Sveriges Riksbanks pris 2013

Moin,

während beim Friedensnobelpreis 2009 oder 2011 schon für den Laien erkennbar ist, dass dies ein politischer Gefälligkeitspreis ohne Substanz ist, ist dies beim selbst ernannten Wirtschaftsnobelpreis nur für Eingeweihte möglich.

Daher mag ich mal den aktuellen Reichsbankpreis auseinander nehmen:

Der diesjährige Preis geht an Eugene Fama, Lars Peter Hansen, und Robert J. Shiller für ihre „empirische“ Analyse von Anlangenpreisen. Das Wort empirisch legt eine wissenschaftliche Arbeit nahe, doch dem ist leider nicht so.

Derzeit ist dies die dominante Theorie der Finanzökonomie, die in den 80ern und 90er Jahren zu einer Deregulierung der Finanzmärkte, und in deren Folge zur Bankenkrise, Eurokrise, und der Austeritätspolitik geführt hat, an der Europa leidet. Leider ist sie völlig haltloses Wunschdenken.

Diese Theorie fußt auf den Ideen der effizienten Markthypothese (EMH) und der optimalen Sicherheitspreistheorie (OPT). Beide beruhen auf unrealistischen Annahmen, die jeder durchschaut, der nicht vom der Mainstream Volkswirtschaftslehre indoktriniert ist.

Die EMH behauptet, dass jede Information zur Bestimmung des Preises von Sicherheiten allen Marktteilnehmern bekannt ist. Für längerfristige Anlagen müssten nicht nur der derzeitige Cashflow, sondern auch der zukünftige Markt bekannt sein. Dies ist jedoch unmöglich, so lange noch keine Zeitmaschine erfunden wurde.

Diese Annahme wird dann in das Kapital Anlagen Preis Modell (CAPM) übertragen, bei dem die Marktteilnehmer Risiken und Ertrag der Anlagen gegeneinander abwägen. Marktpreise von Anlagen sollten demnach selbstständig zu einem Gleichgewicht führen (OPT). Jeder der sich schon mal die quasi zufälligen Bewegungen auf dem Aktienmarkt oder Währungsmarkt angeschaut hat, sieht sofort dass von einem Gleichgewicht keine Rede sein kann. Das CAPM hat zudem noch weitere völlig unrealistische Annahmen, z.b. das alle Marktteilnehmer das selbe Portfolio haben, niemand gegen Sicherheiten wettet, und niemand pleite geht.

Jeder der bei klarem Verstand ist, sollte demnach eine Theorie die auf solch unhaltbaren Prämissen beruht in die Rundablage befördern, nicht jedoch die Reichsbank. Der Grund ist, dass der sogenannte Positivismus von Friedman inzwischen zum Glaubensbekenntnis der neoliberalen Wirtschaftswissenschaften geworden ist, die besagt dass der Realismus von Annahmen unwichtig ist, um daraus Theorien zu entwickeln, wenn die Vorhersagen der Theorie durch Computersimulationen nachvollziehbar sind.

Aber wenn von völlig falschen Annahmen ausgegangen wird, um dann mit Logik auf Hypothesen zu schließen, so können diese niemals ein Abbild der Realität bieten. Shit in, Shit out!

Wirtschaftswissenschaftliche Computertests können höchstens andeuten, jedoch nicht beweisen, ob eine Theorie richtig ist. Mit heutigen Computermethoden ist es möglich Millionen von Tests für eine Hypothese zu machen. Jeder dieser Test kann beliebige Datenquellen, Zeitintervalle, empirische Methoden zum Messen von Variablen, Funktionen, und Verzögerungen beinhalten. Zum Beispiel können die Erwartungen von Investoren über den zukünftigen Cashflow eines Unternehmens von beliebigen Annahmen abhängen. Mit dieser Methode kann jede Hypothese „bewiesen“ werden, wenn ich nur lang genug an den Parametern des Computermodells drehe. Daher können immer alle Seiten einer Debatte Evidenz für ihre Theorien beanspruchen.

