KI in der Raumfahrt

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In den Anfangszeiten der Raumfahrt hatte diese eine Vorreiterrolle im Einsatz von Computern. Während diese sonst in der Technik – Maschinen jeder Art – keine Rolle spielte, setzten schon Raumfahrzeuge und Raumsonden Computer ein. Sie ermöglichten erst viele Missionen, bei denen in kurzer Zeit viele komplexe Messprogramme abgewickelt werden mussten.

Allerdings änderte sich an der Vorgehensweise in den vergangenen Jahrzehnten nichts. Die Computer bekamen von einer Bodenstation ein komplexes Messprogramm überspielt, in dem stand, was sie zu welchem Zeitpunkt tun sollten: wie sie sich drehen sollten, welche Instrumente eingeschaltet werden sollten etc. Auch wenn diese Programme immer komplexer wurden und schon bei der HRSC-Kamera mehrere Tausend Anweisungen für eine einzige Sequenz umfassen, so entscheiden doch nicht die Computer was sie wann tun, und wie sie die Daten verarbeiten.

Daran wird sich auch in Zukunft bei den meisten Missionen nichts ändern. Satelliten und Raumsonden haben ein vorgegebenes Programm. Einfach weil es meist nicht so ist, das sie auf plötzliche Ereignisse reagieren müssen oder es können. Selbst bei Vorbeiflügen, in denen die meisten Ergebnisse in Minuten, maximal stunden gewonnen werden, wird vorher der Beobachtungsplan genau ausgetüftelt und dann fertig überspielt. New Horizons wickelte ihren Plan über drei Tage ohne Funkkontakt zur Erde autonom ab.

Selbst Sonden, die es mit einer sich dauernd verändernden Umgebung zu tun haben wie die Marsrover arbeiten so. Hier legt ein Team während es auf dem Mars Nacht ist, fest was der Rover am nächsten Marstag tun soll. Übersendet ihm genaue Anweisungen wie er zu fahren hat, damit er zum nächsten Zielpunkt kommt oder was er beobachten soll, welche Experimente er aktivieren soll. Schon das Mischen beider Szenarien – Fahren und gleichzeitig die Umgebung untersuchen, ist nicht vorgesehen.

Seit den ersten Rovern hat die Autonomie Fortschritte gemacht. Rover können besser Hindernisse erkennen und umfahren. Perseverance hat bisher einen Rekord von 245 m pro Marstag in rauem Gelände erreicht. Die erste Generation (Spirit und Oppurtunity) erreichte maximal 100 m und das auch nur in Gelände das ohne Hindernisse war, wie es bei Opportunity der Fall war.

Zu bedenken dabei ist, das die Raumfahrt von ihrer Vorreiterrolle im Einsatz von Computern und Software viel verloren hat. Heute hinkt sie meist dem technischen Stand der Computerunterstützung hinterher. Während man in ein neues Auto inzwischen ein verteiltes Rechenzentrum einbaut, hinken Computer in der Raumfahrt weit den aktuellen Modellen im Alltag hinterher.

Perseverance, wie auch viele neuere Raumsonden, nutzen den RAD 750 von BAE. Das ist ein in spezieller Technologie hergestellter Prozessor der strahlengesichert ist. Er beruht auf der Technologie des PowerPC 750, einem IBM-Prozessor Ende der Neunziger Jahre und ist in der Regel mit 200 MHz getaktet. Es gibt seit längerem einen Nachfolger den RAD 5500, der auf dem PowerPC e5500 basiert, doch selbst dessen Architektur ist bald zwanzig Jahre alt und er erreicht nur 450 MHz. Eine Ausnahme von der Regel, veraltete Technologie zu verwenden ist die bemannte Raumfahrt. Da die Rechner dort genauso wie Menschen vor der kosmischen Strahlung geschützt sind, kommt dort Elektronik zum Einsatz die auch qualifiziert für den Einsatz in Flugzeugen (erhöhte Strahlung gegenüber der Erdoberfläche) ist. Das kann sogar Konsumerelektronik sein, bei der meist Umbaumaßnahmen vorgenommen werden, damit sie die Sicherheitsvorschriften einhält.

Der bescheidenen Rechenleistung geschuldet, arbeiten diese Computer Pläne ab die von der Missionsleitung erstellt werden. Das sind mit den Wissenschaftlern für die Experimente leicht mehrere Hundert Personen für eine mittelgroße Mission. Nur langsam löst sich die NASA von diesem Paradigma. Mir selbst sind nur zwei Einsätze von „Eigenständigkeit“ bei Raumsonden bekannt: Bei der Mission DART war ohne Intelligenz auf der Sonde die Mission nicht möglich. DART sollte mit 6,6 km/s auf dem nur im Mittel 152 km großen Dimorphos, einem Mond des Asteroiden Didymos einschlagen. Das Objekt ist so klein, dass es keine Zeit gab von einer Bodenstation aus den Kurs zeitnah zu korrigieren, vor allem weil die Signallaufzeit rund 20 Minuten betrug, in denen DART über 1.300 km zurücklegte. DART wertete das Bild der Hauptkamera aus, bildete „Klekse“ aus den Objekten, die gefunden wurden und navigierte auf den kleineren „Kleks“ indem der Kurs so korrigiert wurde, das der Kleks im Mittelpunkt der Kameraaufnahme war.

