Der Krieg ist der Vater aller Dinge …

… heißt es. Manchmal führt der Krieg auch zu sehr skurrilen Entwicklungen, vor allem wenn er für die Partei die sie macht nicht erfolgreich verläuft. Im zweiten Weltkrieg liegen die Wurzeln einiger Erfindungen – des Düsenantriebs, des Hubschraubers, der Rakete, der Cruise Missile, der Atombombe, der wirksamen B und C-Waffen, die später eine Rolle im Militär spielen sollten, doch es gab vor allem in Deutschland auch Erfindungen die skurril, oder auch ziemlich ineffizient sind. Einige (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) will ich heute mal vorstellen. Am Dienstag gibt es einen Beitrag von Niels und wenn ich Zeit habe, vielleicht am Mittwoch zu dem Thema „deutsche skurrile Waffen“ noch einen zweiten Beitrag, das hängt davon ab wie schnell ich mit der Arbeit bei meinem Kunden vorwärts komme.
Do 335Die Dornier 335 war ein Jäger mit Kolbenmotor, der Standardtechnologie des zweiten Weltkriegs. Das besondere: Neben dem bei allen anderen Flugzeugen eingesetzten Zugpropellers hatte das Flugzeug noch einen Druckpropeller am Heck. Der Vorteil war, das der Luftwiderstand so nicht viel größer war als bei einem einmotorigen Flugzeug. Die schnell rotierenden Propellerblätter erzeugten einen guten Teil des Luftwiderstandes und eine zweimotorige Maschine hatte üblicherweise zwei Motoren an den Tragflächen, die dadurch eine Verlängerung der Tragflächen (und damit mehr Gewicht und mehr Luftwiderstand) nötig machten. Zweimotorige Jagdflugzeuge wie die englische Moskito, die deutsche Me 110 oder die amerikanische P-38 waren daher langsamer als einmotorige Maschinen und auch nicht so wendig. Die meisten wurden im zweiten Weltkrieg nur zur Bekämpfung von Bombern die noch langsamer und schwerer manövrierbar waren oder zur Erdkampfunterstützung eingesetzt. Die Do 335 erreichte je nach Muster eine Geschwindigkeit von 735 bis 775 km/h, das waren 50 bis 100 km/h mehr als die alliierten Jäger. Abweichend von den anderen Mustern war auch das Seitenleitwerk. Es war, wenn es in einfacher Ausfertigung vorlag meistens nur nach oben gezogen. Die Do 335 hatte zwei gleich große die nach oben und unten ragten, sodass Höhen und Seitenleitwerk am Geck ein Kreuz bildeten wie man es von einigen Raketen oder der A-4 kennt.

Offen ist ob das Muster ein gutes Jagdflugzeug gewesen wäre. Es gab Berichte die von Mängeln sprachen, aber diese mögen auch der schnellen Entwicklung und dem Materialmangel geschuldet sein. Die gebauten Exemplare hatten in jedem Falle einen Mangel: Vom Cockpit aus konnte man nicht nach hinten sehen, da es vorne am Rumpf war. Das war für ein Jagdflugzeug ein großes Manko. Projektiert war auch die Dornier 635, die aus zwei Rümpfen der Do 335 bestand und als Fernaufklärer gedacht war.

Die Me 163 und Bachem BA-349

Deutschland entwickelte die A-4, die erste Großrakete der Welt, sie war aber nicht das einzige Raketenprojekt. Neben den unbemannten Raketen wurden auch Raketenflugzeuge gebaut. Eines wurde operational, die Me-163, das „Kraftei“. Ein Flugzeug auf Basis eines Raketenantriebs zu bauen ist keine sehr gute Idee. Der Antrieb ist für den Betrieb außerhalb der Erdatmosphäre gedacht und in der Atmosphäre ineffizient. Ein Düsentriebwerk funktioniert auch nach dem Rückstoßprinzip, ist jedoch um einiges effizienter. Der erste Unterschied ist, das ein Düsentriebwerk den Sauerstoff aus der Luft bezieht mit dem das Flugbenzin verbrennt wird. Dagegen muss ein Raketenantrieb den Sauerstoffträger mitführen. Im dritten Reich setzte man für den Antrieb der Me-163 hochkonzentriertes Wasserstoffperoxid (T-Stoff) und Hydrazinhydrat/Methanol (C-Stoff) ein. Da das Wasserstoffperoxid auch Wasser enthält, benötigte man davon sehr große Mengen. Nur ein Fünftel der Treibstoffzuladung war Verbrennungsträger. Zudem erhitzt ein Düsenantrieb auch den Stickstoff der Luft mit, der dann auch Schub erzeugt. Alles zusammen bewirkt das ein Raketenflugzeug etwa zwanzigmal mehr Treibstoff pro Sekunde braucht wie ein Düsenflugzeug (bei gleichem Schub).

