Technologiesonde ST-9

Ich war mal wieder auf der Suche nach Neuigkeiten über die Technologiemission ST-8. ST-8 ist eine Erprobungsmission für neue Technologie (ST: Space Technologie). Mich interessiert sie, weil sie besonders leichtgewichtige Solararrays erproben sollte, deren Leistungsgewicht ich für meine Ionen Missionen nutze. Nun wäre es schon interessant, ob sie auch funktionieren, doch seit Jahren tut sich auf der Webseite nichts. So suchte ich nach Dokumenten und stellte fest, dass die NASA schon an der nächsten Mission arbeitet, der ST-9. Diese wird drei Technologien erproben:

  • GPS Navigation im Erdorbit (als alleinige Methode zur Positionsbestimmung ohne IMU)
  • Treibstofferzeugung on Demand
  • semiadhäsive Membranen

Das erste ist relativ unwichtig. Die beiden letzteren Punkte sind jedoch sehr interessant. ST-9 soll in einem 400 km hohen Orbit ausgesetzt werden und dann durch den eigenen Antrieb diesen anheben, um die GPS Navigation in unterschiedlichen Höhen zu erproben. Dazu setzt es einen (fast) konventionellen Antrieb ein. Es ist ein LOX/LH2 antrieb, der nach den Kenndaten von Astrium stammt und bis auf das Zündsystem (elektrisch anstatt chemisch) identisch mit deren 300 N Triebwerk ist. Neu ist, dass zur Gewichtseinsparung der Treibstoff in Form von Wasser mitgeführt wird. Dies wird an Bord durch Elektrolyse gespalten und die Gase in zwei Druckgastanks zwischengelagert. Zwei 10 l Tanks mit einem Maximaldruck von 40 bar nehmen 71,4 g Wasserstoff und 571 g Sauerstoff auf. Das Triebwerk wird dann mit diesem Druckgas betrieben, wodurch ein Treibstofförderungsystem entfällt. Ein Mindestdruck von 10 bar muss für den Betrieb der Brennkammer gewährleistet werden, sodass der Impuls pro Zündung begrenzt ist: Pro Betrieb können so maximal 500 g Treibstoff verbraucht werden, das ist bei dem geplanten Startgewicht der Sonde von 400 kg eine Geschwindigkeitsänderung von 5,2 m/s. Das Verfahren eignet sich also nicht für größere Bahnmanöver, aber sehr gut für das On-Station Keeping für das es später dann auch bei geostationären Satelliten eingesetzt werden soll. Dort wird es trotz der Druckgastanks erheblich Gewicht sparen, auch weil das Helium und die schweren Flaschen für die normalen Triebwerke entfallen kann. So sollen die Satelliten bei gleichem Treibstoff ein Drittel länger betrieben werden können.

Mit 500 W Leistung für die Elektrolyseanlage wird ST-9 rund 5 Stunden benötigen, um das Wasser für eine Triebwerkszündung zu spalten. 45,36 kg (100 lbs) Wasser sind an Bord, um diese zu spalten werden rund 450 Stunden gebraucht.

Das ist aber nur ein Aspekt, warum ST-9 so interessant ist, das zweite sind die semiadhäsiven Membranen. Das sind Membranen die mit Nanopartikeln behandelt wurden sodass sie Gase, Flüssigkeiten und Feststoffe auch im Vakuum fest an der Oberfläche binden. Beim Verflüssigen dringen sie in die Membran ein und können in einem Zwischenraum dann nicht mehr entweichen. Dieser besteht aus einem wasserbindenden Gewebe. Man nutzt dieses Material zum einen um den Wassertank auszukleiden und so zu verhindern, dass das Wasser eine Kugel im Vakuum formt, zum zweiten entfaltet die Sonde aber einen Schirm von 1,61 m Durchmesser der mit diesem Material ausgekleidet ist. Er wird unter die Düse gespannt und ist rund 0,9 m von ihr entfernt. Das Triebwerk zündet auf der Nachtseite der Erde, das Gewebe soll das bei der Verbrennung einstehende Wasser in Form von Eis auffangen und binden. An der beschienen Seite des Orbits wird das Wasser verflüssigt und da die Sonde sich mit 2 U/s dreht an den Rand des Schirms geleitet. Von dort leiten Kapillaren es wieder in den Wassertank.

