Die Sache mit den Sonnensegeln

Nun startete an Bord einer Atlas wieder einmal ein Solar-Segler als Sekundärnutzlast mit einem X-37B. Die Technologie ist nicht neu und ihr wird wie UNIX seit 30 Jahren eine goldene Zukunft versprochen „UNIX ist das Betriebssystem der Zukunft und das schon seit 30 Jahren“ 🙂

Warum es bis heute nicht dazu gekommen ist? Sicher eine Verschwörung der Triebwerksmafia um ULA, EADS, Energomasch und Co. Denn deren Produkte wären dann ja überflüssig. So einfach kann man es sich machen. Für alle denen das genügt, bitte nun weitersurfen.

Für alle anderen gehen wir mal in die Physikalischen Grundlagen. Sonnensegel funktionieren in gewisser Weise wie Segel auf Segelschiffen. Nicht vollständig aber ähnlich. Bei einem Segel prallt Luft auf das Segel und überträgt Energie. Bei einem Sonnensegel sind es die Photonen, also Lichtteilchen die Energie übertragen. Der auch von der Sonne ausgehende Sonnenwind ist keine große Energiequelle, das liegt daran, dass es zu wenige Protonen gibt. Jede Kernreaktion erzeugt etliche Photonen, aber die Sonne emittiert nur wenige Protonen, sonst würde sie rasch an Masse verlieren.

Jedes Photon hat eine Energie die wir als Summe als Solarstrahlung beziffern. Sie beträgt im Weltraum in der Entfernung der Erde rund 1350 W/m² Fläche. Über die Berechnung der kinetischen Energie können wir den Photonen eine Äquivalentmasse nach

E = ½ m*v²

zuweisen. Die Energie ist bekannt, die Geschwindigkeit v ebenso – es ist die Lichtgeschwindigkeit c = 299.792.458 m/s. Es ist eine Äquivalente Masse, denn die Photonen sind masselos (nur masselose Teilchen können Lichtgeschwindigkeit erreichen). Da nun Geschwindigkeit und Äquivalentmasse bekannt sind kann man den Impuls berechnen der von den Photonen auf ein Segel übertragen wird:

P = m*v

Wer genau aufpasst, bemerkt das sich die beiden Ausrücke um den Faktor ½ v unterscheiden. v ist die Lichtgeschwindigkeit, also ist die Hälfte davon rund 150.000.000 m/s.

Der Schub den das Licht auf einen Quadratmeter Fläche ausübt ist daher gering, in 1 AE Entfernung etwa 9 Millionstel Newton. Das ist wenig, die kleinsten Ionentriebwerke sind rund 1000-mal schubstärker, gängige Lageregelungstriebwerke für Satelliten 1 Million mal schubstärker und ein Oberstufentriebwerk wie das RL-10, HM-7 oder Merlin rund 10-100 Milliarden mal schubstärker.

Ein Sonnensegel fängt also die Sonnenstrahlung auf und wandelt sie in Beschleunigung des Segels und damit des Körpers um. Jede Oberfläche hat einen Reflexionsgrad. Besser als die Absorption ist aber eine vollständige Reflexion, denn dann wird der Impuls der Lichtteilchen umgedreht, das bedeutet man verdoppelt den übertragenen Impuls. Verspiegelte Oberflächen erreichen Reflexionsgrade von 90+%.

Physikalisch bedingt nimmt der Schub zu wenn man sich der Sonne nähert und nimmt ab, wenn man sich von der Sonne entfernt. Die Abnahme ist quadratisch mit der Entfernung, analog wie die Leistung von Solarzellen quadratisch mit der Entfernung abnimmt.

Das Problem des geringen Schubs ist, dass man eine sehr große Fläche benötigt um nur einen kleinen Schub zu erreichen. Ionenantriebe für den Antrieb von Satelliten haben einen Schub von 0,1 bis 0,2 N. Dawn z.B. drei Triebwerke mit einem maximalen Schub von 0,276 N. Um diesen Schub durch ein Sonnensegel zu erreichen braucht man eine Fläche von über 30.000 m².

Das ist nun das Hauptproblem: Selbst wenn das Segel eine sehr leichte Folie wiegt wenn es 30.000 m³ sind doch recht viel. Des Weiteren greift die solare UV-Strahlung Kunststoff an und zerstört ihn, wodurch die Trägerfolie nicht beliebig dünn sein kann. Noch gar nicht untersucht ist, wie man ein Segel mit einer großen Fläche aufspannt. Bisherige Prototypen haben maximal einige Quadratmeter Fläche, ein Segel das z.B. bei der Raumsonde Dawn die Ionentriebwerke ersetzt hätte als quadratisches Segel eine Seitenlänge von rund 175 m. Anders bei einem Segel auf einem Segelschiff wird ein Sonnensegel von der Sonne nicht von alleine aufgespannt. Ist es nur teilweise entfaltet, sind Teile auch nur verkrumpelt, so hat man Probleme. Es ist weniger der fehlende Schub. Es ist die dadurch erzeugte Asymmetrie die eine Lenkung schwer macht.