Me 163Die Flugdauer der Me-163 lag daher unter 8 Minuten, obwohl sie beim Start das Gewicht mehr als 50% aus Treibstoff bestand. Zudem ist der Treibstoff selbstentzündlich, wurden die Tanks durch Beschuss beschädigt so dürfte die Maschine explodiert sein. Daneben war die Raketentechnologie damals noch am Anfang. Es war noch nicht sehr zuverlässig und es gab zahlreiche Unfälle beim Einsatz. Trotzdem kam es zu diesem und 350 Maschinen wurden gebaut.

Warum baute man die Maschine? Nun durch den hohen Schub bei geringem Gewicht (sie wog leer 1.900 kg, die Focke Wulf 190A als leistungsfähigster konventioneller Abfangjäger wog leer 3.850 kg hatte die Me-163 eine enorm hohe Steiggeschwindigkeit die zehnmal höher als die einer Mustang war. Die Me 163 war auch schnell, die Serienflugzeuge waren 250 km/h schneller als die schnellsten alliierten Kolbenjäger. Ein Testmuster erreichte fast Schallgeschwindigkeit. Doch wie beim ersten operationalen Düsenjäger, der Me-262, die 80 km/h langsamer war, war dies nicht von Vorteil, denn alliierte Bomber waren fast 500 km/h langsamer. Es war sehr schwierig bei dieser hohen Relativgeschwindigkeit einen Treffer zu landen. Man versuchte dies mit den ersten Luft-Luftraketen zu kompensieren, die Schrapnellsprengköpfe hatten. Später setzte man ein im Schub reduzierbares Triebwerk ein, das auch die Flugdauer verlängerte. Das war auch sinnvoll, denn die Masse nahm ja durch den verbrauchten Treibstoff ab. Ohne Schubreduzierung wurde die Maschine also immer schneller.

Die Me-163 war mehr ein Indiz dass man den alliierten Luftflotten nicht mehr beikommen konnte, man erhoffte sich wohl durch den schnellen Start und das schnelle Erreichen der Bomber, dass ein Abschuss gelang, bevor die Begleitjäger eingreifen konnten. Mehr als einen Anflug lies meist die Betriebszeit von nur 8 Minuten nicht zu und danach musste die Me-163 im Gleitflug landen und war ohne Eigenantrieb sehr verwundbar. Die Me-163 war aber auch sonst ungewöhnlich. Sie hatte als eines der ersten Flugzeuge gepfeilte Tragflächen, eine spitze Nase und kein Höhenleitwerk. Sie ähnelt eher einem modernen Düsenjäger als einem Flugzeug aus dem zweiten Weltkrieg.

Noch skurriler war ein zweiter Raketenjäger, der anders als die Me 163 nicht mehr zum Einsatz kam. Die Bachem Natter oder Ba-349. Er war ein Produkt der Materialknappheit zum Kriegsende und auch dem fehlen von ausgebildeten Piloten, von denen die meisten gefallen waren. Es sollte ein Jäger sein, der aus nicht kriegswichtigen Materialien bestand und von nur kurz ausgebildeten Piloten gelogen werden konnte. Er war nicht der einzige, die Heinkel 162, ein Düsenjäger hatte dieselbe Philosophie.

