Das letzte ISS-Modul

Als man die ISS konzipierte, hatte Russland einen Teil der ähnlich groß war wie der westliche Teil. Drei Forschungsmodule und ein Stromversorgungsmodul mit Druckhülle waren geplant. Damit wäre der russische Teil in etwa so groß wie Mir gewesen (er stammte auch von der Mir-2 ab). Doch es kam anders: Sarja wurde von der NASA finanziert, bei Swesda sprangen die NASA und ESA auch ein, damit es überhaupt gestartet werden konnte. Seitdem startete Russland nur zwei Luftschleusen „Pirs“ und „Poisk“, die auf umgebauten Progress-Raumschiffen bestehen und ein Minimodul Rasswet, das magels Geld für die Trägerrakete sogar vom Shuttle befördert werden musste. Drei weitere Module wurden gestrichen. Was seit Jahren aussteht ist das einzige verbliebene Forschungsmodul „Nauka“. Als ich mein ISS-Buch Mitte 2010 schrieb, war sein Start für Dezember 2011 geplant – und lag damals schon 3 Jahre hinter dem Plan zurück.

Nun bis vor einigen Wochen bewährte sich meine Raumfahrtregel „Nauka ist konstant 2 Jahre vom Start entfernt“ und der Start von Nauka wurde für den Februar 2017 festgelegt. Es war seit zwei Jahren beim Hersteller, weil das Treibstoffsystem ein Leck haben soll. Ziemlich lange um dieses Problem zu beheben. Inzwischen gibt es doch Neuigkeiten auf die ich bei der Recherche für die zweite Auflage des ISS-Buchs gestoßen bin.

RIA Novosti meldete, dass Russland nun den Start vorgezogen hat und man hat das Modul umbenannt in „Resurs M“. Resurs ist das russische Wort für „Ressourcen“ und so hießen schon einige russische Erdbeobachtungssatelliten. Diese Serie wurde allerdings inzwischen eingestellt. das „M“ im Namen steht für bemannt. Nach der Pressemitteilung der Roskosmos ist die Aufgabe von Resurs-M die Erdbeobachtung und -erkundung. Sie soll dort weitermachen wo man mit Kwant-2 bei der Mir aufhörte.

Inoffiziell ist der Zweck jedoch ein anderer. Russland wird die bemannte Weltraumspionage fortsetzen, die man früher im Rahmen des Almaz Programmes betrieb. Dieses wurde 1977 eingestellt, weil mit Film als Ressource der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis stand. Inzwischen setzt Russland wie die meisten anderen Nationen Spionagesatelliten mit CCD als Detektoren ein, so stellt sich die Frage, warum man nun plötzlich wieder ein bemanntes Modul startet.

Roskosmos bleibt vage. „Zweck des Weltraumlabors Resurs-M ist Erdbeobachtung, Umweltüberwachung und Entwicklung neuer Beobachtungstechniken“. Das letzte dürfte wohl der Schlüssel sein. Denn noch immer haben russische Satelliten eine vergleichsweise niedrige Lebensdauer von 2-3 Jahren. Digiglobe betreibt dagegen noch alle Satelliten die sie seit 1997 gestartet haben (die Firma ist Hauptlieferant der Bilder für die NRO). Die offensichtlichste Erklärung dürfte die sein, dass die Elektronik vorher ausfällt. Russland unterliegt immer noch den COCOM Bestimmungen, die den Export von bestimmten Elektronischen Bauteilen verhindern. Sie wurden im letzten Juni nach der Ukrainekrise sogar noch verschärft. Betroffen davon sind auch alle „radiation resistant“ Bauteile, also Prozessoren, Speicherbausteine, sonstige IC die die starke kosmische Strahlung im Orbit überleben. Erdbeobachtungssatelliten brauchen für die Verarbeitung der hohen Datenraten leistungsfähige Prozessoren, die sehr empfindlich gegenüber der Strahlung sind und die vom Embargo betroffen sind. Sie stehen Russland nicht zur Verfügung.

