Die Konsequenz der Challenger-Katastrophe
Heute vor genau 30 Jahren explodierte am Himmel über Florida die Challenger. Über die Unglücksursache kann man viel lesen, auch bei mir. Es gibt den offiziellen Untersuchungsbericht und es wurde natürlich auch in einigen Dokumentationen verfilmt. Sie ist heute allgemein bekannt. Sie war es aber auch schon vor dem Start. Das skandalöse an der Explosion war nicht die primäre Unglücksursache, es war die Kultur, die in der NASA eingezogen war.
Das die Dichtungsringe bei tiefen Temperaturen porös sind, wusste die NASA schon vorher. Es gab vorher einige Shuttle Starts bei tiefen Außentemperaturen und bei denen wurden beschädigte Dichtungsringe nach der Inspektion der Booster gefunden. In einem Falle war auch der primäre Ring durchgebrannt, der sekundäre hielt noch. Thiokol hatte die NASA davon unterrichtet und der verantwortliche Ingenieur plädierte für eine Verschiebung des Starts. Dieser war aus verschiedenen Gründen schon mehrmals verschoben worden und so machte die NASA Druck auf den Hersteller Thiokol, der wiederum seine Ingenieure dazu drängte, dem Start zuzustimmen. So nahm die Katastrophe ihren Lauf.
Es war, und das ist weniger bekannt, aber nur die Spitze des Eisbergs. Bei fast keiner Shuttlemission vor dem Unglück gab es Vorkommnisse. Der Bordcomputer fiel aus, Hydrazin entzündete sich bei der Landung. Die Toilette war defekt, Brennstoffzellen fielen aus wodurch eine Mission abgebrochen wurde, Reifen und Bremsen fielen bei der Landung aus, Geräte musste vor dem Wiedereintritt demontiert werden, weil sich der Nutzlastraum nicht schließen lies. Schließlich fiel bei einer Mission ein Triebwerk beim Aufstieg aus, es reichte aber noch um einen Orbit zu erreichen.
Schon diese Liste zeigt: Routine waren die Shuttlestarts nicht. Sie zeigten vielmehr, das an dem System vieles nachgebessert wurde und es war ein Symptom für die mangelnde Qualitätskontrolle. Das war das Grenzproblem der NASA mit dem damaligen Shuttle. Das Shuttle lag einige Jahre hinter dem Zeitplan zurück. Es gab viele gebuchten Nutzlasten, nicht nur von der NASA, sondern sie bot den Start von kommerziellen Satelliten sogar unter ihren eigenen Kosten an um das Shuttle möglichst auszulasten. Vor allem sollte die Flugrate gesteigert werden. 1989 gab es neun Starts und dies obwohl der letzte Orbiter, die Atlantis erst im Herbst den Jungfernflug absolvierte. 13 bis 16 Starts waren für 1986 geplant.
Intern hatte die NASA jedoch schon mit neun Starts Problemen. Die Bodencrews arbeiteten 72 Stunden pro Woche um die Orbiter umzurüsten, da war nicht mehr viel Luft nach oben. Vor allem war der Kannibalismus ein Symptom der Zeitprobleme. Das Phänomen, das wir heute auch von den Bundeswehrtornados kennen, steht für mangelnde Ausstattung an Ersatzteilen oder zu wenig Manpower Dinge rechtzeitig zu reparieren. Gab es ein Problem bei einem Teil einer Fähre vor dem Start, so hatte man nicht die Zeit zur Reparatur oder ein Ersatzteil parat, man baute stattdessen das gleiche Teil aus einer Fähre aus, die gerade in der Wartung war, damit die eine startbereit war.
Die NASA hatte für die Startrate die Qualitätssicherung geopfert. Einer etwas platten Regel braucht man für ein Projekt Zeit, Arbeitskraft und Geld. Hat man von einem zu wenig, z.B. in diesem Falle vom Faktor Zeit, dann muss man mehr Geld oder mehr Arbeitskräfte hineinstecken. Das wollte aber die NASA nicht. Dabei wusste sie das es auch anders ging. Vorgestern sah ich eine Dokumentation über die Mondlandung. Davon gibt es einige, aber die war wegen HD-Aufnahmen der alten Bilder schon sehenswert und da wurde mir erstmals klar, dass die NASA den Schritt vom Erdorbit bis zur erfolgreichen Mondlandung in nur 9 Monaten geschafft hatte – zwischen erster bemannter Apollomission noch im Erdorbit im Oktober 1968 und der Landung im Juli 1969 lagen nur neun Monate! In der Zeit fanden fünf bemannte Missionen statt, jede anspruchsvoller als die vorhergehende. Heute ist dieses Tempo unvorstellbar.
Die NASA hat beim Space Shuttle gelernt. Trotz höherem Budget sollte es niemals wieder neunmal pro Jahr fliegen. Die Probleme verschwanden danach ganz einfach. Trotzdem wiederholte man den Fehler nochmals beim Discovery-Programm. Damals befand Daniel Goldin, NASA-Administrator, das Raumsonden viel billiger gebaut werden könnten, wenn man weniger Papier sprich Protokolle produziert. Die Sonden des Discoveryprogramms waren denn auch billig. Nur explodierte bei Contour der Feststoffmotor beim Verlassen des Erdorbits, der Mars Climate Orbiter verglühte weil man nicht merkte das der US-Hersteller Lockheed nicht im SI-System arbeitete, beim Mars-Polar Lander bemerkte man die Ursache des Verlustes (ein Programmfehler) erst als man eine baugleiche Sonde für den nächsten Start vorbereitete, bei Genesis versagte das Fallschirmsystem und die Proben wurden durch den Aufprall zerstört. Deep Space 1 drehte sich durch einen Computerfehler bei der Beobachtung ihres Ziels weg … Das ganze Programm war eine Ansammlung von Pannen und die meisten hätte man verhindern können, hätte man die Hardware und software wie vorher intensiv vorher geprüft und getestet.
Das Thema ist bis heute nicht durch. Die Proton hatte zwei Fehlstarts bei dem neuen Block DM-3. In einem Fall hat man zu viel Treibstoff zugeladen (Block DM-3 hat eine eigene Steuerung die nichts davon mitbekam, dass die dritte Stufe ihn bei einer zu geringen Geschwindigkeit entließ) und verglühte vor der Zündung. Im anderen Falle wurden Beschleunigungsmesser falsch eingebaut. Das sind Fehler die man durch Kontrollen vermeiden kann. Doch Kontrollen kosten Geld. Auch SpaceX sparte sich Kontrollen von Streben, dann ist eben eine bei einem Fünftel der Nennbelastung gebrochen. Ein paar Dollar gespart, dafür die Mission verloren. Ist nicht schlimm, die NASA hat den Start schon vor dem Abheben bezahlt.
Ich bin ja mal gespannt wie die angekündigte Kostenreduktion bei ULA (Reduktion der Produktionskosten einer Atlas 301 von 164 auf 100! Millionen Dollar) oder bei der Ariane 6 Auswirkungen auf die Sicherheit haben. Ich empfehle der NASA zumindest eines: Macht zwischen dem 27.1 und 1.2 keine bemannten Raumflüge. Alle Katastrophen bei denen US-Astronauten starben fanden am 27.1. bis 1.2 statt. Die Woche scheint’s in sich zu haben.