Eine echte, kryogene, Kickstufe für die Ariane 6

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Nachdem Airbus Industries, der Hersteller der Ariane 6, an einer Kickstufe für die Ariane 6 mit lagerfähigen Treibstoffen arbeitet, will ich mal einen Konkurrenzvorschlag machen. Er basiert auf dem HM-7B Triebwerk, das in der Oberstufe ESC-A eingesetzt wird, und im Prinzip seit der Ariane 1 weitestgehend unverändert eingesetzt wird.

Damit diese Stufe möglichst kompakt bleibt und so viel Platz für die Nutzlast lässt bzw. auch bei Doppelstarts eingesetzt werden kann, setze ich Kugeltanks ein. Sie haben die halbe Tankwanddicke eines vergleichbaren zylindrischen Tanks. Das spart Gewicht ein. Die erste Aufgabe ist es also, die Größe dieser Tanks zu bestimmen.


Ariane 5 hat eine Nutzlastverkleidung von 5,4 m Durchmesser eine etwa gleich große wird auch bei Ariane 6 eingesetzt werden. Jeweils 40 cm freier Raum rund um die Stufe müssen bleiben, da Die Hülle wie auch die Nutzlast durch die Vibrationen schwingen. Das lässt einen maximalen Durchmesser einer Oberstufe von 4,6 m zu. Ich setzte für die Rechnung 4,5 m an, weil ich vom Innendurchmesser der Tanks ausgehe. Dazu käme aber noch die Tankwand mit Isolation und Befestigungspunkte. Das HM-7B hat einen maximalen Durchmesser von 99 cm, der wird aber nur bei der Düse unten erreicht, ich bin trotzdem von einem Raum von 1 m in der Mitte für das Triebwerk ausgegangen. Er ist nicht nutzbar, da die Tanks das Triebwerk umgeben, nicht auf ihm sitzen. Weitere 51 cm sollen für den Triebwerksrahmen und Raum zum Schwenken bleiben. Dann bleiben 3 m Durchmesser für die Tanks.

Ordnet man vier Tanks in Form eines Kleeblatts an, so kann jeder maximal 1,5 m Durchmesser haben. Da Sauerstoff- und Wasserstofftanks nicht nur unterschiedlichen Durchmesser haben, sondern auch unterschiedlich schwer im gefüllten Zustand sind, ist die einzige symmetrische Konfiguration die, bei der die größeren Wasserstofftanks diagonal gegenüberliegen. Entsprechendes gilt dann auch für die Sauerstofftanks. Ein Tank mit 1,5 m Durchmesser hat ein Innenvolumen von 1,767 m³, ich rechne mit 1,7 m³, da die Tanks nie ganz vollgefüllt sind. Es wird Druckgas benötigt für die Treibstoffförderung und das nimmt auch Volumen ein. 1,7 m³ flüssiger Wasserstoff wiegen bei einer Dichte von 0,068 kg pro Liter 115,6 kg, in zwei Tanks sind also 231 kg Wasserstoff. Das Triebwerk arbeitet mit einem Mischungsverhältnis von 5,2 Teilen Sauerstoff zu 1 Teil Wssserstoff, das bedeutet, dass man 1.202 kg Sauerstoff mitführt (Durchmesser deren Tanks beträge dann 1,01 m). Mit zusammen 1.431 kg Treibstoff ist das aber für eine Kickstufe etwas wenig Treibstoff. Daher benötigt man einen zweiten Ring von Tanks, den man dann um 90 Grad gedreht anbringen kann, so liegen die Wasserstofftanks des oberen Rings über den Sauerstofftanks des unteren Rings und die Stufe hat nur eine maximale Höhe von 2,51 m (Höhe des Triebwerks alleine: 2 m).

Die Tanks werden am Äquator miteinander verbunden und vom unteren Ring geht dann von dessen Äquator ein Gitterrohrgerüst zum Abschluss der Oberstufe. Das ist insgesamt eine leichtgewichtige Konstruktion. Oben ist der Adapter für einen Satelliten, nach internationalen Normen typisch von 2,624 m Durchmesser.