Bisher fehlen auch noch die leichtgewichtigen Stützstrukturen um das Segel aufzuspannen. Bei Ikaros, dem letzten Projekt und dem bisher größten Segel wog ein Segel von 14 x 14 m Größe 15 kg. Es besteht aus einer 7,5 µm dicken Folie. Bei diesem Flächengewicht würde das Segel alleine doppelt so viel wie Dawn wiegen. Für die Steuerung erscheint es heute am sinnvollsten Ionentriebwerke einzusetzen. Sie würden mit kleinen Solarzellen an den Enden der Segel sitzen. Ikarus belegte sogar einen Teil des Segels mit Dünnfilmsolarzellen. Ionentriebwerke haben den Vorteil dass man für ihre Stromversorgung wenig Fläche braucht. Eigene kleine Sonnensegel für die Lenkung wären viel größer. Daneben kann man sie einschalten und ausschalten, kleine Solarzellen sind immer aktiv. Sie können auch so ausgerichtet werden wie man es braucht um den Kurs zu ändern. Kleine Sonnensegel als Steuersegel sind dagegen von der Richtung des Lichtstroms der Sonne abhängig.

Sonnensegel können such gegen sie Sonne kreuzen, d.h. sich nach innen ins Sonnensystem bewegen.

Vergleicht man sie mit Ionentriebwerken, die im Prinzip auch die Sonnenstrahlung nutzen, nur eben indirekt indem sie die Energie gewinnen und mit ihr ein Arbeitsgas beschleunigen so ergibt sich als primärer Vorteil, das man viel kleinere Flächen hat. Anstatt 30.000 m² braucht man nur rund 30 m² für den oben erwähnten Maximalschub von Dawn. Damit liegt man in dem Bereich den heutige Solargeneratoren haben. Das Flächengewicht um einen Schub einer bestimmten Größe zu erreichen ist heute bei Solarzellen zur Stromversorgung der Ionentriebwerke ebenso niedriger – theoretisch könnten Segel bei denen man erst Aluminium, auf eine Polymerfolie aufdampft und dann diese wegätzt, sodass nur die hauchdünne Verspiegelungsschicht übrig bleibt erheblich leichter sein, nur bisher weiß man nicht wie man diese in großer Fläche erzeugen, transportieren und entfalten kann. Derzeit eingesetzte Segel von Iakrus und Lightsail 1 haben 7,5 und 4,5 mm Dicke. Die Aluminiumschicht würde dagegen nur 0,1 µ dick sein.

Wo mag ein Einsatzort sein?

Wenn man weggeht von großen Raumsonden, die riesige Flächen erfordern, zu kleinen Sonden oder Satelliten die dann mit Seglern im Bereich von 10+ m arbeiten dann ist man bei einer Größe die man heute technisch beherrscht. Solange man genügend Zeit hat, kann man mit diesen kleinen Segeln dann auch jedes Ziel erreichen. Das wäre eine Alternative für Miniraumsonden von wenigen Kilogramm Gewicht. Bei diesen wären die Subsysteme für ein Ionentriebwerk aber auch chemische Antriebe im Verhältnis zur Raumsonde sehr schwer und sie würden sie auch deutlich verteuern. Für preiswerte Miniraumsonden die man als Sekundärnutzlasten startet und die eine überschaubare, einfache Mission haben (z. B. Vorbeiflüge an erdnahen Asteroiden) wären Sonnensegel geeignet.

Für größere Missionen, aber auch Missionen bei denen es auf die Flugzeit ankommt, sind sie heute noch nicht geeignet. Konkrete Projekte jenseits von Demonstratoren gibt es keine. Gerade die Raumfahrtagenturen haben ihre Projekte nach einiger Forschungsarbeit wieder eingestellt so die DLR und die ESA und auch das NASA Projekt Sunjammer meldet seit 2 Jahren keine Fortschritte. Derzeit am aktivsten ist die Planetary Society die gerade einen Cubesat zur Erpobung des Entfaltungsmechnaismus gestartet hat, 2016 soll dann der eigentliche Segler Lighsail B folgen der das Segeln eproben soll.

One thought on “Die Sache mit den Sonnensegeln

  1. Nur eine kleine Korrektur in der Herleitung der äquivalenten Masse eines Photons:

    Die Formel 0,5*m*v^2 gilt nur für nicht-relativistische Fälle. Hier gilt die bekannte Formel E=m*c^2. Der Impuls des Photons unterscheidet sich also um 1*c von seiner Energie.

Schreibe einen Kommentar zu Simon Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.