Die glorreichen 10 – die Pechvögel unter den Raumsonden (3)

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Dies ist der dritte und letzte Teil der Serie über die Pechvögel unter den Raumsonden. Teil 1 erschien am 7.5 und Teil 2 gestern.

Platz 3: Phobos Grunt und Luna 25 (Fortsetzung)

20 Jahre später gab es einen erneuten Anlauf zu Phobos, diesmal mit einem noch anspruchsvolleren Ziel, der Gewinnung von Bodenproben und Transport zur Erde. Nach dem Verlust von Mars 96 hatte Russland diesmal die komplette Antriebsstufe zum Verlassen des Erdorbits in die Raumsonde integriert. Phobos Grunt führte auch einen Penetrator von Finnland und einen kleinen chinesischen Subsatelliten mit sich, die beide im ersten Marsorbit entlassen werden sollten. Nach dem Fehlschlag mit Mars 96 gab es aber nicht die internationale Beteiligung wie bei Phobos 1+2 und Mars 96. Die ESA fertigte aber Aufnahmen der Landegebiete auf Phobos mit Mars Express an, um die Mission zu unterstützen. Die Sonde wurde am 8.11.2011 auch korrekt in einen Erdorbit entlassen, doch danach funktionierte nichts mehr. Die Sonde sollte automatisch ihr Triebwerk zünden, ein Eingreifen von der Missionskontrolle aus war nicht vorgesehen und spätere Versuche, dies zu umgehen scheiterten. Radaraufnahmen zeigten aber das die Solarzellen vollständig entfaltet waren.

Der Bericht der Untersuchungskommission, führt als primäre Ursache den simultanen Reboot von zwei „Arbeitskanälen“ (Elektronikmodulen) des Bordcomputers aus. Verantwortlich für den Reboot waren Ausfälle von Elektronikkomponenten durch kosmische Strahlung, die wiederum nur möglich waren, weil nicht weltraumtaugliche Teile verwendet wurden. Es handelte sich im Detail um 512 K x 32 Bit SRAM-Chips des Typs WS512K32V20G2TM, die in beiden Platinen des Bordcomputers verbaut waren. Diese Chips sind nicht strahlengehärtet, lediglich strahlentolerant. Sie genügen der „Militärspezifikation“ für den Einsatz in Flugzeugen oder Lenkwaffen. Das bedeutet, sie sind auch etwas strahlentoleranter, da Flugzeuge in der Stratosphäre einer höheren Strahlenbelastung ausgesetzt sind. Sie sind allerdings nicht für den dauerhaften Einsatz im Weltraum vorgesehen. Der Einsatz wäre noch tolerierbar für Kurzzeitmissionen von einigen Tagen Dauer, nicht jedoch für eine mehrjährige Marsmission.

Inoffizielle Äußerungen von Ingenieuren sagten aus, dass ein Großteil der 90.000 Chips weder auf Weltraumtauglichkeit geprüft wurde, noch dafür qualifiziert war. Weiterhin sei die Software schlampig programmiert worden und viele westliche Experten halten Softwarefehler für die wahrscheinlichere Ursache, weil ein Ausfall durch einen Strahlenschaden innerhalb weniger Stunden doch sehr unwahrscheinlich ist, selbst bei strahlungstoleranten Chips.

Luna 25 folgte als nächste Raumsonde Russlands erst 14 Jahre später, im Jahre 2025. Ihr Ziel war wesentlich weniger ambitioniert: sie sollte neue Landemethoden erproben und wissenschaftliche Untersuchungen an der Landestelle machen. Eine ESA-Beteilligung wurde nach dem Überfall auf die Ukraine 2022 wieder zurückgezogen. Die Sonde absolvierte auch zuerst ihr Flugprogramm wie die bisherigen Lunas auch: Eine Sojus brachte sie in eine Transferbahn zum Mond. Nach zwei Kurskorrekturen schwenkte sie in eine erste Mondumlaufbahn ein die dann durch eine weitere Zündung in eine annähernd kreisförmige Bahn in 100 km Höhe zirkularisiert wurde. Der nächste Schritt ist das Absenken des mondnächsten Punktes auf 18 km Höhe. Aus dieser Bahn heraus würde dann die Landung erfolgen. Doch der Antrieb arbeitete anstatt 84 Sekunden über 127 Sekunden lang, der mondnächste Punkt der Umlaufbahn sank so unter die Mondoberfläche und nach wenigen Minuten schlug so Luna 25 auf der Mondoberfläche auf.