Leider lassen sich positivistische Theorien nicht durch die Realität falsifizieren. Stattdessen ist es üblich dann einfach weitere Computertests mit alternativen Spezifikationen und Parametern durchzuführen, um wieder auf das reale Ergebnis zu kommen. Im Nachhinein lässt sich damit alles vorhersagen.

Keynes und Minsky haben den Aktienmarkt realistischer als Spielbank bezeichnet. Möglicherweise haben sie deswegen nie einen Reichsbankpreis bekommen.

ciao,Michael

18 thoughts on “Sveriges Riksbanks pris 2013

  1. Interessanter Beitrag. Wäre noch anzumerken, dass einer der drei, ich glaube Shiller schon immer ein Kritiker dieser Theorien war und nach Meinung eines deutschen Kritikers dieser Theorien (ja, es gibt welche, aber es sind wenige) eher so eine Art Alibifuntion erfüllt, damit einer vollständigen Betrachtungsweise genüge getan ist. Auf einen entsprechenden Artikel hatten die Nachdenkseiten jedenfalls kurz nach der Bekanntgabe hingewiesen. Ausserdem gab es kurz danach auch noch ein Interview mit dem Kritiker unter den Dreien, das auch über die Nachdenkseiten verlinkt ist, wenn ich mich jetzt nicht irre. Daran ist u.a. interessant, dass es in einer Wirtschaftszeitung erschien, die ansonsten eher den Ruf hat, dem wirtschaftlichem Mainstream verbunden zu sein.

  2. Wenn man realistisch wäre, dann hätte der ganze Spaß längst in Spielbankpreis umbenannt werden müssen.
    Computersimmulationen mit unrealistischen Ausgangswerten als bare Münze zu nehmen klingt sehr nach unserer „Lieblingsfirma“. Scheint wohl ansteckend zu sein.

  3. Ich habe es schon mal angesprochen in einem eigenen Beitrag: Wirtschaftswissenschaft sehe ich schon nicht als wissenschaftlich an. Und wenn jemand in den Naturwissenschaften das Wort „empirisch“ ausspricht dürften seine Kollegen nur die Nase rümpfen, das heist dort das er etwas nicht beweisen kann oder will. Empirische Ergebnisse das sind solche wie durch Bfragungen von Passanten gewonnenen bei Sozialwissenschaften wo das Wort gang und gäbe ist.

    Es gibt genügend Beweise das so ziemlich jede Wirtschafttheorie die ich kenne falsch ist so hat man mal Studenten Börse spielen lasen mit dem kleinen Unterschied das sie vorher wussten, das alle ihre Aktien zu einem bestimmten Zeitpunkt nichts mehr wert waren (kann bei bestimmten Formen wie Optionssheinen oder Warentermingeschöften sogar in der realität so sein). Das Resultat: die Kurse gingen immer höher bis kurz vor dem Termin um dann ins bodenlose zu fallen, genauso wie in Wirklichkeit bei der immobilienblase

    Oder man muss nur den DAX ansehen als Gradmasss für den Wert der Unternehmen. Der ist in 5 Jahren um fast das dreifache gestiegen. Sind die Firmen aber heute dreimal mehr wert als vorher? haben sie dreimal so viel Kapital in Form von Gebäuden, Anlagen, Rücklagen? Natürlich nicht.

    Weil die ganze Wirtschaft völlig irrational reagiert kann man jede Theorie dazu vergessen.

  4. Moin Hans,

    die Nachdenkseiten lohnen sich häufig, wenn ich doch mehr Zeit hätte. So habe ich diesen Artikel erst durch deinen Hinweis gefunden.

    http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=18929

    Leider wurde dieser Preis „for their empirical analysis of asset prices“ vergeben, und nicht für die Kritik an dieser so genannten „empirischen“ Analyse. Und so kann ich zu Shiller leider nur sagen: „Mitgegangen, Mitgefangen, Mitgehangen“. Wenn man sich nicht einzeln mit den Autoren auseinandergesetzt macht dieser Preis den Eindruck als hätte Shiller die Ideen seiner Kontrahenten akzeptiert.

