Der Voyager-Orbiter

Loading

Wie ihr (alles regelmäßige Blogeleser) schon wisst, arbeite ich gerade an einem Buch über Voyager. Diese entstanden ja aus den TOPS Sonden, dessen Programm wegen zu hoher Kosten eingestellt wurde. Für TOPS wurde auch untersucht, ob man nicht bei Jupiter einen Orbiter hinterlassen könnte.

Daraus wurde dann ein eigenständiges Projekt, Galileo, die schon vor dem Start von Voyager 1 am 14.4.1977 genehmigt wurde. Doch ich habe mal darüber nachgedacht, ob es möglich wäre das man nicht auch eine Voyagersonde zu Jupiter, vielleicht sogar Saturn als Orbiter schicken könnte. Ich nutze den Blog mal zu zeigen wie man auf eine solche Lösung kommt.

Aufgabe 1: Die Startenergie

Es gab zu Jupiter für Voyager Startfenster zwischen 1977 und 1979. Leider kenne ich keine Möglichkeit für konkrete Startfenster in der Vergangenheit die Bahnen zu berechnen, aber ab 2010 gibt es eine, das NASA Ames Web-based Trajectory Generation Tool. Da Jupiter die Sonne in knapp 12 Jahren umkreist, wiederholen sich Startfenster in einem 12 Jahreszyklus. Das von 1977 tritt also 1989, 2001 und 2013 wieder auf und das von 1979 2015. Da die Umlaufszeit nicht ganz 12 Jahre sind (es fehlen 50 Tage) habe ich noch 2012 hinzugenommen. Es gibt pro Jahr je eine optimale Startgelegenheit: Allerdings variieren Startfenster zu Jupiter kaum in den Anforderungen.

Earth
Departure ▾
Destination
Arrival
Duration Injection
C3
(km2/s2)
Abs
DLA
Injection
ΔV
(km/s)
Post-
Injection
ΔV (km/s)
Total
ΔV
(km/s)
Aug-13-2012 Dec-22-2013 1.36 yrs 114.2 14° 7.56 1.23 8.78
Sep-17-2013 Feb-11-2015 1.4 yrs 114.8 26° 7.58 1.22 8.8
Oct-06-2014 Aug-11-2017 2.85 yrs 97.4 7 0.2 7.2
Nov-10-2015 Aug-11-2017 1.75 yrs 98.4 32° 7.04 0.71 7.74

Zuerst einmal wie lese ich die Angaben. Das NASA-Tool gibt alle Start-Geschwindigkeiten relativ zu einem 200 km hohen Kreisorbit an – man kann die Endgeschwindigkeit dann leicht durch Addieren von 7.787 m/s, der Kreisbahngeschwindigkeit in 200 km Höhe, herausfinden. Weiterhin ist die am Ziel angegebene Geschwindigkeit die, die abzubremsen ist, damit der Orbit gerade keine Fluchtbahn ist, auch das ist realitätsfern. Der reale Aufwand bemisst sich nach dem Orbit. Je näher das Perijovum ist und je höher das Apojovum, um so kleiner ist es. Voyager 1 näherte sich bis auf 278.000 km an Jupiter, Galileo auf 214.000 km. Nimmt man an, das ein Orbiter die Anfangsbahn von Galileo haben sollte (214.000 x 19,5 Millionen km) so entsprechen diese „Post Injection“ Daten folgenden Geschwindigkeiten:

 

Earth
Departure ▾
Destination
Arrival
Duration Injection
C3
(km2/s2)
Injection
ΔV
(km/s)
Post-
Injection
ΔV (km/s)
Total
ΔV
(km/s)
Aug-13-2012 Dec-22-2013 1.36 yrs 114.2 7.56 1,67 9,23
Sep-17-2013 Feb-11-2015 1.4 yrs 114.8 7.58 1,65 9,23
Oct-06-2014 Aug-11-2017 2.85 yrs 97.4 7 0.64 7.64
Nov-10-2015 Aug-11-2017 1.75 yrs 98.4 7.04 1,15 8,05

Man sieht, günstig ist nur ein Startfenster, das von 2014 (entspricht dem von 1978), doch auch 2015 (1979) ist günstig. Sie sind auch in der 12-Jahresperiode die günstigsten Fenster die das Tool herausgesucht hat, das allerdings nach Datum optimiert, also kürzeste Routen.

