt, braucht man rund 900 bis 1000 m/s Korrekturvermögen um in eine Umlaufbahn einzuschwenken oder dieser zu verlassen. Bei diesen Werten lag zumindest Apollo. Wenn keine kreisförmige Umlaufbahn gewünscht wird (ist auch nicht zwingend nötig), so kann man das noch etwas reduzieren auf rund 800 m/s. Doch nehmen wir mal den höchsten Wert 2000 m/s für Einschwenken und Verlassen, dann bleiben bei der ersten Lösung und dem spezifischen Impuls des Merlin Vacuums noch 9,4 t von 17,5 t Anfangsmasse übrig. Davon entfallen dann 2 t auf die leere Stufe was noch 7,4 t für die Dragon übrig lässt – rund 2.200 kg mehr als sie trocken wiegt. Das wird also knapp, denn die Astronauten, aber auch Innenausrüstung und Treibstoff wiegen ja auch noch was. Weiterhin sind 2 t relativ wenig für die Oberstufe, Wenn sie größer als die derzeitige ist so können es leicht 3-4 t sein, und dann bleibt fast nichts mehr übrig. Wenn man nur 800 m/s braucht so sind es noch 10.7 t, was dann ausreichen müsste auch bei einer schwereren Oberstufe. Wobei das neue Merlin Vakuum auch einen etwas höheren spezifischen Impuls haben soll, was den treibstoffverbrauch auch etwas reduzieren wird.

Die zweite Lösung ist noch schwerer abschätzbar, da der spezifische Impuls des Antriebssystems unbekannt ist. Nimmt man 3150 m/s, einen typischen Wert für die Ausströmgeschwindigkeit bei lagerfähigen Treibstoffen entspricht und ein Voll/Leermasseverhältnis von 8 an, ebenfalls ein typisches Verhältnis für Satellitenantriebe, so kommt man auf eine Trockenmasse von 8,2 t bei 2000 m/s Geschwindigkeitsveränderung und 9,3 t bei 1600 m/s. Rechnet man die Treibstofftanks und Triebwerke weg, lässt das dann noch 7,3 t für 2.000 m/s und 8,5 t für 1.600 m/s für Kapsel, Ausrüstung etc. übrig. Das ist dann ein Polster von mindestens 2 t für Ausrüstung, Treibstoff und Versorgung/Besatzung. Es sollte also möglich sein.

Vor allem ist es preiswert: SpaceX rechnet vor, dass ein Sitz in den Erdorbit nur 20 Millionen Dollar kostet. Das sind bei sieben Astronauten und einem Start auf der Falcon 9 140 Millionen Dollar pro bemannter Start. An Mehrkosten käme nun nur noch die Preisdifferenz zwischen Falcon 9 und Heavy dazu, dass sind nach SpaceX Angaben zwischen 36 und 780 Millionen Dollar, je nachdem ob ich von den Preisspannen den höchsten Preis der Falcon 9 von dem niedrigsten der Falcon heavy abziehe oder umgekehrt. Weiterhin wird bei Touristen mindestens ein Besatzungsmitglied wohl ein ausgebildeter Astronaut sein (oder die Besatzung macht alles selber oder die Kapsel wird von der Erde aus gesteuert), es werden also nur sechs bezahlte Sitze sein. Doch nehmen wir selbst diesen Fall an – 210 Millionen Dollar Startkosten, 6 Touristen, dann sind das nur 35 Millionen Dollar pro Person (dreimal billiger als bei den Russen und nicht nur ein Vorbeiflug, sondern ein Aufenthalt in der Mondumlaufbahn!) und nur etwas teurer als das letzte Touristenticket zur ISS (25 Millionen Dollar). Wenn die Preisspanne in der Mitte liegt (45 Millionen Dollar Differenz und sieben Touristen fliegen), dann nähert sich der Trippreis sogar  dem zur ISS an (26,4 Millionen Dollar). Problematisch wird es nur sein die Zeitpläne von sieben Touristen zu koordinieren.

Und da die Dragon auf dem Mars landen kann, könnte sie auch auf dem Mond landen. Dazu benötigt SpaceX noch etwas mehr Treibstoff, aber mit einigen Flügen mehr und Treibstoffdepots in der Erd- oder Mondumlaufbahn wäre auch das möglich. Warum die Firma wo doch Elon Musk mal selbst zum Mars wollte nicht Flüge zum Mond anbietet ist mir ein echtes Rätsel.

aber die Interessenten sollten sich beeilen, denn SpaceX wird schnell teuer. Als die Falcon 9 2005 angekündigt wurde sollte sie 27-36 Millionen Dollar kosten. Nun sind es schon 54-60 Millionen Dollar. Die Falcon 1 ist von 2002 bis heute von 4,9 auf 11 Millionen Dollar geklettert und die Falcon Heavy von 78 auf 120 Millionen Dollar. Wenn das so weiter geht ist SapceX in etwa 5 Jahre genauso teuer wie Arianespace …

3 thoughts on “Ab zum Mond

  1. Schöner Artikel!

    Das benötigte Delta-V zum Einschwenken in einen Mondorbit ist sogar noch deutlich kleiner, wenn man eine starke Exzentrität der Bahn zulässt. Vom Prinzip her sollte es schon reichen, in 100 km Höhe über dem Mond ca. 200 m/s abzubauen, um in einem Mondorbit gefangen zu bleiben.

    Ein solches stark elliptisches Mondorbit ist allerdings nicht stabil, und es besteht die Gefahr, dass man auf der Mondoberfläche aufschlägt, wenn man zu lange in dem Orbit bleibt. Allerdings kann man in einer kommerziellen Touristenmission diesen Umstand auch gezielt ausnutzen: Schon der Flug 100 km über der Mondoberfläche ist spektakulär. Wenn nun pro Orbit die Höhe beim Perigäum weiter sinkt, wird der Blick also immer spektakulärer. Beim letzten Orbit saust man in vielleicht nur noch 1 km Höhe mit ca. 2,4 km/s über die Mondoberfläche dahin. Danach zündet die Rückkehrrakete. Versagt diese, müssen die Lageregeldüsen ran, das Orbit stabilisieren und das nötige Delta-V über mehrere Orbits verteilt aufbringen.

    Kai

  2. Dürfte ich fragen mit welcher hyperbolischen Exzessgeschwindigkeit Du rechnest? Bei üblichen Annäherungsgeschwindigkeiten wie sie bei Übergangsbahnen vorliegen erhältst Du mit 200 m/s vielleicht noch einen Mondorbit, aber der ist nicht stabil und die Umlaufszeit ist auch zu hoch. Für Orion rechnet man mit 1908 m/s für Einbremsen und Verlassen des Mondorbits. Man mag bei einem exzentrischen Orbit davon vielleicht 400-500 m/s einsparen können, aber sicher nicht 1500 m/s.

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