Ein Kommunikationsproblem Teil 2

So, nun geht es weiter mit der Lösung des Kommunikationsproblems, das ich gestern andiskutiert habe.

Zuerst einmal kann man funktechnisch einiges verbessern. Die US-Sonden hatten nur wenige Watt Sendeleistung. Bei einer Lebenszeit von maximal drei Stunden (mit 1 Stunde Abstiegszeit) kann man ohne Problem mit hoher Sendeleistung senden, da die Batterie nicht viel mehr wiegt. Irgendwann wird dann der Sender dann aber auch sehr schwer, doch 100 Watt sollten möglich sein, Das ist immerhin der vierfache Wert von der großen Pioneer-Venus Sonde. Eine weitere Optimierung besteht darin, dass man nicht eine Rundstrahlantenne nimmt, sondern 7 Antennen mit einem je 70 Grad – eine in der Mitte, sechs außen. Das bringt einen weiteren Gewinn um den Faktor 5,6. Zusammen ist dies dann schon der Faktor 13,1 oder 3600 Bit/s. Das ist dann die Datenrate von Venera 11-14. Eine höhere Sendefrequenz als das in Pioneer Venus eingesetzte S-Band bei 2291 MHz ist wahrscheinlich wegen der dichten Atmosphäre nicht möglich.

Das sinnvollste ist es die Daten aus dem Orbit oder nahe der Venus zu empfangen. Hier gibt es drei Möglichkeiten:

Die offensichtlichste: wir benötigen einen Bus um die Sonde zur Venus zu bringen. Rüstet man diesen mit einer großen Empfangsantenne aus, sonst hat er ja keine andere Funktion, so kann man aufgrund der nahen Distanz viel mehr Daten übertragen als bei einer wesentlich größeren Antenne auf der Erde, einfach weil die Sonde 1000-mal näher an der Oberfläche ist. Die Datenrate nimmt dabei zu, wenn man sich der Venus nähert. Geht man von einer Minimaldistanz von 6000 km aus und zwei Stunden Sendezeit mit hoher Datenrate (Bilder) (das sind 30 Minuten vor und 90 Minuten nach der Landung), so kann man mehr als 680 kBit/s übertragen. Die Sonde ist dann in rund 46000 km entfernt (Ankunftsgeschwindigkeit rund 3000 m/s im Unendlichen). Die Datenrate nimmt dann rasch zu und erreicht in Minimalentfernung 39,7 Mbit/s. Bei einer nominellen Mission müsste in 23700 km der Punkt „Landung +15 min“ erreicht sein, bei einer Datenrate von 2,6 Mbit/s

Die Sonde kann dieses Verhalten nutzen, indem sie einen Empfänger hat der ein Funksignal des Busses empfängt. Übersteigt die Stärke ein gewisses maß kann man die Datenrate erhöhen.

Die zweite Option ist ein in einer Umlaufbahn befindlicher Orbiter. Hier gibt es zwei Optionen. Die eine ist ein Orbiter in einer elliptischen Umlaufbahn wie Venus Express. Ein solcher Orbiter hat, wenn der Landepunkt richtig gewählt wird (möglichst unter dem Fußpunkts des Apogäums) sehr lange Kontakt, Bei Venus Express sind es rund 16 Stunden pro 24 Stunden Umlaufszeit. Dafür ist er auch weiter entfernt (bis zu 66.000 km) und er hat auch eine kleinere Antenne (1,5 m). So ist er zuerst einmal eine schlechtere Option, allerdings nur, für diesen konkreten Fall. Ein Orbiter könnte natürlich auch eine größere Antenne einsetzen und sofern er genügend Treibstoff hat, die Umlaufbahn anpassen. Reduziert man das Apogäum auf 20.000 km, so hat man immer noch mindestens 2 Stunden Funkkontakt, befindet sich aber im Mittel in einer niedrigeren Entfernung von der Oberfläche. Vor allem resultiert hier so eine größere Dauerdatenrate, auch wenn die Spitzendatenrate kleiner ist. Was besser ist? Das hängt von der Missionsdauer ab. Bei einer Vorbeiflugsonde nimmt die Datenrate enorm rasch zu. Die letzten 2000 s ist sie näher an der Venus als der Orbiter. In den letzten zwei Minuten kann sie so viele Daten übertragen wie zum Orbiter in 20.000 km Entfernung in 19 Minuten. Fällt die Sonde vorher aus, so hat man die Daten aus größerer Entfernung (niedrige Datenrate) und lebt sie länger, so kann man dies nicht nutzen (mehrmals bei Venussonden und Huygens vorgekommen), weil der Bus den Planeten passiert hat.