    Danke dass Du diesen Widerspruch nochmal aufgezeigt hast. Ich hab quasi den selben Fehler, der wohl von der Reichsbank beabsichtigt war gemacht, und Shiller in den selben Topf geworfen.

    Dazu passend eine ältere Ausgabe der Süddeuschen Zeitung:

    http://www.sueddeutsche.de/geld/robert-shiller-im-interview-kapitalismus-ist-nicht-fuer-die-reichen-da-1.25856-2

    Zitat: „SZ: Ist die Theorie der effizienten Kapitalmärkte gescheitert?

    Shiller: Ich habe diese Theorie bereits 1984 als „den größten Irrtum in der Geschichte ökonomischen Denkens“ bezeichnet. Sie hat mit zu den Problemen geführt, die wir heute haben. Märkte sind nicht klüger als jeder Einzelne von uns. Die meisten Kursbewegungen sind bedeutungslos, sie haben nichts mit relevanten Informationen zu tun, sondern nur mit Moden und Verrücktheiten. Trotzdem war die Theorie irgendwann so sehr akzeptiert, dass man kaum einen Lehrstuhl bekam, wenn man nicht daran glaubte.“

    Und genau daran liegt das Problem der Volkswirtschaftslehre, dass diese Dogmen anbetet, und es ähnlich unmöglich ist diese zu kritisieren, wie es bei Religionen der Fall ist.

    Die meisten Wirtschaftstheorien sind leider „not even wrong“ um das mal mit den Worten von Wolfgang Pauli zu sagen.

    ciao,Michael

  5. Moin Bernd,

    > Und wenn jemand in den Naturwissenschaften das Wort “empirisch” ausspricht dürften seine Kollegen nur die Nase rümpfen

    *aehm* Über „empirisch“ die Nase zu rümpfen ist wohl seit der Scholastik des Spätmittelalters überholt. Die einzigen nicht empirischen Wissenschaften sind die Mathematik und wenn Du das als Wissenschaften bezeichnen willst die Geschichte, Religion und Philosophie. Ohne Empirismus wäre auch deine Chemie noch im Zustand der Alchemie, und die Astronomie noch eine Astrologie.

    Leider ist die EMH eben nicht empirisch, sondern basiert auf Computersimulationen und der positivistischen Methode nach Friedman.

    ciao,Michael

  6. Wenn Du neben Volkswirtschaft und Informatik auch mal Chemie angefangen hättest zu studieren, dann wüsstest du das „empirisch“ zumindest in der Chemie ein Begriff „non grata“ ist. Da zählen Experiment und Nachvollziehbarkeit. Mit dem bin ich erst in Kontakt gekommen als ich für einen befreundeten Sozialpädagogen ein Programm zur Auswertung von Fragebögen geschrieben habe. Bei deren Fachvokabular kommt das Wort extrem häufig vor. Damals musste ich noch im Lexikon nachschlagen was es bedeutet…

  7. Ja was soll’s: Beim quasi-religiösen menschenverursachten Klimawandel wird doch genauso verfahren (und der kommt definitiv nicht aus der neoliberalen Ecke).

  8. Moin,

    *ok* Chemie hatte ich nur als Grundkurs in der Schule, und dort sind wir nie über das was als heute als empirische Chemie bezeichnet wird, d.h. Verhältnisformeln, hinausgekommen.

    Ohne dieses empirische Zeitalter wäre aber auch die Chemie eine Alchemie geblieben. Zudem frage ich mich, wie lässt sich z.b. die ED50 und die LD50 ohne Empirismus bestimmen?

    Ich bleibe also erstmal dabei, dass Empirismus eine Voraussetzung ist, um eine Wissenschaft aus Dogmatismus und Scholastik zu befreien. Und dass die Mathematik die einzige Wissenschaft ist, die ohne Empirie auskommt.