Offensichtlich gibt es auch 30 Jahre nach Phobos 1+2 keinerlei Absicherung in russischen Raumsonden gegen Fehlfunktionen. Wenn die Brenndauer bekannt ist, warum gibt es nicht einen Backup-Timer, der 1 Sekunde nach der nominellen Brenndauer die Triebwerke abschaltet? Es gab zur ganzen Zeit eine Funkverbindung zur Erde, warum greift dann die Bodenkontrolle nicht ein?

Bei allen drei Verlusten gibt es eine gemeinsame Ursache: Der Hersteller Lawotschkin hat die Projekte nicht gegen Fehlfunktionen abgesichert bzw., die Raumschiffe kann man nur als unausgereift und flugtauglich bezeichnen.

Platz 2: Mars Polar Lander und Mars Climate Orbiter

Die NASA hat sich wirklich Mühe gegeben, Platz 2 meiner persönlich Liste zu Erreichen. Er geht an die beiden Marsraumsonden des Jahres 1998. Die Ursache des Scheiterns war zwar unterschiedlich, aber letztendlich doch auch nicht. Beides sind Sonden des Discoveryprogramms und sie mussten noch billiger werden als ihre Vorgänger. 1996 hatten der Orbiter Mars Global Surveyor und der Marslander Pathfinder noch ein Budget von 230 und 265 Millionen Dollar, so lag es nun bei 150,9 und 165 Millionen Dollar. Der Mars Climate Orbiter MCO sollte weitere Backzup-Experimente des 1993 verlorenen Mars Observers zum Mars transportieren. Der Mars Polar Lander MPL war der erste einer geplanten Serie von weiter entwickelten Landern. Pathfinder hatte 1997 eine neue Landmethode mit Airbags erprobt die nun der Standard werden sollte.

Als der Mars Climate Orbiter am 23.9.1999 in die Marsumlaufbahn eintreten sollte, begann er sein Triebwerk zu feuern. Fünf Minuten später verschwand er hinter dem Mars und 29 Minuten danach käme der MCO aus dem Funkschatten heraus, doch er antwortete nicht mehr. Eine Untersuchung ergab dann eine fast schon skandalöse Ursache. Der MCO hat ein einzelnes Solarpanel und ist daher unsymmetrischer aufgebaut als andere Raumsonden. Das Paneel führt durch den Strahlungsdruck der Sonne zu Kursabweichungen, die regelmäßig korrigiert werden müssen. Zur Berechnung lieferte der Hersteller der Sonde Lockheed-Martin eine Excel-Tabelle. Deren Ausgabewerte sind in imperialen Einheiten also z.B. beim Schub als „Pounds of Force“ zu interpretieren. Die NASA arbeitet aber im wissenschaftlichen Bereich mit dem SI-System wie bis auf drei Nationen (USA, Myamar, Liberia) die ganze Welt, also bei Schub mit der Einheit Newton. Die Daten die sie an die Sonde übermittelte waren daher um den Faktor 4,45 zu hoch. Die Raumsonde überkompensierte und näherte sich so dem Mars auf 57 anstatt 140 bis 150 km. In dieser Höhe ist die Atmosphäre so dicht, dass sie den Mars Climate Orbiter der sie mit 5-6 km/s durchfliegt beschädigen kann. Das ergab auch eine Computersimulation, die danach mit den Angaben der Tabelle durchgeführt wurde.

Es gab, das zeigte auch der Untersuchungsbericht Warnungen von den Ingenieuren, welche die Bahn überwachten und die Forderung die Bahn nochmals zu korrigieren. Doch dies wurde von der Missionsleitung ignoriert. Diese Leitung war zu unerfahren und auch personell unterbesetzt – eine folge des Sparkurses im Discoveryprogramm.

Einige Monate später stand am 3.12.1999 die Landung des Mars Polar Landers an. Er hatte während der Landung keine Funkverbindung, sollte sich erst nach der Landung melden. So sparte man 5 Millionen Dollar für einen Sender ein. Das tat er nicht, sodass man lange Zeit keine Ursache für das Scheitern ausmachen konnte. Da er aber der erste einer Serie war und der nächste Lander für das Startfenster 2001 schon vorbereit wurde, bekam man die Fehlfunktion doch noch heraus. Ende Januar 2000 begann man bei Lockheed Martin mit den Tests der Hardware des 2001 er Landers. Die Landebeine haben einen Sensor, der signalisiert, ob sie Bodenberührung haben. Es zeigte sich bei Tests, dass dieser auch ausschlägt, wenn die Beine in 1500 m Höhe ausgeklappt werden. Als der MPL in 40 m Höhe angekommen war, wurde der Sensor ausgelesen und er gab zurück, dass die Sonde den Boden berührt habe, worauf der Computer das Triebwerk abschaltete und Mars Polar Lander mit 80 km/h anstatt 9 km/h auf dem Boden aufschlug. Der Mars Polar Lander wurde durch den harten Aufprall beschädigt oder zerstört.

