Herzlichen Glückwunsch zum 75-sten!
Heute feiert ein Raketenpionier einen „runden“ Geburtstag, denn wohl nicht viele auf ihrem Schirm haben. Es ist Lutz Thilo Kayser, Firmengründer der OTRAG und wohl eine der schillerndsten und umstrittenen Persönlichkeiten in der Raketenentwicklung.
Lutz Kayser wurde am 31.3.1939 in Stuttgart geboren, beschäftigte sich schon in seiner Jugend mit selbstgebauten Raketen die er im Hinterhof seines Vaters der in der Südzuckervilla wohnte startete. Bald musste er wegen der Brandgefahr in einen Steinbruch ausweichen (mit dem Niederbrand der Villa im Jahr 1967 hat er nichts zu tun), studierte dann Luft & Raumfahrttechnik bei Prof. Sänger in Stuttgart.
1971 gründet er die „Technologie Forschungs GmbH“ und bekommt gleicht einen Auftrag vom BMGT für eine Studie für eine Alternative zur Europa Rakete. Das wahr schon etwas besonderes, denn die anderen Konkurrenten wie MBB, Dornier oder ERNO waren alles etablierte Raumfahrtkonzerne. Während diese die Rakete leicht modifizieren, setzt Kayser auf ein völlig anderes Konzept: Die dreistufige Rakete soll nur die Coralie Oberstufe entwickeln. Die zweite Stufe setzt 36 einfache Triebwerke ein, alle Druckgefördert, aber mit einem gemeinsamen Tank. Die erste Stufe sind sechs identische Booster die diese umgeben.
Das BMFT beschließt die Triebwerke zu erforschen und von 1972 bis 1974 wird das mit fast 4 Millionen DM gefördert. 1974 ist die Ariane beschlossen und die Förderung läuft aus. Kayser gründet daraufhin eine neue Firma, die OTRAG, Mit dem Geld von über 1000 stillen Gesellschaftern soll nun eine Trägerrakete entwickelt werden. Das ganze wird den Anleger aber als Verlustabschreibungsgesellschaft verkauft. Gemäß den damaligen Steuerrechten konnte man ein Mehrfaches der Einlage als Verlust steuerlich geltend machen und so lohnte es sich durch die Steuerersparnis. Das gelang dank zwei sehr wohlwollenden Finanzbeamten, die aus dem hessischen Offenbach eine Steueroase (nicht nur für die OTRAG) machten. Vom eingesammelten Kapital lässt sich Kayser gleich mal 14 bis 25 Millionen auszahlen, und Berichte aus den Siebzigern schilden ihn daher auch als ziemlich reich mit eignem Learjet, einem Schnellboot, einer Villa an der Costa Esmeralda. Die vom BMFT geförderten Entwicklungen werden von Kayser den stillen Eigentümern für einen dreistelligen Millionenbetrag verkauft.
Das Konzept wurde dahingehend geändert, dass nun jedes Triebwerk einen eigenen Tank hat, anstatt einem gemeinsamen für 36 Triebwerke. Was geblieben ist, das eine Rakete Hunderte dieser Tanks und Triebwerke braucht.
Für den Start der Module braucht Kayser ein Startgelände und wird in Zaire fündig. Diktator Mobutu ist bereit ein Gelände in der Größe der DDR zu verpachten. Damit beginnt die OTRAG in politische Verwicklungen. Die sozialistisch regierten Nachbarstaaten beschweren sich, DDR und Russland hetzen und unterstellen einen illegalen Test von „bundesdeutschen Raketenwaffen“. Die Bundesregierung übte Druck auf Mobutu aus, bzw. bei dessen Naturell: zahlte Entwicklungshilfe, beschloss aber auch eine Veränderung der Steuergesetzte, die jedoch erst einige Jahre später griff. 1976 wurde der Vertrag abgeschlossen, schon 1979 wurde er wieder gekündigt.
Kayser wurde fündig bei der Suche nach einem neuen Startgelände und zwar in Libyen. Machte sich vorher Kayser beim Osten unbeliebt (Mobutu führte zwar ein korruptes und diktatorisches Regime, aber prowestlich und wurde daher nie vom Westen sanktioniert) so stand er jetzt auf der Beobachtungsliste von westlichen Geheimdiensten und dürfte lange nicht in die USA einreisen. Die Kooperation mit Gaddafi führt zu einer Rebellion der Gesellschafter und Kayser muss 1981 den Vorstandsposten räumen und verlässt die OTRAG ein Jahr später. Die OTRAG versucht noch die Rakete als Höhenforschungsrakete anzubieten, hat aber keine Aktiva mehr für eine Weiterentwicklung und wird 1986 aufgelöst.
Gleichzeitig wird bekannt dass die OTRAG rund 150 Millionen DM verbraucht hat und Schulden in der Höhe einer halben Milliarden DM hat. Um den Gewerbesteuern von Stuttgart zu entgegen zieht die Firma nach München um. In Libyen gehen die Starts weiter. eigenen Aussagen nach wurde Kayser enteignet und die Starts fanden mit Hilfe von Mitarbeitern der OTRAG statt, welche kündigten und dann für das Lybische Militär arbeiteten. Seltsam nur, das Kayser noch 10 Jahre später in Libyen ableitete und forschte und zu einem Posten in der nationalen Akademie der Wissenschaften kam.
Seit in dem neuen Jahrtausend in den USA viel Geld in die „private Raumfahrt“ fließt ist auch Kayser wieder dabei. Kayser gründet die „von Braun Debus Kayser Rocket Science LLC“, ansässig in Wilmington, Delaware. Auch Delaware gilt als eine Steueroase – nur diesmal in den USA. Er versucht sein Konzept zuerst Amarillo Aerospace zu verkaufen, doch die konzentrieren sich auf andere Aspekte. Schließlich wird er Berater für Antriebe bei Interorbital Systems, die basierend auf dem Konzept nun ihre Neptun Raketen entwickeln. Von den großen Trägern mit Hunderten von Modulen ist man abgekommen, nun will man erst mal gegen Vorkasse Cubesats starten und später dann den Google Lunar X-Price gewinnen.
Über die Person Kaysers kann man verschiedener Ansicht sein. Man kann ihn als Raketenpionier sehen mit einem genialen Konzept, das er leider nicht umsetzen konnte oder als jemanden der mit einem Konzept, das wohl nie funktionieren würde und das er mit Bundesmitteln entwickelt hat bis heute Geld verdient – von den Gesellschaftern der OTRAG über die Mittel von Diktatoren bis heute, wo Interorbital sicher auch etwas bezahlt hat.