BA 349Die Bachem Natter bestand aus Sperrholz. Sie hatte nur nur kurze Stummelflügel, weil der Antrieb durch den Raketenantrieb erfolgte, dafür einen dicken Rumpf. In diesem befanden sich vorne die Raketen die man auf die Bomber abschießen sollte. Sie war nicht gedacht Bomberflotten anzugreifen die auf dem Weg zu Zielen waren wie die meisten Jäger, sondern nur als Objektschutz gedacht, das waren damals meistens Flugabwehrgeschütze, über den Städten oder Fabriken griffen in der Regel wegen des Flakbeschusses deutsche Jäger nicht an. Eine sehr hohe Reichweite braucht man nicht, auch musste man nicht viel in der Atmosphäre manövrieren. So wurde die Bachem Natter senkrecht gestartet, von einer Startrampe aus. Zehn Feststofftriebwerke die nach dem Ausbrennen abgeworfen wurden beschleunigten die Natter in 10 Sekunden auf Höchstgeschwindigkeit. Bei einer Steigrate von anfangs 37 m/s, zum Ende 200 m/s erreichte die Maschine sehr schnell die gegnerischen Bomber. Das Haupttriebwerk, dasselbe wie in der Me-163 hatte durch nur 40% der Treibstoffmenge der Me-163 eine noch kürzere Flugzeit. Bei reduziertem Schub betrug sie maximal viereinhalb Minuten, bei vollem Schub nur zwei Minuten. Daher verwandte sie auch einen Analogrechner, der sie zu ihren Zielen führen sollte. Erst im Endanflug sollte der Pilot die Maschine steuern. eine Bordkanone gab es nicht. Angesichts der hohen Relativgeschwindigkeit wäre sie wirkungslos gewesen. Stattdessen feuerte sie eine Salve umgelenkter Raketen auf die Bomber ab. Danach stieg der Pilot mit dem Fallschirm aus, da ohne Treibstoffe und ohne Raketen das Flugzeug mit den Stummelflügeln kaum lenkbar war. Das Öffnen der Cockpithaube bewirkte auch das Öffnen eines Fallschirms am Heck, wodurch man den Antrieb und den Rumpf bergen konnte. Die Reichweite der Natter betrug maximal 40 km. Es gab nur einen bemannten Testflug einer Natter mit Raketentriebwerken und der endete tödlich.

Immerhin: die USA griffen das Konzept mit der X-15 wieder auf, mit der dann etliche Geschwindigkeits- und Höhenrekorde aufgestellt wurden. Ein Pilot einer X-15 war dann der erste Mensch auf dem Mond. Zumindest einen Vorteil hatte es: die Me-163 Entwicklung mündete in die Entwicklung der Luftabwehrrakete „Enzian“, die eine verkleinerte von einem Analogrechner gesteuerte Me-163 war, sie hätte mit einem Sprengkopf sich in der Nähe der Bomber gesprengt und durch Schrapnellwirkung diese beschädigt. Sie wurde nicht mehr bis Kriegsende fertiggestellt, doch die Konstrukteure fanden nach dem Krieg Anstellung in England. Dort bauten sie verbesserte Versionen des Antriebs der Me-163 und Natter in Höhenforschungsraketen ein, nicht mal der ineffiziente Treibstoff Wasserstoffperoxid wurde ausgetauscht. Zwanzig Jahre später bauten sie für England die Antriebe der Black Arrow -.der einzigen Trägerrakete die jemals Wasserstoffperoxid einsetzte. Da man den Schub kaum gesteigert hatte, brauchte diese relativ kleine Rakete nicht weniger als acht Antriebe in der ersten und zwei in der zweiten Stufe.

BV-141Blohm & Voss BV 141

Noch ungewöhnlicher sah die BV-141 aus, ein Fernaufklärer für die Marine. Da für ein Aufklärungsflugzeug eine sehr gute Rundumsicht wichtig ist, stellte man gängige Konstruktionsprinzipien auf den Kopf. Im Rumpf war ein Motor untergebracht, die Kanzel lag nicht im Rumpf, sondern in einem zweiten Körper in einer Tragfläche, dort wo bei zweimotorigen Flugzeugen der Motor war. Doch es gab nur einen dieser Rümpfe. auf der anderen Seite gab es keinen. Um die Asymmetrie komplett zu machen gab es auch nur auf der gegenüberliegenden Seite ein Höhenleitwerk. Die Kabine konnte so vorne rundum verglast werden, und ohne Motor gab es auch nichts was den Blick einschränkte – zweck erfüllt, doch woanders erreichten Aufklärer dies einfacher z.B. durch verglaste Gondeln unter dem Rumpf oder zwei Aussichtplattformen vorne und am Heck. Erstaunlicherweise beeinträchtigte die Bauweise die Flugeigenschaften kaum. Die Maschine war zwar nicht schnell, aber schneller als die verfügbaren Vorkriegsmuster wie ie BV-138. Es ging aber nie in Serienfertigung.