    Wichtiger Unterschied zwischen dem, was ich jetzt mal salopp als echte Empirie bezeichne, und dem was in den Wirtschaftswissenschaften üblich ist, ist das Empirie der Falsifikation dient, und sich die positivistischen Theorien der Wirtschaftswissenschaften genau dieser Falsifikation entziehen.

    ciao,Michael

  9. WIKIPEDIA:
    „Als empirische Wissenschaften oder Erfahrungswissenschaften gelten Disziplinen, in denen die Objekte und Sachverhalte der Welt, wie z. B. Planeten, Tiere, Verhaltensweisen von Menschen durch Experimente, Beobachtung oder Befragung untersucht werden. Diese empirischen Methoden können im Labor stattfinden, oder, so der Fachterminus, im Feld. Dies bedeutet eine Untersuchung eines Phänomens bzw. Problems in seinem jeweiligen Kontext.“

    Empirische Wissenschaften sind also nicht automatisch genauer oder ungenauer. Es hängt von der Untersuchung und der Genauigkeit ab. Wenn ich bei einem Experiment alle Störgrößen vernachlässige bekomme ich als Ergebnis „Fahrkarten“, wenn ich Ursache und Wirkung nicht erkenne ebenso, und genau das wird bei den Wirtschaftswissenschaften mit Vorliebe getan. Da bei der Wirtschaft unzählige Personen betroffen und beschäftigt sind, die auch noch nach Tagesform und Laune handeln ist eine Modellbildung, ein Glaubensbekenntnis und nicht mehr.

  10. In der Chemie hat „empirisch“ einen schlechten Beiklang obwohl es ja eigentlich „aus Erfahrung“ bedeutet und Chemie von den Wurzeln her eine empirische Wissenschaft ist. Wenn jemand aber sagt er habe „empirisch das und dass rausgefunden“, dann wird jeder darunter verstehen, das er durch versuch und Irrtum zu der Erkenntnis gekommen ist, aber auf dem halben Wege stehen geblieben ist, nämlich nicht aufgeklärt hat, warum dem so ist.

    Meine persönliche Vermutung: weil andere Wissenschaften die nicht zu den Naturwissenschaften zählen, das Wort exzessiv benutzen, hütet man sich in den Naturwissenschaften es zu benutzen, schließlich will man nicht in einen Topf mit Sozial- und Wirtschaftswisenschaften geworfen werden.

  11. Was Hans schreibt, dass Shiller ein Kritiker der beiden anderen ist, schreibt auch „Spektrum der Wissenschaft“, die ebenfalls zu recht neutraler Wissenschaftsbewertung fähig sind.

    Das Hauptproblem in den Wirtschaftswissenschaften ist, dass man kein genaues Untersuchungsobjekt hat. Am Ende steht immer der Mensch, der seine Grundbedürfnisse (z.B. Essen, Trinken, Schutz vor Kälte und Unwetter etc. pp.) befriedigen will, aber auch Zusatzbedürfnisse (z.B. Unterhaltung, Wissen, Kontakt, Mobilität etc. pp.) hat. Zum Teil lassen sich diese Bedürfnisse gegeneinander austauschen (z.B. kann man statt Kaviar auch günstigere Eiweißquellen zu sich nehmen), zum Teil nicht (selbst der beste Champagner ersetzt keine Wohnung).

    Trotzdem haben die Menschen angefangen, ihre Bedürfnisse in einer einzigen Einheit – Geld – zu bewerten. Je nach Klima und lokaler Versorgungslage in einem Land ergeben sich dabei vollkommen unterschiedliche Bewertungen für dasselbe Gut. Das heißt aber, dass Bewertungen von Waren nicht nur an der Börse einem steten Wandel unterworfen sind!

    Man hat also von vornherein ein System, in dem man nichts präzise messen kann, und versucht dennoch, möglichst exakte Modelle zu bauen. Vor diesem Hintergrund sind die genannten Marktmodelle zu sehen.