Russland weicht aus soweit es geht. Die Sojus Raumschiffe setzen einen völlig veralteten  TsVM-101 Computer mit einem Prozessor in der Leistungsklasse eines 386-er PC ein. Er ist aber weltraumqualifiziert und sein MIPS R3081 Prozessor unterliegt nicht dem Embargo, Mit dieser Leistung kann man die Daten, die eine Kamera liefert aber nicht verarbeiten. Digiglobes neuester Späher Wordlview-3 zeichnet Daten z.b. mit 2 GBit/s auf. Russland weicht, wenn man die Leistung braucht, auf „radiation tolerance“ Elektronik aus, das sind Bauteile die erhöhte Strahlung vertragen, aber nicht weltraumqualifiziert sind. Sie werden im zivilen Bereich z.b. in Verkehrsflugzeugen eingesetzt die aufgrund ihrer Flughöhe in er unteren Stratosphäre eine erhöhte Strahlungsdosis empfangen. Es handelt sich meist um Bauteile mit höhere Spezifikationen gegenüber den Betriebsparametern (Spannung, Temperatur) die nach verschiedenen Tests aus der normalen Produktion selektiert wurden. Früher hie die Spezifikation für dieselben Bauteile, wegen der Verwendung beim Militär )Lenkwaffen, Flugzeuge) meistens „military grade oder military spec“ . Aufgrund des rasant angestiegenen Elektronikanteils in Verkehrsflugzeugen ist diese Kategorie heute aufgeweicht worden, es sind vor die neusten Bauteile dieser Kategroie vom COCOM Embargo betroffen.

Das dem so ist weiß man seitdem Phobos Grunt verloren ging und ein Grund für den Ausfall die Verwendung von nur strahlungstoleranter, aber nicht strahlungsgehärteter Elektronik war. Strahlungstolerante Elektronik soll einige Wochen bis Monate funktionieren, danach ist mit einer erhöhten Ausfallrate zu rechnen. Anders als bei einem Satelliten wird man in Resurs M die Elektronik auswechseln können, die Kameras selbst scheinen wie bei einem Satelliten autonom zu arbeiten und keine Bedienung zu erfordern. Denkbar ist auch das man die Optik behält und die Sensoren bzw. die Kameras auswechselt. Zudem schützt die dicke Hülle des Moduls besser vor kosmischer Strahlung.

Obwohl Resurs-M erst im Herbst 2016 starten soll wirft es schon jetzt seine Schatten voraus, denn Russland ersuchte die JAXA als Kompensation der japanischen Beteiligung an den russischen Ressourcen bzw. russischen Teil der Station beim nächsten HTV-Flug eine Parabolantenne mitzuführen, die man vor Ankunft des Moduls bei einer EVA montieren will. Sie soll die Daten über russische Kommunikationssatelliten übertragen, da die NASA-Verbindungen dafür nicht ausreichen, bzw. das Kontingent dafür zu gering ist. Aufgrund der Größe passt sie nicht in eine Progresskapsel. Das veranlasste die NASA zu einer Stellungnahme, in der sie das russische Vorgehen nicht befürwortete aber auch auf den internationalen Charakter der Station verwies. Anders als das Wort „Internationale Raumstation“ suggeriert ist es keine gemeinsame Raumstation, es ist eine Station aus einer russischen und amerikanischen Station. Russland hat exklusive Rechte an seinem Teil und nutzt diese z.B. für den Start von Weltraumtouristen, was der NASA überhaupt nicht recht ist (so soll bald Sarah Brightman als Tourist starten). Die NASA kann wenig gegen das Vorgehen machen, will das Thema aber auch nicht hochkochen, weil man im Abkommen mit JAXA und ESA z.b. auch den Passus hat, dass die USA ebenfalls militärische Forschung an Bord der Station durchführen können, auch wenn man dies niemals getan hat. (zumindest nach offizieller Verlautbarung).

Über die genaue Instrumentierung von Resurs-M ist wenig bekannt. Nur das es mehrere Kameras sind. Die Ausrichtung (zumindest von Nauka) mit der Längsachse Richtung Erde würde bei dem rund 6 m langen zylindrischen Teil eine Brennweite von 15 m bei einem gefalteten Strahlengang erlauben. Bei gängigen TLI-Sensoren korrespondiert dies mit einer Auflösung von 20 cm. Ich halte eine geringere Auflösung für wahrscheinlich, weil US-Experimente auf etwa 1 m Auflösung beschränkt sind, bedingt durch Störungen durch die Besatzung bzw. Bewegungen der Station. Die Kompensation dieser um auf die fünffache Auflösung zu kommen würde eine ziemlich aufwendige Lagerung auf Schwingungsdämpfern und eine schnelle aktive Kompensation von Störungen erfordern. Sie dürfte wahrscheinlich irgendwo dazwischen also zwischen 20 und 100 cm liegen.

