Die glorreichen 10 – die besten europäischen Trägerraketen
Da nun die ESA ihren 50-sten Geburtstag feiert will ich mal meinen Senf dazu geben und zwar in Form einiger folgen der allseits beliebten reihe – die glorreichen 10. Diesmal geht es um die besten europäischen Träger. Die Auswahl ist diesmal sehr einfach, denn es gibt genau 10 Trägerraketen, die jemals in Europa entwickelt wurden. Die Reihenfolge bzw. der Rang ist eine persönliche Einstufung, also nicht nach der Technik oder dem kommerziellen Erfolg. Es geht also mehr um Sympathie bzw. Vertrautheit, denn einige Projekte wurden abgeschlossen, bevor ich mich für die Raumfahrt interessierte. Wie immer führen die Links auf die Website wo es zu diesem Thema wirklich gute Aufsätze gibt.
Platz 10: Europa
Die Europarakete auf den letzten Platz zu stellen ist relativ einfach und konsequent, denn man hat bei dem Projekt so ziemlich alles falsch gemacht, was nur ging. Die federführende ELDO hatte eigentlich keine echte Befugnis. Jeder Staat arbeitete an einer Stufe und es haperte so an gegenseitigen Absprechen, was zu mindestens zwei Fehlstarts führte. Wenige Jahre nach Projektbeginn, also die Rakete komplett noch nie geflogen war, knirschte es schon bei den beteiligten Nationen. England die anfangs den größten Teil der Finanzierung stellten wollten ausstiegen, die Franzosen wollten gleich zu einer neuen Rakete wechseln. Schließlich stieg England ganz aus und man verlegte daher auch die Starts von Woomera in Australien das England durchgedrückt hatte, nach französisch Guyana. Erfolgreich wurde das Projekt dadurch nicht, Als der einzige Start einer Europa II vom CSG aus scheiterte beerdigte man die Europa und die ELDO gleich mit.
Platz 9: Black Arrow
Auch die Black Arrow ist ein Beispiel, wie man es nicht macht. England wollte eine eigene Trägerrakete. Sie hatten mit der Blue Streak, im Wesentlichen ein Nachbau der Atlas A sogar eine dafür geeignete Stufe, scheuten aber die Kosten und so wurde die Blue Streak zur ersten Stufe der Europarakete. Jahrelang war der britischen Regierung die Rakete zu teuer, erst als diese wechselte, kam das Projekt in Gang. Die Black Arrow ist eine Modifikation der Höhenforschungsrakete Black Knight, die in der zweiten Stufe verkürzt und in der ersten Stufe erweitert wurde. Von vier Starts waren nur zwei orbital, ebenso scheiterten zwei der Starts, was den Einsatz weiter verzögerte, da mit der Finanzierung nur ein Start pro Jahr möglich war. Als der letzte Start und einzige Start in einen Orbit, gelang wurde dann auch das Projekt beerdigt. An dem Desinteresse an der Raumfahrt hat sich bis heute nicht viel geändert. So zahlt das vereinigte Königreich vergleichsweise wenig an die ESA, nur etwas mehr als das viel kleinere Belgien und auch das nationale Raumfahrtprogramm ist sehr übersichtlich.
Platz 8: Ariane 6
Ich denke, nun kommt für viele die erste Überraschung im Ranking. Nein, ich bin von Ariane 6 dem aktuellen Modell nicht überzeugt. Das beruht darauf, dass ich es für unnötig halte. Die Ariane 5 ist im Prinzip eine modernisierte Ariane 5. Die Oberstufe wurde zum Beispiel schon für die Ariane 5 ME geplant. Das Wesentliche an der Rakete ist das man die Produktion effizienter gestaltet hat sowie vieles der aktuellen Technik angepasst hat wie z. B. die Herstellung von Teilen im 3D-Druck. Dafür hätte man keine neue Trägerrakete entwickeln müssen. Aber wegen des Systems des geografischen Rückflusses waren Umstrukturierungen in der Produktion bei einer bestehenden Rakete eben nicht möglich. Daneben finde ich sie auch technisch nicht überzeugend. So hätte man für die Oberstufe einen kleineren Durchmesser ansetzen können. Bei den Vorschlägen gab es auch eine für eine Oberstufe mit 4 m Durchmesser und 4 t Leergewicht – die aktuelle Oberstufe schätze ich auf 7+ t Leergewicht, sonst kommt man nicht auf die angegebene Nutzlast. Der gleiche Durchmesser vereinfacht die Produktion, das ist klar, aber er führt zu einem sehr ungünstigen Oberfläche/Volumenverhältnis und damit unnötig schweren Tanks. Daneben ist es so wie bei früheren Trägern: erst entwickelt man eine Basisversion, dann mit weiteren Milliarden Euros upgradet man diese Version, anstatt es gleich richtigzumachen und nicht zuletzt ist mir nicht verständlich, warum die Entwicklung so lange gebraucht hat, länger als die der Ariane 5 und diese war eine komplette Neuentwicklung.