8 thoughts on “Der Krieg ist der Vater aller Dinge …

  1. Andere skurrile Waffen, wenn auch nicht weiter effektiv:
    -Landschlachtschiff
    -Dora-Geschütz
    -Mauspanzer
    Passend dazu mal eine Frage: Hat irgend jemand Ahnung von Panzertechnik um die Zeit des zweiten Weltkrieges herum? Ich hätte eine Idee für einen Gastbeitrag, aber zum Thema „Wie wird die Kanone nachgeladen und gelagert“ hätte ich noch ein paar Fragen.
    Viele Grüße
    Niels

  2. „Zweimotorige Jagdflugzeuge wie die englische Moskito, die deutsche Me 110 oder die amerikanische P-38 waren daher langsamer als einmotorige Maschinen und auch nicht so wendig.“

    Naja, die britische Mosquito war zwar zweimotorig, aber schneller als die meisten einmotorigen Propellerflugzeuge; war allerdings auch so ziemlich die einzige zweimotorige in dem Geschwindigkeitsbereich.

    Zur BV 141: Ich meine mich dunkel zu erinnern, daß die asymmetrische Bauweise nicht nur wegen der besseren Sicht aus der Kanzel erfolgt ist, sondern auch, um die asymmetrischen Momente eines einmotorigen Propellerflugzeuges zu kompensieren. Daher wohl auch das ebenso asymmetrische Leitwerk am Heck.

    Aber schön, daß auch mal die gern übersehenen Mauerblümchen vorgestellt werden 🙂

  3. Zur BV 141: Ich meine mich dunkel zu erinnern, daß die asymmetrische Bauweise nicht nur wegen der besseren Sicht aus der Kanzel erfolgt ist, sondern auch, um die asymmetrischen Momente eines einmotorigen Propellerflugzeuges zu kompensieren. Daher wohl auch das ebenso asymmetrische Leitwerk am Heck.

    Ja, sowas steht auch sinngemäss im Wikipediaeintrag zu dieser Maschiene. Ich frage mich nur gerade wo diese asymmetrischen Momente herkommen? – Das Einzige, was mir naheliegend erscheint ist, das der Propeller durch seine Rotation ein Drehmoment bewirkt, das so auf den Rumpf wirkt, das er sich mit drehen würde, wenn man nicht gegensteuert. (Wahrscheinlich vergleichbar dem Effekt bei einem Hubschrauber, wo der Heckrotor ausgefallen ist.) Gibt’s da noch weitere asymmetrische Momente?
    Und wie ist das dann bei den zweimotorigen Maschienen? – Soweit mir bekannt, drehen sich beide Propeller in die selbe Richtung, also müsste sich dieses Drehmoment doch eigentlich verstärken, oder nicht? – Wenn nicht, warum nicht? – Meine naive Annahme ist ja, dass sich das Drehmoment aufheben lässt, indem die Propeller in entgegen gesestzten Richtungen drehen. Die Frage wäre, ob man sowas mal gemacht hat, und warum man davon abgekommen ist?
    Ich stelle gerade fest, ich hab einen haufen Fragen, also die letzte, um die Antworten selber heraus zu finden: Kennt jemand eine Einführung in Flugzeugmechanik, wo solche Dinge drin stehen? – Wenn es geht, ohne Differentialrechnung, denn so eingehend interessiert es mich denn doch wieder nicht.

  4. Zu den Drehmomenten:
    Ich denke sie entstehen durch den Luftwiederstand des Propellers. Wenn das Drehmoment um die Längsachse wirkt, kann das Flugzeug besonders leicht beeinflusst werden und z.B. beim Start ausbrechen. Wer einmal Flugsimulator geflogen ist, weiß was ich meine ;-).
    Wenn das Drehmoment nun von der Längsachse entfernt angebracht ist, so ist der Hebel weit ungünstiger. Wenn man z.B. einen langen Stoch in der Mitte anfässt und ihn drehen will, so fällt das deutlich leichter als wenn man ihn an einem Ende anfasst. Das wäre meine auf Vermutungen basierende Erklärung. Bei zweimotorigen Maschienen drehten sich die Propeller deswegen oft in unterschiedliche Richtungen, z.B: bei der bitischen De Havilland D.H. 103 Hornet.
    Viele Grüße
    Niels

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