Lohnt sich Ammoniak als Alternative zu Methan?
Auf diese Frage gibt es zwei Antworten. Eine kurze für alle die sich nicht mit einem Thema auseinandersetzen wollen und gewohnt sich Informationen als „Wissenshappen“ zu konsumieren. Die zweite für die die etwas differenziert betrachten wollen und auch verstehen wollen.
Also die Antwort für die erste Gruppe lautet „Nein“. Die die damit zufrieden sind können jetzt weitersurfen.
So, und nachdem wir nun alle unter uns sind und alle SpaceX Fans, die irrtümlicherweise wegen dem Methan in der Titelzeile auf die Seite gekommen sind, weitergesurft sind, betrachten wir es genauer.
Ammoniak ist eine Stickstoff-Wasserstoffverbindung und damit verwandt mit den Hydrazinen. Es sollte also genauso gut als Raketentreibstoff nutzbar sein und wurde bei frühen Versuchen auch eingesetzt. Ammoniak verhält sich zu Hydrazin wie Methan zu Kerosin: es ist der einfachste Vertreter seiner Reihe. Wie Methan ist es auch bei Notmaltemperaturen gasförmig. Damit kann man einen Vergleich machen.
Warum ich schon ohne großes Nachdenken auf ein „Nein“ komme, ist eine einfache Regel: Bei den meisten Treibstoffen liefert der in den Molekülen enthaltene Wasserstoff die meiste Energie. Das bei der Verbrennung mit Sauerstoff entstehende Wasser ist ein sehr stabiles Molekül. Nicht umsonst findet man es fast überall im Sonnensystem. Dagegen sind Ammoniak und Methan als die analogen Wasserstoffverbindungen der beiden Elemente links vom Sauerstoff bei Erde und Mars instabil. Es liegt also nicht nur am Sauerstoff, denn sonst würde Methan das man inzwischen auf dem Mars nachgewiesen hat dort nicht verloren gehen.
Bei dem Kohlenstoff ist es z.B. so, das reiner Kohlenstoff eine Verbrennungsenergie von 29 MJ/kg hat, niedere Kohlenwasserstoffe in etwa 46 MJ/kg und reiner Wasserstoff 143 MJ/kg.
Nun enthält Ammoniak 17,6% Wasserstoff, Methan dagegen 25%. Daher ist die Verbrennungsenergie kleiner: 18,6 MJ/kg gegenüber 56 MJ bei Methan. Bedeutend ist aber das mehr leichte Moleküle entstehen:
4 NH3 + 3 O2 → 2 N2 + 6 H2O
CH4 + 2 O2 → CO2 + 2 H2O
Bei Kohlenwasserstoffen entsteht als Verbrennungsprodukt Kohlendioxyd. Der Ammoniak verbrennt bei hinreichend hoher Temperatur zu Stickstoff. Das kann man chemisch leicht begründen. Zum einen sind die beiden Atome im Stickstoffmolekül durch eine Dreifachbindung verbunden, die sehr stabil ist. Kohlenstoff hat zwar vier freie Elektronen zum Eingehen von Verbindungen, verbindet sich aber damit mit vier Nachbaratomen. Entsprechend leichter ist die Verbindung zu knacken. Weiterhin hat der Kohlenstoff eine geringere Elektronegativität und daher eine höhere Affinität zum Sauerstoff. Das Verbrennungsprodukt Kohlendioxyd liefert weitere Energie, ist aber auch ein schweres Molekül.
Doch die Performance kann man bestimmen. Anbei ein Diagramm der theoretischen spezifischen Impulse. Das stöchiometrische Verhältnis zum Sauerstoff beträgt bei Methan 4, bei Ammoniak nur 1,41. Das folgende Diagramm gibt die spezifischen Vakuumimpulse (als Mittel aus eingefrorenem und freiem Gleichgewicht) für eine Oberstufe mit 30 Bar Brennkammerdruck und einer Düse mit einem Expansionsverhältnis von 120 wieder. Das sind relativ geringe technische Anforderungen die leicht übertroffen werden können. (Vinci: 60/240, Merlin 1D: 90/117)
Man sieht das Methan deutlich besser liegt. Die Spitze liegt bei Methan bei 3608 m/s, Ammoniak kommt auf maximal 3430 m/s. Weiterhin ist der spezifische Impuls abhängiger von dem Mischungsverhältnis. Die Differenz von rund 180 m/s und auch der absolute Wert liegen aber nicht so hoch wie beim Vergleich Kerosin/Methan.
Doch das ist nur ein Aspekt. Ammoniak ist zwischen -33 und -77 Grad flüssig. Dieser Temperaturbereich und auch die absolute Temperatur liegen höher als bei Methan (-182 / -162°C). Auch die Dichte von 0,77 g/cm³ ist höher als bei Methan (0,42 g/cm³). Das bedeutet: geringen Aufwand bei der Kühlung und kleinere Tanks. Die Dichte des Gemisches ist dagegen fast gleich, da man wesentlich weniger Methan als Ammoniak braucht.: beim höchsten spezifischen Impuls (Ammoniak/Sauerstoff = 1: 1,4, Methan/Sauerstoff 1:3,5): 0,89 g/cm³ bei LOX/Methan und 0,92 g/cm³ bei LOX/Ammoniak.
Was folgt daraus? Ammoniak könnte, wenn man kühlen kann, eine Alternative bei lagerfähigen Treibstoffen sein. Bei etwas höherem Druck (6 Bar) kann man es bei normalen Temperaturen flüssig halten. Denkbar ist auch der Einsatz für Oberstufen, die dann ein geringeres Risiko haben das der Treibstoff verdampft. Gegenüber LOX/RP1 und NTO/Hydrazinen hat die Kombination in jedem Falle Vorteile, doch geht heute der Trend dazu dass man dann gleich zum noch etwas leistungsfähigerem Methan übergeht.
Was der Vorteil der Kombination aber ist: es ist ein „Green-Fuel“, das ist ja der Trend. Allerdings auch vor allem bei Satelliten (bei Trägerraketen gibt es ja kaum noch im Westen Typen die Hydrazine oder Stickstofftetroxyd einsetzen, nur in China und Russland hängt man dieser Technologie noch nach) und da wird das Flüssighalten des Sauerstoffs doch problematisch. Man könnte es mit Lachgas verbrennen, doch das ist ein anderes Thema.
Ja, wenn wir aber Ammoniak mit Acetylen vermischen, kommen wir auf Acetam. Bezogen auf Isp haben wir heute folgende Werte für Oberstufen:
Methan = 385s
Acetam = 395s
Der Ammoniak/Fluor Triebwerk RD-301 kam auf 3928 m/s, bestand auch die offiziellen Brennversuche für die Zertifizierung.