Platz 7: Diamant
Die Diamant landet auf Platz 7 nur aus einem Grund – ich habe keinen persönlichen Bezug zu ihr, weil ihr letzter Flug schon stattfand bevor ich mich für Raumfahrt interessierte. Anders als die Black Arrow wurde die Diamant aber konsequent entwickelt. Die ungewöhnliche Technik mit der die Triebwerke arbeiteten, stammt vom Deutschen Karl Heinz Bringer der auch für andere Triebwerke im französischen Raketenprogramm verantwortlich ist so für die Zweitstufe der Europa Coralie und selbst bei den Viking Triebwerken findet sein Patent der Wassereinspritzung im Gasgenerator noch Anwendung. Mit der Diamant wurde Frankreich im Jahre 1965 die dritte Nation die einen eigenen Satelliten mit einer selbst entwickelten Trägerrakete startete. Die Diamant wurde rund zehn Jahre lang in drei Versionen eingesetzt. Von den 15 Starts gelangen 12, was für einen neu entwickelten Träger einer Nation ohne die Erfahrung im Bau von militärischen Raketen eine gute Quote ist, dabei wurde die Nutzlast glatt verdoppelt. Aufgegeben wurde die Diamant, um Mittel für die Ariane Entwicklung freizusetzen.
Platz 6: Ariane 5
Auch die Ariane 5 ist nicht so viel besser platziert als ihre Nachfolgerin. Ökonomisch kann ich den Wechsel von der Ariane 4 zur 5 verstehen und sie ist auch billiger als diese gewesen. Was mich ärgert, ist die inkonsequente Entwicklung und das sich Deutschland wieder mit anspruchslosen Aufgaben abspeisen ließ. Dabei war bei Entwicklungsbeginn der kommerzielle Erfolg von Ariane 1-4 ja schon da. Ariane 5 krankte von Anfang an daran, dass man die Mittel für ihre Entwicklung die viel teurer als die von Ariane 1 war nur bekam, weil sie als Träger für Hermes auserkoren war. Anstatt dass man für die Transporte in den GTO dann eine geeignete Oberstufe entwickelte, begnügte man sich mit der kleinen EPS, die der Rakete nicht angemessen war. So steckte man weitere Milliarden in ein Evolution Programm mit der ESC-A Oberstufe, verbesserten Boostern und vergrößerten Tanks und neuem Vulcain Triebwerk. Hätte man sich schenken können, wenn man es gleich von Anfang an richtig gemacht hätte. Immerhin: diese Evolution Variante konnte im Laufe der Zeit von 9,6 auf 10,9 t GTO Nutzlast gesteigert werden. Bei anderen Firmen sinkt die Nutzlast ihrer Träger dagegen von der Ankündigung bis zum Einsatz. Manchmal sogar dramatisch.
Platz 5: Vega
Die Vega ist eigentlich eine italienische Rakete mit französischer Beteiligung. Deutschland wollte sich nicht beteiligen, weil es ja so die Argumentation des DLR, russische Raketen wie die Rockot für den Start von Satelliten in dieser Größenklasse gibt. Das ist bis heute so. Technisch ist die Rakete eigentlich sehr gut gemacht, für eine Feststoffrakete durch das ukrainische Triebwerk in der letzten Stufe sehr flexibel. Gerade der Ukrainekrieg zeigt aber auch, dass die Abhängigkeit von einem Nicht-EU Staat fatal ist. Ebenso stehen die russischen Raketen nun ja auch nicht mehr als Alternative zur Verfügung. Insgesamt leidet die Vega durch eine ziemlich große Konkurrenz in ihrem Nutzlastbereich und drei Fehlstarts bei bisher 26 Starts, der erste erst nach 14 erfolgreichen Flügen sollten nicht sein.
Platz 4: Ariane 2
Mit Ariane 2 kommen wir nun zur Spitzengruppe, die eines gemeinsam hat. Als ich mich für Raumfahrt interessierte und noch jung und begeisterungsfähiger war, waren diese Modelle aktuell. So sind sie einfach wegen der emotionalen Bindung die Spitzenreiter. Ariane 2 und 3 können eigentlich gemeinsam einen Platz teilen, denn sie sind beide ein Upgrade der Ariane 1. Man hat in ihnen Reserven ausgenutzt, die man während der Entwicklung feststellte. Die Viking Triebwerke wurden etwas schubstärker, ebenso das HM-7 Triebwerk der dritten Stufe die so auch etwas mehr Treibstoff aufnahm. Ariane 2 und Ariane 1 – die sich nur leicht im Äußeren unterscheiden, halte ich auch für die optisch schönsten europäischen Raketen. Die leichten Verbesserungen führten bei der Ariane 2 immerhin dazu, dass die Nutzlast von 1860 auf 2180 kg in den GTO anstieg und damit die Ariane 2 gleichauf mit dem aktuellen Atlas Centaur in der Nutzlast war und so Aufträge für den Start von schweren Satelliten wie der Intelsat VA Serie an Land ziehen konnte. Der Start von Einzelsatelliten war denn auch ihre Aufgabe.