    Ansonsten gilt: Kein Land kommt ohne Wirtschaftspolitik aus und kein Betrieb ohne wirtschaftliches Handeln. Beides ohne die Erkenntnisse aus der VWL/BWL zu tun, bedeutet schlicht und einfach noch mehr Blindflug als mit den aktuellen, bekannt unzulänglichen Modellen.

    Der andere Nobelpreis, den ich für dieses Jahr falsch vergeben finde, ist der für die Entdeckung des „Higgs“. Hier solle man wirklich mehr Zeit ins Land gehen lassen, um Computercodes zu überprüfen, bevor man ein derartiges „Signal im Datenhaufen“ gleich mit dem Nobelpreis kürt.

  12. Moin Kay,

    > Was Hans schreibt, dass Shiller ein Kritiker der beiden anderen ist, schreibt auch “Spektrum der Wissenschaft”, die ebenfalls zu recht neutraler Wissenschaftsbewertung fähig sind.

    Mea Culpa – VWL ist für mich quasi nur ein Hobby, um nicht ganz dumm dazustehen, damit wenn ich über ein Thema mitrede zumindest etwas Substanz zu haben. Als ich vor einigen Wochen über den Reichsbankspreis gelesen habe, dachte ich mir, „Und für den Scheiß gabs nen Preis!“, und hab den Blog Artikel geschrieben, bevor Bernd sich mal wieder drüber aufregt, und ihm jemand vorwirft kein Wirtschaftler zu sein.

    Dabei hatte ich mich mit dem Thema, aber nicht den Personen auseinandergesetzt. Danke an Hans, dass er die Nachdenkseiten herausgekramt hat, und mich berichtigt hatte.

    > Kein Land kommt ohne Wirtschaftspolitik aus und kein Betrieb ohne wirtschaftliches Handeln. Beides ohne die Erkenntnisse aus der VWL/BWL zu tun, bedeutet schlicht und einfach noch mehr Blindflug als mit den aktuellen, bekannt unzulänglichen Modellen.

    Die BWL hat meist Hand und Fuß, und was dort an Schrott produziert wird hält sich in der Realität nicht sehr lange. Obwohl ja gerade BWLer und MBAler dafür bekannt sind, dass sie als Berater Experten im Reiten toter Pferde sind, und damit diese Fachrichtung immer wieder in schlechten Ruf bringen.

    Aber man kann einen Staat nicht wie eine Schwäbische Hausfrau organisieren. VWL ist immer auch Politik, egal ob Marx, Keynes, oder Fama, immer steht dort eine politische Agenda dahinter. Und darunter müssen dann die Bürger leiden. Deswegen beschäftige ich mich mit VWL Themen.

    Vom Aktienmarkt hab ich übrigens ein bisschen Ahnung. Meine Software handelt erfolgreich auf der BOVESPA, der Brazilianischen Börse. Ich nenne das gern modernes Kaffeesatzlesen, und ähnlich wie bei Pferdewetten gibt es 4 Klassen von Zockern.

    Die ersten spielen Toto, d.h. sie setzen auf Pferde, wie andere Lotto spielen. An deren Fehlern, die die Quote bestimmen, verdienen die anderen Klassen. Die nächsten lesen die Zeitungen und führen ihre eigenen Statistiken der Pferde und Rennen, und haben daher gegenüber der Quote eine verbesserte Gewinnchance. Die dritten gehen zudem zum Rennen, und schauen sich vorher die Tagesform der Pferde an, und die vierten haben Insider Wissen bei dem es darum geht welcher Hengst von welchem Gestüt als nächstes gekürt werden soll.