Weiterhin scheiden die Startfenster auch wegen der hohen C3 Energie aus. Voyager 1 startete mit 105 km²/s² – die Angaben da sind teilweise noch höher, da bleibt keine Luft für Treibstoff.

Mit der Burner II Oberstufe kann eine Titan 3E Centaur aber gerade mal 1.150 kg auf die günstigste Bahn (c3=98 km²/s²) entsenden. Reicht das?

Nun Voyager wog 825 kg. Sie bekäme nun noch ein Antriebsmodul, dafür entfällt aber ihr eigener Tank, der 105 kg Treibstoff aufnimmt und seine Trockenmasse, Diese soll die Hälfte der Masse des Antriebssystems ausmachen, das 36 kg wog, also erleichtert sich Voyager auf 702 kg. Dafür kommt nun ein Antriebsmodul hinzu. Das von Galileo wog 188,11 kg ohne Treibstoff und 1150,5 kg mit. Das entspricht einem Voll-/Leermasseverhältnis von 6,11 zu 1. Bei nur 1.150 kg Startmasse würde ein analoges Antriebssystem bei Voyager 448 kg voll und 74 kg leer wiegen und bei demselben spezifischen Impuls von 2972 m/s die Geschwindigkeit um 1.169 m/s ändern können. Reicht das? Theoretisch für die unteren beiden Startmöglichkeiten, praktisch, weil man noch das Perijovum aus dem Strahlengürtel anheben muss, und für kleine Kurskorrekturen noch Treibstoff braucht, man deutlich Treibstoff. Aber es gibt andere Möglichkeiten. Galileo wurde nur um 643 m/s abgebremst. Ein naher Vorbeiflug an Io hatte 180 m/s zusätzlich eingebracht. Damit wäre auch die zweitgünstigste Gelegenheit möglich, allerdings wären dann die Treibstoffvorräte marginal. Es hätte z.B. nicht das dritte Manöver von Galileo gegeben, mit dem die Umlaufszeit von 180 auf 60 Tagen reduziert wurde. Das wäre nur durch Vorbeiflüge an den galileischen Monden möglich gewesen. Technisch gesehen hatte Galileo vor Eintritt in den Orbit noch Treibstoff für 1078 m/s Kurkorrektur, das ist sogar noch weniger als der Voyagerorbiter. Es wären also zumindest zwei Startfenster möglich. Praktisch sind es erheblich mehr, wenn man das Tool anweist nicht das günstigste Startfenster pro Jahr zu suchen, sondern alle. Da man dann auch die angezeigt bekommt, die nicht die kürzeste Route haben. Denn dann gibt es jedes Jahr ein Startfenster mit einem Gesamt-dV von unter 7 km/s. Noch bedeutender: die c3 beim Start liegt dann bei 80 bis 90 km²/s² was die Nutzlast bei 90 km²/s² auf 1.400 kg erhöht und dann hat man wirklich komfortable Treibstoffreserven, weitaus mehr als Galileo hatte.

Aber halten wir fest: eine Voyager hätte zumindest 1978 die Gelegenheit gehabt in einen Orbit um Jupiter einzutreten.

Zu Saturn

Die nächste Frage, die sich stellt ist – wäre auch eine Mission zu Saturn möglich gewesen, ein Saturnorbiter, 20 Jahre vor Cassini?

Saturn erfordert eine noch höhere Startenergie, etwa einen Kilometer pro Sekunde bei der Stargeschwindigkeit mehr, was bei einem direkten Start praktisch keine Masse für Treibstoff mehr übrig lässt. Auch hier muss man über Jupiter oder – bei Cassini praktiziert – die Erde Saturn erreichen. Die gemeinsame Periode von Jupiter und Saturn liegt bei knapp unter 20 Jahren. In dieser Frist wiederholen sich optimale Startfenster. Die Erde kann man wegen ihrer viel kleineren Periode außen vor lassen, zumal ein Startfenster sich über mehrere Jahre erstreckte – bei Voyager z.B. auch zwischen 1976 und 1979. Voyagers Startfenster zu Saturn kann man aber nicht als Referenz nehmen, denn das war ein Vorbeiflugstartfenster bei dem die Sonde den kürzesten Weg nahm – Voyager 1 war 18 Monate nach Jupiter bei Saturn, bei Cassini waren es 42 Monate. Sie ist aber dann viel zu schnell bei Saturn diesen Überschuss kann man nicht mit tragbarem Treibstoffreserven abbauen. Also nehmen wir das Startfenster von Cassini, die Jupiter um die Jahreswende 2000/2001 passierte. Ein Startfenster früher wäre 1981 gewesen, eines später 2020.