Eine Untersuchungskommission stellte fest, dass man die Sensoren von MPL vorher testete, als sie nicht reagierten, überprüfte man die Verkabelung und stellte Fehler fest, wiederholte den Test aber nicht mehr. So konnte der Softwarefehler nicht erkannt werden. Ein Softwarepatch hätte das Problem gelöst. Er hätte nur den Sensor abfragen und rücksetzen müssen. Der Absturz war vermeidbar und die Ursache waren letztendlich Probleme des Programms. Das war auch das Resümee der Untersuchungskommission der beiden Verluste der Sonden.

Die Landesonde von 2001 wurde so zuerst eingemottet und das Disovceryprogramm grundlegend gewandelt. Es bekam jetzt eine adäquate Finanzierung. Der nächste Orbiter, Mars Odyssey zum Beispiel zusätzlich die Mittel die für die Landesonde von 2001 gedacht waren. Psyche als letzte Raumsonde des Discoveryprogramms hat z.B. ein Gesamtbudget von 961 Millionen Dollar, dreimal so viel wie die NASA für MPL und MCO zusammen ausgab. Den zweiten Lander, der ursprünglich 2001 gestartet werden sollte, wurde erst 2007 als Phoenix auf den weg gebracht – nun mit 420 Millionen Dollar fast dreimal so teuer wie der MPL.

Platz 1: Mars 4-7

Platz 1 stand für mich nie zur Diskussion. Denn warum sollte man eine Raumsonde starten, wenn man schon vor dem Start weiß, das sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht funktionsfähig am Ziel ankommt?

Genau das tat sie Sowjetunion 1973. Sie wähnte sich immer noch im Wettlauf mit den USA, diesmal um die Erforschung des Mars. Sie wollte vor den USA einen Lander absetzen. 1971 scheiterte dies bei Mars 2+3. 1973 wollte man der Viking Mission zuvorkommen, weil man wusste, das deren Lander technisch viel ausgeklügelter als die eigenen Exemplare waren. Bei den Startvorbereitungen stellte man fest, dass ein bestimmter Transistor in der Stromverteilung eine erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeit hatte. Als man beim Hersteller nachforschte, stellte sich heraus, dass dort die Kontaktpins aus Gold durch welche aus Aluminium ersetzt wurden um das Edelmetall einzusparen, die einen Ausfall wahrscheinlicher machen. Das Problem war das diese Transistoren oft verwendet wurden, das Stromverteilungssystem war „gefüllt“ mit ihnen. Schon ein einziger ausgefallener Transistor kann dann ein ganzes Subsystem lahmlegen. Die Projektverantwortlichen plädierten daher für eine Verschiebung des Starts auf 1975, doch die politische Führung wollte ihre Erstleistung und so wurden die Raumsonden gestartet, so wie sie waren.

Es kam wie zu erwarten: Mars 4, ein Orbiter hatte vor dem Erreichen des Mars einen Ausfall des Systems für das Haupttriebwerk und flog so am Mars vorbei, anstatt in eine Umlaufbahn einzuschwenken.

Mars 6 sollte einen Lander absetzen. Bald nach dem Start fiel die Kommunikation aus, sodass Mars 6 nun alles autonom durchführen musste. Das klappte sogar. Doch der Lander von Mars 6 schlug hart mit rund 200 km/h auf, die Ursache ist bis heute ungeklärt.

Auch bei Mars 7 fielen zwei von drei Kommunikationskanälen aus, der Lander wurde vier Stunden zu früh abgetrennt und flog am Mars vorbei.

Lediglich der Orbiter Mars 5 erreichte einen Marsorbit. Er arbeitete aber nur über 22 Umläufe. Ursache war hier nicht ein Ausfall der Elektronik, sondern er verlor Druckgas. Die Sowjetunion brachte die gesamte Ausrüstung in einem Druckbehälter unter, dieser wurde mit Stickstoff gefüllt und dieser durch Ventilatoren umgewälzt. Diese Technik garantierte erdähnliche Bedingungen, es mussten keine ausgeklügelten Lösungen für das Thermalmanagement gefunden werden. Durch den Druckverlust überhitzten aber die Instrumente nach drei Wochen.

In der Summe hatte man mit vier Sonden einen Teil des Arbeitsprogramms eines Orbiters erreicht, aber auch nicht die gewünschte Erstleistung. Mit einem Start von Sonden, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit schon vor Erreichen des Mars ausfallen, hat sich das sowjetische Raumfahrtprogramm Platz 1 redlich verdient.

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