Platz 3: Ariane 3
Die Ariane 3 unterscheidet sich von der Ariane 2 nur durch zwei seitlich angeflanschte Feststoffbooster die nicht mal die volle Länge ausnutzen konnten, sonst wären sie zu schwer gewesen. Damit es keine Änderungen bei den Startanlagen gab, man also Ariane 2 und 3 von derselben Startrampe wie der Ariane 1, ELA 1 aus starten konnte, wurden die Booster erst einige Sekunden nach dem Start gezündet, damit ihre Flammen den Starttisch nicht beschädigten. Der zusätzliche Schub führte zu der Steigerung der Nutzlast auf über 2,6 t in den GTO. Damit war die Ariane 3 leistungsfähig genug um gleichzeitig zwei Satelliten der Delta 3925 zu starten, dem damaligen Arbeitspferd der US-Trägerindustrie. Dies geschah mit einer Doppelstartvorrichtung. Dieses Feature ist bis heute Bestandteil aller europäischen Trägerraketen, auch die Vega hat eine solche Möglichkeit. Bei den vielen Konzepten für die Ariane 6 kam mal die Überlegung auf, darauf zu verzichten und so auf mehr Starts zu kommen, letztendlich verwarf man dies aber wieder. Ariane 2+3 waren eine kurzfristige Zwischenlösung bis die Ariane 4 einsatzbereit waren, absolvierten zwischen 1984 und 1989 aber 17 Starts von denen 15 gelangen.
Platz 2: Ariane 1
Als ich mich für Raumfahrt zu interessieren begann, so im zweiten Halbjahr 1980, hatte Ariane 1 gerade ihren zweiten Start hinter sich, der in einem Fehlschlag endete, kurz darauf hatte das Space Shuttle seinen Jungfernflug und vor dem dritten Start von Ariane 1 schrieb die Presse, das Europa eine neue Rakete entwickelt, die schon vor Abschluss der Entwicklung technisch veraltet wäre, während man in den USA schon an der Zukunft arbeitet mit einem vollständig wiederverwendbaren System. Vieles an dem ist auch richtig, aber es zählt eben nicht die Technik, sondern der Startpreis und der stimmte. Die NASA musste ihren Preis für Satellitentransporte kürzen, damit dieser nicht noch mehr Aufträge an Arianespace verlor und die US-Konkurrenz bei den Trägerraketen konnte erst recht nicht mithalten.
Ariane 1 wurde entworfen um der Atlas Centaur Konkurrenz zu machen. Die Nutzlast war dann sogar noch höher als die optimistisch geschätzten 1.700 kg. Für Ariane 1 wurde auch die Doppelstartstruktur Sylda entwickelt, die gleichzeitig zwei Nutzlasten der Delta 2000-er Serie transportieren konnte. Sie kam aber vornehmlich bei den Nachfolgemodellen zum Einsatz. Die ESA rechnete mit Aufträgen von Staaten, die dasselbe Problem wie Europa hatten – Kommunikationssatelliten wollte die NASA nicht starten, wenn man mit ihnen Geld verdienen konnte, das war auch der Grund, warum Ariane entwickelt wurde. Das man dann auch Aufträge aus den USA bekam, damit rechnete keiner. Mit ihr begann eine europäische Erfolgsstory.
Platz 1: Ariane 4
Über Platz 1 muss ich nicht lange nachdenken. Denn während ich bei den Upgrades von Ariane 5 und 6 einiges zu kritisieren habe, hat man bei Ariane 4 alles richtig gemacht. Man nehme eine Ariane 3, und verlängere die erste Stufe etwas. Dann konstruiert man mit einem Erststufentriebwerk als Antrieb einen Booster, den man an die erste Stufe anhängen kann. Die von der Ariane 3 bekannten Feststofftriebwerke können auch eingesetzt werden, auch sie wurden verlängert. Schon hat man die Ariane 4. Kleinere Optimierungen gab es bei der Oberstufe und Nutzlastsektion. Zudem hat man einen neuen Startplatz, ELA 2 eingeweiht, der nun – man rechnet anders als bei Ariane 1 mit einer größeren Nachfrage aus dem Ausland – es erlaubt die Startvorbereitungen und den Zusammenbau der Rakete zu trennen, wodurch sich die maximale Startzahl verdoppelt von 6 auf 12 Starts pro Jahr. Ariane 4 war so ein vielseitiger Träger der zwischen 2.700 und 4.400 kg (später durch Optimierungen auf 4.900 kg ansteigend) in den GTO bringen konnte und so auf die Nutzlast zugeschnitten werden konnte. Die Konfiguration mit zwei Boostertypen und (anders als bei ihren Nachfolgern) auch die Fähigkeit ohne Booster zu starten, ergab sechs Konfigurationen. 116-mal von 1988 bis 2003 in 15 Jahren wurde die Rakete eingesetzt. Ariane 5 brauchte für 117 Einsätze dagegen 27 Jahre.
Wo ist die OTRAG? 🙂