Der Trajektory Browser für den ganzen Bereich der möglich ist (2010 bis 2040) angeschmissen liefert mehrere Startfenster, aber erstaunlich wenige für einen 30 Jahreszeitraum:

Earth
Departure ▾
Destination
Arrival
Duration Injection
C3
(km2/s2)
Abs
DLA
Injection
ΔV
(km/s)
Post-
Injection
ΔV (km/s)
Total
ΔV
(km/s)
Route
Jun-05-2010 Dec-17-2017 7.53 yrs 92.5 24° 6.83 0.68 7.51 EJS
Jan-18-2018 Aug-22-2021 3.59 yrs 91.8 6.81 2.09 8.9 EJS
Feb-22-2019 Jun-22-2022 3.33 yrs 107.3 15° 7.33 1.63 8.96 EJS
Mar-28-2020 Dec-18-2023 3.72 yrs 126.8 32° 7.96 1 8.97 ES
Mar-31-2021 Dec-04-2024 3.68 yrs 126.8 42° 7.96 1.03 8.99 ES
May-10-2024 Jan-14-2028 3.68 yrs 129.4 43° 8.05 0.93 8.98 ES
May-29-2025 Dec-31-2028 3.59 yrs 129.4 36° 8.04 0.95 8.99 ES
Sep-19-2037 Apr-23-2041 3.59 yrs 98.7 32° 7.04 1.93 8.98 EJS
Oct-24-2038 Feb-21-2042 3.33 yrs 107.1 32° 7.33 1.56 8.88 EJS
Nov-28-2039 Apr-10-2048 8.37 yrs 28.5 21° 4.45 2.56 7.02 EES

Wir sehen zum einen das 19-20 Jahresintervall bei Starts über Jupiter: 2018/19 und 2037/38. Die Abweichung zu 2020 ergibt sich daraus, das bei Cassini wegen der Erdvorbeiflüge um erst zu Jupiter zu kommen man nicht das optimale Fenster nehmen konnte.

Daneben gibt es auch einige direkte Flüge zu Saturn (Code ES) die aber eine um 1 km/s höhere Startgeschwindigkeit erfordern und daher ausscheiden. Ein Startfenster über Jupiter, relativ isoliert sticht heraus: bei einem Start 2010 hätte man sowohl eine geringe Startgeschwindigkeit – geringer als bei Jupiter wie auch eine geringe Ankunftsgeschwindigkeit. Hat man mehr Zeit, so kann man wie bei Cassini einen Erdvorbeiflug durchführen. Dies ist was die Geschwindigkeitsanforderungen angeht die beste Lösung mehr als 2 km/s werden eingespart. Mehr Lösungen erhält man, wenn man, nicht die 1 yr lokal Optima holt, sondern alle Bahnen, denn dann findet man durchaus mehr Bahnen, die aber länger dauern, und die wegoptimiert wurden. Für das beste Startfenster 2018 ergeben sich z.B. deise Möglichkeiten:

Destination
Arrival
Duration Injection
C3
(km2/s2)
Abs
DLA
Injection
ΔV
(km/s)
Post-
Injection
ΔV (km/s)
Total
ΔV
(km/s)
Route
Jan-18-2018 Sep-29-2023 5.69 yrs 80.3 6.41 0.35 6.77 EJS
Jan-18-2018 Sep-13-2023 5.65 yrs 80.3 6.41 0.38 6.79 EJS
Jan-18-2018 Aug-28-2023 5.61 yrs 80.3 6.41 0.42 6.83 EJS
Jan-18-2018 Aug-12-2023 5.56 yrs 80.3 6.41 0.46 6.87 EJS
Jan-18-2018 Jul-27-2023 5.52 yrs 80.3 6.41 0.5 6.91 EJS
Jan-18-2018 Jul-11-2023 5.48 yrs 80.3 6.41 0.54 6.96 EJS
Jan-18-2018 Apr-06-2023 5.21 yrs 81.3 6.45 0.51 6.96 EJS