Doch wie viel wiegen die Tanks? Wenn deren Trockenmasse so ungünstig wie bei der Oberstufe der Ariane 6 ist, dann lohnt es sich nicht. Ich gehe davon aus, dass die Belastungen vergleichbar dem bei der Ariane 5 sind, und habe den LOX-Tank der Ariane 5 ausgemessen. Er hat durch seine annähernd kugelförmige Gestalt die höchste Ähnlichkeit zu diesen Tanks. Er hat eine Durchmesser von 2,60 m. Der Zylinder ist 1,13 m hoch und die Kugelschalen als Abschluss sind 0,74 m hoch. Die Fläche des Zylindermantels habe ich zweimal genommen, da die Belastungen nach der Kesselformel doppelt so hoch sind wie bei einem Kugelschnitt. Die Oberfläche beträgt dann 43,13 m². Ich errechne bei einer bekannten Masse von 220 kg des ESC-A Sauerstofftanks eine Dichte der Tankwand von 5,09 kg/m², das entspricht ungefähr 2 mm Alumnium. Ich rechne mit 5,1 kg/m². Dann wiegt jeder Wasserstofftank 47 kg, die Sauerstofftanks dann jeweils 19 kg, alle Tanks zusammen also 264 kg. In der Praxis wären sie leichter, da die Wanddicke von dem Durchmesser abhängig ist und hier sind die Tanks kleiner als der 2,6 m große Sauerstofftank der ESC-A sind. Dazu käme das Triebwerk, der Triebwerksrahmen, Gitterrohradapter und Korrekturtriebwerke. Hier habe ich die Masse der Konstruktion auf Basis der EPS Oberstufe mit Ausnahme des Triebwerks und der Tanks abgeschätzt, und komme so auf 370 kg. Zuletzt braucht man noch eine Heliumdruckgasflasche, hier habe ich die Heliumflasche der EPC Zentralstufe der Ariane 5 herunter skaliert für einen Druck von 1,6 Bar bei leeren Tanks, das sind weitere 20 kg. So hat man folgende Massenbilanz:

  • Startmasse: 2.085 kg
  • Endmasse: 654 kg

Das ist zuerst mal im Voll-/Leermasseverhältnis von 3,2 ungünstiger als bei der originalen Oberstufe. Doch es geht ja um den Zusatznutzen. Ich betrachte zuerst eine Mission mit einem Δv (Δv = Zusatzgeschwindigkeit) von 1500 m/s, das ist ein typisches Δv für den Übergang vom GTO (Geotransferorbit) in den GEO (geostationärer Orbit) und auch eine Marsmission hat, in etwa dieses Δv relativ zum GTO. Bahnen zum Mond (TLI: Translunar Injection) liegen mit einem Δv von rund 700-800 m/s günstiger, ebenso Bahnen zur Venus mit einem Δv von etwa 1.100 m/s.

Bei 2 % Resttreibstoff kann eine voll beladene Stufe einen 2,7 t schweren Satelliten in den GEO befördern. Beim Start wiegt die Stufe dann mit dem Satelliten zusammen 4,92 t. Bei einem integrierten Apogäumsantrieb – dem Normalfall – wären es mit 4,46 t Startgewicht für denselben Satelliten eine geringere Startmasse, aber gerechterweise müsste man das Antriebssystem das der Satellit dafür benötigt von der Satellitenmasse abziehen, sodass der Satellit es ohne Antriebssystem dieses noch 2.350 kg wiegen würde. Das wäre dann eher vergleichbar mit der Performance der Kickstufe. Aber der Gewinn an Nutzlast ist klein.

Doch es geht wie wahrscheinlich der Oberstufe von Airbus nicht um Performance, sondern mehr Einsatzmöglichkeiten. Die offensichtliche ist es das man keinen Extrastart benötigt, wenn die Nutzlast nicht in den GEO geht. Das gilt vor allem für Raumsonden. So könnte man mit dieser Kickstufe 2,7 t zum Mars befördern und hätte noch 7 t Nutzlast für den unteren Stack übrig, was auf einen 6 t schweren Satelliten in den GTO hinausläuft. Ariane 64 kann nach dem offiziellen Users Manual 7,5 t in eine TLI befördern. Die Nutzlast wäre auch größer als bei einer Ariane 62 die man sonst als Alternative einsetzt (2,8 t in einen TLI, aber der ist energetisch nicht gleichwertig mit einer Marstransferbahn).

