Eine Oberstufe für die Falcon 9 – meine Lösung

Elendsoft hat ja gestern in seinem Beitrag eine Adaption bestehender LOX-LH2-Oberstufen für die Falcon 9 Das ist logisch, das ist sinnvoll, das ist etwas was jeder vernünftige Mensch in Betracht ziehen würde, weil es die Nutzlast glatt verdoppelt. Doch es verletzt die ersten beiden Gebote auf die jeder SpaceX-ler schwören muss:

  • 1: Du sollst keine anderen Firmen neben SpaceX haben
  • 2: SpaceX hat immer recht und immer die beste Lösung

Also hier an dieser Stelle eine konkurrierende Lösung, die nur SpaceX-Technologie einsetzt. Aber zuerst einmal: Warum sollte SpaceX eine dritte Stufe einsetzen? Nun weil man durch Pressemitteilungen die Physik nicht überzeugen kann. Mutter Matur ist ein garstiges Weib und diskutiert nicht. Eine zweistufige Rakete mit mittelenergetischen Treibstoffen ist eine gute Lösung für erdnahe Orbits. Doch für höhere Orbits nimmt die Nutzlast stark ab, weil die letzte Stufe die höhere Geschwindigkeit fast alleine aufbringen muss und ihre Trockenmasse dann einen immer größeren Anteil an der Nutzlast ausmacht. Die genauen Daten der SpaceX-Raketen sind nicht bekannt, aber die Treibstoffmasse ist anhand der SpaceX-Daten berechenbar, das sich aus spezifischem Impuls und Schub die verbrauchte Treibstoffmenge pro Sekunde berechnen lässt, über Multiplikation mit der Brennzeit die Gesamtmenge an Treibstoff und im Vergleich mit bestehenden Stufen dann die Trockenmasse, bei 801 kN Schub, 375 s Brennzeit und einem spezifischen Impuls von 340 s kommt man so auf 88.300 kg Treibstoff, das sind bei üblichen Maßstäben etwa 3700 kg Trockenmasse. Diese ist also bei einem GTO-Start schon fast so groß wie die Nutzlast. (Da das Merlin 1D im Schub reduzierbar ist, kann sie auch etwas niedriger sein, doch reduziert wird der Schub wahrscheinlich nur am Schluss, sodass die Differenz nicht groß ist).

Schon der Übergang vom Standard-GTO in den Ariane-5-Kompatiblen SSGTO reduziert die Nutzlast von 4,85 auf 3,5 t, obwohl die Geschwindigkeitsdifferenz nur bei 350 m/s liegt (bei einem Apogäum in 80.000 km Höhe). Sinnvoll für GTO-Missionen die einen guten Teil der Starts ausmachen, ist daher eine weitere Stufe.

Die Triebwerke sind leicht gefunden. Das Merlin 1D ist zu schwer und zu schubstark. Aber SpaceX hat ja noch die Super-Draco Triebwerke für die weiche Landung der Dragon in der Entwicklung. Mit einem Schub von 68,17 kN haben sie den richtigen Schub. Sie sind rein druckgefördert (Brennkammerdruck 6,9 Bar), was zu einem niedrigen spezifischen Impuls auf Meereshöhe von 235 s führt, doch im Vakuum müssten sie mit einer entsprechend großen Expansionsdüse 3100 m/s erreichen. Eine Unsicherheit ist, dass sie als LAS für kurze Betriebszeiten ausgelegt sind, so beträgt der Treibstoff-Vorrat nur 1368 kg. Ich will auf Basis dieses Triebwerks drei Szenarien Skizziert:

No-Risc Szenario

Dieses Szenario umfasst eine Stufe die nur das einsetzt was absolut sicher möglich ist. Die Treibstoffmenge ist hierbei auf 1.368 kg beschränkt. Das erlaubt nur eine kleine Stufe die 350 kg trocken wiegt. Dazu kommen 500 kg für die Elektronik, Batterien, Sender der Oberstufe, die aber dort dann entfallen. Das Leergewicht wird durch das Triebwerk dominiert, das bei diesem Schub etwa 150 kg wiegen wird.