Die dritte Möglichkeit ist ein erdnaher Orbiter. Ein Radarorbiter hätte z.B. wahrscheinlich eine kreisförmige venusnahe Bahn. in 1000 km Entfernung wird der Startort innerhalb von 18 Minuten passiert. Streuungen am Horizont und Hindernisse abgerechnet, bleiben dann noch 12-15 Minuten. Allerdings ist die Distanz nun nochmals näher: maximal 3.900 km, minimal 1000 km. Selbst mit einer kleinen Parabolantenne kann man in diesen 12 Minuten daher erheblich mehr Daten übertragen als in zwei Stunden zu einer größeren Entfernung. Dafür ist das Timing sehr bedeutend: Ist man zu früh dran, so verpasst man vielleicht die Oberflächenaufnahmen. Ist man zu spät dran, so haucht die Sonde vorzeitig das Leben aus. Ein dauernder Kontakt existiert zudem nicht, was die Mission nochmals problematischer macht. Verstummt die Sonde bei der Landung oder vor der Passage, so hat man nämlich dann gar keine Daten. Geht man auf eine 2000 km hohe Umlaufbahn, so steigt die Überflugsdauer auf 30 Minuten. Hinsichtlich der Datenrate ist dies das Optimum, doch insgesamt erscheint es doch zu riskant.

Was ist nu die beste Lösung? Ein venusnaher Orbiter erscheint zu riskant das Restrisiko ist groß, dass man gar keine Daten bekommt. Ein Orbiter auf einer elliptischen Umlaufbahn ist besser geeignet, wenn man seine Umlaufbahn so anpassen kann das er möglichst nahe der Venus ist, aber noch die volle Betriebsdauer der Sonde abdeckt. Das wäre bei einer 200 x 20.000 km Umlaufbahn gegeben. Eine Einschränkung bei beiden Orbitern besteht darin, dass der Landepunkt auf deren Umlaufbahn angepasst werden muss.

Ist die Umlaufbahn nicht anpassbar oder hat dieser Orbiter nur eine kleine Empfangsantenne, so ist ein Bus besser geeignet. Bei ihm ist es kein Problem eine 4 m große Kommunikationsantenne einzubauen, denn er hat ja nicht die Aufgabe in einen Orbit einzuschwenken. Das Gewicht ist daher weniger stark limitiert. Auch kann bei ihm der Landepunkt freier gewählt werden.

Bei dem gewählten Szenario könnte eine Datenmenge von 1,24 Gigabit in 75 Minuten übertragen werden. Auf die Zeit in der man Videoaufnahmen anfertigen kann (15 Minuten vor und nach der Landung), so sind dies 498 MBit. Das wäre ausreichend für 144 Bilder im Format der MARDI Abstiegskamera von Curiosity (1200 x 1200 Pixels), oder rund 20 kompletten Szenen.

Was bei dem Bus nicht geht ist, dass er sich zu sehr der Venus nähert, denn dass bedeutet, wenn er nicht in die Atmosphäre eintreten soll, dass die Sonde dann an den Planetenrand (vom Bus aus gesehen) abgesetzt werden muss, nur diese Zone kann nahe passiert werden ohne das der Bus selbst in die Atmosphäre eintritt. Das ist riskant (flacher Eintritt in die Atmosphäre mit dem Risiko nur abgebremst zu werden aber sie wieder zu verlassen. Er darf aber nicht verglühen, weil er ja nur eine große Antenne hat. Er kann mit einer zweiten (kleineren) Antenne nicht den empfangenen Datenstrom life zur Erde übertragen, dafür ist die Datenrate zu hoch. Worst-Case ist ein Absetzen der Landesonden in der Mitte der Planetenscheibe (wieder vom Bus aus gesehen). Dann kann bei einer Passage des Randes in 300 km Entfernung die Distanz bis zu 8800 km betragen.

Beim Bus erscheint es als die beste Strategie den Punkt der Minimaldistanz so zu legen, dass er mit dem wahrscheinlichsten Ausfallzeitpunkt zusammenfällt. Fällt die Sonde vorher aus, so hat man den Punkt noch nicht erreicht, damit auch die Zone maximaler Datenrate. fällt sie danach aus, so hat man Übertragungszeit verloren. Da diese aber hinten angehängt wird (=große Entfernung) ist dies zu verschmerzen. Bei einem nominellen Ausfall nach 90 Min würden +/-15 Minuten folgendes ausmachen:

  • zu früher Ausfall: Verlust von 12,7 Gigabit Daten (wegen des rapiden Anstiegs zum Schluss hin) von 22,7 Gigabit (also der größte Teil)
  • zu später Ausfall: Verlust von 0,8 Gigabit Daten

Es ist also besser die Sonde zu passieren wenn sie noch aktiv ist, auch wenn man so Daten verliert, als wenn man mit einer langen Übertragungszeit rechnet und der Lander verstummt schon in großer Entfernung des Busses vom Planeten und damit einer niedrigen Datenrate.