    ciao,Michael

  13. In Spektrum der Wissenschaft gab es vor einigen Monaten auch einen Artikel, in dem es um die Simulation komplexer Systeme ging, in dem Fall um den Club of Rome und seine Weltsimulation. Es wurde darin ein interessantes und schlüssiges Problem aufgezeigt: Der Unterschied zwischen Plus und Minus. Fällt ein Summand auf 0, so ist das Ergebnis nicht zwangsläufig auch 0, während das bei der Multiplikation immer 0 herauskommt, wenn ein Faktor den Wert 0 hat. Ich habe mich im Rahmen eines Vortrags für den Geografie-Unterricht mit dem sehr interessanten Thema Systemtheorie beschäftigt, und seitdem frage ich mich, wie die Wissenschaftler aus ihren Modellen schlau werden. Wenn man hunderte Faktoren mit einbezieht, so hat man tausende Querverbindungen, sodass sich einzelne Auswirkungen nur schwer herausdestillieren lassen. Können Ökologen noch Freilandexperimente machen, so entfällt bei Ökonomen diese Möglichkeit. Es gibt somit kaum eine Möglichkeit, die eigenen Modellvorstellungen des Wirtschaftssystems mit der Realität abzugleichen-wie soll man Computersimulationen dann überprüfen?
    Viele Grüße
    Niels

  14. Moin Niels,

    > Können Ökologen noch Freilandexperimente machen, so entfällt bei Ökonomen diese Möglichkeit.

    Jain, Spieltheoretische Hypothesen lassen sich im Experiment falsifizieren. So führt z.b. das bekannte Bier-Spiel innerhalb weniger Züge zu typischen Schweinezyklen.

    > Es gibt somit kaum eine Möglichkeit, die eigenen Modellvorstellungen des Wirtschaftssystems mit der Realität abzugleichen-wie soll man Computersimulationen dann überprüfen?

    Das kommt stark auf das jeweilige Modell an.

    Einfache Modelle wie z.b. die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung machen keine Vorhersage, sondern sind nur eine Beschreibung. Ob diese Hinreichend oder Korrekt ist lässt sich nur subjektiv mit gesundem Menschenverstand beurteilen.

    Andere Modelle wie z.b. im Börsenhandel verwendet können durch eine verkürzte Trainingsphase mit einer anschließenden Validierungsphase überprüft werden, oder wenn sie nach der Feature Extraktion nur Eingabe Vektoren haben die IID sind, sogar durch richtige N-Fold Cross Validierung. Die endgültige Überprüfung ist dann die Performance des Portfolios.

    Die von mir kritisierten positivistischen Modelle nach Friedman lassen sich hingegen gar nicht falsifizieren. Der gesunde Menschenverstand wird schon bei den Ausgangshypothesen über Bord geworfen, und die Simulation kann jederzeit in den Parametern im Nachhinein so angepasst werden, dass das beobachtete Ergebnis herauskommt.

    ciao,Michael

  15. Ein Ökologe kann aber beispielsweise einen See nehmen und an diesem experimentieren. Es werden ganze Gewässer mit einer Plastikfolie geteilt, um die Entwicklung beider Hälften getrennt voneinander zu beobachten. Außerdem sind die Beobachtungsobjekte kleiner, während Ökonomen es mitunter mit dem Wirtschaftskreislauf eines Landes zu tun haben. Dementsprechend ungenau sind auch Voraussagen. Wenn man einen gesamten Wirtschaftskreislauf beschreiben und vor allem seine Entwicklung voraussagen will, so müssen wohl hunderte verschiedene menschliche Eigenschaften, wirtschaftliche Besonderheiten usw. mit Einbezogen werden. Wenn einzelne Spieltheorie-Elemente im Experiment überprüft werden können, so gilt das noch lange nicht für das Zusammenspiel vieler Hundert Elemente.
    Die Vorhersagegegenauigkeit wirtschaftlicher Modelle scheint ja nicht so gut zu sein, man sehe sich nur die andauernden Abweichungen Prognose-Realität an. Ich denke, dass Ökologen deutlich besser das Umkippen eines Gewässers vorhersagen können, als Ökonomen eine Wirtschaftskrise.

