Wie man eine ICBM von einer Trägerrakete unterschieden kann
Als die Unha startete, kam wieder gleich die Kriegsrhetorik seitens der USA und Südkorea. Das wäre ein verschleierter ICBM Test. Fangen wir mal mit dem letzten an. Was kann ich bei einer ICBM testen? Nun zuerst einmal ob sie funktioniert. die enorme Zahl der Tests der frühen US-Raketen wie Thor, Jupiter und Atlas, ging darauf zurück erst mal einen zuverlässigen Träger zu haben und alle Entwicklungsfehler zu finden. Heute hat man mehr Erfahrungen, kann die Zahl der Entwicklungsflüge reduzieren. Daneben gibt es auch Starts um die Mannschaften mit der Handhabung und den Abläufen vertraut zu machen. Wäre schon dumm wenn das beim Ernstfall nicht klappt.
Das zweite ist es die wichtigste Eigenschaft einer ICBM herauszufinden: die Treffergenauigkeit. Wenn man „Punktziele“ wie Militärbasen treffen will, nützt es nichts wenn die ICBM wie bei den ersten Generationen eine Zielabweichung über 1 km hat. Zuletzt testete man mit den ersten ICBM auch die Materialen für die Hitzeschutzschilde. Schließlich sollte die Atomsprengköpfe noch heil ankommen und nicht vorher verglühen. Zumindest diese letzten beiden Punkte kann man mit Sicherheit mit einem Satellitenstart testen.
Doch kann man an der Konstruktion ablesen, ob eine Rakete als Trägerrakete oder ICBM konstruiert wurde? Ja das kann man. Bahntechnisch kann man eine ballistische Bahn als ein Ellipsenteilstück betrachten. Wie bei anderen Ellipsen gibt es dann ein Apogäum und ein Perigäum. Die Besonderheit ist nun, dass das Perigäum unter der Erdoberfläche liegt. Auch Aufstiegsbahnen von Raketen haben solche Bahnen denn z.B. eine stufe nicht in den Orbit gelangen soll. Bei einer Ariane 5 liegt der erdnächste Punkt der Bahn bei Brennschluss der EPC auch rund 1200 km unterhalb der Erdoberfläche.
Der größte Unterschied ist das keine Umlaufbahn erreicht werden muss. Damit muss der erdnächste Punkt der Bahn nicht angehoben werden. Bei Titan IIIC Starts in den GEO verzichtete man übrigens auch darauf „off-perigree“, da die Übergangsbahn ein so hohes Apogäum hatte (in 36000 km Höhe), dass man 5 Stunden nach dem Start gleich die Bahn zirkularisierte. Damit der erdnächste Punkt angehoben wird muss die Rakete längere Zeit arbeiten, damit ein größerer Teil der Betriebszeit im späteren Perigäum erfolgt, denn bahntechnisch kann man den Punkt niemals auf eine Höhe anheben die niedriger ist als die in der sich die Rakete befindet.
Eine Rakete für Erdorbits braucht also eine längere Betriebszeit als eine ICBM. Für diese wäre die Betriebszeit 0 ideal, dann entfallen die Gravitationsverluste (das ist bei einem Kanonenschuss so gegeben). Ansonsten sollte die Betriebszeit so gering wie möglich sein (technische Randbedingungen wie Kosten für schubstärkere Triebwerke oder aerodynamische Belastung der Hülle mal außen vorgelassen). Die ersten Trägerraketen waren „Dual-Use“, weil man noch keine sehr schubstarken Triebwerke einsetzte und die Träger so mit geringer Beschleunigung starteten. Doch schon bei der zweiten Generation zeigte sich der Unterschied. Die Titan II Zweitstufe hat bei 29 t Masse einen Schub von 444 kN, das ist eine Beschleunigung von rund 1,5 g. Üblich sind bei Trägerraketen eher 0,8 g. Bei der Saturn V waren es z.B. 5000 kN bei 620 t Masse.
Bei Feststofftreibwerken ist es technisch sehr einfach, kurze Brennzeiten und hohe Beschleunigungen zu erreichen. Die Stufen der Minuteman haben z.B. Brennzeiten von 61 bis 72 s, bei der Peackeeper sind es zwischen 57 und 72 s. Die RS-36M, die als Dnepr vermarktet wird hat in der zweiten Stufe eine Brennzeit von 161 s, die zweitstufigen Trägerraketen Zenit und Falcon 9 mit demselben Treibstoff eine von 290 und 375 s. Natürlich kann man auch den Treibstoff heranziehen. Doch wird der mehr von den technologischen Fähigkeiten bestimmt. Russland hat sehr lange auf lagerfähige Treibstoffe gesetzt und bis in dei achtziger Jahre noch neue Träger mit NTO/UDMH entwicklt, weil man sehr viel Erfahrung mit Triebwerken gewonnen hatte, anders als die USA, die schon in den frühen Sechzigern auf feste Triebstoffe setzten. Bei Nordkorea gibt es auch keine Wahl, denn die Unha soll ja aus bestehenden Stufen entwickelt worden sein und das Land weder finanziell noch technologisch die Möglichkeiten Alternativen zu deren Treibstoffen zu suchen. Was nicht eine Rolle spielt, zumindest nicht bei Nordkorea, aber auch Iran, ist ob der Treibstoff lagerfähig ist. Beide Länder haben zu wenige Träger und sind zu klein um die USA mit der Antwort auf einen Erstschlag zu beeindrucken- Das heißt beide Träger kämen nur als Erstschlagswaffe in Betracht. Dafür reicht es aber wenn man einige Stunden Zeit hat.
Untersicht man die Safir und Unha unter diesen Aspekten so stellt man fest, dass die Safir eine recht kurze Brennzeiten hat – 100 bis 110 s werden angegeben. Aus technischer Sicht ähneln sie also eher ICBM. Für Satelliten resultieren so auch sehr hohe Spitzenbeschleunigungen. Bei der Unha haben die Oberstufen lange Brennzeiten von 200 und 260 s, hier kann man eine militärische Entwicklung ausschließen. Doch kann die kurze Brennzeit bei der Safir auch technische Ursachen haben. So hat die Feststoffoberstufe der KSLV eine sehr kurze Brennzeit, sie könnte man also unter diesem Aspekt eine verkappte Militärrakete sein.