Der zweite Einsatz kam im letzten November die Raumsonde Lucy in 1.000 km Distanz an dem nur 0,7 km großen Asteroiden Dinkimesh vorbeiflog. Auch hier wertete ein Programm die Kameraaufnahmen aus, anstatt – weil die genaue Position nicht ausreichend genug bekannt war, – ein großes Feld um die vermutete Position des Asteroiden abzulichten.

Nun scheint man bei der NASA einen Sinneswandel zu vollziehen und will mehr Autonomie zulassen. Zuerst im Mars Sample Return Programm. Das ist immer mehr in die Kritik gekommen. Seit Jahrzehnten in der Planung schien es durch Einbeziehung der ESA, die den Orbiter stellen soll, nun endlich der Umsetzung nahe. Aber die Kosten stiegen immer weiter an. Das aktuelle Programm liegt nun schon in der Größenordnung von 8 bis 11 Millairden Dollar.

Der Einsatz neuerer Computertechniken wird zwar an den Kosten nur wenig ändern, könnte aber die Politiker überzeugen doch mehr Mittel freizugeben, indem die Ausbeute steigert.

Der Knackpunkt ist das Gewinnen von Bodenproben. Das erledigt zur Zeit der 2021 gelandete Rover Perseverance. Findet er besonders interessante Steine oder Mineralien so nimmt er eine Probe und deponiert diese dann entlang der Fahrtstrecke in einem Röhrchen. Das erste von über 20 Röhrchen wurde im September 2021 deponiert.

Es dauert Jahre alle Röhrchen zu befüllen und eine Mission, die sie abholt, wird ebenso lange benötigen. Sie soll 2029 starten und erst 2033 die Proben zur Erde bringen. Künstliche Intelligenz, zusammen mit einem verbesserten Marscopter dessen erste Version Ingenuity schon Perseverance erprobt hat sollen dies möglich machen.

Eine Studie hat eine Vorgehensweise skizziert, in der sich nur bei der Missionsdurchführung etwas ändert, die eigentliche Hardware bleibt unverändert. Am gravierendsten ist die Änderung beim Rover, der nun Proben selbst sammeln soll, anstatt die Röhrchen von Perseverance aufzulesen. Nach wie vor wird von der Missionskontrolle ein Zielpunkt vorgegeben und eine Wegbeschreibung dorthin. Bevor der Rover aber zu dem Ziel aufbricht, schickt er seinen Marscopter dorthin. Der fliegt den Weg nach und landet in der Nähe es Zielpunktes. Während der Rover zuerst nach den Vorgaben der Missionskontrolle aufbricht, wertet er die Aufnahmen des Masrscopters auf, macht aber ab einer bestimmten Distanz auch kurze Stopps bei denen er den zukünftigen Weg abfotografiert. Ab einer bestimmten Distanz muss er dann autonom navigieren. Auf Basis dieser Aufnahmen erstellt eine Software ein 3D-Modell des Bereiches der abgefahren werden soll und der beste Weg wird ermittelt. Das ist noch eine herkömmliche Software die auf bekannter 3D Software die Modelle auf Basis von 2D Aufnahmen erstellt beruht. Neben dem schnellen durchfahren der Strecke gibt es aber auch einen zweiten Modus. In diesem stoppt der Rover immer wieder. Die Plätze wurden vorher oder während der Fahrt selektiert. Er macht ein Panorama der Umgebung mit der visuellen Kamera und einem abbildenden IR-Spektrometer. Eine KI sucht nun auf den Kamerabildern nach Steinen oder einer Oberfläche mit stark abweichender Färbung oder Textur. Die IR-Spektren werden ebenso auf ungewöhnliche Signaturen untersucht. Findet man in beiden Datensätzen eine Außergewöhnlichkeit am selben Punkt, so untersucht der Rover diesen Stein / Bodenformation selbstständig mit den anderen Fernerkundungsinstrumenten wie einer Mikroskopkamera oder einem Laser-Spektrometer. Befindet die KI das die Stelle nach diesen ergänzenden Ergebnissen interessant ist, so wird automatische eine Probe genommen und auf dem Deck in einem Probenbehälter abgelegt. Gibt es genügend dieser Proben, so kann eine längere Untersuchungsperiode (mindestens ein Marstag) eingelegt werden und diese chemisch und mineralogisch mit den weiteren Instrumenten im Körper ununtersucht werden. Dies dauert und ist während der Fahrt so nicht möglich. Wissenschaftler können (nach durchsicht der zur erde überspielten ergebnisse) aber auch gleich anordnen, dass die Proben verpackt werden und dann im Rumpf deponiert werden.