Was erprobt wird ist also nicht weniger als ein System zum Treibstoffrecycling. Es wird nicht möglich sein, den ganzen Treibstoff aufzufangen, doch man rechnet damit im pessimistischen Fallmit einer Rückgewinnungsrate von 80%, wird den Treibstoff also fünfmal wiederverwenden zu können (die 45 l entsprechen also rund 227 kg Treibstoff), im optimistischen Fall sollen es sogar zehnmal sein. Auch die „Recyclingrate“ wird ein Bestandteil des Erprobungsprograms von ST-9 sein. Erreicht man eine Rate von 85% so wird auch das GPS Experiment interessanter, weil die 45 l dann ausreichen die Sonde über den Orbit der GPS Satelliten hinaus zu befördern und man so feststellen kann ob man die Technik auch für Satelliten im Geo Orbit nutzen kann.

Langfristig könnte das System vielfältig ausgenutzt werden. Kommunikationssatelliten könnten sich aus dem Erdorbit in den GEO heraufspiralen, ohne Ionentriebwerke einzusetzen (aufgrund des niedrigeren spezifischen Impuls braucht man zehnmal weniger Zeit um die gleiche Geschwindigkeitsänderung durchzuführen, der Treibstoffverbrauch isst nahezu identisch). Raumsonden könnten mit viel weniger Treibstoff auskommen und aus einem elliptischen Anfangsorbit den kreisförmigen niedrigen Erdorbit erreichen. Erderkundungssatelliten könnten mit relativ wenig Treibstoff zum Verglühen gebracht werden, bisher ist das bei Umlaufbahnen in 700-800 km Höhe wegen des Treibstoffverbrauchs nicht möglich. An Bord der ISS installiert könnte man rund 6 t Treibstoff pro Jahr einsparen.

Nun der Wermutstropfen: ST-9 ist derzeit nur in der Konzeptionsphase. Ob und wenn ja wann die Sonde gebaut wird ist noch völlig offen, denn schon ST-8 steht seit 2006 am Abschluss der Phase B und hat keine Finanzierung für den eigentlichen Bau der Sonde und die Operation. Sollte die Sonde umgesetzt werden und auch so funktionieren, so würde sie sicher den Raumtransport ab den niedrigen Erdumlaufbahnen umkrempeln.

12 thoughts on “Technologiesonde ST-9

  1. Diese Folie müßte doch auch Gase auffangen können. Im erdnahen Raum ist ja immer noch etwas Luft vorhanden, wenn auch mit einem extrem niedrigen Druck. Auf diese Weise müßte sich auch Luft für die ISS gewinnen lassen. Zumindest ein Teil der benötigten Menge müßte so zusammenkommen.
    Bei unbemannten Sonden könnten die aufgefangenen Gase als Treibstoff für elektrische Triebwerke genutzt werden. Die Folie könnte ja auf der Rückseite der Solarzellen angebracht werden, so spart man sich eine extra Tragstruktur dafür. 😉

  2. Das Prinziep mit der Rückgewinnung finde ich Super. Genau sowas habe ich mir auch schon mal überlegt dabei bin ich darauf gestoßen, dass das Problem bereits von einem Adeligen im 18ten Jahrhundert gelößt wurde. Obwohl es ihm gelang sich selbst und sein Pferd zu retten ist das Verfahren später nicht mehr angewendet worden und in Vergessenheit geraten.

    Da Energie ja nun genügend zur Verfügung steht, könnte man ja überlegen die Solarzellen auf der Nachtseite künstlich zu beleuchten, damit die Energieproduktion konstanter erfolgt und so der Memoryeffekt der Batterien verhindert wird.

  3. Bremst es nicht das Raumschiaff ab, wenn die Abgase auf die Folie treffen ? Ist es nicht so als ob man einen Fallschirm gleich hinter einem Düsentriebwerk befestigt ?