  16. Moin Niels,

    > Ökologen deutlich besser das Umkippen eines Gewässers vorhersagen können, als Ökonomen eine Wirtschaftskrise.

    die US Subprime Kriese, und die Überbewertung von Häusern in Spanien waren schon erheblich früher ein Thema, selbst auf populären Seiten wie der Telepolis. Hierzu müssen nur Fundamentaldaten mit den Charts verglichen werden. Das Problem ist „nur“ dass zwar das Platzen einer Blase vorherzusehen ist, nicht jedoch wann die Blase platzt.

    Hier hat es die Biologie mit der Bestimmung einer LD50 und LD100 bei weiten einfacher. In der Wirtschaft gibt es jedoch zu viele Experten im Reiten toter Pferde, so dass eine Blase selbst dann noch wachsen kann, wenn die LD100 eigentlich schon längst überschritten wurde.

    Zudem ist eigentlich keine Wirtschaft wirklich gesund, d.h. das Anlagen Kapital springt von einem toten Pferd auf das nächstbeste Kranke, und beschwert sich dann dass dieses dann unter dem Gewicht zusammenbricht und gestorben ist.

    Ich mag mal erläutern wie mein Trader einen „regime change“ erkennt, d.h. wann es Zeit von einer Blase abzuspringen. Der Trader handelt low Frequency mit Strategien zwischen einer bis 6 Wochen auf der BOVESPA.

    Zunächst jage ich den Chart durch alles durch, was die R-Finance Libraries zu bieten haben, dies bildet die erste Basis des Feature Vectors. Zudem mache ich eine FFT des high Frequency Charts, und erhalte sowohl stündlich als auch täglich ein Frequenzdiagram des Rauschens. Dieses lasse ich durch einen non supervised cluster analysieren, d.h. ich bekommen die Farbe des Rauschens. Die Farbwechsel des Rauschens werden nun von einem Markov gelernt, dessen Ausgabevektor zusammen mit den Featurevektoren oben genannter R-Finance Methoden bildet den Eingabe Vector eines Supervised Learners, der mir hoffentlich einen bis zwei Tage vorher sagt, ob die Blase platzt auf der meine Aktien gerade reiten, und ob es sich lohnt in eine frische Blase einzusteigen.

    Auf eine ganze Wirtschaft lässt sich das nicht übertragen, zudem bietet es keinen Wert der sich in eine Theorie übertragen lässt, da ich ja mit Absicht nicht einzelne Vektoren bevorzuge, sondern diese Entscheidung dem maschinellen Lernen überlasse. Und es würde in dem Moment völlig scheitern, wenn mein Quellcode irgendwo auftaucht, und von jemanden analysiert wird, der als Predator mich skalpiert, weil er vorhersagen kann wie mein Trader arbeitet.

    ciao,Michael

  17. PS: Das Risiko ist dabei recht gering, da ich ohne Hebel handle. Zudem bestand das Startkapital mal 2006 aus US$25 mit denen ich in Secondlife eingestiegen bin. Ein paar Secondlife Produkten die ich designt habe, ein bisschen Landflipper, und viel Forex Dreieckshandel auf dem Schweinezyklus zwischen L$, US$ und Euro.

    Ich handle also quasi mit Spielgeld. Das entspannt die Sache ungemein 😉

    Alle Jahre wieder mache ich einen jedes Jahr etwas größeren Cashout, um mir z.b. ein neues Segelboot zu kaufen, o.Ä, weil ich will ja was reelles davon haben, bevor mich mein „Glück“ verlässt.

  18. Hi,
    ist ja eine interessante Diskussion, die hier losging. Und Michael K. hat die Artikel ja nun schon selber gefunden, auf die sich mein Kommentar unten bezieht. Den einen davon verlink ich der Ordnung halber trotzem noch mal. 😉 Die Kontrahenten werden nicht sichtbar gemacht – Zur Verleihung des diesjährigen Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften
    Herr Hickel (der den Beitrag geschrieben hat) ist übrigens einer jener Kritiker an der derzeit herschenden Lehre zu wirtschaftspolitischen Fragen. Andere sind Peter Bofinger (auch wenn er bei den Kaffeesatzlesern der sogenannten 5 Weisen mitmacht) und Heinz-Josef Bontrup.