Little-Risc Szenario

Eigentlich sollte ein Triebwerk mehr als die 1368 kg Treibstoff verbrauchen können. Die 1368 kg entsprechen nur 62 s Brennzeit. Wenn ich davon ausgehe, dass die bisherige Falcon 9 unverändert bleibt, dann kann die Stufe mit Nutzlast so schwer werden wie die maximale Nutzlast einer Falcon 9. Die ´beträgt 13,15 t. Rechnet man 6 t für die GTO-Nutzlast so bleiben 7,15 t für die Stufe übrig, das entspricht dann in etwa einer Leermasse von 900 kg. Dazu kommen wieder die 500 kg Vehicle Equipment Bay der Oberstufe

Normales Szenario

Natürlich wäre eine noch größere Oberstufe sinnvoll. Hinsichtlich Startgewicht kann man bei in etwa gleich großen spezifischen Impulsen durch eine einfache Faustregel die Größe festlegen: Masse der zweiten Stufe/Masse der Dritten Stufe ~ Masse der Dritten Stufe / Masse der Nutzlast. Bei 6 t Nutzlast kommt man so auf etwa 23 t für die Oberstufe, Das Problem ist nur: das sind 10 t mehr als bisher die Rakete transportieren musste. Das erhöht die Gravitationsverluste beim Aufstieg und vor allem hat die Falcon 9 keinen großen Schubüberschuss. Sie wiegt 503 t und einen Startschub von 5850 kN, startet also mit 11,5 m/s, wobei man die Erdbeschleunigung schon 9,81 m/s wieder abziehen muss. Dann bleiben magere 1,7 m/s. Da machen selbst 10 t mehr Masse einiges aus. Die einfachste Lösung ‚ohne Umbaumassnahmen ist es einfach 10 t Treibstoff wegzulassen, 8 t in der ersten und 2 t in der zweiten Stufe.

Ergebnis

Wie sich beim genauen Durchrechnen zeigt bringt schon das zweite Szenario 1,1 t mehr Nutzlast. Die größere Stufe steigert sie dann nicht mehr. Das verwundet etwas, ist aber der Tatsache geschuldet, das der spezifische Impuls etwas geringer als bei der zweiten Stufe ist und auch die Stufe wegen der Drucktanks schwerer wird. (Schlechteres Voll/Leermasseverhältnis).

Immerhin sind es aber dann 5,7 t womit man in dem Bereich ist, den die schwersten Einzelsatelliten haben. Bedeutsamer ist der Zuwachs in den SSGTO, da dieser bei SpaceX Standard ist. Das sind bei der kleinen Lösung 3800 kg (+300 kg), bei der mittleren 4550 kg (+1000 kg) und bei der großen nur noch 4510 kg (+660 kg). Auch hier ist nun wieder die Stufe der dritten Lösung schon zu groß. Die mittlere Lösung scheint also die beste zu sein. Sie bietet zudem den Vorteil gerade bei hohen Geschwindigkeiten die Nutzlast am stärksten zu steigern. (Zum Mars, SpaceX Langzeitziel sind es z.B. glatte 50% mehr (2140 zu 3380 kg).

Rakete: Falcon 9 Oberstufe 1

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
501822 5003 2300 10258 2416
Stufe Anzahl Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 1 400800 13500 3040
2 1 91500 3200 3355
3 1 2219 850 3040

 

Rakete: Falcon 9 Oberstufe 2

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
507424 5724 2300 10258 2416
Stufe Anzahl Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 1 400800 13500 3040
2 1 91500 3200 3355
3 1 7100 900 3040

 

Rakete: Falcon 9 Oberstufe 3

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
513317 5717 2300 10258 2416
Stufe Anzahl Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 1 392800 13500 3040
2 1 89500 3200 3355
3 1 23000 1500 3040