Resurs-M wird nicht das letzte Modul bleiben. Die Roskosmos kündigte an, 2018 es durch ein Modul mit einem aktiven Radargerät zu ergänzen. Immerhin machen so einige andere Ankündigungen Sinn. Vor wenigen Monaten entschloss man sich für eine Verlängerung des ISS-Betriebs bis 2024, danach sollten dir russischen Module abgekoppelt werden und eine eigene Raumstation formen. Das machte bei nur zwei russischen Modulen die noch dazu die beiden ältesten sind keinen Sinn. Nun mit zwei Erdbeobachtungsmodulen macht dies viel mehr Sinn.

7 thoughts on “Das letzte ISS-Modul

  1. Wenn der russische Teil von der ISS abgekoppelt wird und als eigene Raumstation weiterfliegt, wäre die Ankopplung chinesischer Module der logische nächste Schritt. Das dürfte sich für beide Seiten schon aus finanziellen Gründen lohnen.

  2. Hallo Bernd, du schreibst:

    „RIA Novosti meldete, dass Russland nun den Start vorgezogen hat und man hat das Modul umbenannt in “Resurs M”. Resurs ist das russische Wort für “Ressourcen” und so hießen schon einige russische Erdbeobachtungssatelliten. Diese Serie wurde allerdings inzwischen eingestellt. das “M” im Namen steht für bemannt. Nach der Pressemitteilung der Roskosmos ist die Aufgabe von Resurs-M die Erdbeobachtung und -erkundung“

    dazu möchte ich den russischen Link, wenn es geht.

    Letztes Jahr wurde Resurs-P Nr.2 gestartet, liefert Bilder bis zu 1 Meter Auflösung. Die Technologie ist vergleichbar mit Ikonos-2 oder Pleiades. Mit der GSA Ausrüstung werden z.B. gleichzeitig Bilder in verschiedenen Spektralbändern von sichtbaren bis nahen Infrarotbereich des gleichen Teils der Erdoberfläche aufgenommen. Weitere Resurs-P sollen folgen, so Roskosmos.

  3. Für MKS sind folgende Module vorgesehen:

    1) NAUKA
    2) OKA-T
    3) NEM

    Mit NEM wird auch das Energieproblem gelöst, das Modul liefert 50KW Energieleistung, die Solarzellen haben einen Wirkungsgrad von 30%. Das Modul kann auch für die neue LOS fungieren, hier möchte auch die NASA einsteigen.

    NAUKA wurde bei Chrunischew gebaut. Durch die radikalen Reformen des Unternehmens werden dort keine Module mehr gebaut. Chrunischew soll in 7-8 Jahren Weltspitze bei Raketen und Beschleunigungsstufen erreichen, bekommt einen Kredit von 50 Milliarden Rubel, neue Technologien und Ausrüstungen, Börsengang zum 1 Januar 2016 und sehr schlanke und effiziente Strukturen.

    OKA-T führt Grundlagen- und angewandte Forschung auf dem Gebiet der Materialwissenschaft, Plasmaphysik, Biologie und Medizin. Neben einen nichthermetischen Teil werde es einen hermetischen mit Luftschleuse von nicht weniger als 18 Kubikmetern Volumen geben, für die Bedienung und Wartung der Geräte durch die Kosmonauten. Das Modul wird autonom 90 bis 180 Tage auf hocheliptischen Bahnen fliegen, danach erfolgt die Kopplung an die ISS.

    Die neue russische Orbitalstation NOS wird nur aus neuen Modulen bestehen, darunter mit einen aufblasbaren Wohnmodul. Es gibt noch keine Entscheidung dazu als auch über eine Bahnneigung von 64,8 Grad. Die Bahnneigung von 51 Grad ist für bemannte Starts vom Wostotschny problematisch, mit der anderen Bahneigung wären auch Starts vom Plessezk zur Versorgung möglich. Für Mondflüge hat wiederum die 51 Bahn mehr Vorteile.

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