Man könnte sie auch ohne Doppelstart als zusätzliche Stufe einsetzen. Hierzu ein anderes Beispiel: Die ESA Jupiterraumsonde JUICE wiegt 5,2 t. Die Rakete könnte JUICE auf ein c3 (c3: Energie im Unendlichen nach Verlassen der Erdgravitationssphäre) von 34 km²/s² (das entspricht bei einer Fluchtgeschwindigkeit von 11 km/s einer Geschwindigkeit von 12,5 km/s) befördern, bei der originalen Oberstute sind es nur 24 km²/s², was wegen des früheren Brennschlusses aber fast derselben Geschwindigkeit (12,3 km/s) entspricht. In der Sonnenumlaufbahn sind es auch nur 400 m/s Unterschied. Bei kleineren Nutzlasten wird der Unterschied aber deutlich. Die Stufe könnte 1,7 t (das ist immerhin die Masse des Galileo Orbiters) zu Jupiter transportieren, die originale Oberstufe erreicht diese Geschwindigkeit auch ohne Nutzlast nicht.

Echte Oberstufe

Wenn man eine echte Oberstufe konstruieren würde, dann würde man anders vorgehen. Zuerst einmal die Leermasse reduzieren. Für diese Treibstoffzuladung ist das HM-7B überdimensioniert. Die Brennzeit beträgt nur 96 s. Ausreichend wäre ein Triebwerk im Größenbereich von 10 kN Schub. Das BERTA-Triebwerk mit diesem Schub wiegt nur 30 kg, das HM-7B dagegen 170 kg. Das alleine würde die Masse um etwa 150 bis 200 kg reduzieren, denn es kommt zum Triebwerk ja auch noch das Schubgerüst hinzu, das bei höherem Schub ebenfalls mehr wiegen muss, um diesen Schub zu übertragen. Die Kugeltanks sind gemessen daran, das ein Durchmesser von 1,5 m zur Verfügung steht auch eine schlechte Lösung. Eine gute Lösung wäre eine Stufe, die noch 5 t für einen zweiten Satelliten zur Verfügung lässt. Das schränkt dann die Möglichkeiten eines Doppelstarts kaum ein. Zusammen mit Adaptern für den Satelliten und Sylda als Doppelstarthülle für den unteren Satelliten, dürfte sie nicht mehr als 6 t wiegen. Bei einer Nutzlast von 2 t lässt das 4 t Gesamtmasse für die Stufe übrig. Diese Mehrmasse ist erreichbar durch einen kleinen Zwischenring zwischen zwei Wasserstofftanks. Die Sauerstofftanks kann man auch noch vergrößern. Bei einer Startmasse von 4 t kommt man auf eine Trockenmasse von etwa 850 kg. Bei 2 t Nutzlast könnte diese Kickstufe die Geschwindigkeit um 3200 m/s ändern, was zu einem Direktkurs zu Merkur reichen würde.

Eine zweite Lösung setzt drei Wasserstofftanks, aber nur einen Sauerstofftank ein, belässt den Durchmesser aber bei 1,5 m. Diese Lösung ist in der Gewichtsverteilung unsymmetrisch, doch das HM-7B ist schwenkbar und so kann durch schwenken der Schubvektor die Unwucht ausgleichen. Dann läge die Startmasse bei 2.753 kg, die Trockenmasse bleibt bei 654 kg, wodruch sichd as Voll/Leermasseverhältnis von 3,2 auf 4,2 verbessert. Deise Stufe kann 4.450 kg um die oben angeführten 1.500 m/s beschleunigen. Das lässt dann noch 4782 kg für den unteren satelliten mit Sylda, also netto etwa 4 t. Hier ist das System nun schon deutlich überlegen, denn um 4,45 t in den GEO zu transportieren müsste der Satellit beim Start etwa 7,270 kg wiegen, die Lösung mit der Kickstufe wiegt aber nur 7.203 kg.

Für einen Einzelstart wäre die einfachste Lösung, die H-10-III der Ariane 4 nachzubauen. Sie hat ein sehr günstiges Voll- zu Leermasseverhältnis und ist schon bewährt. Bei einer langen Verkleidung von 20 m Länge bleiben dann aber nur noch 8,80 m für die Nutzlast, wobei davon einiges dieser Höhe im spitzen Teil ist. Sie könnte die 5,2 t schwere JUICE auf eine Endgeschwindigkeit von 13,2 km/s befördern, etwa einen Kilometer pro Sekunde unter der Geschwindigkeit für einen direkten Jupiterkurs. Aber so dürfte zumindest in Swing-By entfallen. Das die Reisedauer bei JUICE so erhöht. Sofern JUICE, wie bisher viele Raumsonden, die Swing-Bys nutzen, zusätzlichen Treibstoff für Deep-Space Manöver braucht, könnte es ohne diesen Treibstoff sogar zu Jupiter reichen.

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