  4. Die Michaels / Miks sind die echten Spaßverderber hier im blog. Denkt euch mal selbst was aus und ihr wisst wie schwer das ist und dann gibt es Trolle die den entscheidenden Hinweis schon nach wenigen Stunden geben ….

  5. „Die Michaels / Miks sind die echten Spaßverderber hier im blog. Denkt euch mal selbst was aus und ihr wisst wie schwer das ist und dann gibt es Trolle die den entscheidenden Hinweis schon nach wenigen Stunden geben ….“

    Och, für so manche Geschichten gibt es aber schon brauchbare Vorlagen. Wie wäre es denn mit einem leicht und vor allem sehr bald durchzuführendem Plan für die dauerhafte Besiedlung vom Mars?

    Man nehme eine Schwerlastrakete (angetrieben von mehreren neuen Methan/LOX Triebwerken), die 100 Tonnen Nutzlast zum Mars transportieren kann. Dort baut man aus dort vorhandenem Material Tunnels und Wohnröhren in den Marsboden, das dabei freiwerdende Wasser (es gibt bekanntlich Unmengen von Wasser auf dem Mars) kann man gleich zur Versorgung der ersten Marsonauten verwenden; der Rest wird per Pipeline von den wasserreichen Gegenden an den Marspolen zu den Siedlungen geführt.
    Treibstoff für den Rückflug der Raumschiffe wird per kleiner Minichemieanlage vor Ort erzeugt, und zwar aus dem gewonnenen Wasser, der reichlich vorhandenen Marsatmosphäre und durch große Solaranlagen gewonnenem Strom. Bevor die ersten Kernkraftwerke eingeflogen werden, gibt es eben große, einige Quadratkilometer große Solaranlagen, die mit auf Folie gegossenen Dünnschichtzellen gleich die notwendige Hochspannung in Form von einigen kV produzieren. Im Falle von Staub auf den Solaranlagen wischt einer der Marsonauten mal mit einem Mopp drüber und alles geht wieder wie neu.
    Gegen eventuell schädliche Strahlung schützt man sich durch Eingraben (siehe Betonröhren oben) oder Wasser in den Decken der Behausung. Die filtern auch gleich das Licht und man kann darin auch wunderbar Fische züchten, damit die aus dem energiereichen Marsboden gewonnene Nahrung nicht so fad und eintönig schmeckt. Außerdem ist das mit der Strahlung wegen der Marsatmosphäre auch nicht wirklich kritisch.

    Alle paar Wochen, ach was sage ich, bei 1000 Starts im Jahr also ungefähr dreimal am Tag, kommt eine große Rakete von Mutter Erde vorbei, um die notwendigen Bauteile und Versorgungsgüter zu bringen. Diese Transporter fliegen dann nach kurzem Tankstop (der Treibstoff wird ja lokal in großen Mengen produziert) wieder zurück, da kommt also vor Ort auch keine Langeweile auf.

    Falls jetzt wieder einer von den ewigpessimistischen Skeptikern und Schlechtmachern meinen sollte, das sei alles nur Blödsinn und Hirngespinst, dem sei gesagt, daß alle diese erwähnten Technologien schon längst funktionieren und auf der Erde ja seit Jahr(zehnt)en erfolgreich eingesetzt werden. Es besteht also nicht der leiseste Grund zu Zweifeln, warum das alles auf dem Mars nicht auch so funktionieren sollte. Auf dem Mars eine Kolonie aufzubauen und zu unterhalten ist schließlich einfacher, als das Ganze in der Antarktis zu tun.

    Die nötige Infrastruktur auf Mutter Erde existiert zum Teil schon; bis der große Spaceport in Texas fertig ist, ists auch nur eine Frage von wenigen Monaten; die große Rakete fliegt in wenigen Jahren, bauen muß man von denen auch nicht so arg viele, weil sie ja wie ein Verkehrsflugzeug nach Auftanken und Reifenaufpumpen gleich wieder einsatzbereit sind. Kostet also auch alles nicht so arg viel; und nachdem die Marstouristen dann bald Schlange stehen werden um mal ein langes Shoppingwochenende am Mars zu verbringen, finanziert sich die ganze Geschichte dann eh bald von selbst.

