Eine kurze Geschichte der Aufklärungssatelliten der USA

Zu dem Thema gibt es eine ganze Sektion auf meiner Website, aber ich glaube nichts in kurzer Form. Die Geschichte ist auch nicht komplett, denn sie endet mit dem KH-11 „improved Kennan“ Programm, das nun auch schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Aber über die Nachfolgeprogramme weiß man noch weniger.

Der Start

Das erste Programm das die USA angingen war das Corona Programm, das für die Satelliten Keyhole (KH) 1 bis 4B steht. Es datiert zurück bis ins Jahr 1947 als Programm WS117L. Doch genehmigt wurde es erst 1956, also einen Jahr vor dem Start des Sputniks. Damals führten die USA Flüge mit der U-2 über Russland durch. Die U-2 flog so hoch, das sie nicht durch Abfangjäger abschießbar war, aber selbst die Optimisten nahmen nicht an, das dies von Dauer sein würde. Russland würde Raketen entwickeln die die Flughöhe der U-2 erreichen könnte. Jeder Flug brachte zudem diplomatische Verwicklungen mit sich, denn er war ein Eindringen in den hoheitlichen Luftraum der UdSSR. Satelliten boten die Möglichkeit die Flugzahl – ein jeder musste von Präsident Eisenhower persönlich genehmigt werden – zu reduzieren, indem sie eine Vorerkundung durchführten und Veränderungen feststellten. Hochauflösende Aufnahmen durch Satelliten waren nicht geplant. Zielvorgabe der ersten Satelliten waren 15 bis 30 m Auflösung.

Über die Technik gab es Auseinandersetzungen. Die Vidiconröhre wurde bald verworfen. Sie hatte zwar den Vorteil das sie solange sie funktionierte, Bilder machen konnte, aber sonst nur Nachteile. Ihr Blickfeld war gering, der Kontrast schlecht und sie war nicht fähig große Gebiete abzubilden.

Was es seit Jahrzehnten gab war spezieller technischer Film für die Luftbildfotografie und es existierten auch Kameras dafür. Damit wurde schon im zweiten Weltkrieg aufklärt. Offen war nur wie die Entwicklung erfolgen sollte. Es gab zwei Möglichkeiten: Man entwickelt den Film in einem Labor, doch dafür muss man ihn erst einmal vom Orbit zur Erde zurückbringen. Oder man entwickelt den Film an Bord des Satelliten tastet ihn mit einer Fotodiode ab und überträgt die Informationen. Es gab daher zwei Programme, die aber auch daran liegen, das es in den USA mehrere Organisationen gab die sich für die Aufklärung zuständig fühlten. Das Corona Programm wurde von der CIA geleitet aus der später die NRO hervorging. Eisenhower persönlich beendete einen Streit indem er die CIA beauftragte. Die USAF startete daraufhin ihr SAMOS Programm. Das wurde wohl genehmigt, weil niemand wusste welche Methodik letztendlich die erfolgreichere sein würde. Corona spulte den Film nach der Belichtung in eine Kapsel aus, trennte diese ab und ein integrierter Feststoffantrieb bremste sie ab. Ein Hitzeschutzschild schützte sie beim Wiedereintritt, in der Troposphäre wurde ein Fallschirm entfaltet und Flugzeuge fingen die Leinen des Schirms noch in Fall auf. Scheiterte auch dies konnten Taucher die Kapsel bergen. Die Methode war erstaunlich problemlos, wo die Kapsel korrekt niederging wurde sie meist auch geborgen. Deutlich mehr Probleme machte das anfertigen der Fotos und das Umspulen des Films.