Gegenüber der obigen Tabelle gibt es nun etliche Bahnen die zwar längere Reisezeiten haben, aber sowohl geringere Ankunftsgeschwindigkeiten wie auch Startgeschwindigkeiten haben. Da diese Startgeschwindigkeiten alle noch unterhalb denen von Jupiter liegen muss ich nicht mal viel rechnen das klappt. Cassini benötigte für das Einschwenken in den Orbit und dessen Anpassung eine Geschwindigkeitsänderung von 1.024 m/s. Allerdings benötigte Cassini für die Mission, weil es nur einen massereichen Mond gibt erheblich mehr Treibstoff: In 14 Jahren entsprachen diese rund 912 m/s Geschwindigkeitsänderungen. Denn hat man aber, denn bei einem c3 von 81 km²/s² kann eine Titan 3E mindestens 1.600 kg starten, das wäre dann bezogen auf die Masse mehr Treibstoff als Cassini hatte.

Alternative Titan 34

Voyager startete mit einer Titan 3E, einer Titan 3D mit zusätzlicher Centaur Oberstufe. Wenige Jahre später führte das US-Militär die Titan 34 ein. Bei ihr wurden die Booster um ein halbes Segment von 5 auf 5,5 Segmente verlängert. Ebenso die Stufen der Titan. Ganz neu ist sie nicht. Die verlängerte Titan ohne Booster wurde schon seit Jahren mit der Agena Oberstufe als Titan 24 eingesetzt. So denke ich, wäre sie auch einige Jahre früher für einen Start eines Orbiters verfügbar. Daher habe ich mal ausgerechnet wie diese abschneidet. Ohne Burner II Oberstufe bekommt man dieselbe oder sogar etwas geringere Nutzlast als wie bei der Titan 3E Centaur (dort aber mit Burner I), mit Feststoffoberstufe ist sie mit 1.300 kg (wiederum für ein c3 von 98 km²/s² berechnet) rund 10 Prozent höher. Das wäre dann schon ein komfortables Polster und würde eine Geschwindigkeitsänderung um 1.420 m/s zulassen. Das wäre vor allem für eine Saturnmission mit viel mehr Kurskorrekturen von Vorteil.

Rein Theoretisch?

Der geneigte Leser fragt sich nun, warum ich dass so ausführlich bespreche. Nun es gab noch ein Reserveexemplar von Voyager. Wie damals üblich wurden neben den beiden Flugexemplaren die gestartet wurden ein weiteres, das Ingenieursexemplar gebaut. Das diente dem Erproben der Verfahrensweisen des Zusammenbaus und der Integration, absolvierte Belastungstests und diente als Referenz um Probleme nachzuverfolgen. Als bei Voyager 2 der Schwenkmechanismus bei Saturn ausfiel, montierte man den Arm mit der Instrumentenplattform von dem Exemplar ab, steckte ihn in eine Weltraumkammer, in der man die Bedingungen bei Saturn simulierte und versuchte so den Ausfall aufzuspüren.

Es gab Vorschläge dieses Reserveexemplar 1979 über Jupiter zu Uranus und Neptun zu schicken, dazu hätte man nur noch RTG und eine Trägerrakete benötigt also vergleichsweise geringe Zusatzkosten, aber dazu kam es nie. Genauso gut hätte man natürlich dieses Exemplar auch als Orbiter starten können. Für zwei neu gebaute Exemplare gab es auch eine offizielle Schätzung der Kosten – 177 Millionen Dollar, also etwa die Hälfte dessen was die ersten beiden Sonden kosteten. Der größte Teil entfiel dabei auf die Verlängerung der Mission, da diese bis Neptun geflogen wären., während Voyager ursprünglich nur für fünf Jahre finanziert war.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.