    Na wie ist das für den Anfang? (Wer sinngemäße Zitate aus diversen Foren findet, möge mir diese Plagiate nachsehen, aber ich habe auch nie behauptet, daß diese zukunftsweisende, bald verwirkclicht werdende Vision auch die meine ist 🙂

  6. Das mit der Gassamelfolie läßt sich auch noch ausbauen: Wenn mehr Gas gesammelt wird, als für den Reboost gebraucht wird, könnte man den Überschuß abgeben. Und schon hat man eine Orbital-Tankstelle. Marsmodule könnten dann mit leerem Tank gestartet werden, und im Orbit auftanken. Da bei Marsmissionen der größte Teil des Gewichts Treibstoff ist, könnte das bei den Trägerraketen eine Menge sparen.

  7. Zu den Kommentaren, dass dies hier eine Art Perpetuum Mobile wäre – das ist es nicht. es wird nur das Arbeitsmedium wiederverwendet, die Energie die die Rakete antreibt, stammt aber aus der Elektrolyse des Wassers und die wird nicht wieder verwendet. Wenn das Wasser auf einer Folie landet hat es die Energie schon weitgehend an die Umgebung abgegeben, die schlussendlich in seiner Temperatur steckt (in der Brennkammer 3000 Grad, als Eis auf der Folie <0 Grad). Daher gibt es auch keine nennenswerte Abbremsung. Das funktioniert wie ein Pumpspicherkraftwerk, das ja auch das Wasser mehrfach verwendet.
    Das würde funktionieren.
    Nur gibt es eben keine Folie die Eis auffängt und das es sich bei Erwärmen verflüssigt ist auch falsch, es würde sublimieren. Das ist der logische Fehler in dem Konzept.

  8. Toll, wenn das Konzept funktioniert,
    könnte man das Triebwerk ja auch im Innenraum der Rakete zünden, der Vorteil wäre, man ist auf die Sammelfolie nicht angewiesen, da sich durch den stetigen Antriebsimpuls das Wasser durch die beschleunigung im hinteren Raum sammelt und dort wieder der Elektrolyse zugeführt werden kann. Die wärme wird dann über die oberfläche der Rakete abgegeben.
    Da ja laut deinem letzten Kommentar der Masseausstoß entgegen der Wärmeabgabe kaum eine Rolle zu speilen scheint, könnte man im zweiten Step doch ganz darauf verzichten und nur Wärme abstrahlen. Eine Heizspirale in einem isolierenden, nach hinten offenen Gehäuse sollte dan für einen Wärmestrahl sorgen, der dann für den Antrieb sorgt.
    Warum wird das nicht umgesetzt? Das riecht nach Verschwörung, da stecken die selben Leute der Mineralöllobby dahinter, die das 1 Liter Auto seit 30 Jahren verhindern.

  9. Lieber Kay,

    Das funktioniert auch und ist als Photonenrakete bekannt. Es klappt nur nicht mit der Heizspirale, weil das Licht gebündelt weg muss und weil Photonen sehr leicht sind (Schub = Masse x Geschwindigkeit) braucht man viel Energie. Man hat das aber theoretisch durchgerechnet wobei man die Energie über Laser von der Rede zu einem Parabolspiegel an einer Raumsonde geschickt hätte. Das Dumme ist nur, dass man die Energie bis heute nicht produzieren kann (1,35 GW liefern gerade mal 9 N Schub)

    Die Idee es in der Sonde anzuwenden klappt nicht weil außerhalb der Rakete die Energie letztendlich an den freien raum abgegeben wird, innerhalb der Rakete aber irgendwie doch wieder an die Rakete.

    Wem das Beispiel mit dem Pumpspeicherkraftwerk zu weit hergeholt war – mittelalterliche Ballista arbeiten auch nach dem Prinzip: Eine Masse wird auf ein höhere Energieniveau gehoben fällt und die übertragene Energie wird als Schub für das Schleudern von Steinen genutzt. Wichtig ist da beides: ist die masse klein wirds nichts und hebt man sie nicht an wirds auch nichts.

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