Die Satelliten des Coronapogrammes waren in der ersten Genration nur Anhängsel zur Agena. Später wurde die Agena abtrennbar. Alle Satelliten hatte ein Kamera von ITEK, die auf dem Papier 2,1 m Auflösung hatte. Diese Auflösung war die beste unter allen Vorschlägen und führte zur Wahl dieser Kamera. Das Prinzip war, das ein katadioptisches Teleskop eine um 360 Grad drehbare Eingangslinse hatte. So war bei fest montierter Kamera der Ort, wohin die Kamera blicken sollte, wählbar. In der Praxis führte die Kamera einen Schwenk quer zur Flugrichtung aus. Belichtet wurde nur ein Schlitz, der Film wurde parallel zur Drehung der Bildebene hinter dem Schlitz hindurch gezogen so erhielt man bei de ersten Generation einen Streifen von 70 mm Breite und 1.200 mm Länge, der einen Winkel von 108 Grad abbildete. Allerdings bewegte sich der Satellit gegenüber der Erdoberfläche mit etwa 7 km/s. Dies musste kompensiert werden, sonst wären die Bilder verschmiert. Eine Velocity-Height Sensor neben dem Film maß die Veränderungen der Helligkeit wenn sie Szene vorbeizog. Die Filmtransportebene wurde so verändert, dass das Signal sich nicht änderte, also der Sensor immer auf denselben Punkt blickte und damit war die Bewegung der Szene kompensiert.

Die Corona Satelliten wurden damals eingesetzt wie U-2: Ein Satellit stand für eine Mission, einen Überflug. War die Aufnahmesaison beendet, oft schon nach einem Tag, so wurde die Kapsel abgestoßen und die Mission war zu Ende. Spätere Typen hatten mehrere Kapseln und eine bis zu 19 Tage dauernde Mission. Die wesentlichen Veränderungen bei KH 1 bis 4 war das man den Film und Bewegungskompensation verbessere, weitere Kameras mitführte, die ein Kontextfoto machten damit man genau zuordnen konnte was auf dem Detailfoto zu sehen war und auch die Filmmenge immer größer wurde. Zuerst musste man aber viel Lehrgeld bezahlen. Im frühen Programm ging jede Menge schief. Neben Fehlstarts und falsch abgetrennten Kapseln war vor allem das System der Fotografie und des Filmtransports problematisch. Bilder waren von elektrostatischer Aufladung zerstört oder der Filmtransport stockte. Erst nach eineinhalb Jahren klappte eine Mission, die 14 Mission fotografierte am 18.8.1960 ein Viertel des Sowjetunion. Das Coronapogramm wurde noch bis 1972 betrieben. Die Auflösung stieg bei unveränderter Optik von 12 auf 1,8 m an.

Nachdem die Bergung des Films klappte, erhielten auch die letzten Samossatelliten Kapseln und auf das Auslesen der Filme im Orbit, die ursprüngliche Technik von SAMOS wurde verzichtet. Eine Kopie der Samos Kamera wurde dann aber bei Lunar Orbiter eingesetzt und dessen Bilder waren wirklich gut. Apollo setzte eine Kopie der Coronakamera ein. Hier bargen Astronauten den Film auf dem Rückweg.

Lanyard und Argon

Zwei kurzlebige Programme waren KH-5 Argon und KH-6 Lanyard. Die Problematik der Corona Satelliten war das nicht genau bekannt war, wo der Filmstreifen von 16 km Breite am Boden denn hingehörte. Man nahm ja fremdes Gebiet auf. KH-5 war eine kleine Serie von Satelliten die diese Informationen liefern sollten, indem sie einen 556 km breiten Steifen aufnahmen. Als die Trägerraketen mehr Nutzlast für Corona zuließ integrierte man aber einfach eine weitere, niedrig auflösende Kamera in Corona und Argon lief nach nur wenigen Jahren aus.

KH 6 Lanyard war dagegen der Versuch der CIA ein eigenes Programm aus der Taufe zu heben. Die CIA war zwar für Corona verantwortlich, aber die Ursprünge lagen in der USAF und die USAF war auch für den Bau der Satelliten den Start und Betrieb verantwortlich. Die CIA gab nur Ziele vor und bekam die Kapsel.