Das ist nur ein Vorteil. Die Verwendung von lagerfähigen Treibstoffen erlaubt neue Missionsszenarien. Bahntechnisch ist der SSGTO ungünstig. Die Überlegung die hinter dieser Bahn steht ist dass die Inklinationsänderung abhängig von der relativen Geschwindigkeit ist. Es ist einfacher bei 10 km/h seine Bahn um 90 Grad zu ändern als bei 200 km/h. Das kann jeder Autofahrer leicht überprüfen. Je höher die Bahn ist, desto geringer ist die Geschwindigkeit im erdfernsten Punkt. Die eingesparte Energie für die Inklinationsänderung muss aufgerechnet werden gegen die zusätzliche Energie die man aufbringen muss, um die Bahn am Schluss wieder auf maximal 36000 km Höhe abzusenken. In der Summe ist aber SSGTO keine gute Lösung, denn die Rakete muss mehr Energie für den SSGTO aufbringen, als die Nutzlast später einspart.

Mit einer Stufe mit lagerfähigen und hypergolen Treibstoffen könnte diese aber einen normalen GTO erreichen und eine Zündung im Apogäum machen welche die Inklination absenkt und das Perigäum anhebt. Der Geschwindigkeitsbedarf ist geringer und das steigert die Nutzlast.

Für die neuen „All Electric“ Satelliten ist der SSGTO energetisch noch ungünstiger. Dafür würden sie profitieren wenn sie nicht so oft den Van Allen Gürtel durchqueren würden. Auch hier wäre eine höhere Kreisbahn günstiger, für die eine zweite Zündung nötig wäre.

Aber SpaceX braucht keine Oberstufe. Denn dieses Jahr wird ja die Falcon Heavy starten und deren Nutzlast ist mehr als ausreichend für alle derzeit gebauten Satelliten. Man muss nur noch eine doppelstartvorrichtung entwickeln, denn miteinander verbundene Satelliten wie beim letzten Start sind doch eine Ausnahme.

5 thoughts on “Eine Oberstufe für die Falcon 9 – meine Lösung

  1. Hallo Bernd,

    da hatten wir ja zeitgleich fast den gleichen Gedanken, ich hatte zu Elendsofts Blog einen ähnlichen Vorschlag gemacht wie du für eine Drittstufe:

    http://www.bernd-leitenberger.de/blog/2015/03/05/eine-dritte-stufe-fuer-die-falcon-9/

    Voll/Leermasse 7.000kg/1.000kg, isp 3.200m/s. Triebwerk entweder Kerosin/Lox Kestrel oder hypergol Superdraco. Die Stufe wäre aufgebaut wie die Fregat und könnte unter der Nutzlasthülle wie eine Nutzlast integriert werden was keine Änderungen an der Falcon 9 an sich benötigt.

  2. Hmm, ist es nicht so, dass die Dragon V2 insgesamt 8 Super-Dracos beinhaltet und die 1368 kg Treibstoff auf diese aufgeteilt würden? Andernfall hätte die Dragon V2 ja 8×1368 kg Treibstoff an Bord?

    Würd ja auch besser zu den ca. 5 Sekunden Super-Draco Volllast-Betrieb passen, die bei einem Abort zu erwarten wären.

  3. Wie schon geschrieben, das ist die Treibstoffkapazität die für die Dragon vorgesehen ist. Ein Triebwerk das nur wenige Sekunden lang arbeitet und danach Schrott ist halte ich aber auch bei SpaceX für äußerst unwahrscheinlich. Man könnte auch das Kestrel nehmen, zumindest bei der Stufe mit 7 t Treibstoff reicht dessen Schub noch vollkommen aus.

  4. @Bernd:
    Du hast es mit großer Sicherheit schon mitbekommen, bei SpaceX steht eine erweiterte Version in den Startlöchern.
    Dies soll Merlin Triebwerke mit 15% mehr Sub enthalten und eine Oberstufe mit 10% mehr Treibstoff und in der Erststufe kühleren Treibstoff einsetzen.
    Damit würde sich die Startbeschleunigung auf 3,1m/s^2 erhöhen, das sollte doch einiges ausmachen?
    Mit der Oberstufe hättest du unter Nutzlastbetrachtungen sicher recht, wie das Finanziell aus sieht ist schon komplexer.

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