    Und wie Michael K. auch schon geschrieben hat, steht auch immer eine politische Agenda hinter der bevorzugten Theorie. Das ist meiner Ansicht nach so zu verstehen, dass jener Theorie der Vorzug gegeben wird, die der politischen Überzeugung am nächsten kommt, bzw. zur Umsetzung der politischen Überzeugungen die besten Möglichkeiten bietet. Oder anders ausgedrückt: Es geht um Macht, und wie man sie ausübt. Und das ist für die derzeit Herrschenden eben dass, was landläufig als Neoliberalismus bezeichnet wird, der in dieser Ausprägung im wesentlichen auf F.A. von Hayek und Milton Friedman zurück geht. Dazu gibt es übrigens auch die Ansicht, dass das Modell sehr wohl getestet wurde, nämlich in Chile unter der Diktatur von Pinochet. Dort hat man erkannt, dass die Theorie als Machtinstrument brauchbar ist, insbesondere für jene, die in der Wirtschaft den Ton angeben. Deshalb sind diese Kreise auch sehr daran interessiert, dass sich an den aktuellen Verhältnissen nichts ändert.
    Prognosen sind in dem Zusammenhang oftmals von Wunschdenken geprägt, oder die zugrunde liegenden Umfragen sind an sich schon manipulativ: Es werden in Multiple Choice Verfahren nur solche Möglichkeiten als Antwort zur Verfügung gestellt, die sich im wesentlichen auch mit dem gewünschten Ergebnis decken. Andere, gar wiedersprechende Meinungen sind nicht gefragt, und kommen als Antworten deshalb auch nicht vor. Wenn solche Umfragen, bzw. deren Ergebnisse regelmässig durch die Medien gehen, wirken sie wie eine sich selbst erfüllende Profezeihung. Jedenfalls solange, wie niemand die Umfragen in Frage stellt und beispielsweise Auskunft nach der Methodik oder den zugrunde liegenden Fragen und deren Antwortmöglichkeiten verlangt. Sollten diese Auskünfte verweigert werden, würde ich das als Indiz für Manipulation bewerten.
    In diesem Zusammenhang finde ich auch ein recht neues Buch interessant: „Die kaputte Elite“ von Benedict Herles. Ist erst vor ein paar Wochen erschienen. Ich hab bisher nur ein paar Kapitel im Laden gelesen, aber dass, was ich gelesen habe, liess mir die Haare zu Berge stehen…

    Was die Empirie angeht, so bin ich ja der Meinung, dass die mit ins Spiel kommt, sobald Wahrscheinlichkeitsrechnung mit im Spiel ist. Dem entsprechend sind auch Erkenntnisse der Chemie empirisch ermittelt, wenn diese mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung und deskriptiver Statitik entstanden sind. Nun hab ich von Chemie zwar nur begrenzt Ahnung, aber zumindest dort, wo sie sich mit der Physik schneidet und die Erkenntnisse des Herrn Boltzmann eine Rolle spielen, ist sie demnach auch empirisch. Der Begriff mag zwar unter Chemikern verpönt sein, aber so sehe ich dass. Es mag auch sein, dass Soziologen den Begriff „empirisch“ etwas inflationär benutzen, aber wie mein Physik-Prof an der FH im ersten Semester gleich zu Anfang meinte: Auch in den Naturwissenschaften hängt man gewissen Mythen nach. In der Chemie wäre dann einer, dass der Gebrauch des Begriffs Empirisch „verboten“ ist. Der Physik-Prof hat auch Beispiele genannt, aber die hab ich vergessen. Trotzdem glaube ich, dass er da Recht hatte. – Ach ja, und die Professorin für Werkstoffkunde sprach in ihren Vorlesungen des öfteren darüber, das bestimmte Sachverhalte „empirisch ermittelt“ wurden. Dabei ging es Oft um Festkörperphysik, Stichwort Energie-Bändermodell, wenn ich mich recht erinnere.

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