Lanyard wurde nur dreimal 1963 gestartet. Die CIA hatte sich zu Kodak als Hersteller der Kamera zugewandt, rüttelte aber wenig am Satelliten und den Rückkehrkapseln. Die Kodakkamera war auf dem Papier besser, setzte 127 mm Film ein mit einer maximalen Auflösung zwischen 60 und 150 cm, Zur Bewegungskompensation drehte sich der ganze Satellit, sodass der verfügbare Treibstoff vor dem Film ausging. Von den drei Missionen gelang nur eine und deren Material war deutlich schlechter als angenommen. Sie erreichte nur 1,8 m Auflösung. Da diese Auflösung mit weiterer Verbesserung des Coronapogramms auch erreicht werden konnte, stellte die CIA Lanyard ein.

Gambit

Nachdem es Erfahrungen mit Corona gab ging man an die Konstruktion eines noch leistungsfähigeren Systems, genannt Gambit. Eine viel größere Optik sollte nun erheblich höhere Auflösungen zulassen. Corona setzte eine Optik mit 12,2 cm Durchmesser ein, bei Gambit waren es 50,8 cm. Dadurch wog alleine die Kamera schon 490 kg. Gambit sollte Corona nicht ersetzen, sondern ergänzen. Die ersten Satelliten starteten 1963, Corona wurde aber bis 1972 weiter betrieben, denn nicht immer benötigte man eine so hohe Auflösung die Szenen von Gambit waren auch kleiner, trotz eines breiteren Films.

Die Satelliten waren nun zu schwer für eine Thor und wurden mit einer Atlas Agena gestartet – wie bei Corona waren die Satelliten mit dieser Oberstufe eng verbunden. Als die zweite Generation von Gambit (erste Generation Gambit 1 oder KH-7, zweite Generation Gambit 3 oder KH-8) noch schwerer wurde wechselte das Gespann mit Oberstufe auf die Titan II.

Gambit verwandte wie Lanyard die Technologie den ganzen Satelliten zu schwenken. Die erste Alternation erreichte 90 cm Auflösung, die zweite 60 cm. Die Bilder waren damit besser als die der U-2 bevor diese nach dem Abschuss am 1.5.1960 ihre Flüge über Russland einstellte. Bei Gambit 3 wurde die Agena umgerüstet das sie die Drehungen des Satelliten durchführte. Hier leistete die NASA Schützenhilfe die Agenas für dass Gemini Programm so umbaute das sie dies konnten und auch über Wochen in betrieb blieben.

Das Ende vom Gambit kam langsam. Es gab mehrere Gründe. Zum einen sollte das Space Shuttle die Starts übernehmen für das Shuttle waren die langen aber dünnen Satelliten aber ungünstig und es gab mit der Entwicklung von CCD eine Alternative zu fotografischem Film. Gambit wurde trotzdem noch lange betrieben, mehr als ein Jahrzehnt nachdem der erste Satellit mit CCD startete flog 1987 der letzte Gambit.

MOL und Hexagon

Eine Zeitlang glaubte das US-Militär, das eine Raumstation bessere Bilder versprach, als die Satelliten. Zuerst gab es den Versuch eine militärische Version von Gemini umzusetzen – Blue Gemini, bei der eine Möglichkeit gewesen wäre nur einen Astronauten zu starten und anstelle des zweiten Sitzplatzes eine Kamera einzubauen. Später ging die USAF an das Planen einer eigenen Raumstation, offiziell genannt MOL (Manned Orbital Laboratory), intern lief das Kamerasystem als Haupteinsatzzweck aber unter KH-10 Dorian. Mol wäre mit einer angedockten Gemini gestartet worden. Die Besatzung müsste durch eine Tür im Hitzeschutzschild zur Station wechseln und würde dort die Kamera bedienen. Man versprach sich bessere Aufnahmen, mehr brauchbare Aufnahmen weil wenn es Wolken gab keine gemacht wurden und eine höhere Auflösung durch die Größe der Kamera.