3 thoughts on “Ein Kommunikationsproblem Teil 2

  1. „Die dritte Möglichkeit ist ein erdnaher Orbiter.“ -> Du meinst wohl „venusnah“.

    Ansonsten wäre ich mit dem „Bus“-Konzept vorsichtig. Klar ist es am attraktivsten, weil nur eine Mission nötig ist: Eintrittssonde und „Bus“ können gemeinsam starten; einige Wochen vor dem Venus-Eintritt wird die Eintrittssonde abgetrennt und der Bus ändert seine Trajektorie auf Vorbeiflug und bremst etwas, so dass er erst nach der Sonde bei der Venus ankommt. Doch ergibt so eine große high-gain-Antenne auf dem Bus auch einen ziemlich großen „single point of failure“: Während der größten Venus-Annäherung muss die ja recht schnell (einige Grad pro Minute) rotiert werden und dennoch sehr genau (einige Bogensekunden) ausgerichtet werden und das ganze bei sich ändernden thermischen Belastungen (die große Antenne wirft Schatten, die sich bei der Rotation ändern; evtl. tritt man auch in den Venusschatten ein).

    In der jüngeren Vergangenheit gab es schon mal die Panne, dass die Entwickler den Dopplereffekt zwischen Sendersonde und Empfängerrelay bei der Frequenz berücksichtigt hatten, jedoch nicht bei der Signalrate, und folglich der Empfänger den Datenstrom nicht richtig decodieren hätte können: Bei Cassini/Huygens wäre der Huygens-Lander so beinahe gescheitert, wenn das Problem nicht doch noch rechtzeitig bei einem Bodentest aufgefallen wäre, mit dem Eigenschaften des schon gestarteten Satelliten geprüft wurden. Anschließend war genug Zeit, die Cassini-Trajektorie so zu ändern, dass der Dopplereffekt zwischen Cassini und Huygens ausreichend klein bleiben würde. Es gibt also leider genug, was bei der an sich „einfachen“ Kommunikation zwischen zwei Raumfahrzeugen schieflaufen kann.

    Kai

  2. Kann mir einer helfen, daß ich mir das mal bildhaft vorstelle?

    Eine Venusmission hebt ab in ein Orbit in Richtng der Erdrotation.
    Es beschleunigt dann (ca.) auf die 2. kosmische Geschwindigkeit im Orbit so, daß sich das Apogäum dieser Bahn „hinter“ der Flugrichtung der Erde um die Sonne befindet. Somit ist seine relativgeschwindigkeit zur Sonne langsamer als die der Erde und es tritt in einen eliptischen Orbit um die Sonne ein, dessen Apohel auf Höhe der Erdbahn, das Perihel auf Höhe der Venusbahn liegt.
    Wie groß ist dann bei Ankunft die Relativgeschwindigkeit zur Venus?

    Ich stelle mir gerade die Rückkehrbahn Apollos zur Erde vor.
    Da lag der Landepunkt, aus Richtung Mond gesehen, auf der anderen Seite der Erde.
    Wenn ich mir das selbe bei einer Venusmission mit Lander und Vorbeiflug-Relaisstation vorstelle, kann ich mir noch nicht die Bahnen eben des Landers und des Busses/Relaisstation wirklich vorstellen.
    Auch, von der Erde betrachtet, auf der Rückseite?
    Oder holt die Venus die Flugkörper ein und alles passiert auf der erdzugewandten Seite?

    Im Perihel müsste die Sonde schneller als die Venus sein und Venus und Erde ungefähr in Konjunktion.
    Die Relaisstation müsste als in Flugrichtung vor der Venus positioniert werden weil der Landepunkt auf der in Venusflugrichtung „vorderen“ Seite sein müsste.
    Stelle ich mir mal so vor, weis ich aber nicht.

    Bernd

  3. Die Sonde beschleunigt gegen die Erdbahn, wird also verlangsamt und „fällt“ Richtung Sonne.

    Die Tochersonde(n) werden vor der Ankunft abgetrennt und schlagen eine Bahn ein, die zur Venusoberfläche führt, die Hauptsonde muss die Venus nahe passieren (vor oder nach ihr in Bahnrichtung). Die maximale Distanz zur sonde (beim Zeitpunkt der minimaler Vorbeiflugshöhe) liegt dann bei etwas mehr als einem Venusradius also unterhalb von 7000 km. Je näher sie aber der sonde ist, desto höher steht sie am Horizont. De fakto würde ich von maximal 10.000 km ausgehen.

    die erde ist dann (abhängig vom Startdatum) rund 50 Millionen km entfernt. Meistens passiet man die Venus etwas vor oder nach Konjunktionszeitpunkt. Bei Pioneer Venus waren es z.B. 52 Millionen km.

    Der Bergleich mit dem Mond ist schlecht, denn die Asronauten wollten da ja zurück, sie mussten daher auf der rückseite beschleunigen, weil das der erdfernste Punkte der Bahn ist.

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