Durch diese größere Autonomie könnte der Rover ein viel größeres Gebiet durchkämmen und zugleich viel mehr Proben sammeln. Diese wären auch nicht auf fein gemahlenes Gestein wie bei Perseverance beschränkt. Die Probenbehälter für Steine sind 2 x 2 x 2 Zoll also rund 5 x 5 x 5 cm groß.

Auch bei der Rückführung der Proben soll künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen. Die Mission mit der Kapsel für die Proben und der Rakete, die sie in einen Marsorbit bringt (dort dockt sie an eine ESA-Sonde an, welche sie zurück zur Erde bringt) wird einen Greifarm mit „sensiblen Sensoren“ bekommen. Der kann nicht nur eine Probe aufnehmen, sondern über Sensoren auch den Druck und Kraft messen, die er ausübt, bzw. auf ihn einwirkt. Zusammen mit einer Kamera soll er auch Proben mit unterschiedlicher Form (verpackt in verschweißten Kunststoffbeuteln) so in der Rücklehrkapsel positionieren können, dass das zur Verfügung stehende Volumen möglichst komplett ausgenutzt wird.

Bisher setzte man auf kleine Röhrchen, die leicht stapelbar sind, da sie alle gleich groß sind. Aber die Probenmenge liegt so bei etwa 100 g für die gesamte Mission. Es sind pro Röhrchen nur kleine Proben, das meiste ist Behälter oder Leervolumen. Mit den größeren Proben und der Fähigkeit das Volumen nahezu vollständig zu nutzen, würde die Probenmenge auf mindestens ein Kilogramm ansteigen lassen und da eine größere Kapsel vom Gewichtsbudget möglich ist, sind auch mehr Proben aus einem größeren Gebiet möglich.

Die Frage, die sich mir stellt, ist natürlich wie eine KI auf einer Raumsondenmission möglich ist. Gängige KI-Modelle von OpenAI wie Chatr-.GPT erfordern Hunderttausende von Stunden der Berechnung auf vielen Rechnern und sind als fertiges Modell so groß, dass sie nicht in einen handelsüblichen PC passen. Die NASA wird das Modell auf der Erde rechnen lassen und nur das fertig trainierte Modell auf der Raumsonnenmission einsetzen. Bedingt durch die Beschränkung auf bestimmte Aufgaben (Untersuchung von Bildern nach Besonderheiten von Steinen, Vergleich von Spektren mit bekannten Referenzspektren, Ermitteln der optimalen Anordnung von Proben in einem begrenzten Raum) rechnet die NASA damit, dass die Modelle bis zur Mars Sample Mission 2029 auch von der Hardware einer Raumfahrtmission verarbeitet werden können.

Längerfristig wird an eine Unterstützung des Artemisprogramms gedacht. Das ist aber eine ferne Zukunft da das Programm derzeit sowieso umgekrempelt wird, die NASA scheint die Reihenfolge der Landung der beiden Mondlander von Blue Origin und SpaceX tauschen zu wollen. SpaceX macht zu wenige Fortschritte, während Blue Origin deutlich aufgeholt hat. Vor allem hat Elon Musk persönlich angeordnet das Programm zu verlangsamen. Seiner Ansicht nach sollen erst in 5 Jahren Menschen auf dem Mond landen.

Doch in Zukunft wird aus einem der beiden Mondlander ein Labor entstehen, das über einen Mondtag bewohnt wird. Das Labor verbleibt auf der Mondoberfläche. Während die Besatzung zur Erde zurückkehrt, wird an Bord des Labors während der 15 Tage dauernden Mondnacht ein Roboter weiter Bodenproben untersuchen. Die Besatzung kann bei ihrem maximal 13 Tage dauernden Aufenthalt viel mehr Proben sammeln, als sie zur Erde aufgrund der Gewichtsbeschränkungen zurückbringen kann. Diese werden in der Mondnacht vom Roboter chemisch und mineralogisch untersucht und nur die interessantesten werden von der nächsten Mission zur Erde überführt. Doch hier gibt es Gegenwind. Während die NASA auf KI setzt, weil die Signallaufzeit Erde → Mond → Erde rund 3 Sekunden dauert und so eine flüssige Bewegung gar nicht möglich ist, setzten sich die Astronauten dafür ein, dass sie diese Aufgabe übernehmen. Bisher haben sich Astronauten in den bemannten Programmen immer durchgesetzt, wenn es darum ging ihre eigene Position zu stärken, auch wenn es für sie stupide Arbeit bedeutete. Dem wird wahrscheinlich auch so sein, denn nach dem Ende der ISS (derzeit für 2030 geplant) benötigt man für Artemis viel weniger Astronauten und die die nicht fliegen können müssen, ja auch irgendwie beschäftigt werden.

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