MOL wurde aber immer teurer und mit den zusätzlichen Kosten für den Vietnamkrieg zog schließlich Robert McNamara den Stöpsel. Parallel wurde an einem Satelliten gearbeitet der genauso groß wie MOL war. KH-9 Hexagon war der letzte Satellit mit fotografischem Film. Gegenüber Gambit wurde die Auflösung nicht gesteigert, doch das Teleskop war größer, sodass bei gleicher Auflösung die Satelliten aus höheren Orbits operieren konnten. Das hatte als Vorteile das die Ränder des Streifens weniger verzerrt gesehen wurden. Alternativ konnte ein Streifen breiter werden. Zwei Kameras erlaubten mit Aufnahmen vor und nach dem Überflug Stereoaufnahmen. Hexagon integrierte auch Panoramakameras niedriger Auflösung, sodass die Corona Serie auslaufen konnte. Damit sich der Satellit auch lohnte gab es vier, später sechs Rückuhrbehälter. Die Satelliten waren nun nicht mehr einige Tage aktiv, sondern bis zu 275 Tage.

KH-11 Kennan

Die Erfindung des CCD im Jahre 1969 machte eine neue Generation von Satelliten möglich, die bis heute im Einsatz ist. Über sie herrscht immer noch Geheimhaltung, sodass vieles Spekulation ist.

Die wesentliche Änderung in der Kamera ist die das nun eine Scanzeile aus sehr vielen kleinen CCD-Detektoren den Teil des Films ersetzt der durch einen Schlitz belichtet wurde. Eine zweite Konstruktionsmethode, die zivile Satelliten einsetzen ist, das die Scanzeile nicht quer, sondern in Längsrichtung angebracht ist. Sie muss dann synchron zur Bewegung des Satelliten ausgelesen werden. Ein Blicken zur Seite erfolgt durch drehen des Satelliten oder eines Sekundärspiegels der Optik. Da das NRO zwei Spiegel die von der ersten Generation übrig blieben an die NASA übergab, und diese Optik hat ein F/D von 7,9, ist also dreimal kurzbrennweitiger als das Hubble Weltraumteleskop bei gleichem Spiegeldurchmesser. Nimmt man CCD die in den zivilen Satelliten als Detektoren eingesetzt werden als Detektor an ( 7 µm Pixelgröße) so löst die Optik 1/13 Bogensekunde auf, das sind aus typischen Perigäumsentfernungen von 300 km etwa 11 bis 12 cm Auflösung. Mit dem Wegfall von Film als unerschöpflicher Ressource stieg die Betriebszeit bedeutend an. Die USA haben von 1975 bis 2011 elf KH-11 und Nachfolger gestartet. Von dem Vorgänger KH-9 wurden von 1971 bis 1985 dagegen 29 Satelliten gestartet.

Spätere Exemplare sollen einen noch größeren Spiegel gehabt haben. Die Nachfolger heißen nicht mehr KH-xx da die NRO diese Abkürzung und Deckbezeichnung nicht mehr verwendet, sondern „Crystal“ oder „evolved Crystal“ oder „improved Crystal“, offiziell haben die Satelliten aber gar keinen Namen sondern heißen einfach nur „USA-218“ oder ähnlich.

Seit langem ist ein Nachfolgeprojekt vorgesehen, das wurde aber zu teuer. Seitdem kauft die NRO kommerzielle Aufnahmen z.B. von Digiglobe die inzwischen auch schon mit 25 cm Auflösung verfügbar sind. Die Bedeutung erkennt man darin, das mit Beginn des Afghanistan Einsatzes es gar keine Aufnahmen der Region auf dem freien Markt gab, weil die NRO alle Bildrechte aufgekauft hat. Für Digiglobe ist heute auch die NRO der beste Kunde.

Die Entwicklung der Satelliten hatte auch Auswirkungen auf andere Programme. So wurde das militärähnliche Wettersatellitenprogramm aus dem Grund entwickelt weil man keinen Film verschwenden wollte und daher die Wolkenbedeckung auf dem Zielgebiet vor der Aufnahme durch Wettersatelliten bestimmte.

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